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Anhang: Zur Präimplantationsdiagnostik
Zur Präimplantationsdiagnostik
Im Zusammenhang mit der hier beschriebenen Thematik stellt die Präimplantationsdiagnostik ein neues Verfahren dar. Dieses Verfahren wird medizinisch, juristisch und ethisch kontrovers diskutiert. Die Präimplantationsdiagnostik verbindet die genetische Diagnostik mit der In-vitro-Fertilisation. Dabei werden Zellen des im Reagenzglas entstandenen Embryo genetisch untersucht, bevor der Embryo in die Gebärmutter eingesetzt wird (sog. Embryotransfer). Handelt es sich um Zellen, die für sich geeignet sind, ein vollständiges Individuum hervorzubringen (sog. totipotente Zellen), ist eine solche Diagnostik nicht erlaubt. Ein weiteres Problem ist, wie mit Embryonen umgegangen wird, bei denen ein Defekt nachgewiesen wurde. Wenn sie vernichtet würden, wäre dies ethisch nicht zu rechtfertigen und nach dem Embryonenschutzgesetz eine "mißbräuchliche Verwendung": Leben, das durch eine künstliche Befruchtung erzeugt wird, darf nicht wieder zerstört werden. Das Embryonenschutzgesetz geht davon aus, daß vorgeburtliches Leben auch in seinem Frühstadium unverfügbar ist und verbietet daher ausnahmslos jede Verwertung eines künstlich erzeugten Embryos zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck. Diese rechtliche Situation wird aber aufgrund folgenden Sachverhaltes infrage gestellt: Würde der untersuchte erkrankte Embryo der Schwangeren eingepflanzt, dürfte er anschließend unter bestimmten Voraussetzungen (sog. medizinische Indikation) abgetrieben werden.
Erst dann, wenn bei der Präimplantationsdiagnostik die zu untersuchenden Zellen nicht mehr totipotent (also in einem Stadium von mehr als 8 Zellen) sind, wären sie im Sinne des Gesetzes keine Embryonen mehr und unterlägen nicht dessen Schutzbestimmungen. Aber auch dann besteht das Problem der Indikation für eine In-vitro-Fertilisation, ohne die eine Präimplantationsdiagnostik nicht möglich ist. Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer darf eine In-vitro-Fertilisation nur aus Gründen der Sterilität durchgeführt werden. Eine Präimplantationsdiagnostik an nicht-totipotenten Zellen wäre also nur dann anwendbar, wenn die Indikation für die In-vitro-Fertilisation aus Gründen der Sterilität erfolgt ist. Bislang ist dies noch nicht geschehen, denn es bleibt umstritten, ob der Embryo, bei dem eine Störung festgestellt wird, vernichtet werden darf. Dies ist ein in Deutschland weder ethisch noch rechtlich gelöster Konflikt. In den USA und im europäischen Ausland (England, Italien, Spanien und Belgien) werden dagegen die Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik praktiziert und sind rechtlich nicht verboten.
Als Argument für die Präimplantationsdiagnostik wird angeführt, daß dadurch Eltern die Chance erhalten, frühzeitig zu erkennen, ob sich befürchtete Risiken realisiert haben. Eine Diagnose vor Eintreten einer Schwangerschaft gilt als weniger belastend. Einem späteren Schwangerschaftsabbruch könnte auf diese Weise durch einen Verzicht auf den Embryotransfer vorgebeugt werden. Mit Blick auf die betroffene Frau ist dies aus medizinischen und psychologischen Gründen sicherlich ein gewichtiges und ernstzunehmendes Argument.
Gegen die Präimplantationsdiagnostik sprechen insbesondere folgende Argumente:
- Bei der Präimplantationsdiagnostik an totipotenten Zellen handelt es sich in Deutschland um einen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz, das von der Überzeugung ausgeht, daß dem menschlichen Embryo bereits vom Zeitpunkt der Befruchtung an Menschenwürde sowie ein Recht auf Leben zukommt. Er muß daher schon im allerfrühesten Stadium vor Instrumentalisierung und Vernichtung geschützt werden.
