Kompetenzen und Standards für den evangelischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen
Ein Orientierungsrahmen
8. Zukünftige Herausforderungen
Angesichts der Pluralität und Heterogenität der Schülerinnen und Schüler im BRU ist eine pluralitätsfähige Religionsdidaktik hier besonders dringlich.[1] Insbesondere im Blick auf Schülerinnen und Schüler ohne konfessionelle Bindung besteht die Aufgabe, vor dem Hintergrund der christlichen Tradition Deutungsmuster des Lebens im beruflichen wie auch privaten Bereich plausibel in den unterrichtlichen Diskurs einzubringen. Allgemein-transzendenzbezogene Fragen nach Sinn und Orientierung, nach Lebensgrenzen, nach Tod und Hoffnung können sich dabei als anschlussfähig für die Deutungen und Überlieferungen der christlichen Tradition erweisen. Des Weiteren ist es erforderlich, die religiöse und weltanschauliche Heterogenität der Schülerinnen und Schüler als didaktisches Potential der Lerngruppen für authentisch-interreligiöse Begegnungen zu nutzen und diese als Bereicherung erfahrbar zu machen. Dabei sollte das notwendige interreligiöse Lernen „konsequent als Wechsel zwischen Innen- und Außenperspektive konzipiert werden, sodass die Schülerinnen und Schüler durch die Auseinandersetzung mit dem anderen und Fremden das Eigene besser verstehen und zugleich für andere offen werden bzw. bleiben.“[2]
Zusammen mit den anderen allgemeinbildenden Fächern an der berufsbildenden Schule steht der BRU vor der Herausforderung, seinen vorhandenen spezifischen Beitrag zur beruflichen Bildung und Handlungsfähigkeit fortlaufend zu plausibilisieren und weiterzuentwickeln. Voraussetzung hierfür ist neben der kontinuierlichen Unterrichtsentwicklung des BRU eine didaktische Profilierung im Gespräch mit der berufspädagogischen Forschung hinsichtlich der umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit. Die berufsorientierte Religionspädagogik steht so vor der Aufgabe, noch deutlicher zu akzentuieren, dass die Domänen der Wirtschaft, der Berufs- und Arbeitswelt auch Gegenstandsbereiche des theologischen Nachdenkens sind. Das gilt z. B. für Fragen nach dem Ethos von Beruf und Berufung, nach den theologischen Kriterien sowie den ethischen Maßstäben des Wirtschaftens, nach der Haushalterschaft des Menschen auf der Erde, nach den Bedingungen menschengerechter (Lohn-) Arbeit und globaler Arbeitsteilung und nach theologischen Leitlinien für ein sinnvolles Sozialleben in der postmodernen Gesellschaft. In diesem Zusammenhang ist es eine wichtige Aufgabe, auch das Gespräch der Kirchen mit den Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Parteien und anderen an der Berufsbildung beteiligten Gruppierungen fortzuführen und zu stärken.
Eine weitere Herausforderung ergibt sich für die berufsbildenden Schulen durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und der damit gesetzlich verankerten Förderung von Inklusion in allen Bereichen der Gesellschaft: Die berufsbildenden Schulen werden sich in Zukunft verstärkt darum bemühen müssen, allen Jugendlichen mit ihren unterschiedlichen Befähigungen und Ressourcen alle nötigen Fördermöglichkeiten bereitzustellen mit dem Ziel der Ausübung einer ihnen angemessenen Berufstätigkeit.[3]
Angesichts der großen Bedeutung des BRU für die Berufsbildung kommt ferner der Werbung sowie der Aus- und Weiterbildung von neuen BRU-Lehrkräften eine wegweisende Aufgabe für die Zukunft des BRU zu. Das Bemühen um einen qualifizierten evangelischen Religionsunterricht an der berufsbildenden Schule muss dabei einhergehen mit einem profilierten Kontakt zur Arbeits- und Berufswelt in Deutschland. Er wird auch in Zukunft eine wesentliche Aufgabe evangelischer Kirche bleiben.
[1] Vgl. Religiöse Orientierung gewinnen. S. 91ff.
[2] Ebd., S. 87.
[3] Vgl. Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.): Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 2015.