Theologe mit leidenschaftlicher Nachdenklichkeit
Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Klaus Engelhardt wird 90
Er hatte in den 1990er Jahren das höchste Amt innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland inne. Auch im Ruhestand treiben Altlandesbischof Klaus Engelhardt die innerkirchlichen Entwicklungen und der Ukraine-Krieg um.
Karlsruhe (epd). Er gilt als offen, freundlich, feinsinnig und Theologe mit „leidenschaftlicher Nachdenklichkeit“. Am 11. Mai wird der frühere badische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Klaus Engelhardt, 90 Jahre alt. Er stammt aus einer badischen Pfarrersfamilie und wurde 1932 in Schillingstadt (Main-Tauber-Kreis) geboren. Den Blick über den Kirchturm hinaus in Gesellschaft und Politik hat der rüstige Theologe noch immer.
Sorgen macht ihm etwa der Ukraine-Krieg. Engelhardt befürchtet, dass der Krieg durch Lieferungen von schweren Waffen weiter eskalieren könnte und fordert eine Neudiskussion evangelischer Friedensethik. Schon zu seiner Amtszeit als EKD-Ratsvorsitzender von 1991 bis 1997 waren ihm neben den Themen Frieden und Gerechtigkeit auch die Bewahrung der Schöpfung sowie Geschlechtergerechtigkeit wichtig.
Engelhardt gilt als „Motor und Steuermann“ beim Zusammenführen der evangelischen Kirchen in Ost und West nach der deutschen Wiedervereinigung. Seine Vermittlung war auch gefragt bei den innerkirchlichen Auseinandersetzungen über die Gestaltung der evangelischen Militärseelsorge. Als Ratsvorsitzender setzte er sich zudem für neue Strukturen und Reformen im deutschen Protestantismus ein und schlug mehr Kooperation der Landeskirchen vor.
Auch mit der katholischen Kirche suchte der Theologe, der von 1980 bis 1998 Landesbischof in Baden war, den Dialog. In seine Amtszeit fiel etwa das gemeinsame Sozialwort der Kirchen „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, das 1997 veröffentlicht wurde. Wiederholt plädierte er etwa für die Zulassung konfessionsverschiedener Ehepartner zur Eucharistie in der katholischen Kirche.
Dabei blieb der für seine Offenheit und Liberalität geschätzte Bischof basisnah. So stand er regelmäßig in badischen Gemeinden auf der Kanzel. Der frühere badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh bezeichnet Engelhardt als freundlich, ausgleichend und feinsinnig. Er sei ein „Theologe mit leidenschaftlicher Nachdenklichkeit“, dem das „Balancieren zwischen Kirche und Welt“ gelungen sei.
Engelhardt studierte Theologie in Göttingen, Basel und Heidelberg. Von 1966 bis 1980 lehrte er als Professor für Evangelische Theologie und Pädagogik und als Rektor an der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg.
Einer seiner früheren Studenten ist der badische Synodalpräsident Axel Wermke. Dieser würdigt Engelhardt als exzellenten Theologen: „richtungsweisend, gründlich in den Überlegungen und Vorbereitungen“. Auch als Hochschulprofessor sei Engelhardt „geduldig und zielgerichtet, vor allem auch wertschätzend und motivierend“ gewesen.
Das Nachdenken über biblische Texte ist Engelhardt auch im Ruhestand wichtig. Das sei nicht nur für Theologen, sondern „für jeden Christenmenschen“ wichtig, betont er und bezeichnet sich selbst als „bibelversessen“. Aufgabe der Kirche sei es, von der biblischen Botschaft ausgehend, zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. „Wir müssen die Kanzel auch außerhalb der Kirchen suchen“, sagt Engelhardt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Den Blick über die Kirche hinaus hat er selbst oft gewagt - beispielsweise bei Gottesdiensten im Karlsruher Museum ZKM oder beim Blick in den Himmel. So beobachtete Engelhardt die erste Mondlandung 1969 mit dem Fernglas, wie sich sein Sohn Markus Engelhardt, Pfarrer an der Dresdner Frauenkirche, erinnert. Der Blick seines Vaters durchs Fernglas sei aber nicht in den Himmel gerichtet gewesen, sondern auf das nachbarliche Wohnzimmer, wo eines der damals seltenen TV-Geräte die Mondlandung übertrug.
Von Christine Süß-Demuth (epd)