Zur Neuregelung des Kindschaftsrechts

II. Vorschläge für einzelne Regelungspunkte

1. Gleichstellung aller Kinder

Nach dem grundsätzlichen Ansatz soll die Ungleichheit zwischen Kindern in Abhängigkeit vom Familienstand ihrer Eltern aufgehoben werden.
Aus der Prämisse einer Sichtweise vom Kind her und vom Kindeswohl folgt, daß die systematische, begriffliche und inhaltliche Ungleichbehandlung von Kindern verheirateter und nicht verheirateter Eltern aufzuheben ist. Unterschiedliche Regelungen sind nur gerechtfertigt, soweit verschiedene Lebenssachverhalte dies erfordern. Solche Regelungen für Kinder nicht verheirateter Eltern müssen von der Zielsetzung bestimmt sein, ihnen hierdurch gleichberechtigte und chancengleiche Lebens- und Entwicklungsbedingungen zu verschaffen. Zukünftig ist konsequent zu vermeiden, Kindern nicht verheirateter Eltern ohne sachlich zwingende Gründe Sonderstellungen zuzuweisen. Hierzu gehört auch, die begriffliche Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern generell aufzugeben.

Die Gleichstellung aller Kinder muß in allen Rechtsbereichen einschließlich des Erbrechts vollzogen werden. Ebenso wie Kinder verheirateter Eltern müssen auch Kinder nicht verheirateter Eltern nicht nur nach ihrer Mutter, sondern auch nach ihrem Vater voll erbberechtigt sein. Der bereits vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die bisherigen Institute des Erbersatzanspruchs und des vorzeitigen Erbausgleichs zugunsten eines einheitlichen Erbrechts streicht, entspricht dieser Forderung.

2. Elterliche Sorge als gemeinsame Verantwortung

Elterliche Sorge als Teil des in Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz verfassungsrechtlich geschützten Elternrechts ist primär als Verantwortung zu verstehen. Es ist die der Rechtsordnung vorgegebene besondere Verantwortung der Eltern für ihr Kind. Elternrecht richtet sich als Abwehrrecht gegen Eingriffe von außen und korrespondiert zudem mit der Verpflichtung der staatlichen Gemeinschaft, die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung zu schützen und zu fördern. Das gilt für verheiratete wie für nicht verheiratete Eltern.

Im Verhältnis zum Kind sowie gegenüber dem anderen Elternteil überwiegt der Pflichtcharakter der elterlichen Sorge. Diese hat ihre ethische Grundlage in der Verantwortung, die Eltern für ihr Kind durch Zeugung und Geburt tragen. Diese Verantwortung wird nicht erst durch die rechtliche Elternsorge konstituiert: Sie trifft vielmehr jeden Elternteil, auch wenn ihm die Rechte und Rechtspflichten der elterlichen Sorge (noch) nicht zuteil geworden sind und wird ihm auch nicht abgenommen, wenn die Elternsorge rechtlich für ihn endet.

Das alles gilt nicht nur für jeden Elternteil allein, sondern auch im Hinblick auf die gemeinsame Verantwortlichkeit von Mutter und Vater. Die Gemeinsamkeit ihrer Verantwortung fordert von beiden, nicht nur den eigenen Sorgepflichten nachzukommen, sondern dem anderen Elternteil die Wahrnehmung seiner Elternsorge zu ermöglichen und ihn möglichst dabei zu stützen. Diese elterliche Verantwortung wird durch Gestalt und Schicksal der Beziehungen zwischen den Eltern nicht berührt, sie endet also nicht mit deren Trennung oder (bei verheirateten Eltern) mit der Scheidung ihrer Ehe.

