Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I
Ein Orientierungsrahmen, EKD-Texte 111, 2011
4. Kompetenzen für den Evangelischen Religionsunterricht
Ein empirisch überprüftes Kompetenzmodell für den Religionsunterricht steht bislang nicht zur Verfügung (vgl. Einleitung). In theoretischer Hinsicht stellen die Kompetenzmodelle der bereits genannten Expertengruppe am Comenius-Institut sowie aus den Einheitlichen Prüfungsanforderungen im Abitur (EPA) eine wichtige Grundlage für die im Folgenden beschriebenen Kompetenzen dar. Darüber hinaus wurden die Lehr- und Bildungspläne in verschiedenen Bundesländern im Blick auf die darin implizit enthaltenen Kompetenzerwartungen ausgewertet. Bestimmend sind im Einzelnen als Bezugspunkte:
- die Erwartungen und Bedürfnisse von Jugendlichen, besonders im Blick auf ihre Fragen nach dem eigenen Glauben,
- die christliche Überlieferung und Lehre,
- andere Religionen und Weltanschauungen,
- religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Zusammenhänge im globalen Horizont.
Dazu kommen als prozessbezogene Kompetenzen religiöser Bildung:
- Wahrnehmungs- und Darstellungsfähigkeit (religiös bedeutsame Phänomene wahrnehmen und beschreiben),
- Deutungsfähigkeit (religiös bedeutsame Sprache und Zeugnisse verstehen und deuten),
- Urteilsfähigkeit (in religiösen und ethischen Fragen begründet urteilen),
- Dialogfähigkeit (am Dialog mit anderen Religionen und Weltanschauungen argumentierend teilnehmen),
- Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit (in religiös bedeutsamen Zusammenhängen handeln und mitgestalten).
Die beschriebenen Anforderungen an Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht geben zugleich Auskunft über die Ausgangspunkte, von denen her die Kompetenzen zu bestimmen sind. Die Kompetenzen beruhen auf dem evangelischen Verständnis religiöser Bildung, im Ausgang von reformatorischen Begründungen und mit Einbezug seines Wandels besonders seit der Aufklärung. An dieses Bildungsverständnis schließen die folgenden acht Kompetenzen für den Evangelischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe I als deren Konkretionen an:
- Den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen reflektieren.
- Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache verstehen.
- Individuelle und kirchliche Formen der Praxis von Religion kennen und daran teilhaben können.
- Über das evangelische Verständnis des Christentums Auskunft geben.
- Ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die christliche Grundlegung von Werten und Normen verstehen und begründet handeln können.
- Sich mit anderen religiösen Glaubensweisen und nicht-religiösen Weltanschauungen begründet auseinandersetzen, mit Kritik an Religion umgehen sowie die Berechtigung von Glaube aufzeigen.
- Mit Angehörigen anderer Religionen sowie mit Menschen mit anderen Weltanschauungen respektvoll kommunizieren und kooperieren.
- Religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären.