Kirchentag mit Lamas und Schmalzbroten

Wie sich die Dortmunder Lydia-Gemeinde auf den Kirchentag vorbereitet

Auf geht's in die heiße Vorbereitungsphase für den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund: Birgit Worms-Nigmann, Pfarrerin der Lydia-Gemeinde in der Dortmunder Nordstadt, erzählt im Interview, was es für eine Kirchengemeinde konkret bedeutet, Gastgeberin beim Kirchentag zu sein, wie der Weg dahin aussah, wie viele Helfende man braucht, um das zu stemmen, und was den Dortmunder Kirchentag ganz besonders machen wird.

Bierdeckel als Werbung für den Kirchentag 2019 in Dortmund

"Ker, wie ich mich freu!" wirbt ein Bierdeckel für den Kirchentag 2019 in Dortmund. Und auch die Lydia-Gemeinde in der Dortmunder Nordstadt freut sich schon auf den bevorstehenden Kirchentag, wie Pfarrerin Birgit Worms-Nigmann im Interview berichtet. Die Gemeinde präsentiert sich unter beim „Abend der Begegnung“, ist Gastgeberin eines internationalen Feierabendmahls und beteiligt sich an einem Tierschutz-Gottesdienst.

Schon bald findet der Kirchentag in Dortmund statt. Wie muss er werden, dass Sie sagen: „Es war ein voller Erfolg.“?

Birgit Worms-Nigmann: Für mich ist es ein erfolgreicher Kirchentag, wenn es gute Diskussionen und Auseinandersetzung mit den Themen gibt, die alle Menschen bewegen. Wir hier in der Nordstadt sind Teil des „Weges zur Nachhaltigkeit“ und unsere Gemeinde engagiert sich sehr, was diese Thematik angeht. Wenn also viele Menschen das mitbekommen und bei uns Station machen, wäre das schön. Und natürlich, wenn die Feierabendmahle insgesamt gut besucht sind und da gute Erfahrungen der Begegnung und des Miteinanderfeierns gemacht werden. Eigentlich wird's schön, wenn die Menschen, die wir erwarten, auch wirklich kommen und sich wohlfühlen. Bei allen Vorbehalten gegenüber dem Ruhrgebiet ist Dortmund doch eine lebenswerte Stadt. Wenn's also lebendig, bunt, pulsierend und engagiert wird, dann ist es aus meiner Sicht ein erfolgreicher Kirchentag geworden.

Was bereitet die Lydia-Gemeinde denn konkret vor?

Worms-Nigmann: Am „Abend der Begegnung“ präsentiert sich unsere Lydia-Gemeinde zum Beispiel mit einem Stand, an dem wir Schmalzbrote anbieten. Im Vorfeld müssen wir also alle Zutaten einkaufen und vor allem Menschen finden, die Lust und Zeit haben, den Stand zu besetzen. Wir machen auch ein extra Vorbereitungstreffen mit allen Helfenden dafür, weil wir alle über die strengen Hygenievorschriften informieren müssen.

Außerdem sind wir Gastgeber eines internationalen Feierabendmahls, weil wir es uns als Lydia-Gemeinde ja auch zum Thema gemacht haben, uns interkulturell zu öffnen und internationale Gemeinde zu werden. Das soll sich in dem Feierabendmahl widerspiegeln. Es gab auch ein allgemeines Vorbereitungstreffen vom Kirchentag aus dazu, an dem einige von uns teilgenommen haben, um eine Grundidee zu entwickeln, aber die eigentliche Arbeit kommt jetzt. Wir als internationale Gruppe müssen uns zusammensetzen und überlegen, wie wir das Feierabendmahl gestalten wollen.

Unser drittes Gemeinde-Angebot beim Kirchentag ist ein Gute-Nacht-Café. Da gilt eigentlich das Gleiche wie bei den anderen Veranstaltungen auch: In erster Linie mussten wir Menschen gewinnen, die an den drei Abenden etwas zu essen und zu trinken anbieten und die zu Gesprächen bereit sind.

Zusätzlich sind wir auch noch an einem Tierschutz-Gottesdienst beteiligt. Da werden zwei Lamas mit dabei sein und das ist ja auch etwas, was man nicht so häufig sieht.

Welche Aufgaben wurden vom Kirchentag an die Gemeinde herangetragen?