Elterliche Verantwortung als ethisches Gebot reicht daher notwendig weiter als die rechtliche Elternsorge. Zum Wohl des Kindes als bestimmendem Maßstab müssen aber auch die rechtlichen Regelungen generell darauf gerichtet sein und so vollzogen werden, daß elterliche Verantwortung möglichst weitgehend in rechtlicher Elternsorge zum Ausdruck kommt. Das Kind braucht für seine Entwicklung und Persönlichkeitsbildung verläßliche Beziehungen zu beiden Eltern und hat ein Interesse an der Begründung und Erhaltung eines Höchstmaßes an Gemeinsamkeit mit Mutter und Vater. Das Recht der elterlichen Sorge muß daher in allen - gerade auch den kritischen - Lebenssituationen primär auf eine möglichst breite Einbindung beider Eltern in die Verantwortung für das Kind bedacht sein. Die rechtliche Ausgrenzung eines Elternteils ist möglichst zu vermeiden.

3. Stärkere Teilhabe der Väter an der Sorgeverantwortung

Um die Ungleichheit von Kindern, deren Eltern nicht verheiratet sind, zu denen, deren Eltern verheiratet sind, aufzuheben, muß es entgegen dem geltenden Recht auch die Möglichkeit des Sorgerechts für den Vater eines Kindes geben, der mit dessen Mutter nicht verheiratet ist. Grundsätzlich soll dabei folgendes gelten:

  • Die Zuordnung des Sorgerechts bei Geburt des Kindes muß wie bisher an die Mutter erfolgen.

    Nur diese Regelung sichert dem Kind von Geburt an eine zur Sorge berechtigte und verpflichtete Person, die von Anfang an zweifelsfrei feststeht, und in aller Regel das Kind auch tatsächlich betreut.

  • Ein gemeinsames Sorgerecht für die nicht verheirateten Eltern eines Kindes soll bei beidseitigem Einverständnis möglich sein.

    Im Interesse des Kindes sollte es beim alleinigen Sorgerecht der Mutter möglichst nicht bleiben. Vielmehr ist anzustreben, daß zukünftig auch der Vater gemeinsam mit der Mutter die Sorgeverantwortung übernimmt. Das geltende Recht, wonach der Vater nur unter der Bedingung zum Sorgerecht gelangen kann, daß es der Mutter zugleich genommen wird, muß umgekehrt werden. Auch nicht verheiratete Eltern müssen grundsätzlich ebenso wie geschiedene Eltern von der Rechtsordnung darin unterstützt (und nicht wie bisher behindert) werden, ihre beiderseitige Verantwortung für das Kind möglichst auch durch ein gemeinsames Sorgerecht wahrzunehmen.

    Dadurch sollen die Verantwortung des Vaters für das Kind gestärkt, das Kindeswohl gewahrt und zugleich die Belange der Mutter berücksichtigt werden. Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind, haben ebenso ein Recht auf Fürsorge beider Elternteile wie Kinder verheirateter Eltern.
     
    Allerdings kann hier ein gemeinsames Sorgerecht nicht so wie bei verheirateten Eltern kraft Gesetzes zugeordnet werden. Angesichts der großen Unterschiede in den konkreten, individuellen Lebens- und Beziehungsverhältnissen läßt sich hier das gemeinsame Sorgerecht nur auf den erklärten gegenseitigen Willen beider Eltern gründen. Folglich muß das Einvernehmen beider Eltern in Form einer übereinstimmenden Erklärung bzw. einer Zustimmung der Mutter vorliegen.
     
    Unter dieser Voraussetzung sollte einem Antrag auf gemeinsames Sorgerecht entsprochen werden, sofern das Wohl des Kindes dem nicht entgegensteht. Dabei ist sicherzustellen, daß die nicht verheirateten Eltern ausführlich über den Inhalt des gemeinsamen Sorgerechts und die damit verbundenen Verpflichtungen für das Kind aufgeklärt werden.

  • Mit Einwilligung der allein sorgeberechtigten Mutter soll das Sorgerecht zukünftig dem Vater Übertragen werden können.

