Schulen in evangelischer Trägerschaft - Eine Handreichung
Selbstverständnis, Leistungsfähigkeit und Perspektiven. Im Auftrag des Rates der EKD, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, 2008, ISBN 978-3-579-02388-5
3. Struktur und Leistung
3.1 Verbreitung evangelischer Schulen
Die statistischen Berichte zum Bildungswesen, die Grund- und Strukturdaten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bzw. des Statistischen Bundesamtes unterscheiden zwar zwischen staatlichen und freien Schulen; Schulen in konfessioneller Trägerschaft werden im Unterschied zu Waldorfschulen aber nicht eigens ausgewiesen. Die folgenden Zahlen und Daten greifen daher zusätzlich auf eigene statistische Erhebungen der evangelischen und katholischen Kirche zurück. Sie beziehen sich überwiegend auf die Jahre 1999 bis 2004. Die Analysen und Aussagen in den Kapiteln 3.2 und 3.3 basieren im Wesentlichen auf zwei Studien zu den allgemein bildenden evangelischen Schulen; sie dürfen daher nicht auf die berufsbildenden Schulen und die Förderschulen in evangelischer Trägerschaft übertragen werden, deren Vielfalt eigener Untersuchungen und Darstellungen bedürfte.
- In Deutschland werden in 988 evangelischen Schulen ca. 147.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Damit besuchen zurzeit ca. 1,2 Prozent aller Schüler/-innen in Deutschland eine Schule in evangelischer Trägerschaft. Etwas mehr als zwei Prozent (2,14 %) aller Schulen befinden sich in evangelischer Trägerschaft. Da evangelische Schulen häufig weniger Schüler/-innen haben als Schulen in staatlicher Trägerschaft, ist der Anteil der Schüler/-innen in Deutschland, die eine evangelische Schule besuchen, gemessen an der Gesamtzahl der Schüler/-innen geringer. Im Vergleich dazu besuchen ca. 365.930 Schülerinnen und Schüler (2,93 %) eine der ca. 1.134 katholischen Schulen (2,46 %).
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Nach Bundesländern differenziert ergeben sich nicht unerhebliche Unterschiede. In den westlichen Bundesländern sind 2,15 Prozent aller Schulen evangelische Schulen, in den östlichen Bundesländern liegt der Anteil mit 2,12 Prozent etwas niedriger. In manchen Bundesländern ist der Anteil der Schulen in kirchlicher Trägerschaft höher als im Bundesdurchschnitt, so in Berlin (2,49 %), Hamburg und Baden-Württemberg (2,47 %), Nordrhein-Westfalen (2,54 %) oder Brandenburg (2,43 %). Eine genaue Verteilung zeigt Tabelle 1.
Auch wenn der Anteil evangelischer Schulen zwischen einzelnen Regionen schwankt, besteht zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern kein wesentlicher Unterschied mehr. Aufgrund der zahlreichen Schulneugründungen in den östlichen Bundesländern nach der Vereinigung seit 1990 wurden dort über 200 Schulen gegründet liegt der Anteil solcher Schulen dort inzwischen sogar leicht über dem Durchschnitt des Westens. In den östlichen Bundesländern haben Kirchen, Gemeinden und Initiativgruppen vielfach unterstützt durch die Evangelische Schulstiftung in der EKD sowie durch die private Barbara-Schadeberg-Stiftung im vergangenen Jahrzehnt in dieser Hinsicht große Anstrengungen unternommen und eine beachtliche Zahl evangelischer Schulen gründen können (vgl. 2.1). Damit wurde ein wichtiger Beitrag für die Realisierung evangelischer Bildungsverantwortung durch eigene Schulen und für die Demokratisierung von Bildung durch die Überwindung des im Sozialismus gewachsenen staatlichen Bildungsmonopols geleistet.
