Gedanken zur Predigt

von Markus Dröge

Braunes Kreuz an einer braunen Wand
Der Predigttext für den Sonntag Reminiszere steht im Johannes-Evangelium. Der Text spricht davon, mit welcher Motivation und Aufgabe Jesus auf die Welt kam und was daraus folgt.

„Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.
Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.“ (Johannes 3, 14-21)

Das Licht enthüllt die Wahrheit

Der Predigttext für den Sonntag Reminiszere verbindet den Glauben an Jesus Christus sehr eng mit einem Leben in Wahrheit und mit dem Tun guter „Werke in Gott“ (Vers 21). Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um unbarmherzig zu richten, sondern um die Welt aus ihren unheilvollen Verflechtungen zu befreien. Die Lichtsymbolik des Textes verdeutlicht, wie Gott diese Befreiung bewirkt: Menschen, die sich der Wahrheit zuwenden, so wie Jesus Christus sie gelebt und gepredigt hat, können erfahren, dass Lügengebäude in sich zusammenfallen und dass das Wesen der destruktiven Werke ans Licht kommt. Böses wird identifizierbar. Und neue „Werke in Gott“ werden möglich: „Wer die Wahrheit tut, der kommt zum Licht.“ (Vers 21)

Für die Christen im Irak ist dieser befreiende Glaube, verbunden mit der Hoffnung, dass böse Werke zerfallen werden und neues Leben möglich wird, existentiell wichtig. Als wir den chaldäischen Erzbischof Najeeb Michael von Mossul fragten, was ihm in der bedrängten Situation seiner Gemeinden Hoffnung gibt, sagte er sofort und ohne Zögern: Die Liebe der irakischen Christen zu ihrer Heimat und der Glaube an Jesus Christus.

Es war im März 2023, auf der Reise des Berlin-Brandenburger Ökumenischen Rates der Christen in den Nordirak, konkret in die kurdische Provinz und in die Ninive-Ebene. Auch wenn im Irak kein offener Krieg mehr herrscht, auch wenn die Isis-Krieger als besiegt gelten, so leben die Gewalttäter des Krieges, damals vielfach aus der Armee von Saddam Hussein zur Isis übergetreten, die die Christen und Jesiden verfolgt und ermordet haben, doch weiter im Land. Die latente Sorge vor neuer Gewalt bewirkt, dass bisher nur etwa fünf bis zehn Prozent der Christinnen und Christen in ihre alte Heimat zurückgekehrt sind, nachdem sie innerhalb des Irak in sicherere Gebiete geflohen waren.

Religiöse und kulturelle Vielfalt schützen

Die Hauptsorge der Minderheiten im Irak ist es, dass es dem Iran gelingt, seinen Einfluss auszuweiten, um auch den Irak in einen Gottesstaat iranischer Prägung zu verwandeln. Ihre Hoffnung aber richtet sich darauf, die religiöse und kulturelle Vielfalt im Land zu erhalten, damit die Minderheiten in Zukunft friedlich in ihrer angestammten Heimat leben können. Sie wissen, nur wenn die Gesellschaft die Vielfalt achtet, wird es eine gute Zukunft geben. Die Minderheiten im Irak halten deshalb zusammen. Meist treten Jesiden und Christen gemeinsam auf, wenn sie ihre Stimme erheben.

Dass Nikodemus seine Hoffnung eng an Jesus Christus bindet, sehe ich ganz in der Linie des Johannes-Textes. Er vertraut in einer hoch gefährdeten und bedrängten Situation darauf, dass der Hass eines Tages seine Macht verliert, dass das wahre Wesen der Lügen und Verleumdungen gegen Minderheiten eines Tages offenbar wird, und dass gute Werke der Mitmenschlichkeit ihre Früchte tragen werden.

Die friedliche Waffe der Minderheiten im Irak gegen autoritär religiöse Tendenzen ist es, die Mitmenschlichkeit gegenüber allen Menschen ohne Ansehen der Person zu wahren und durchzuhalten. Das sind wahrhaft „Werke in Gott“!