    Dies hat zur Voraussetzung, daß die Mutter ihr Sorgerecht aufgibt. Mit Blick auf die prinzipiell gebotene Kontinuität und auf das Prinzip beiderseitiger Elternverantwortung sollte allerdings aus der Regelung deutlich werden, daß Änderungen von Sorgerechtsregelungen, die nicht zu gemeinsamer Elternverantwortung führen, nur zur Wahrung des Kindeswohls in Betracht kommen können.
     
    Zudem sollte auch in den Fällen, in denen die allein sorgeberechtigte Mutter verstirbt oder durch besondere Lebensumstände langzeitig an der Ausübung der Personensorge gehindert ist, dem Vater die alleinige Sorge übertragen werden können, wenn dieser hierzu bereit ist und die Übertragung nicht dem Wohl des Kindes widerspricht.

  • Kann eine bestehende gemeinsame elterliche Sorge nicht verheirateter Eltern nicht fortbestehen, etwa weil das zugrunde liegende Einvernehmen infolge einer Trennung weggefallen ist, muß sie durch eine dem Kindeswohl möglichst weitgehend entsprechende Regelung ersetzt werden.

    Das Gericht kann hiernach die Sorgerechtsentscheidung entweder für die Mutter oder für den Vater treffen; ausschlaggebendes Kriterium ist das Kindeswohl. Insoweit hat die gleiche Regelung zu gelten wie in den Fällen von Trennung und Scheidung verheirateter Eltern.

  • Zum weiteren Ist eine Entscheidung zu der Frage notwendig, ob und gegebe" nenfalls unter welchen Voraussetzungen der Vater auch gegen den Willen der allein sorgeberechtigten Mutter das alleinige Sorgerecht für sich durchsetzen kann.

    Gemeint sind Fälle, in denen die Mutter, die mit dem Vater nicht verheiratet ist, mit der Geburt des Kindes das alleinige Sorgerecht erhält, eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht zu realisieren ist und nunmehr der Vater mit dem Anspruch, dem Kind besser gerecht werden zu können, das Sorgerecht anstelle der Mutter zu erstreiten sucht.

    Eine solche Möglichkeit ist ohne weiteres zu bejahen, wenn der Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB) zuvor das Sorgerecht zu entziehen ist; dann fiept es nahe, vorrangig dem Vater das Sorgerecht zu übertragen.

  • Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob dem Vater eines Kindes, der mit dessen Mutter weder verheiratet ist noch war, über diese Fälle hinaus die alleinige Elternsorge soll übertragen werden können, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.

    Diese Frage sollte eher verneint werden unter der Überlegung, daß im Falle des Getrenntlebens oder der Scheidung der Ehe ein gemeinsames Sorgerecht bereits bestanden hat, das möglicherweise fortgesetzt werden kann, und daß dieses gemeinsame Sorgerecht auf einer personalen Beziehung zwischen den Eheleuten beruht, die bei nicht verheirateten Eltern nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Deswegen ist es grundsätzlich anders zu sehen, ob nach einer Zeit gemeinsamen Sorgerechts, wenn dieses nicht fortgesetzt werden kann, dem einen oder dem anderen der Eltern das Sorgerecht allein übertragen wird - auch mit der Möglichkeit späterer Korrektur -, oder ob der von Anfang an allein vertretungsberechtigten Mutter gegen ihren Willen das Sorgerecht entzogen wird. Auch wenn vom Kind her gedacht wird, gibt es gewichtige Gründe, bei nicht verheirateten Eltern, bei denen eine Einigung über ein gemeinsames Sorgerecht nicht zustande gekommen ist, der Mutter des Kindes das Sorgerecht nur zu entziehen, wenn das Kindeswohl bei ihr gefährdet ist.