Tabelle 1:
Allgemein bildende (inklusive sonderpädagogische) und berufliche Schulen in evangelischer Trägerschaft nach BundeslandSchulen in evangelischer Trägerschaft Absolut 2004 in % aller Schulen im Bundesland 2003/04 Baden-Württemberg 169 2,47 Bayern 135 2,14 Bremen 8 2,05 Hamburg 20 2,47 Hessen 77 2,31 Niedersachsen 101 2,00 Nordrhein-Westfalen 199 2,54 Rheinland-Pfalz 28 1,29 Saarland 1 0,16 Schleswig-Holstein 16 0,91 westliche Bundesländer 754 2,15 Berlin 40 2,49 Brandenburg 40 2,43 Mecklenburg-Vorpommern 33 2,32 Sachsen 60 2,32 Sachsen-Anhalt 32 1,32 Thüringen 29 2,15 östliche Bundesländer 234 2,12 Deutschland 988 2,14 -
Evangelische Schulen haben sich in nahezu allen Schularten und Schulformen entwickelt, als Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Fachoberschulen sowie integrierte oder kooperative Gesamtschulen oder Schulzentren. Sie sind dabei aber nicht in allen Bereichen gleichmäßig vertreten. Eine Übersicht gibt Tabelle 2.
Tabelle 2:
Schulen in evangelischer Trägerschaft in Deutschland nach SchulartAbsolut evangelisch 2004 in % aller Schulen in evangelischer Trägerschaft in Deutschland 2004 in % aller Schulen dieser Schulart in Deutschland 2003/04 Grundschulen 115 11,64 0,68 Hauptschulen 14 1,42 0,26 Orientierungsstufen 1 0,10 0,06 Realschulen 49 4,96 1,29 Gymnasien 84 8,50 2,68 Integr. Gesamtschulen/Schulen mit mehreren Bildungsgängen/Abendschulen und Kollegs 27 2,73 0,95 Förderschulen 214 21,66 6,15 Berufliche Schulen 484 48,99 5,49 Gesamt 988 100,00 2,14 Fast die Hälfte aller Schulen in evangelischer Trägerschaft sind berufliche Schulen (48,99 %). Die mehr als 35.000Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen werden überwiegend in sozialen und pflegerischen Berufen ausgebildet. Viele dieser Schulen sind an Krankenhäuser angeschlossen, andere gehören als Fachakademien, Fachschulen und Berufsfachschulen zu größeren Schulzentren oder sind selbständige Einrichtungen. Ein bemerkenswerter Anteil von 21,66 % der evangelischen Schulen sind Förderschulen für Schülerinnen und Schüler mit einem erhöhten Förderbedarf. Diese Schulen werden von rund 27.000 Schülerinnen und Schülern besucht. Der Schwerpunkt der evangelischen Schulen liegt damit im diakonischen Bereich sei es in der Ausbildung besonders benachteiligter Kinder und Jugendlicher oder sei es in der Ausbildung für diakonische Berufe. Das zeigt sich auch deutlich in Bezug auf die Gesamtzahl aller beruflichen Schulen bzw. Förderschulen. In diesen Bereichen liegt der Anteil evangelischer Schulen bei den berufsbildenden Schulen bei fast 5,5 % und bei den Förderschulen bei 6,15 %.
Der Anteil an Grundschulen/Orientierungsstufen und Hauptschulen ist demgegenüber verhältnismäßig gering, was auch auf die für den Grundschulbereich etwas schwierigeren Zulassungsmodalitäten zurückzuführen ist (vgl. 6.3).
Bei den weiterführenden allgemein bildenden Schulen ist der Anteil der Gymnasien der bedeutendste. Da diese Schulen häufig große Einrichtungen sind, liegt die Anzahl der diese Schulen besuchenden 47.500 Kinder und Jugendlichen deutlich über der anderer Schulen. Über die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler, die eine evangelische allgemeinbildende Schule besuchen, gehen auf ein Gymnasium.