- Wenn mehr Embryonen erzeugt werden, als für eine Übertragung erforderlich sind, stellt sich die Frage, was mit den überzähligen als normal befundenen Embryonen geschieht. Dürfen die als krank befundenen Embryonen vernichtet werden? Niemand wird eine Frau zwingen können, sich einen geschädigten Embryo einpflanzen zu lassen. In keinem Fall würden aber die zu Untersuchungszwecken abgetrennten, ggf. totipotenten Zellen erhalten bleiben.
- Auch kann eine Schädigung des "Restembryos" durch den Abspaltungsvorgang und durch die - während der Untersuchung notwendige - Konservierung nicht ausgeschlossen werden. Angesichts dessen besteht die Möglichkeit, daß zwar keine genetisch bedingte Erkrankung festgestellt wird, der Restembryo aber geschädigt worden ist, so daß er letztlich nicht übertragen werden kann.
- Die Herstellung von Embryonen mit dem Ziel, genetisch defekte Embryonen auszusortieren, setzt die Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben voraus.
- Bei der Präimplantationsdiagnostik befindet sich der Embryo losgelöst von seinen Eltern, insbesondere der Mutter, auf dem Labortisch in den Händen Dritter, womit weitere Manipulationsmöglichkeiten eröffnet werden. Eine solche Diagnostik steht in Widerspruch zur Lehre der römisch-katholischen Kirche, die eine In-vitro-Fertilisation grundsätzlich ablehnt. Auch die evangelische Kirche rät von der In-vitro-Fertilisation ab, so daß auch hier erhebliche Bedenken gegen die Präimplantationsdiagnostik bestehen.
- Das neue Abtreibungsrecht, in dem der Gesetzgeber bewußt auf die Formulierung einer embryopathischen Indikation verzichtet hat und nur noch eine medizinische Indikation im Hinblick auf das Wohl der Schwangeren vorsieht, trägt der Präimplantationsdiagnostik nicht Rechnung. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte nämlich nicht die Erbkrankheit des Kindes als Grund für eine Abtreibung herangezogen werden können, sondern allein die Überforderung der Schwangeren.
Häufig wird die Präimplantationsdiagnostik als eine vorverlegte Pränataldiagnostik angesehen und ethisch als solche bewertet. Hier ist aber darauf hinzuweisen, daß die Präimplantationsdiagnostik gegenüber der pränatalen Diagnostik eine andere ethische Handlungsqualität aufweist. Pränatale Diagnostik wird nicht ausschließlich mit dem Ziel durchgeführt, Embryonen mit einer genetischen Krankheit abzutreiben, sondern sie hat auch lebenserhaltende Motivationen. Das selektive (auswählende) Vorgehen ist bereits bei der Anwendung der pränatalen Diagnostik fragwürdig und ethisch höchst bedenklich. Es verschärft sich noch einmal bei der Anwendung der Präimplantationsdiagnostik, die allein auf die Selektion von menschlichem Leben ausgerichtet ist. Es werden dabei bewußt Embryonen erzeugt, um unter ihnen die geeignetsten auswählen zu können.
Die In-vitro-Fertilisation wurde entwickelt, um kinderlosen Eltern den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen. In Verbindung mit der Genforschung kann sie nun den Wunsch nach einem bestimmten Kind erfüllen. Immer neue Diagnosemöglichkeiten wecken schließlich das Verlangen, sowohl die eigene Gesundheit als auch die der Kinder zu garantieren. Es ist nicht vorauszusehen, ob künftig bei jeder In-vitro-Fertilisation eine ganze Palette an Tests durchgeführt wird, wenn schon der Umweg über das Labor notwendig wird. Es könnte darum gehen, daß nicht nur schwere genetisch bedingte Erkrankungen, sondern alle möglichen Abweichungen ausgeschlossen werden. Bahnt sich hier nicht eine neue Eugenik an, bei der nur noch Menschen nach bestimmten Vorstellungen zur Welt kommen dürfen?
Die Präimplantationsdiagnostik scheint also gegenwärtig mehr Probleme zu schaffen, als sie löst. Über die Grenzen der Forschung im Blick auf das ungeborene menschliche Leben muß grundsätzlich ethisch nachgedacht werden. Im Blick auf das Embryonenschutzgesetz stellt sich die Frage einer rechtlichen Regelung dieses Bereiches.