Worms-Nigmann: Das ist vor allem die „Betreuung“ der Schulen während des Kirchentags. In unserem Gemeindegebiet hat der Kirchentag elf Schulen ausgesucht, die für die Quartiersunterbringung geeignet sind. Das sind extrem viele. Nur mal zum Vergleich: die Reinoldi-Gemeinde hat neun Schulen, eine andere Gemeinde hat zehn, aber die meisten haben eher nur drei oder vier Schulen zu betreuen. Und es war auch dem Kirchentag bewusst, dass das eine große Belastung ist. Deshalb haben die Verantwortlichen zu uns gesagt: „Liebe Lydia-Gemeinde, guckt mal, ob ihr die Schulen betreut kriegt. Und was ihr nicht schafft, das übernehmen wir.“ Wir als Lydia-Gemeinde hätten von uns aus niemals gesagt, dass wir elf Schulen betreuen wollen. Wir wären auch mit drei Schulen zufrieden gewesen.  

Wie viele Schulen betreut die Lydia-Gemeinde jetzt tatsächlich?

Worms-Nigmann: Wir haben es aus eigener Kraft geschafft, acht Schulen zu bestücken. Und das ist für mich schon ein Wunder. Die anderen drei Schulen haben wir dann dem Kirchentag gemeldet. Da muss der Kirchentag jetzt selbst Teams finden. Die werden meistens aus Pfadfinder-Gruppen rekrutiert, die sich dazu bereit erklären.

Was bedeutet es konkret, eine Schule zu betreuen?

Worms-Nigmann: Man braucht ehrenamtliche Teams, die das Frühstück machen, den Pförtnerdienst am Abend übernehmen und die Nachtwache halten. Pro Schule muss man so zwischen zehn und 25 Leute rechnen. Und wenn man sich vorstellt, dass jetzt jemand sagt: „Ich habe aber keine Lust jeden Tag um fünf Uhr aufzustehen, um ab sieben Uhr Frühstück zu machen“, dann braucht man wieder ein paar Leute mehr. Die größten Schwierigkeiten hatten wir, Nachtwachen zu finden. Und das müssen mindestens vier Leute pro Nacht und Schule sein. Alle sagen: „Früh aufstehen ist überhaupt kein Problem, aber die Nacht durchmachen, nein danke.“

Wie viele Helferinnen und Helfer engagieren sich insgesamt während des Kirchentags für die Lydia-Gemeinde?

Worms-Nigmann: Sehr viele. Beim „Abend der Begegnung“ sind ungefähr 20 Leute beteiligt, beim Feierabendmahl genauso viele. Beim Gute-Nacht-Café sind auf die drei Abende verteilt 24 Menschen dabei. Dazu kommen dann noch die Ehrenamtlichen von „Pauluskirche und Kultur“. Und nicht zu vergessen die ganzen Helferinnen und Helfer bei den Quartiersübernachtungen. Insgesamt werden wohl über 200 Menschen für die Lydia-Gemeinde im Einsatz sein. Da muss man aber ehrlich sagen, dass das nicht alles Gemeindeglieder sind. Das sind auch Leute, die wir über andere Wege gewonnen haben: über Vereine, über Leute, die man kennt, weil wir hier im Quartier gut vernetzt sind, oder durch Mundpropaganda. Auch die katholische Gemeinde unterstützt uns. Wir als Lydia-Gemeinde könnten das nur mit Gemeindegliedern nicht stemmen.

Wer hat bei Ihnen die Nicht-Gemeindeglieder von einem Einsatz auf dem Kirchentag überzeugt?

Worms-Nigmann: Wir haben mit Joachim Staake einen sehr rührigen Kirchentagsbeauftragten, der ganz viele Kontakte hat und gut vernetzt ist. Er hat unermüdlich Menschen angesprochen und uns Pfarrerinnen und Pfarrern sehr viel Arbeit abgenommen. Und diejenigen, die jetzt dabei sind, das sind Menschen, die wir sonst in der Gemeinde nicht haben. Das ist auch eine Chance für eine Kirchengemeinde.

Wie kann eine Kirchengemeinde einen Kirchentag überhaupt stemmen?

Worms-Nigmann: Das geht nur mit guter Teamarbeit. Unser Gemeindebüro ist da eine sehr große Unterstützung. Oder auch unsere Küster, die sind ganz stark eingespannt, weil sie alles Organisatorische regeln. Es müssen ja Einkäufe getätigt werden, es muss rumgeräumt werden, es müssen Gruppen durch die Kirchen geführt werden und und und. Das machen alles die Küster. Ich als Pfarrerin könnte das alleine gar nicht stemmen.

„Die Gewinnung von Menschen war die Hauptarbeit“

Birgit Worms-Nigmann, Pfarrerin der Dortmunder Lydia-Gemeinde

Wann haben Sie mit der Organisation des Kirchentages angefangen?

Worms-Nigmann: Das erste Treffen unter dem Motto „Ideenschmiede Kirchentag“ war im Juli 2018. Also ein knappes Jahr vorher. Da haben wir schon entschieden, was wir als Gemeinde anbieten wollen. Dann gab's vom Kirchentag aus Vorinformationstreffen. Da wurde dann darüber informiert, was man zum Beispiel beim „Abend der Begegnung“ zu bedenken hat.

