Familienförderung im kirchlichen Arbeitsrecht

Eine Arbeitshilfe erarbeitet im Auftrag des Rates der EKD, EKD-Texte 92, 2007

2. Familienförderung – sozialethisch und ökonomisch geboten

Weil „Ehe und Familie nach dem Glauben gute Gaben Gottes“ sind, setzt sich die evangelische Kirche mit Nachdruck für die Förderung von Familien und die Veränderung des öffentlichen und kulturellen Klimas im Hinblick auf Familien ein. In vielen Verlautbarungen(1) betont sie die Notwendigkeit, den veränderten Lebenswirklichkeiten von Familien gerecht zu werden, denn Familie lebt heute in vielen Formen – verheiratete und unverheiratete Paare, allein erziehende Mütter und Väter, Patchworkfamilien, Pflegefamilien, Lebenspartnerschaften usw. Familie ist überall dort, wo Eltern Verantwortung für Kinder übernehmen und für sie sorgen und umgekehrt auch Kinder Verantwortung für ihre Eltern tragen. Will die evangelische Kirche und Diakonie Familien in diesem Sinne fördern, so muss sie diesen unterschiedlichen Lebensformen gerecht werden und auch dem veränderten Rollenverständnis von Müttern und Vätern Rechnung tragen.

Die einschlägigen Stellungnahmen weisen der Verwirklichung einer familienfreundlichen Arbeitswelt eine Schlüsselfunktion bei der Familienförderung zu. Frauen sind beruflich so gut qualifiziert wie nie zuvor. Erwerbsarbeit prägt heute die Lebenswirklichkeit von Männern wie Frauen, Müttern wie Vätern und gehört für sie zum selbstverständlichen Teil ihrer Lebensplanung. Männer wünschen sich neben der Erwerbsarbeit mehr Zeit für Kinder und Familie. Sie wollen sich nicht mehr auf ihre Rolle als Ernährer beschränken, sondern sich aktiv an der Erziehung der Kinder beteiligen. Die meisten Paare wünschen sich eine partnerschaftliche Teilung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit. Doch kann dieses Familienmodell im Alltag nur schwer gelebt werden, weil die Arbeitsbedingungen und die vorherrschende Arbeitskultur eine Kombination von ambitioniertem beruflichen Engagement mit aktiver familiärer Sorge erheblich einschränken. Die kirchlichen Verlautbarungen beklagen, dass die Arbeitswelt bisher zu wenig Rücksicht auf diese Belange der Familien nimmt, obwohl sie selbst „auf die Familie als Ort der Rekreation, die ihre Mitglieder psychisch und sozial stabilisiert, angewiesen ist.“ (2)

Die öffentliche Positionierung der EKD ist stets verbunden mit dem Anspruch, „sorgfältig der Frage nach(zu)gehen, welche Konsequenzen die Kirche selbst, ihre Leitungen, Gemeinden und Glieder aus den gewonnenen Erkenntnissen für sich zu ziehen haben.“ (3) Die Denkschriften und andere kirchliche Äußerungen würden um so glaubwürdiger, „je mehr die Kirche und ihre Glieder sich selbst in Anspruch nehmen lassen und danach handeln.“ (4) Aus dieser Einsicht leiten die familienpolitischen Verlautbarungen stets auch Konsequenzen für die eigenen Arbeitsverhältnisse ab.

Dazu einige Zitate:

„Flexibilität und verschiedene Formen familiengerechter Arbeitszeit (z.B. Teilzeitarbeit) sind nicht allein gesetzlich in Aussicht zu stellen, sondern auch tariflich ausreichend zu erfassen und abzusichern. Kirche und Diakonie zählen zu den großen Arbeitgeberinnen in unserem Land. Auch sie müssen ihre Arbeitsverhältnisse auf allen Ebenen daraufhin überprüfen, ob sie familienfreundlich sind und geeignete Maßnahmen – auch zur beruflichen Förderung von Frauen – ergreifen.“ (5)
 „Die Kirche gehört bekanntermaßen zu den größten Arbeitgeberinnen in unserer Gesellschaft. Darum hat sie die Chance, den erforderlichen Wandel aktiv mitzugestalten und den Maßstäben, die sie an die Arbeitswelt anlegt, durch vorbildliche eigene Praxis Nachdruck zu verleihen. Ihr Engagement für mehr Generationen- und Familiengerechtigkeit muss sich in ihrer Arbeitskultur widerspiegeln. ... Kirchliche Arbeitsplätze in Gemeinden, kirchlichen Einrichtungen und Ämtern sollen familienfreundlich sein und Chancen bieten, Beruf und Familie zu vereinbaren ... In die laufenden Diskussionen über Strukturveränderungen im Tarifrecht sollen Überlegungen zu familienfreundlichen, geschlechter- und generationsgerechten Regelungen aufgenommen werden.“ (6)

Das besondere kirchliche Engagement für familienfreundliche Arbeitsverhältnisse ist allerdings nicht nur eine Frage der eigenen Glaubwürdigkeit, sondern angesichts knapper werdender Budgets zugleich auch ein ökonomisches Gebot. Gut qualifizierte, leistungsfähige und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine wichtige Ressource nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Kirche und Diakonie. Die unzureichende Vereinbarkeit von Beruf und Familie verursacht für Arbeitgeber erhebliche Kosten, so dass durch familienfreundliche Maßnahmen ein deutliches Einsparpotenzial realisiert werden kann (u.a. durch eine bessere Gesundheitsquote und Motivation, Vermeidung von Überbrückungs-, Fluktuations- und Wiedereingliederungskosten). Ein besonderes Engagement für familienfreundliche Regelungen und Maßnahmen dient auch der Gewinnung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist daher in jeder Hinsicht ein Beitrag zur Stärkung der eigenen Zukunftsfähigkeit.

Fußnoten:

1 U.a. Was Familien brauchen. Eine familienpolitische Stellungnahme des Rates der EKD, Hannover 2003.
2 ebd., S. 14.
3 Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen, Eine Denkschrift der Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hannover, 1970, Ziff. 75.
4 ebd.
5 Was Familien brauchen. Eine familienpolitische Stellungnahme des Rates der EKD, Hannover 2003, S. 21.
6 Keiner lebt für sich allein. Vom Miteinander der Generationen, Texte zum Schwerpunktthema der 3. Tagung der 10. Synode der
Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), November 2004, S. 30.

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