20 Jahre Ziviler Friedensdienst
Seit 1999 waren rund 1.400 Fachkräfte in knapp 60 Ländern aktiv
Tapachula (epd). Mindestens 30 Lebensläufe und Schicksale hört Ana Elena Barrios jeden Tag. Berichte von Flüchtlingen, die vergewaltigt, verfolgt oder gefoltert wurden. Und Erzählungen von Migranten, die ihr Zuhause verlassen mussten, weil das Feld wegen des ausbleibenden Regens zu wenig Ernte einbrachte oder der Lohn in der Fabrik die Familie nicht mehr ernährte. „Diese vielen Berichte waren schon immer schwierig zu ertragen“, sagt die Mexikanerin, „aber früher sahen wir wenigstens Licht am Ende des Tunnels.“
Heute aber werde kaum mehr ein Einreiseantrag genehmigt. „Was machst du, wenn dich eine Frau nach der Ablehnung mit ihren zwei Kindern anschaut und nicht weiß, wie es weitergehen soll?“, fragt Barrios, Mitarbeiterin im Menschenrechtszentrum Fray Matías de Córdova in der südmexikanischen Stadt Tapachula. Die Organisation hilft Flüchtlingen und Migranten, die über die nahe gelegenen Grenze zu Guatemala ankommen.
Aktivisten psychosozial begleitet
Oft ist Barrios selbst den Tränen nahe. Und: „Die Mitarbeiter von Fray Matías sind selbst zahlreichen Risiken ausgesetzt, etwa Drohungen von Polizisten und Nationalgardisten, sexueller Gewalt und der Gefahr, an der gefühlten Sinnlosigkeit ihres Tuns zu verzweifeln“, sagt die Psychologin Clemencia Correa. Die 54-Jährige ist Leiterin der Organisation Aluna, die Aktivisten psychosozial begleitet und ihnen hilft, sich emotional zu schützen. Regelmäßig reist Correa nach Tapachula.
Mit dabei ist Stefania Grasso, die im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) von Bundesregierung und deutschen Friedens- und Entwicklungsorganisationen bei Aluna tätig ist. „Wir analysieren den Kontext der Gewaltverhältnisse“, erklärt die 36-Jährige, „und suchen Wege, damit Fray Matías weiter agieren kann.“ Grasso ist eine von sieben ZFD-Fachkräften in Mexiko.
Am 22. November vor 20 Jahren reisten die ersten Fachkräfte mit diesem vom Bundesentwicklungsministerium finanzierten Programm in ihre Partnerländer. Es war die Zeit nach den Jugoslawien-Kriegen und des Genozids in Ruanda. Damals hatte sich gezeigt, dass ethnische, politische und religiöse Konflikte nicht allein militärisch zu lösen sind. Im Gegenteil: Kriege führten in erster Linie zu weiterer Gewalt. Um Prozesse der friedlichen Überwindung von Konflikten anzuschieben und dauerhaft zu stärken, entwickelten die Bundesregierung und ihre Partner das ZFD-Programm.
„Erfolgsmodell der Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen Trägern“
Gemeinsam mit lokalen Akteuren der Zivilgesellschaft unterstützen seither Fachkräfte Projekte, die mit zivilen Mitteln sozialen Wandel voranbringen und Gewalt eindämmen sollen. Sie vermitteln zwischen verfeindeten Gruppen, helfen bei der Vergangenheitsaufarbeitung, bilden Medienschaffende aus, unterstützen traumatisierte Verbrechensopfer oder begleiten Menschenrechtsaktivisten. Seit 1999 waren rund 1.400 Fachkräfte in knapp 60 Ländern tätig.
„Der ZFD gilt als Erfolgsmodell der Kooperation von staatlichen und nichtstaatlichen Trägern der Entwicklungs- und Friedensarbeit“, resümiert das Entwicklungsministerium. Das 20-jährige Bestehen feiert das Ministerium mit einer Veranstaltung am 4. und 5. Dezember in Berlin.
Dabei ist auch Aluna-Leiterin Correa, deren Organisation mit „Brot für die Welt“ kooperiert. Sie wird darüber berichten, wie Aluna Spielräume öffnet, damit Menschenrechtsverteidiger auch unter schwierigsten Bedingungen agieren können. Dabei gehe es um kleine Schritte und langfristige Prozesse, betont ihre Kollegin Grasso: „Dass Fray Matías trotz der sich immer weiter zuspitzenden Lage überhaupt noch arbeitet, ist schon ein großer Erfolg.“
Wolf-Dieter Vogel (epd)