Ebenfalls eher gering ist der Anteil der Hauptschulen. Ihre genaue Zahl lässt sich zudem nicht exakt bestimmen, weil bei Einrichtungen, die eine Grund- und Hauptschule verbinden, Schularten und Schülerzahlen nicht immer eindeutig zugeordnet werden können.
Ferner gibt es 35 Internate in evangelischer Trägerschaft mit ca. 3.700 Plätzen für 58 angeschlossene Schularten. Wegen der belasteten Situation vieler Familien erfreuen sich diese Einrichtungen großer Nachfrage.
- Diese Durchschnittszahlen können leicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedeutung konfessioneller bzw. evangelische Schulen in manchen Schularten in den einzelnen Bundesländern deutlich höher liegt. So sind beispielsweise 20,71 % der beruflichen Schulen und 15,45 % der Gymnasien in Nordrhein-Westfalen in konfessioneller Trägerschaft (d. h. entweder in evangelischer oder in katholischer Trägerschaft). Die konfessionellen Gymnasien haben hier ein ähnliches Gewicht wie beispielsweise die privaten Sekundarschulen in den USA. Dieser hohe sektorale Anteil von Schulen in konfessioneller Trägerschaft ist im öffentlichen Bewusstsein weithin nicht präsent, aber auch im Selbstverständnis der evangelischen Kirche nicht verankert.
- Der Anteil evangelischer Schulen am Bildungswesen ist in der jüngeren Vergangenheit insgesamt deutlich gestiegen. Die Schulgründungen der letzten fünfzehn Jahre in den östlichen Bundesländern sind dabei besonders bemerkenswert: Hier ist das Schulwesen in evangelischer Trägerschaft neu aufgebaut worden. Auch derzeit sind im evangelischen Schulwesen der östlichen Bundesländer weitere Zuwachsraten zu verzeichnen. So konnten dort von 1999 bis 2004 durch Neugründungen und Ausbau von Schulen die Anzahl der evangelischen Schulen um 30 Prozent (54 Schulen) und die Anzahl der Schüler um 37,09 Prozent (7.606 Kinder und Jugendliche) gesteigert werden. Auch in den westlichen Bundesländern sind Zuwachsraten zu verzeichnen. So stieg im selben Zeitraum die Anzahl der Schulen um 8,8 Prozent (61 Schulen) und die der Schüler um 16,31 Prozent (16.723 Kinder und Jugendliche).
3.2 Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft
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Schulen in evangelischer Trägerschaft wollen Kindern und Jugendlichen ein Bildungsangebot machen, das ihren individuellen Lern-, Entwicklungs- und Orientierungsbedürfnissen gerecht wird. Im Folgenden soll die Zusammensetzung der Schülerschaft im Blick auf die Kriterien Konfessions- und Religionszugehörigkeit, Migrationshintergrund, sozialer Hintergrund und Geschlecht näher beleuchtet werden.
Das Angebot evangelischer Schulen wendet sich zunächst an evangelische Kinder und Jugendliche, aber wie die tatsächliche Zusammensetzung der Schülerschaft an solchen Schulen belegt, können auch Kinder und Jugendliche mit anderer Konfessions- oder Religionszugehörigkeit sowie ohne eine solche Zugehörigkeit eine evangelische Schule besuchen. Vorausgesetzt wird allerdings die Bereitschaft, sich auf das evangelische Schulprofil einzulassen. In manchen Fällen wird seitens des Staates für die Genehmigung die Auflage erteilt, nahezu ausschließlich evangelische Schüler an evangelischen Schulen aufzunehmen (vgl. 6.3).
Über die genauen Anteile der verschiedenen religiösen und konfessionellen Zugehörigkeiten gibt es keine verlässlichen Daten. Eine nach repräsentativen Gesichtspunkten ausgewählte, faktisch aber nicht repräsentative Stichprobe für insgesamt sechs evangelische Schulen nennt folgende Verteilung (vgl. Tab. 3).
Tabelle 3:
Schülerverteilung nach Konfession und Religion, Angaben in ProzentSchüler West evangelische Schulen Schüler West Shell-Jugendstudie 2000 Schüler Ost ev. Schulen Schüler Ost Shell-Jugendstudie 200 Protestanten 72,4 36,9 39,7 16,3 Katholiken 19,3 39,7 14,9 3,0 Andere Christen 2,0 1,3 0,8 0,2 Nichtchristliche Religionen 1,5 9,0 -- 1,0 Ohne Bekenntnis 2,0 13,1 43,8 79,6 Quelle:
Standfest u.a. 2005. Gesamtstichprobe der Schüler aus evangelischen Schulen N = 373 Schülerinnen und Schüler. Die Vergleichsdaten aus der Shell-Jugendstudie resultieren aus eigenen Berechnungen auf Grundlage des Shell-Datensatzes aus dem Jahr 2000.Schulen in evangelischer Trägerschaft werden erwartungsgemäß von einem hohen Anteil evangelischer Schülerinnen und Schüler besucht. In den westlichen Bundesländern unterscheiden sie sich von Schulen in staatlicher Trägerschaft vor allem durch den geringeren Anteil von Muslimen sowie von Schülern ohne Bekenntnis. In den östlichen Bundesländern liegt der Anteil der konfessionslosen Schüler in der hier beschriebenen Stichprobe bei 40 %. Überproportional hoch ist dort der Anteil katholischer Schülerinnen und Schüler. Schulen in evangelischer Trägerschaft in den östlichen Bundesländern zeigten eine religiös heterogenere Schülerschaft, als dies in den westlichen Bundesländern der Fall war. Diese Tendenzen sind jedoch nicht verallgemeinerbar. Beispielsweise liegt der Anteil von Muslimen in evangelischen Schulen im Ruhrgebiet deutlich höher.
Für die Zusammensetzung der Schülerschaft an Förderschulen gelten andere Bedingungen, weil es für sie oft keine Alternative im staatlichen Schulbereich gibt.
Der Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund ist an evangelischen Schulen wie an allen Schulen in freier Trägerschaft geringer als an Schulen in staatlicher Trägerschaft. Dass sich die veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland in evangelischen Schulen generell nicht abbilde, kann gleichwohl nicht behauptet werden. Dies wird vor allem bei evangelischen Aussiedlern erkennbar, die sich vielfach bewusst für evangelische Schulen entscheiden. Evangelische Schulen und Einrichtungen haben nach 1945 im Bereich der Integration von Flüchtlingen und der Sprachförderung zahlreiche Erfahrungen gesammelt.
Eine repräsentative Untersuchung zu dieser Frage liegt bisher nicht vor. In der oben genannten Untersuchung von sechs Fallbeispielen unterschied sich die Zusammensetzung der Schüler in den östlichen Bundesländern von denen in staatlicher Trägerschaft im Hinblick auf den Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund (d. h. mit mindestens einem Elternteil, der nicht in Deutschland geboren ist) nicht. In den vier untersuchten Schulen im Westen war der Anteil der Migranten unterschiedlich: an einer Hauptschule betrug er 53 %, an einer anderen 26 % (der Durchschnitt bei deutschen Hauptschulen liegt bei 32 %); an einer Realschule 13 % sowie an einem Gymnasium 12 %. Diese Daten geben Anlass zu der Einschätzung, dass der Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund an evangelischen Schulen leicht unter den Werten staatlicher Schulen liegt, sich von ihnen aber nicht prinzipiell unterscheidet.
