Diakonie Katastrophenhilfe befürchtet Hungersnot im Libanon

Füllkrug-Weitzel: „Noch nie waren so viele Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen“

Zertsörungen im Hafen von Beirut (Libanon) nach der Explosion Anfang August 2020

Am 4. August 2020 war es auf dem Beiruter Hafengelände zu einer gewaltigen Detonation gekommen, deren zerstörerische Druckwelle über die gesamte Stadt fegte. (Foto: Wikimedia Commons / Freimut Bahlo / CC BY-SA)

Berlin (epd). Die Diakonie Katastrophenhilfe befürchtet nach der verheerenden Explosion am Hafen von Beirut eine Hungersnot im Libanon. Die Not werde sich in den kommenden Monaten dramatisch verschärfen, insbesondere die Situation der über eine Million in dem Land lebenden syrischen Flüchtlinge, warnte das evangelische Hilfswerk am 12. August in Berlin. Die Zerstörung von Wohnungen und Getreidevorräten könnten zu einer Hungerkatastrophe führen. Schon vor der Katastrophe lebte mehr als die Hälfte der Menschen im Libanon in Armut.

„Jetzt ist es an der Zeit, uns ebenso solidarisch mit den Menschen im Libanon zu zeigen, wie sie sich in den vergangenen Jahren gegenüber syrischen Flüchtlingen verhalten haben“, sagte die Präsidentin der Organisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2019. Kein anderes Land der Welt habe – gemessen an der Einwohnerzahl – so viele Flüchtlinge aufgenommen wie der Libanon. Insgesamt leben derzeit Schätzungen zufolge rund sechs Millionen Menschen in dem arabischen Land.

Maas fordert „tiefgreifende wirtschaftliche Reformen“

Außenminister Heiko Maas (SPD) reiste derweil zu einem Besuch nach Beirut. Deutschland habe am Wochenende „in einer ersten Tranche 20 Millionen Euro zugesagt, um die schlimmste Not zu lindern“, erklärte er vor seinem Abflug. Die Hilfe solle mit den Vereinten Nationen und über erfahrene Hilfsorganisationen schnell nach Beirut zu den Menschen gebracht werden. Maas forderte „einen kraftvollen Aufbruch“ und „tiefgreifende wirtschaftliche Reformen“. Nur so werde der Libanon seine Jugend für eine gute Zukunft gewinnen, nur so werde das nötige Vertrauen aufgebaut.

Am Dienstag vergangener Woche war es auf dem Beiruter Hafengelände zu einer gewaltigen Detonation gekommen, deren zerstörerische Druckwelle über die gesamte Stadt fegte. Laut libanesischen Medien kamen mehr als 170 Menschen ums Leben, mehr als 6.000 wurden verletzt. Auch eine Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes wurde getötet. Den Berichten zufolge waren rund 2.700 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, die seit sechs Jahren ungesichert im Hafen lagerten.

Zahl der Hungernden weltweit verdoppelt sich

Wegen der Corona-Pandemie rechnet die Diakonie Katastrophenhilfe insgesamt mit deutlich mehr Hungersnöten und schlägt Alarm. „Noch nie waren so viele Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen“, Füllkrug-Weitzel bei der Vorstellung des Jahresberichts 2019 in Berlin. Die Zahl der akut Hungernden könne sich nach Einschätzung der Vereinten Nationen bis Jahresende verdoppeln - und in den besonders gefährdeten Ländern von 135 Millionen Menschen auf 265 Millionen ansteigen. Die Geber der internationalen Hilfe müssten die sich abzeichnende Hungerkrise in weiten Teilen Afrikas, Lateinamerikas und Asiens sofort und mit aller Kraft bekämpfen, forderte sie.

Nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe haben durch den Corona-Lockdown Millionen Menschen ihr Einkommen verloren. Länder wie der Südsudan, Jemen oder Venezuela, die auf Importe von Lebensmitteln angewiesen seien, könnten wegen Grenzschließungen weniger Waren einführen. Die Preise seien zum Teil massiv gestiegen. Verteilungskämpfe und soziale Unruhen könnten die Folgen sein.

Hilfsprogramme an Pandemie-Lage angepassen

Michael Frischmuth, Kontinentalleiter Asien, sagte, dass Hilfsprogramme an die Pandemie-Lage angepasst und zum Teil auch alte Instrumente der humanitären Hilfe wieder ausgepackt worden seien. Als Beispiel nannte er Suppenküchen, mit denen zum Beispiel in Indien relativ schnell Millionen von Wanderarbeitern erreicht würden.

Er betonte, das evangelische Hilfswerk habe wegen der langjährigen Arbeit mit Partnern und Beratern in den jeweiligen Ländern einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Organisationen. Die Helfer seien schon vor Ort und müssten nicht warten, bis der Lockdown aufgehoben werde.

Ersthelfer sind lokale Akteure

Die Diakonie Katastrophenhilfe hilft über ein Projekt beispielsweise Flüchtlingen aus Venezuela in Kolumbien, indem sie in Tageszentren Kinder mit warmen Mahlzeiten versorgt. Wegen Corona seien die Zentren aber geschlossen worden. Deswegen sorgten die Partner vor Ort nun dafür, dass das Essen den Kindern nach Hause geliefert werde. Füllkrug-Weitzel betonte, es brauche nicht deutsche Helferinnen und Helfer, „wenn es irgendwo kracht“. Vielmehr seien die Ersthelfer ohnehin lokale Akteure - und die müssten ausgebildet werden.

Wegen der Corona-Pandemie befürchtet das Hilfswerk, dass künftig „neue Not gegen alte Not ausgespielt wird“ und langjährige humanitäre Krisen vergessen werden. Daher würden neue, zusätzliche Gelder benötigt. Nach Angaben der Hilfswerks-Präsidentin hat die Diakonie Katastrophenhilfe bislang für Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise zwei Millionen Euro an Spenden gesammelt. Sie hoffe, dass es noch mehr wird.

Die Diakonie Katastrophenhilfe hatte im vergangenen Jahr 205 Projekte in 37 Ländern. Dafür stellte sie etwa 41 Millionen Euro bereit. Die meisten Mittel sind nach Syrien und in die Nachbarstaaten geflossen. Die Spendeneinnahmen lagen 2019 bei knapp 24 Millionen Euro und damit leicht über denen des Vorjahres.


Die Diakonie Katastrophenhilfe ruft zu Spenden auf:

Diakonie Katastrophenhilfe
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BIC: GENODEF1EK1
Stichwort: Nothilfe Libanon oder Corona-Hilfe weltweit

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