    Nach einer abweichenden Meinung, der hier nicht gefolgt wird, sollte aus der - wo möglich großen - Mehrzahl der Fälle, in denen ein Kind nicht verheirateter Eltern am besten bei seiner Mutter aufgehoben ist, nicht ein rechtlicher Grundsatz hergeleitet werden, der dem Gericht verwehrt, in den - wenn auch vielleicht seltenen - Ausnahmefällen die dem Kindeswohl gemäße Regelung zu treffen. Der nicht verheirateten Mutter wird nach dieser Auffassung auch nicht dadurch ein Vorzug zuteil, daß sie mit der Geburt des Kindes kraft Gesetzes die elterliche Sorge erhält. Diese Regelung diene nicht ihrem eigenen Interesse, sondern dem des Kindes.

4. Gemeinsame Sorge bei Trennung und Scheidung

Dem grundlegenden Ziel, dem Kind möglichst viel Gemeinschaft mit beiden Eltern zu erhalten, kommt es am nächsten, wenn beide auch nach dem Zerbrechen ihrer eigenen Beziehung ihrer elterlichen Verantwortung nachkommen. Eine gemeinsame elterliche Sorge wird nur mit beiderseitigem Einverständnis möglich sein. Durch die Rechtsordnung muß den Eltern ihre Pflicht zur Wahrnehmung der gemeinsamen Verantwortung deutlich gemacht werden. Das sollte bereits dadurch geschehen, daß das Gesetz die gemeinsame, von der konkreten Sorgerechtsregelung unberührte Verantwortung der Eltern ausdrücklich ausspricht. Die Ersetzung einer bestehenden gemeinsamen Elternsorge durch eine andere Regelung sollte nur dann vorgesehen werden, wenn es erforderlich ist. Bei Scheidung einer Ehe ist also ohne gerichtliche Entscheidung von dem vorbestehenden gemeinsamen Sorgerecht auszugehen. Das Gericht entscheidet nur auf Antrag eines der Eheleute oder wenn es zur Abwehr oder Behebung von Nachteilen für das Kind erforderlich ist. Aber auch auf Antrag oder Anregung der betroffenen Kinder kann eine Entscheidung des Familiengerichts veranlaßt sein. Hierfür gelten dann die gleichen Maßstäbe wie in den Fällen, in denen die Kinder mit einem gemeinsamen Vorschlag der Eltern nicht einverstanden sind.

Darüber hinaus muß die Möglichkeit geschaffen werden, die gemeinsame elterliche Sorge durch Vereinbarung so auszugestalten, daß sie den Elternteil, der mit dem Kind zusammenlebt und seine alltägliche Betreuung übernommen hat, nicht unnötig belastet. Partielle Befugnisse des betreuenden Elternteils zur Alleinentscheidung und -vertretung sollen vermeiden, daß der andere Elternteil möglicherweise die gemeinsame Elternsorge zu Interventionen in die alltägliche Betreuung mißbraucht.

Wo mangels Einvernehmen der Eltern oder aus sonstigen Gründen eine gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet, muß auf Ausschöpfung der Möglichkeiten hingewirkt werden, die Beziehungen des nicht sorgeberechtigten Elternteils zum Kind und zum anderen Elternteil der gemeinsamen Sorge wenigstens anzunähern. Insbesondere müssen die Eltern mit der Möglichkeit vertraut gemacht werden, Vereinbarungen über die Ausgestaltung des Umgangs mit dem Kind, über den Austausch von Informationen über das Kind und über sonstige Teilhabe an dessen Leben zu treffen. Dabei kann Beratung helfen, die Bedingungen für eine dem Wohl des Kindes förderliche Wahrnehmung der Elternverantwortung zu schaffen; das Angebot der Vermittlung (Mediation) kann Eltern bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge unterstützen.