Gelegentlich wird von freien Schulen behauptet, sie betrieben implizit vornehmlich "Elitebildung". Zur Bildung einer Verantwortungselite beizutragen gehört tatsächlich zu den Zielen von Schulen in evangelischer Trägerschaft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das besondere Lernklima an solchen Schulen aus einer bewussten oder unbewussten Auswahl der Schülerschaft aufgrund des finanziellen Hintergrundes der Familie oder des sozialen Kapitals resultieren soll. Im Blick auf solche Behauptungen ist festzustellen, dass der Besuch einer solchen Schule stets eine bewusste Entscheidung der Eltern voraussetzt, was einen gewissen Auswahleffekt bedingt. Auch bei einer evangelischen Schule entscheiden sich Eltern für ein bestimmtes Profil. Auf diese Weise kann ein wirksames Erziehungsumfeld entstehen, in dem Schülerinnen und Schüler eine hohe Übereinstimmung zwischen heimischer und schulischer Erziehung erfahren. Allerdings betreffen die genannten Auswahleffekte nicht nur freie Schulen. Auch viele staatliche Schulen bedingen aufgrund ihres Profils und der elterlichen Entscheidung für sie eine Auswahl.
Im Blick auf den sozialen Hintergrund der Schülerschaft an Schulen in konfessioneller Trägerschaft (also evangelischen und katholischen Schulen) hat ein quantitativer Vergleich aufgrund der PISA-E-Daten von 2000 (vgl. 3.3) eine nur leicht positive soziale Selektivität dieser Schulen ergeben (vgl. Tab. 4). Ihr Bildungsangebot richtet sich eindeutig nicht überwiegend an bessergestellte Familien.
Tabelle 4:
Sozioökonomischer Status (ISEI) der Eltern basierend auf den elterlichen Berufen nach Trägerschaft und Bildungsgangkonfessionelle Schulen in PISA-E 2000 staatliche Schulen in PISA-E 200 Hauptschule Realschule Gymnasium Hauptschule Realschule Gymnasium ISEI Vater 38,4 46,5 58,5 36,3 52,5 53,7 ISEI Mutter 38,8 41,9 50,7 35,1 40,9 49,4 Anmerkungen: Standardabweichungen für die ISEI-Werte:
Vater: SD = 17.0; Mutter: SD = 15.3;
Quelle: Standfest u.a. 2005.Eine bedeutende Rolle bei der sozialwissenschaftlichen Beurteilung der sozialen Selektivität einer Schule spielt ferner die Frage, wie eng der Zusammenhang zwischen der Leistung eines Schülers und seinem sozialen Hintergrund ist. Die PISA-Studien stellen hier für Deutschland einen engen Zusammenhang fest. Die Auswertung der Daten für konfessionelle Schulen hat dagegen einen weniger ausgeprägten Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Leistung der Schüler gezeigt. Hier scheint sich die besondere Förderung des einzelnen Schülers positiv auszuwirken.
Bildungsmöglichkeiten für Mädchen zu eröffnen war bereits Martin Luther ein wichtiges Anliegen. Schon in der Schrift "An den christlichen Adel deutscher Nation" von 1520 fordert er für "eine jegliche Stadt" auch eine "Mädchenschule" sowie den täglichen Schulbesuch der Mädchen. Evangelische Schulen sind in der Regel koedukative Schulen, die sich gleichermaßen an Mädchen und Jungen wenden. Der Anteil von Jungen und Mädchen an evangelischen Schulen entspricht unter Einbeziehung der beruflichen Schulen und der Förderschulen in etwa der Verteilung in staatlichen Schulen. Allgemein ist an Gymnasien und Realschulen in freier Trägerschaft der Anteil der Mädchen größer, an den Förderschulen dagegen geringer als an staatlichen Schulen.
