Grafik "Christentum und Judentum"

Was haben Christen und Juden gemeinsam?

Die häufigsten Fragen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden

Christinnen und Christen sowie Jüdinnen und Juden haben vieles gemeinsam: Sie glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat, dass Gott Israel erwählt, es aus der Knechtschaft befreit und einen Bund mit Israel geschlossen hat. Und, ganz wichtig: Jesus war Jude! Mehr zu Gemeinsamkeiten, aber auch zu den Unterschieden zwischen beiden Religionen erfahren Sie hier.

Beten Christ:innen und Jüdinnen:Juden zu demselben Gott?

Ja. Die Gläubigen beider Religionen beten zu dem Gott, der die Welt erschaffen hat und dann mit Abraham und dessen Nachkommen mit Israel einen Bund geschlossen hat, der bis heute gilt. Dieser Gott hat das biblische Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit und Mose die Gebote übergeben. Diese Zehn Gebote sind auch für die christlichen Kirche Richtschnur. Beide Religionen glauben, dass die Gnade Gottes den Menschen immer wieder neu geschenkt wird.

Worin bestehen die Gemeinsamkeiten der christlichen und jüdischen Religion?

Judentum und Christentum sind wie der Islam monotheistische Religionen: Jüdinnen und Juden und Christinnen und Christen glauben also an nur einen einzigen Gott. Christinnen und Christen sowie Jüdinnen und Juden glauben, dass Gott die Welt erschaffen hat, dass Gott Israel erwählt, es aus der Knechtschaft befreit und einen Bund mit Israel geschlossen hat. Obwohl die Menschen immer wieder gegen seine Gebote verstoßen haben, ist er ihnen treu geblieben und hat Gnade walten lassen. Außerdem glauben Jüdinnen:Juden wie Christ:innen an einen Messias, also einen Retter, der am Ende der Zeit (wieder)erscheinen wird.

Worin bestehen Unterschiede zwischen den Juden und Christen?

Christ:innen glauben an Gott, wie er als Vater, Sohn und Heiliger Geist wirkt. Aus jüdischer Perspektive ist Gott ein einziger, der keine Kinder hat. Für Jüdinnen:Juden ist Gott als einer bekannt (5.Mose, 4+5), der seinen Geist ausgießt (Joel 3).

Im Judentum gibt es Speisevorschriften – so dürfen unter anderem milchige und fleischige Gerichte nur getrennt voneinander gegessen werden, weil „das Böcklein nicht in der Milch der Mutter gekocht werden soll“. Solche, das Glaubensleben gestaltende Speisevorschriften, finden sich in anderer Form im Christentum wieder, zum Beispiel freitags kein Fleisch zu essen.

Christ:innen glauben daran, dass Jesus Christus die Menschen durch seinen Tod am Kreuz erlöst und mit Gott versöhnt hat. Dieses Geschehen befreit Christ:innen zum Tun in der Welt. Im Judentum geht es darum, selbst dafür zu sorgen, dass der Bund, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat, nicht gebrochen wird.

Jüdinnen:Juden hoffen bis heute auf das Kommen des Messias, eines Retters, der der Welt Frieden bringen wird – so wie es von biblischen Propheten vorhergesagt wurde. Christ:innen sind überzeugt, dass der vor rund 2000 Jahren geborene Jesus von Nazareth Gottes Sohn ist, der die Menschen zur Umkehr und damit zur Rettung der Welt (Reich Gottes ist nah) aufruft. Diese Rettung steht auch im Christlichen noch aus. Deshalb beten Christ:innen zu Gott im Vater Unser „dein Reich komme“. Ein schöner jüdischer Witz zu dieser Differenz lautet sinngemäß: Wenn der Messias kommt, fragen wir ihn: „Warst du schon mal da?“ Wenn er sagt „Ja“, dann hattet ihr Recht, wenn er sagt „Nein“, dann wir.

Haben Jüdinnen:Juden und Christ:innen dasselbe Glaubensbekenntnis?

Nein. Die Glaubensbekenntnisse im Judentum und Christentum unterscheiden sich deutlich. Das zentrale Glaubensbekenntnis im Judentum ist das „Schma Jisrael“. Es lautet: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer“ (5. Mose 6,4). Dieses Bekenntnis betont den Glauben an einen einzigen, unteilbaren Gott.
Im Christentum gibt es mehrere Glaubensbekenntnisse. Das Bekannteste ist das „Apostolische Glaubensbekenntnis“ aus dem vierten Jahrhundert. Es beschreibt den Glauben an Gott, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Zentral ist der Glaube an Jesus Christus, der als Gottes Sohn die Welt erlöst hat.   

