„Historischer Augenblick für die deutsche Christenheit“
Vor 75 Jahren tagte in Bielefeld die erste Synode der EKD
Ziel war es, in der Nachkriegszeit den Neuanfang der evangelischen Kirche in Deutschland umzusetzen. Seit der ersten EKD-Synode vor 75 Jahren haben sich einige Aufgaben geändert. Die Herausforderungen sind aber nicht weniger geworden.
Bielefeld (epd). Der damalige Erzbischof von Canterbury, Geoffrey Francis Fisher (1887-1972), sah in der Zusammenkunft einen „historischen Augenblick in der Entwicklung der deutschen Christenheit“. So heißt es in dem Grußschreiben an die erste Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die vor 75 Jahren, am 9. Januar 1949, im Bethel-Tagungsgebäude Assapheum in Bielefeld zusammenkam. Immer wieder gingen von dem Gremium wichtige Impulse für die evangelischen Kirchen in Deutschland aus.
Ziel war es, den Neuanfang der evangelischen Kirche nach dem Ende des NS-Regimes umzusetzen. Bei der Begrüßung sprang für den erkrankten Ratsvorsitzenden, den württembergischen Kirchenpräsidenten Theophil Wurm, dessen Stellvertreter Martin Niemöller ein. Der Theologe war im Nationalsozialismus ein führender Vertreter der Bekennenden Kirche, die sich 1934 in Wuppertal-Barmen gegründet hatte und ein Gegensatz zu den gleichgeschalteten evangelischen Amtskirchen sein wollte. Erster Synodenpräses der EKD wurde der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann.
Die Tagesordnung der ersten EKD-Synode, an der auch Vertreter der Landeskirchen aus der damaligen „Ostzone“ teilnahmen, war geprägt von den Problemen der unmittelbaren Nachkriegszeit. Einige der Themen blieben lange Zeit aktuell, etwa die Situation der Heimatvertriebenen aus den Ostgebieten. Bereits bei der zweiten Tagung 1959 in Berlin-Weißensee äußerte sich die Synode zur Mitschuld der evangelischen Christen an den Verbrechen der Deutschen gegenüber dem jüdischen Volk.
Als eine der Zukunftsaufgaben sieht die heutige Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen und Gelder, „dass wir darüber reden, wie wir Menschen im Glauben unterstützen können, wie wir die Botschaft Christi weitergeben können, Menschen damit begeistern können“.
In der Synode ringen Vertreter der Landeskirchen, Theologen und Laien, gemeinsam um den Weg. Das sei aufwendig, und manchmal anstrengend, sagte der Vizepräses Andreas Lange. „Aber anders könnte ich mir gar nicht vorstellen, Kirche zu leiten“, erklärt Lange, der Lutherischer Superintendent der Lippischen Landeskirche ist.
Die Synode - der altgriechische Name bedeutet „gemeinsamer Weg“ - ist eines der drei Leitungsorgane der im Jahr 1945 gegründeten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Synodalen beraten und beschließen unter anderem Kirchengesetze und den Haushalt. Weitere Leitungsorgane sind der Rat der EKD und die Kirchenkonferenz. Die EKD war im August 1945 als Zusammenschluss von lutherischen, reformierten und evangelischen Landeskirchen gegründet worden. Heute gehören ihr 20 evangelische Landeskirchen an.
Seit der ersten Synode wurde die Leitung mehr als 50 Jahre von Männern ausgeübt. 2003 rückte dann mit der Kommunalpolitikerin Barbara Rinke (SPD) erstmals eine Frau an die Spitze. Sie löste den ehemaligen sozialdemokratischen Bundesjustizminister Jürgen Schmude (SPD) ab. Nach ihr blieb das Leitungsamt bis heute in Frauenhand: Vor der Philosophiestudentin und wissenschaftlichen Hilfskraft Heinrich hatten die Politikerinnen Irmgard Schwaetzer (FDP) und Katrin Göring-Eckhardt (Grüne) das Leitungsamt inne.
Aktuell ist eines der zentralen Themen, mit der sich die EKD-Synode befasst, die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. In diesem Jahr sollen auch Fragen von Migration und Menschenrechten behandelt werden.
Nach dem Rücktritt der Theologin Annette Kurschus von ihrem Amt als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im November 2023 wird auf der kommenden Synode im Herbst voraussichtlich der Ratsvorsitz neu gewählt. Bis dahin ist die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs amtierende Ratsvorsitzende.
Für die Zukunft des Kirchenparlaments sieht Synodenpräses Heinrich noch einige Herausforderungen: Es gebe „immer noch viele gesellschaftliche Gruppen, die in unserer Synode gar nicht vorkommen“, erklärt sie. „Das muss anders werden.“
Holger Spierig (epd)