5. Sorgerecht anderer Personen als der Eltern des Kindes

Für das Wohl des Kindes ist es wichtig, daß gewachsene soziale Beziehungen kontinuierlich erhalten werden. Die Frage, ob andere die Sorge des Kindes übernehmen können, stellt sich z.B. bei Heirat des Elternteils, bei dem das Kind lebt, und der die elterliche Sorge hat. Hier ist es im Interesse des Kindes, sowohl die Bindungen zu seinem Vater (oder zu seiner Mutter), bei dem es nicht lebt, wie auch die Bindungen zum Ehemann der Mutter (oder der Ehefrau des Vaters) aufrecht erhalten zu können. Vom Kind her gesehen wird deutlich, daß die Beziehung zu Stiefvater oder Stiefmutter nicht an die Stelle der Beziehung zu Vater oder Mutter tritt, sondern es eine weitere, davon unterschiedene Bindung gibt. Auch diese Bindung bedarf rechtlichen Schutzes und rechtlicher Sicherung. Der mit dem Kind zusammenlebende Stiefvater (oder die Stiefmutter) muß berechtigt sein, den Personensorgeberechtigten in der Ausübung der elterlichen Sorge zu vertreten, wie dies z.B. für Pflegeeltern im Kinder? und Jugendhilferecht ausdrücklich geregelt ist.

Wenn eine starke Bindung des Kindes an den Stiefelternteil gewachsen ist, so muß dies auch dann berücksichtigt werden, wenn die Ehe zwischen dem leiblichen und dem Stiefelternteil keinen Bestand hat. Auch hier gilt, daß das elterliche Sorgerecht nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohles führen darf und daß gegebenenfalls das Vormundschaftsgericht das Verbleiben des Kindes bei dem Stiefvater oder der Stiefmutter anordnen muß. Auch insoweit muß der Rechtsgedanke, der die Anordnung des Verbleibs des Kindes in einer Pflegefamilie auch gegen den Willen des Personensorgeberechtigten ermöglicht, in diesem Fall entsprechende Anwendung finden.

6. Umgangsrecht

Der Umgang eines Kindes mit beiden Eltern - insbesondere mit einem nicht sorgeberechtigten Elternteil - muß auch als Recht des Kindes ausgestaltet werden. Diesem Recht muß eine Pflicht des betreuenden Elternteils entsprechen, dem Kind den Umgang mit dem anderen zu ermöglichen und mit ihm im Interesse des Kindes Kontakt zu halten. Ferner muß der andere Elternteil verpflichtet werden, mit dem Kind Umgang zu pflegen. Damit soll kein durchsetzbarer Anspruch begründet werden; das Gesetz muß dem nicht sorgeberechtigten Elternteil (zumeist dem Vater) aber vor Augen halten, daß das Kind den Umgang mit ihm braucht.

Das alles muß in gleicher Weise für Kinder nicht miteinander verheirateter Eltern gelten. Einer dem Kindeswohl entsprechenden Umgangsregelung stehen hier (auch wenn der betreuende Elternteil verheiratet ist oder in einer Partnerschaft lebt) keine grundsätzlich anderen Schwierigkeiten entgegen, als wenn die Eltern verheiratet (gewesen) sind. Die geltende Sonderregelung für den Umgang eines Kindes von nicht miteinander verheirateten Eltern mit seinem Vater muß daher entfallen.

Wenn es seinem Wohl dient, müssen Eltern ihrem Kind auch den Umgang mit anderen Personen - etwa seinen Großeltern - ermöglichen.

7. Gewaltfreie Erziehung

Viele Kinder leiden, weil Eltern und andere Betreuungspersonen im Rahmen der Erziehung Gewalt anwenden. Die Ursachen können darin liegen, daß die Erwachsenen dies in ihrer Kindheit und Jugend selbst nicht anders erfahren haben und der Auffassung sind, Gewalt sei ein akzeptables Erziehungsmittel. Oft jedoch ist es auch Hilflosigkeit und Überforderung. Deshalb können rechtliche Regelungen hier nur bedingt zur Abhilfe beitragen. Primär braucht eine gewaltfreie Erziehung Unterstützung durch beratende und begleitende Hilfsangebote. Insbesondere sind sozialpädagogische und psychologische Beratungssysteme bereitzustellen, in denen Kinder direkte Ansprechpartner haben.

