Zu Weihnachten raus aus der Einsamkeit

Bremen (epd). Bei Weihnachten denken wohl die meisten Menschen an ein Fest, an dem sich die Familie trifft und an dem Gemeinschaft besonders wichtig ist. Doch viele sind an Heiligabend und an den Feiertagen einsam. „Einsamkeit ist keine Krankheit, aber sie kann krank machen“, sagt die Bremer Gesundheitspsychologin Sonia Lippke. Ebenso wie die Leiterin der evangelischen Ehe- und Lebensberatung in Bremen, Kristin Glockow, betont auch Lippke: Wer nicht allein sein will, kann etwas unternehmen, es gibt Wege aus der Einsamkeit.

Von 'Jingle Bells' bis 'O du froehliche': Rund 6.000 Menschen haben sich am Donnerstagabend beim ersten Stadionsingen in Hannover zu einem Mega-Chor vereint und weihnachtliche Hits angestimmt (Foto vom 15.12.2022).

Einsamkeit belastet viele Menschen, die allein leben. Weihnachten ist das oft besonders schmerzlich. Psychologinnen sagen: Es kostet ein wenig Überwindung, aber man kann etwas tun gegen die Einsamkeit. Das sind ihre Ratschläge.

* NICHT VERDRÄNGEN: „Wer sich selber eingesteht, dass er sich einsam fühlt, macht schon einen ersten wichtigen Schritt, der helfen kann, Kontakte anzubahnen“, erklärt Lippke. Also: nicht verdrängen, sondern innehalten, aushalten. Das Gefühl der Einsamkeit, erläutert die Wissenschaftlerin, sei ein Indikator: „Das hat eine evolutionsbiologische Funktion und zeigt uns, dass etwas verbessert werden sollte.“

* FRÜHZEITIG einen Plan machen: Ganz wichtig: Um zu Weihnachten mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen, sollte man frühzeitig einen Plan machen. „Das sollte man nicht dem Zufall überlassen“, betont Psychologin Glockow: „Ich sollte mir überlegen, was ich Schönes machen will.“ Dabei kommt es Lippke zufolge darauf an, selbst initiativ zu werden, Verabredungen zu treffen.

* Den „INNEREN SCHWEINEHUND“ überwinden: Doch gerade Menschen, die sich oft einsam fühlen, laufen Gefahr, sich kaum mehr zu trauen, auf andere Menschen zuzugehen. Denn sie befürchten, zurückgewiesen zu werden. „Dann ist es wichtig, den inneren Schweinehund zu überwinden und beispielsweise selbst einen lieben Menschen anzurufen, von dem wir eigentlich denken, dass er sich mal wieder melden sollte“, meint Lippke. Andere einsame Menschen freuen sich womöglich sehr, wenn man selbst die Initiative ergreift und sie anspricht.

Wem das schwerfällt, dem empfehlen die Expertinnen eine „Strategie der kleinen Schritte“: Erstmal raus, zu einem Spaziergang in den Ort, in den Park, wo man auch Leuten begegnet. Und Menschen anlächeln, zum Beispiel beim Einkaufen an der Kasse. „90 Prozent der Menschen lächeln freundlich zurück“, sagt Lippke. Das sei nicht gleichbedeutend mit dem Gewinn neuer Freunde. „Aber es schafft Resonanzen. So kann man sich langsam herantasten an Kontakte zu anderen Menschen.“

* UNTERNEHMUNGEN mit Spaß: Mittlerweile gibt es fast überall in der Adventszeit und an den Feiertagen eine Reihe von Veranstaltungen. „Etwas unternehmen, was mich erfüllt, das ist wichtig“, sagt Glockow. Und auch Lippke betont den Spaßfaktor. Beispielsweise beim Weihnachtskonzert, bei einem Adventsmarktbesuch, einer Verabredung zum Spaziergang oder einem festlichen Gottesdienst, der möglicherweise mit einem Kirchcafé endet, bei dem man ins Gespräch kommen kann. Viele Kirchengemeinden bieten zudem am 24. Dezember oder an den Weihnachtsfeiertagen einen Treffpunkt an. Und wer Weihnachtskarten schreibt, kann den Gruß gleich mit ein paar persönlichen Worten und einer Einladung verbinden: Wollen wir uns zwischen den Jahren oder im neuen Jahr mal wieder sehen?

Freude kann auch ein Engagement im EHRENAMT bereiten, das mit Kontakten verbunden ist: in einer Tafel, einer Suppenküche, einer Kirchengemeinde. Man kann anderen einsamen Menschen Zeit schenken, etwa bei Besuchen im Altersheim oder im Krankenhaus. Aber auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, für Weihnachten rechtzeitig Verabredungen zu treffen und die Zeit zu planen.

* Zum gemeinsamen Essen EINLADEN: Zusammen ist man weniger allein: Das geflügelte Wort gilt insbesondere dann, wenn miteinander gegessen, vielleicht sogar miteinander gekocht wird. „Ich kann selbst dafür sorgen, dass es bei mir im Haus lebendig wird, indem ich zum Essen oder zum Spieleabend einlade“, sagt Glockow.

* Sich auch allein einen SCHÖNEN WEIHNACHTSTAG machen: Nicht zuletzt gelte: „Auch Zeit mit sich selbst verbringen kann schön sein“, sagt Lippke. Weihnachtliche Dekoration mit Kerzen, Lichterketten und schon vor Weihnachten ein Adventskranz schaffen eine gemütliche Atmosphäre. Auch Kekse backen, die passende Musik und ein leckeres Essen, das man sich bei rechtzeitiger Bestellung auch liefern lassen kann, tragen dazu bei.

* Können ANGEBOTE IM INTERNET helfen? „Das kann eine Brücke schlagen“, meint Lippke. Tipps und Informationen zum Thema Einsamkeit gibt es beispielsweise auf www.keinerbleibtallein.net oder unter www.wegeausdereinsamkeit.de. Auch Plattformen wie www.nebenan.de vernetzen Menschen aus der Nachbarschaft, eine kostenlose Anmeldung vorausgesetzt. Die Bundesregierung hat unter der Web-Adresse www.kompetenznetz-einsamkeit.de ein Portal mit vielen Informationen aufgebaut, das auch Angebote gegen Einsamkeit an den Feiertagen bietet. Besser als Kontakte über Social Media sei das Miteinander in der „analogen“ Welt, gibt Lippke zu bedenken.

* Und wenn das ALLES NICHT KLAPPT? „Es ist keine Schande, wenn ich mir sage: Diese Veränderung, das schaffe ich gerade nicht allein“, betont Ehe- und Lebensberaterin Glockow. Dann könne es helfen, nach einem Buch zum Thema oder einer Selbsthilfegruppe Ausschau zu halten. „Oder wenn es mir schlecht geht, zum Hörer zu greifen und die Telefonseelsorge anzurufen.“ Ein weiterer Schritt könne die Anfrage etwa bei einer Ehe- und Lebensberatung sein, mit dem Ziel, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Von Dieter Sell (epd)