Wie sah die weitere Vorbereitung aus?

Worms-Nigmann: Als wir die Ideen hatten, mussten wir Leute gewinnen, die da mitmachen. Und dann haben sich immer mehr kleinere Untergruppen gebildet. Wir haben ja zum Beispiel eine relativ feste Gruppe, die internationale Gottesdienste vorbereitet und diese Gruppe hat sofort gesagt: „Wir stehen für das internationale Feierabendmahl zur Verfügung.“ Im Grunde war die Gewinnung von Menschen die Hauptarbeit.

Wie war die Gemeinde in die Suche nach den Privatquartieren eingebunden?

Worms-Nigmann: Die Privatquartiersuche hat bei uns eine Ehrenamtliche übernommen. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass die Nordstadt von der Wohnsituation her nicht besonders gut für Privatquartiere geeignet ist. Viele Leute wohnen entweder beengt oder sind schon hochbetagt. Deshalb haben wir gefühlt nicht so viele Privatquartiere gewinnen können, aber es gibt ein paar.

Was wird aus Ihrer Sicht das Besondere am Kirchentag in Dortmund sein?

Worms-Nigmann: Was ich bei uns in Dortmund charmant finde, ist, dass es ein Kirchentag der kurzen Wege sein wird. Es ist alles doch recht dicht beieinander, man verliert nicht so viel Zeit durch die Wege, verläuft sich nicht und muss nicht stundenlang mit der U-Bahn unterwegs sein, um zu einem Veranstaltungsort zu kommen.

Warum würden Sie Menschen einen Besuch in Dortmund im Allgemeinen und zum Kirchentag im Besonderen empfehlen?

Worms-Nigmann: Dortmund ist durch die Offenheit der Menschen sehens- und besuchenswert. Die Dortmunderinnen und Dortmunder sind gastfreundlich und offen. Dann sind da die vielen Möglichkeiten. Es gibt auch in Dortmund Sehenswertes wie zum Beispiel die Reinoldi-Kirche, die ja als „Wunderkirche“ für alle zugänglich sein wird, ohne dass man ein Ticket haben muss. Die vielen Open-Air-Veranstaltungen sollte man sich nicht entgehen lassen. Und selbstverständlich den Gottesdienst im Stadion. Das gab es ja auch schon lange nicht mehr, dass ein Kirchentagsabschlussgottesdienst in einem Stadion stattgefunden hat. Und dafür steht ja Dortmund auch, für Borussia. Auch die Seebühne im Westfalenpark ist ein guter Ort, gerade für Familien. Der Kirchentag bietet für alle Generationen was.

Und die Stadt Dortmund stellt extra Ruhebänke für Kirchentagsbesucher auf, damit die sich ausruhen können. Das zeigt wieder die Gastfreundlichkeit. Alle freuen sich wirklich auf den Kirchentag und sie wollen es den Kirchentagsbesuchern so schön wie möglich machen.

Bei all der Mehrarbeit, die Sie durch den Kirchentag haben, stellt sich die Frage, ob sich das überhaupt lohnt...

Worms-Nigmann: Ein Kirchentag lohnt sich auf jeden Fall. Das war 1991 beim Ruhrgebietskirchentag auch so. Da haben wir schon erlebt, dass uns diese Erfahrung des Kirchentags beflügelt hat. Das hat auch noch lange nachgewirkt.

Und jetzt sprechen mich hier die Engagierten der Gemeinde schon an und sagen: „Wir freuen uns auf den Kirchentag! Das wird schön, das wird was Besonderes.“ Die Freude überwiegt.

Wie geht es dann für die Gemeinde nach dem Kirchentag weiter?

Worms-Nigmann: Unmittelbar nach dem Kirchentag feiern wir ein Dankeschön-Fest für die Helfenden aus unserer Gemeinde. Da ist die Stimmung noch da und alle sind noch erfüllt vom Kirchentag. Und dann muss man gucken. Die Erinnerung an hoffentlich viele gelungene Begegnungen und Veranstaltungen beflügelt uns dann vielleicht auch nochmal in der Gemeindearbeit. Damit wir unser Programm vielleicht noch kreativer gestalten oder vielleicht etwas Neues aufnehmen. Vielleicht gibt es einen Ohrwurm von den Kirchentagsliedern, den wir in den Gottesdienst aufnehmen. Der Kirchentag soll Raum bekommen, nachzuklingen.

Interview: Lena Ohm (evangelisch.de)


Birgit Worms-Nigmann ist Pfarrerin der Lydia-Gemeinde in der Dortmunder Nordstadt.