Gesetzliche Verbote bzw. Gebote können solche sozialpädagogischen Maßnahmen unterstützen. Es wird deshalb die Absicht begrüßt, § 1631 Abs. 2 BGB dahingehend zu präzisieren, daß "körperliche und seelische Mißhandlung und andere entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig" sind. Allerdings muß dabei deutlich werden, daß Gewalt in der Erziehung auch unterhalb dieser Schwelle zu mißbilligen ist. Es wäre jedoch nicht sachgerecht, auch diese Mißbilligung strafrechtlich zu sanktionieren, so wie dies für § 1631 Abs. 2 BGB gilt. Deshalb sollte zusätzlich zur beabsichtigten Änderung des § 1631 BGB durch einen ergänzenden Programmsatz in § 1626 BGB ? der Grundnorm der elterlichen Sorge ? der Forderung nach Gewaltfreiheit in der Erziehung durch den prinzipiellen Verzicht auf den Gebrauch von Züchtigungsmitteln Ausdruck gegeben werden.

Ein solcher familienrechtspolitischer Schritt ist im übrigen mit einer deutlichen Intensivierung gesellschaftlicher Bewußtseinsbildung und gezielter Jugend-, Eltern- und Familienbildung zu verbinden, um Fähigkeit und Bereitschaft zum friedvollem Umgang mit Kindern in der Achtung ihrer Integrität und ihrer Grundrechte auf Entwicklung und Entfaltung zu fördern.

8. Abstammung

Nach geltendem Recht ist ein Kind "ehelich", wenn die Mutter bei seiner Geburt verheiratet ist oder die Auflösung ihrer Ehe (durch Tod des Ehemannes oder durch Scheidung) zur Zeit der Geburt höchstens 302 Tage zurückliegt. Der (frühere) Ehemann der Mutter wird dem Kind als Vater zugeordnet, ohne Rücksicht darauf, ob er es biologisch ist. Diese rechtliche Zuordnung kann nur durch Anfechtung der Ehelichkeit beseitigt werden. Diese Regelung, die im Grundsatz beizubehalten ist, bedarf in folgenden Punkten der Änderung:

  • Um die Ungleichheit zwischen Kindern verheirateter bzw. nicht verheirateter Eltern aufzuheben, ist davon abzusehen, die Zuordnung des Kindes zum Ehemann der Mutter als "Ehelichkeit zu kennzeichnen. Das Gesetz ist dahin zu fassen, daß Vater des Kindes der Ehemann der Mutter ist ("Vaterschaftsvermutung").

  • Die Erstreckung der Vaterschaftsvermutung auch auf die Kinder, die bis zu 302 Tagen (maximale gesetzliche Empfängniszeit) nach Auflösung der Ehe geboren werden, entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Daher wird das Vorhaben des Bundesministeriums der Justiz begrüßt, die Vermutung auf die bis zum Zeitpunkt der Ehescheidung geborenen Kinder zu beschränken.

  • Aus Gründen der Gleichbehandlung muß das bisher auf den Ehemann und das Kind beschränkte Anfechtungsrecht auch für die Mutter gelten. Darüber hinaus sollte geprüft werden, die einschränkende Voraussetzung für das Anfechtungsrecht des Kindes zu öffnen und ihm eine Anfechtung auch im späteren Leben noch möglich zu machen. Zudem sind die für die Anfechtungsklage im Interesse der Rechtssicherheit geltenden Fristenbestimmungen in einem Punkt einzuschränken: Es besteht kein öffentliches Interesse daran, Fristen festzulegen, wenn alle Betroffenen (Kind, Mutter und der als Vater geltende Mann) die Anfechtung begehren. In diesem Fall sollten Fristen als formelles Hindernis nicht gelten.