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Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler besucht deshalb eine evangelische Schule, weil ihre Eltern diese Schulwahl treffen. Aus welchen Gründen schicken Eltern ihre Kinder auf Schulen in evangelischer Trägerschaft? Aufschluss gibt hier eine Untersuchung von K. Klemm und P. Krauss-Hoffmann aus dem Jahr 1999, bei der mehr als 2000 Eltern befragt wurden und auf die sich alle Zahlenangaben in diesem und dem folgenden Abschnitt (3.) beziehen. In der Befragung wurden der persönliche Umgang der Lehrer mit den Schülern, die christliche Prägung und die Erziehungsziele als wichtigste Gründe für die Entscheidung für eine evangelische Schule angegeben. An erster Stelle steht demnach für viele Eltern an solchen Schulen der Wunsch, dass ihre Kinder eine an tragfähigen Werten ausgerichtete Erziehung erhalten. Eine solche Erziehung trauen sie evangelischen Schulen offenbar eher zu als anderen. Deutlich wurde auch, dass evangelische Schulen in der Regel den diesbezüglichen Erwartungen der Eltern tatsächlich entsprechen. Demgegenüber sind für die Eltern an evangelischen Schulen spezielle Erwartungen hinsichtlich der Qualifikationsleistung der Schule weniger entscheidend. Zugleich schätzte fast die Hälfte aller Eltern an evangelischen Schulen den Ausbildungserfolg der evangelischen Schulen höher ein als den der jeweils in der Region zur Alternative stehenden Schule in staatlicher Trägerschaft.
Ein weiteres Indiz für die Bedeutung, die Eltern dem Profil der Schule zuweisen, ist die Tatsache, dass 62 % der Eltern von Schülern an evangelischen Schulen angaben, dass sie für den Besuch einer evangelischen Schule auch weite Fahrwege in Kauf nehmen.
Eine christliche Sozialisation im Elternhaus kann für viele Schüler an evangelischen Schulen nicht vorausgesetzt werden. Das kann zu Spannungen führen, gerade dann, wenn Eltern, die ihre Kinder bewusst auf eine evangelische Schule schicken, mit den Erwartungen derjenigen konfrontiert werden, für die dieses Profil von geringerer Bedeutung ist. Die Elternschaft an evangelischen Schulen ist diesbezüglich heterogen. Der Wunsch nach Werteorientierung ist also nicht einfach gleichzusetzen mit einer christlichen Sozialisation. Für die Schulen ist es nicht immer einfach, die unterschiedlichen Ansprüche auszubalancieren, die möglicherweise an eine Schule in evangelischer Trägerschaft mit größerer Bestimmtheit herangetragen werden als an Schulen in staatlicher Trägerschaft. Häufig sind es Eltern, die zur Gründung einer evangelischen Schule aufgerufen haben. Viele Eltern engagieren sich in Schulfördervereinen oder im Schulalltag für das Anliegen der Schule. Diese Unterstützung der Schulen ist von großem Gewicht. Darin kommt die Bedeutung von Gemeinschaft und Schulgemeinde zum Ausdruck, zu der auch die Eltern gehören.
Der Anteil der Schüler allein erziehender Mütter oder Väter liegt an evangelischen Schulen zwischen 20 % und 30 % (die PISA-Studie 2000 nennt ca. 16 % für alle Schulen). Möglicherweise liegt die hohe Rate an evangelischen Schulen mit daran, dass zwei Drittel aller evangelischen Schulen eine Ganztagsbetreuung anbieten.
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Im Blick auf die Lehrerinnen und Lehrer an evangelischen Schulen steht deren pädagogische und fachwissenschaftliche Qualifikation an erster Stelle. An evangelischen Schulen gilt mindestens der gleiche Maßstab für pädagogische Fähigkeiten wie an Schulen in staatlicher Trägerschaft. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung für die Qualität einer Schule. Schülerinnen und Schüler an evangelischen Schulen werden von Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet, die den Qualifikationsmerkmalen von Lehrkräften im staatlichen Schulwesen entsprechen.
