Sprache
minderheitlich werden – eine Denkfigur zur Kirchenentwicklung
In seiner Untersuchung der literarischen Sprache bei Franz Kafka - Franz Fühmann hatte das Buch in seiner Bibliothek – prägt der französische Philosoph Gilles Deleuze den Begriff einer minderen Literatur (littérature mineure) und in ihrer Folge den einer minderen Sprache (langue mineure). Beide erweisen sich bei genauerem Hinsehen als minder weniger im Sinne von „klein“, wie meist übersetzt wird, sondern im Sinne von minderheitlich.
Versucht man, eine minderheitliche Sprache in ihrem Verhältnis zur mehrheitlichen (majeur) Sprache zu bestimmen, wird erkennbar, wie minderheitliche Sprache als eine Praxis des Werdens funktioniert. Dabei geht es um ständige Grenzverletzungen des Standards einer Sprache, um eine ständige Unterwanderung ihrer Machtverhältnisse, um eine ständige Variation ihrer Doktrin. Es geht um ein Stottern am Rande des Unsagbaren und um die Erfindung einer neuen Sprache – einer minderheitlichen Sprache – in der Mehrheitssprache.
So wie Kafka als Prager Jude deutsch schreibt, oder Beckett als Ire Französisch oder wie in den Schwarzen Vierteln Amerikas eine neue Sprache (black English) entsteht: Immer im Werden, variierend, spielend, subversiv, erfinderisch. Es geht also um den „unterschiedlichen Gebrauch derselben Sprache“.
Dietrich Sagert