  • Auch mit den vorgeschlagenen Änderungen genügt die Regelung nicht in allen Fällen den Belangen der Beteiligten. Wenn die rechtliche Zuordnung zum leiblichen Vater im Interesse des Kindes liegt - häufig dann, wenn die Ehe der Mutter nach der Geburt des Kindes geschieden wird - darf das Recht dieser Zuordnung keine unnötigen Schwierigkeiten in den Weg stellen. Sind sich alle Beteiligten bewußt, daß nicht der (frühere) Ehemann der Mutter, sondern ein bestimmter anderer Mann der Vater des Kindes ist, kann davon ausgegangen werden, daß diese gemeinsame Annahme zutrifft. Ein gerichtliches Anfechtungsverfahren erscheint dann überflüssig.

  • Es sollte vielmehr genügen, daß der leibliche Vater des Kindes mit Zustimmung der Mutter, ihres (früheren) Ehemannes und des Kindes seine Vaterschaft anerkennt. Denkbaren Mißbräuchen, etwa zur Umgehung einer Adoption, läßt sich dadurch begegnen, daß das Kind bei der Erklärung seiner Zustimmung nicht durch die Mutter und den Ehemann, sondern durch eine Behörde vertreten wird oder daß die Zustimmung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf.

9. Reproduktionsmedizin

Der Wunsch nach einem leiblichen Kind kann in Menschen tief verwurzelt sein. Niemand kann sich anmaßen, Menschen, denen Kinder versagt sind, auf "Auswege" (z.B. Adoption) zu verweisen. Ebensowenig kann übersehen werden, daß die neuen Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zur Folge haben. Würde und Identität des Menschen sind - insbesondere auch aus der Sicht der so gezeugten und geborenen Kinder - unmittelbar berührt. Die Gewährleistung von Kindeswohl in dessen grundlegender Verankerung in den natürlichen Bedingungen der Menschwerdung ist im Kern tangiert. Die Auswirkungen technischer Eingriffe sowie die Folgen für die einzelnen und die Gesellschaft haben Ausmaße, welche das Menschenbild verändern können.

Die weitreichende Problematik der Reproduktionsmedizin (an anderen Stellen in Publikationen der EKD ausführlich dargestellt, z.B. "Würde werdenden Lebens", EKD-Texte 11, herausgegeben vom Kirchenamt der EKD, Hannover 1985) hat innerhalb der evangelischen Kirche zur Auffassung geführt, von Reproduktionstechniken im Blick auf die Zeugung menschlichen Lebens generell abzuraten. Die Synode der EKD hat diese Position 1987 ausführlich behandelt und ihr zugestimmt. Aus ethischen Gründen hat sie die Verwendung von Samenzellen oder Eizellen Dritter zur Überwindung der Unfruchtbarkeit nachdrücklich abgelehnt und für manche Reproduktionstechniken gesetzliche Verbote gefordert.

Unabhängig von dieser Grundauffassung ist die Rechtsordnung aber bereits heute damit konfrontiert, daß Kinder über den Weg der homologen und heterologen Insemination gezeugt werden. Aus Verantwortung für diese Kinder ist es notwendig, hier rechtliche Festlegungen und Regelungen zu treffen, um auch ihnen eine sichere personale und soziale Einbindung und Verantwortung zu sichern.

Somit müssen ungeachtet ethischer Beurteilungen und notwendiger Regelungen über Zulässigkeit und gegebenenfalls Durchführung von Fortpflanzungstechnologien auch eine ganze Reihe schwerwiegender familienrechtlicher Probleme gelöst werden. Die erforderlichen Regelungen haben sich generell an der Zielsetzung zu orientieren, Achtung und Würde des Menschen von Anfang an, d.h. auch schon vor Antritt der vollen Rechtsfähigkeit, zu schützen. Dazu gehört, daß auch bei Auseinanderbrechen der Einheit genetischer, biologischer und sozialer Elternschaft im Interesse des Kindeswohls klare familienrechtliche Zuordnungen in einer für das Kind sicheren und überschaubaren Familienkonstellation bestimmt werden müssen.