Ebenso unverzichtbar ist das Anliegen von Schulen in evangelischer Trägerschaft, dass die dort Tätigen das Profil, den Charakter und das Leitbild der Schule nicht nur akzeptieren, sondern innerlich bejahen und aktiv unterstützen. Dies findet seinen Ausdruck in den Anstellungsvoraussetzungen, in den Haltungen und der Authentizität der Lehrkräfte sowie in den von den Lehrerinnen und Lehrern in der Schule entfalteten Aktivitäten. Auf jeden Fall sind auch dies Aspekte von Professionalität an evangelischen Schulen. Christlicher Glaube kann in vielerlei Gestalt gelebt werden. Die Lehrkräfte haben deshalb im Rahmen der fachlichen Anforderungen Handlungsspielraum und Freiheit im Blick auf die Ausprägung ihres eigenen Glaubens sowie auf die Art und Weise, in der sie diesen Glauben sichtbar werden lassen. Anstellungsvoraussetzung ist grundsätzlich die Mitgliedschaft in einer der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland, jedenfalls aber in einer der Kirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) (vgl. Richtlinie des Rates der EKD vom 1. Juli 2005).
Die Mehrheit der Lehrkräfte an evangelischen Schulen sind keine Beamten, sondern Angestellte des jeweiligen Trägers. Das Gehalt orientiert sich an dem staatlicher Schulen, liegt aber häufig aufgrund der im Vergleich zu Beamten höheren Sozialabgaben unter dem von Lehrkräften an staatlichen Schulen. Gleichwohl zeigt die Mehrzahl der Lehrerinnen und Lehrer ein hohes Engagement, was mit der Übereinstimmung zwischen den persönlichen Werten der Lehrkräfte und dem Wertesystem der Schule zusammenhängen dürfte.
Der Altersdurchschnitt der Kollegien entspricht in etwa dem der staatlichen Schulen. Die Mehrheit der Lehrerinnen und Lehrer ist derzeit um die 50 Jahre alt. Dadurch wird für evangelische Schulen in der Zukunft vermehrt die Aufgabe wichtig, geeignete Lehrkräfte zu gewinnen (vgl. 1.7).
Frauen in Führungspositionen sind an evangelischen Schulen ähnlich unterrepräsentiert wie im staatlichen Schulwesen. Dies stellt eine ernst zu nehmende Rückfrage an die Chancengerechtigkeit für weibliche Lehrkräfte an evangelischen Schulen dar.
In vielen evangelischen Schulen sind über die Lehrerinnen und Lehrer hinaus weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig, die ebenfalls für pädagogische Aufgaben zuständig sind. Dies gilt für den Bereich der Schulsozialarbeit ebenso wie für den musischen Bereich, für religiöse Aktivitäten wie für besondere Angebote aller Art. Bei Ganztagsangeboten kommen dazu auch Kooperationen beispielsweise mit der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit und mit Kirchengemeinden. Auch diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören zu der Gemeinschaft, um die sich evangelische Schulen bemühen. Ihr Beitrag zum Schulleben, zum Teil aber auch zum Unterricht ist für die Attraktivität solcher Schulen von unerlässlicher Bedeutung.
3.3 Evangelische Schulen im Spiegel von PISA
Eine durch die EKD in Auftrag gegebene empirische Studie über die Leistungsfähigkeit von Schulen in evangelischer Trägerschaft (C. Standfest /O. Köller / A. Scheunpflug: "leben lernen glauben. Zur Qualität evangelischer Schulen", 2005) hat erstmals die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler abgefragt. Grundlage der Untersuchung waren im Wesentlichen der Datensatz der PISA-Ergänzungsstudie im Jahr 2000 sowie zusätzlich erhobene Daten aus Fallstudien zu sechs evangelischen Schulen. Die Erhebungsinstrumente für die Fallstudien waren so ausgewählt, dass die Vergleichbarkeit der in den Fallstudien erhobenen Daten mit den Ergebnissen der PISA-E-2000-Studie weitestgehend gewährleistet war. Da die Stichprobe nicht mit Repräsentativität für das evangelische Schulwesen gezogen wurde, sind die Ergebnisse als Trends, nicht aber als repräsentative Aussagen zu bewerten.
