Kirche und Diakonie kritisieren Kompromiss beim Familiennachzug
Ulrich Lilie und Manfred Rekowski sprechen von „Armutszeugnis“ und „fataler Entwicklung“
Berlin (epd). Vertreter von Kirche und Diakonie kritisieren die von Union und SPD geplante Deckelung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutzstatus. „Diese Begrenzung ist kleinherzig“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Rekowski, erklärte, ein monatliches Kontingent von 1.000 engen Angehörigen mache aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für Wenige: „Aus Recht wird letztendlich ein Gnadenakt“, sagte er. „Das ist eine fatale Entwicklung.“
Der Bundestag beschloss mit der Mehrheit von 376 Stimmen beschloss der Bundestag die von CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Übergangslösung. 248 Abgeordnete votierten in namentlicher Abstimmung gegen den Kompromiss von Union und SPD, vier enthielten sich. Bis Ende Juli will die mögliche neue große Koalition eine Neuregelung auf den Weg bringen, die ab August die Aufnahme von monatlich 1.000 Familienangehörigen ermöglicht. Einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungen, wie es ihn vor März 2016 gab, gibt es für die Gruppe dann aber auch ab August nicht, wie Unionspolitiker betonten.
Wertschätzung der Familie fehlt
Lilie betonte, ein reiches Land wie Deutschland könne mehr als 1.000 Menschen die Familienzusammenführung ermöglichen. „Zumal völlig ungeklärt ist, nach welchem Verfahren diese 1.000 Menschen bestimmt werden sollen.“ Lilie bezeichnete auch die von der SPD nachverhandelte Härtefall-Regelung als unzureichend. „Jeder Fall, in dem eine Familie zerrissen bleibt, ist eine menschliche Härte“, sagte der Diakonie-Präsident. Besonders „krass" sei die Situation unbegleiteter Jugendlicher, die ohne Eltern und Geschwister aufwachsen müssten. Die Verhinderung des Familiennachzugs sei zudem ein „integrationspolitisches Armutszeugnis“, betonte Lilie. „Wer sich den ganzen Tag lang sorgen muss, wie seine Nächsten in einem Kriegsgebiet überleben, hat nicht den Kopf und die Seele frei, sich mit ganzer Kraft auf die Zukunft in der neuen Heimat einzulassen“, sagte er. Die Regelung zeuge „weder von Herz noch von Verstand“.
Rekowski betonte, die Herausforderung bestehe darin, die Not insbesondere von minderjährigen Flüchtlingen zu lindern. Dies werde so nicht ansatzweise gelingen. „Die Aussetzung des Familiennachzugs fördert nicht das Zusammenleben in unserem Land und entspricht schon gar nicht der Wertschätzung der Familie, wie sie im Grundgesetz verankert ist und unserer christlichen Überzeugung entspricht“, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Ich hätte mir gewünscht, dass die zukünftige Regierung den erleichterten Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder ermöglicht“, unterstrich der 59-jährige Theologe. Denn Familie biete den Raum, in dem Verantwortung füreinander übernommen werde. „Die Politik darf nicht am Sonntag das hohe Lied auf die Familie singen und im Alltag kleinmütig Familienzusammenführung faktisch verhindern“, sagte Rekowski.
Präses Rekowski besorgt über geplante Änderung