Mutter des Kindes ist allein die Frau, die das Kind austrägt und zur Welt bringt. Dies gilt auch in den Fällen sogenannter Ersatz- oder Leihmutterschaft. Nur wo es auf die genetische Abstammung ankommt, insbesondere beim Eheverbot unter Verwandten, ist der durch eine strafrechtlich verbotene Eispende entstandenen Beziehung Rechnung zu tragen.

Ein Ehemann, der sein Einverständnis zur heterologen Insemination bei seiner Ehefrau gegeben hat, übernimmt damit grundsätzlich eine Mitverantwortung für die Zeugung des Kindes. Es ist somit sachgerecht, daß ihm die Vaterschaft zugeordnet und für ihn das Recht zur Anfechtung der Vaterschaft ausgeschlossen wird.

10. Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung

Das Recht, die eigene Herkunft zu kennen, ist als Grundrecht des Kindes zu betrachten. Die Eltern müssen deshalb in der Lage und bereit sein, dem Kind über seine genetische Abstammung Auskunft zu geben.

Welche (insbesondere psychischen) Folgen die Kenntnis seiner Abstammung für das Kind hat, läßt sich vorher vielfach nicht überblicken. Die Entscheidung, ob Auskunft erteilt wird, muß daher bei dem Kind selbst liegen. Das bedeutet, daß das Kind die Auskunft erst in einem Alter verlangen kann, in dem es diese Entscheidung verantwortlich zu treffen vermag, und daß sie ihm nur mit seinem Willen erteilt werden darf. Seine Entscheidung, die Abstammung nicht erfahren zu wollen, muß respektiert werden.

Das Verlangen eines Kindes, die Person seines ihm bisher nicht bekannten Vaters zu erfahren, kann die Mutter in einen Konflikt bringen. Sie darf dem Kind die Kenntnis nicht aus egoistischen Gründen vorenthalten, sondern nur dann, wenn sie damit dem richtig verstandenen Wohl des Kindes dient. Solche Gründe können in der Person des Vaters liegen, aber auch das eigene Persönlichkeitsrecht der Mutter kann der Preisgabe des Vaters aus ihrer Sicht entgegenstehen. Die Konfliktlage, in die sie damit gerät muß besonderer Anlaß zum Angebot von Beratung und Betreuung sein.

11. Betreuungsunterhalt

Nach geltendem Recht kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (¾ 1570 BOB). Der entsprechende Anspruch einer nicht verheirateten Mutter (¾ 16151 Abs. 2 BGB) ist auf maximal ein Jahr nach der Entbindung begrenzt und zudem an engere Voraussetzungen geknüpft.

Zukünftig sollte für eine nicht verheiratete Mutter, von der wegen der Betreuung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, der Unterhaltsanspruch gegen den Vater des Kindes wesentlich erweitert werden.

Der Unterhalt muß der Mutter die Möglichkeit geben, das Kind zu betreuen. Zeitlich ist der Anspruch daher zu erstrecken, solange das Kindeswohl die Betreuung durch die Mutter verlangt. Der Höhe nach muß er den angemessenen Unterhalt der Mutter gewährleisten. Insgesamt muß er inhaltlich den Bedingungen genügen, die geschaffen werden müssen, damit Kinder in dieser Gesellschaft ein angemessenes Auskommen haben. Das gleiche gilt in den Fällen, in denen nicht die Mutter sondern der Vater das Kind betreut.

Mit Blick auf die zahlreichen Fälle, in denen bislang der Unterhalt von der Sozialhilfe geleistet wird, ist zu prüfen, ob und inwieweit der erweiterte Unterhaltsanspruch zu einem Rückgriff des Sozialhilfeträgers gegen den Unterhaltspflichtigen führen soll. Zudem wäre zu prüfen, wie Unterhaltsleistungen sich beim Pflichtigen steuerlich entlastend auswirken sollen.