Im Blick auf die Leistungsförderung zeigt die Studie, dass die Vermittlung der Lesekompetenz in konfessionellen Hauptschulen und Realschulen besser als an staatlichen Schulen gelang. Hier erreichten die Jugendlichen bei Kontrolle von Geschlecht und sozialer Herkunft etwa ein Drittel Schuljahr Vorsprung. An Gymnasien war kein Unterschied in der Leseleistung in Abhängigkeit von der Trägerschaft nachweisbar. In Mathematik zeigten sich an Hauptschulen und Realschulen leichte Vorteile von Schulen in konfessioneller Trägerschaft, am Gymnasium entsprach das Profil im Durchschnitt dem staatlicher Schulen.
Schulen in evangelischer Trägerschaft gelang die Vermittlung von Grundbildung auch in schwierigen sozialen Gruppen, vor allem bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund, besser als im staatlichen Bildungswesen (vgl. 3.2). Der Anteil von Risikoschülern, d. h. von Jugendlichen, die keine basale Lese- oder Mathematikkompetenz erreichen, war geringer als an staatlichen Schulen. Im Leseverständnis wurde mindestens die (PISA-)Kompetenzstufe II, in Mathematik mindestens Kompetenzstufe I erreicht. Auch die Indikatoren im sozialen Bereich wie im Blick auf die religiöse Bindung ließen darauf schließen, dass es gelang, ein Schulklima zu schaffen, in dem sich Jugendliche mit schwierigen schulischen Erfahrungen in besonderer Weise angenommen fühlen.
Angesichts der von PISA aufgezeigten unzureichenden Situation im deutschen staatlichen Schulwesen stellen die hier beschriebenen und auf diese Situation bezogenen Ergebnisse zum Leistungsprofil evangelischer Schulen nur bedingt zufrieden. Die Befunde lassen aber erkennen, dass Schulen in evangelischer Trägerschaft den Vergleich bzw. eine Qualitätsdebatte nicht scheuen müssen. Sie machen jedoch auch deutlich, dass die Qualitätsanstrengungen, die zurzeit im staatlichen Bildungswesen unternommen werden, ebenso für Schulen in evangelischer Trägerschaft ein Ansporn sein sollten, ihre Qualität im internationalen Vergleich zu verbessern (vgl. 1.2).
Der fördernde Anspruch evangelischer Schulen kann sich nicht auf fachliche Kompetenzen beschränken, sondern muss auch die Dimension der Hinwendung zum Nächsten, die Sozialerziehung und das Schulklima einschließen. Die Studie hat gezeigt, dass der Besuch einer Schule in konfessioneller Trägerschaft keine bessere Selbsteinschätzung des Sozialverhaltens bedingte. Ob dies daran lag, dass sich das Sozialverhalten nicht unterscheidet, oder ob die Selbstwahrnehmung der Jugendlichen durch die intensive Sozialerziehung an evangelischen Schulen kritischer geworden ist (und damit die Befunde im Vergleich zu staatlichen Schulen verzerrt werden), ließ sich aufgrund des eingesetzten Instrumentariums nicht entscheiden. An einer der untersuchten Schulen, an der die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen (Empathie) als Zielperspektive im pädagogischen Profil der Schule explizit genannt war, gelang den Schülern allerdings ein deutlich besserer Perspektivenwechsel.
Das Schulklima wurde von den Jugendlichen an Schulen in konfessioneller Trägerschaft durchgehend angenehmer empfunden, als es an staatlichen Schulen der Fall war. Dies zeigte sich für alle Schularten gleichermaßen; besonders ausgeprägt bei Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis wurde durchgängig als positiv beschrieben. Auch die allgemeine Schulzufriedenheit lag über den Werten der staatlichen Schulen.