Haben Christ:innen und Jüdinnen:Juden dieselbe schriftliche Grundlage (Bibel)?

Teilweise. Für Jüdinnen:Juden ist die Tora heilig. Sie umfasst die fünf Bücher Mose und enthält die Grundlagen des jüdischen Glaubens. Darin finden sich viele Erzählungen zum Beispiel über die Erschaffung der Welt oder über die Befreiung der Israelit:innen aus der Sklaverei in Ägypten. Außerdem auch Grundsätze wie die Zehn Gebote. Die Tora ist der erste Teil des Tanach, einer Sammlung von Schriften, die Christ:innen als das „Alte Testament“ kennen und in dem sich noch weitere für Jüdinnen:Juden und Christ:innen wichtige Schriften finden, zum Beispiel die Psalmen oder die Bücher der Propheten.

Für Christ:innen ist neben dem „Alten Testament“ das „Neue Testament“ von Bedeutung, das von Jesus erzählt und voller alttestamentlicher Bezüge und Zitate ist. Es ist nur im Kontext des zeitgenössischen Judentums zu verstehen.

Warum heißt es „Altes“ und „Neues Testament“?

Auch den ersten Christ:innen galten zunächst die Tora und die anderen Schriften des Tanach als heilige Schrift. Sie nannten sie wie im Judentum oft einfach „die Schriften“, „das Gesetz“ oder „das Gesetz und die Propheten“. Später zählten die Christ:innen auch die Berichte über das Leben Jesu (Evangelien), (Paulus-)Briefe und einige weitere Schriften gemeinsam mit dem „Alten Testament“ zur Bibel, ihrer Heiligen Schrift. „Testament“ ist das griechische Wort für „Bund“. Im Neuen Testament wird der Bund mit Israel durch den neuen Bund mit den Völkern ergänzt.  

Warum ist es problematisch, vom „Alten“ und „Neuen“ Testament zu sprechen?

Nachdem sich die frühe Christenheit etabliert hatte und sich vom Judentum abgrenzte, wurde die Bezeichnung „Altes Testament“ oft mit der Vorstellung von „überholt“, „nicht mehr aktuell“ oder „nicht mehr gültig“ verbunden. Durch die Zeiten hindurch behaupten Christ:innen und Theolog:innen immer wieder, Gott habe sich vom Volk Israel abgewandt und den alten Bund aufgelöst. Was Gott einst den Israelit:innen versprochen habe, gelte nun für die christliche Kirche (als neues Volk Gottes). Aber: Von einer Ablösung des „Alten Bundes“ durch einen „Neuen Bund“ in Christus kann nicht die Rede sein. Um eine abwertende Interpretation des Wortes „alt“ in diesem Zusammenhang zu vermeiden, sprechen einige Theolog:innen heute lieber vom „Ersten Testament“ oder der „Hebräischen Bibel“.

Dürfen Christ:innen Jüdinnen:Juden missionieren?

Nein. Christ:innen respektieren die Religionsfreiheit. Jüdinnen:Juden dürfen selbstverständlich aus freier Entscheidung zum christlichen Glauben konvertieren, so wie Christ:innen zum jüdischen Glauben. Kritisch sieht die Evangelische Kirche in Deutschland organisierte Formen der Judenmission. „Alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen, widersprechen dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der Erwählung Israels“, heißt es dazu in einer Erklärung der Evangelischen Kirche in Deutschland aus dem Jahr 2016.

Dürfen Jüdinnen:Juden Christ:innen missionieren?

Im Judentum wird davon ausgegangen, dass auch Menschen anderen Glaubens ein gottgefälliges Leben führen können. Daher fühlen sich Jüdinnen:Juden nicht dazu aufgerufen, andere Menschen durch eine Bekehrung „retten“ zu müssen. Das Judentum war nie eine missionarische Religion. Wenn, dann lernen andere Menschen die jüdische Religion im persönlichen Kontakt mit Jüdinnen:Juden kennen und können dann auch zum Judentum konvertieren.

War Jesus Christ oder Jude?

Jesus war Jude, am 8. Tage nach der Geburt beschnitten. Am 1. Januar begehen protestantische Gemeinden den Tag der Beschneidung Jesu. Er lebte in der jüdischen Tradition und hat sich nie von seinem Volk losgesagt. Er kannte die heiligen Schriften des Judentums und legte sie aus, wie es jüdische Lehrer:innen tun. Das Christentum entwickelte sich erst nach Jesu Tod und Auferstehung. Jesus-Gläubige Jüdinnen:Juden wie Heid:innen waren überzeugt, dass Jesus Christus „der Weg zum Vater“, also zu Gott, sei.

Wollte Jesus, dass alle Menschen Christ:innen werden?

Nein. Da Jesus selbst kein Christ war, kann er dies auch nicht gewollt haben. Er wünschte sich aber, dass möglichst viele Menschen von Gott und seinem bereits hier und jetzt angebrochenen Himmelsreich erfahren, sich selbst und die Nächsten lieben und ihre Prioritäten im Leben entsprechend setzen.

Welche Bedeutung hat Jesus im jüdischen und im christlichen Glauben?

Christ:innen sehen in Jesus den Sohn Gottes und den Messias, der auf die Welt kam, um die Menschen mit Gott zu versöhnen. Nach jüdischem Glauben können Menschen nicht göttlich sein, daher ist Jesus für Jüdinnen:Juden nicht der Sohn Gottes. Auch der Messias ist Jesus nach jüdischem Glauben nicht, denn er hat die Welt nicht so grundlegend verändert, wie es vom Messias erwartet wird. Jüdische Religionswissenschaftler:innen sehen in Jesus vor allem den Juden und einen Lehrer, der den Menschen den Glauben an den Gott Israels nahegebracht hat. Zum Beispiel nannte der jüdische Religionsphilosoph Schalom Ben-Chorin ihn „Bruder Jesus“.

Judentum und Christentum sind monotheistische Religionen. Jüdinnen:Juden glauben also an nur einen einzigen Gott, von dem man sich zwar kein Bildnis machen soll, der aber oft mit menschlichen Eigenschaften beschrieben und als Vater oder Mutter bezeichnet wird.

Aus jüdischer Perspektive ist Gott ein einziger, der keine Kinder hat. Christ:innen glauben an Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist.

Welche Gemeinsamkeiten haben jüdische und christliche Gottesdienste?

Der christliche Gottesdienst weist viele Verbindungen zum Gottesdienst in der Synagoge
auf. Christinnen und Christen beten seit dem ersten Jahrhundert die Psalmen Israels. Sie singen auf Hebräisch „Halleluja“, „Hosianna“ und „Amen“. Texte aus der ganzen Bibel werden gelesen und ausgelegt. Mit dem priesterlichen Segen, der auch in der Synagoge gesprochen wird, beschließen sie jeden Sonntag ihren Gottesdienst: „Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig. Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.“ (4 Mose 6,24-26)    

Dürfen Christ:innen und Jüdinnen:Juden gemeinsam beten und Gottesdienst feiern?

Dagegen spricht für viele nichts. Für einige bietet sich dafür das jüdisch geprägte Vaterunser an: „Im Vaterunser fließt das Herzblut Jesu, den Juden als ihren Bruder erkennen und Christen als ihren Messias bekennen können“, meinen etwa gemeinsam der Landesrabbiner Moshe Navon und der Neutestamentler Thomas Söding. Das wird aber so nicht von allen Juden und Christen geteilt.

Ist das Christentum aus dem Judentum entstanden?

Ja, das Judentum ist die Wurzel des Christentums, denn es fußt auf dem jüdischen Glauben und der Geschichte der Juden mit Gott. Der Apostel Paulus bezeichnet die Christ:innen als „eingepfropfte Zweige“ am Stamm des Judentums und mahnte: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!“ (Römer 11,18) Die Tauglichkeit des Bildes ist infrage zu stellen, da das Judentum mit dieser Metapher fast immer unter die Erde verbannt und als rein historisch dargestellt wird. Vielmehr ist das Judentum gegenwärtige Schwester des Christentums.

Gehören Christ:innen und Jüdinnen:Juden zum Volk Gottes?

Der Tora zufolge hat Gott mit dem Volk Israel einen Bund geschlossen, der bis heute gilt. Christ:innen behaupteten lange (einige tun es noch immer), dass der „alte“ Bund Gottes mit den Jüdinnen:Juden durch Jesu Kreuzestod durch einen „neuen“ Bund ersetzt worden sei. Die Kirche und nicht die Jüdinnen und Juden seien nun also das Volk Gottes. Diese Theologie ist antijudaistisch. Sie widerspricht den Aussagen des wegweisenden ersten jüdisch-christlichen Theologen und Pharisäers Paulus, demzufolge der Bund Gottes mit den Jüdinnen und Juden nicht aufgehoben worden sei (Römer 9-11).
Für Christ:innen ist das von Jesus eingesetzte Abendmahl ein Zeichen dafür, dass Gott sie in seinen Bund aufgenommen hat.

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