20 Jahre friedliche Revolution
Materialien für Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen
IV. Andachten und liturgisch-homiletische Anregungen
Friedensgebet am Abend des 9. Oktober 2009
Christian Führer
Ablaufplan
Introitus: Orgel/Posaunenchor/Kantorei/Gospelchor/Jugendband
Begrüßung, Hinführung zum 9. Oktober 1989 (zu lesen im Wechsel von zwei Personen)
Lied: "Seid einander Segen"
Wir hätten nicht gedacht ... (zwei Personen)
- aus dem Westen
- aus dem Osten
- Lesung: Psalm 138, 1-3/7+8 (beide Personen lesen im Wechsel)
Lied: "Gott gab uns Atem" (EG 432)
Lesung: Matthäus 5,3-10 (zwei Personen im Wechsel)
Predigt über Psalm 65, 9b
Lied: "Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt ..." (im EG in vielen Regionalausgaben verfügbar)
Dank und Fürbitte, dazwischen: "Du Gott stützt uns, du Gott stärkst uns ..."
(6 Beter im Wechsel)
Vater unser
Segen
Lied: "Komm, Herr, segne uns" (EG 170)
Postludium
Begrüßung / Hinführung zum 9. Oktober 1989
(zu lesen im Wechsel von 2 Personen)
Am Abend des 9. Oktobers 1989 war die DDR eine andere als sie noch am Morgen gewesen war. Wir erinnern uns: Seit Monaten hatte die Kritik an den bestehenden Verhältnissen mehr als früher zugenommen, war die Zahl derer spürbar angeschwollen, die jede Hoffnung auf Wandelbarkeit des Systems fahren gelassen hatten und in ihrem Staat kein Land mehr sahen.
Als der Eiserne Vorhang löchrig wurde, beherrschte die Ausreisefrage alles. Auf einmal war etwas zum Greifen nahe, was die Kommunalwahlen im Mai noch verweigert hatten: Eine Möglichkeit der Entscheidung, obschon keine einfache. Viele wurden von der Angst ergriffen, in der Enge der Republik das Leben zu verpassen. Viele zogen die Aussicht einer unbekannten Freiheit der Gewissheit ihrer bisherigen Lebensumstände vor und ließen für etwas Vages, nach dem sie sich sehnten, obwohl sie es nicht kannten, alles und alle zurück.
Anfang September war die Atmosphäre angespannt wie nie zuvor. Die Ausreisewelle tat ihr Übriges, hinzu kam jedoch eine wachsende Zahl derer, die bleiben und Veränderung wollten. Anstelle von »Wir wollen raus!« trat mehr und mehr ein »Wir bleiben hier!« In völliger Verkennung dessen, was damit gemeint war, gab sich die Staatsmacht zwei Tage nach dem Nationalfeiertag wie man sie kannte: Finster entschlossen, dem "Spuk" ein Ende zu machen. Die abweichenden Meinungen sollten zum Schweigen gebracht werden, schließlich durfte nicht sein, was nicht sein sollte. Also musste es verhindert werden – koste es, was es wolle. So jedenfalls war der Plan und so, befürchteten viele, würde es an jenem Montag vor zwanzig Jahren sein.
Wie wir wissen, kam jedoch alles ganz anders. 70.000 Demonstranten, so viele wie nie zuvor, nahmen am 9. Oktober 1989 all ihren Mut zusammen. So trug, was 1982 mit dem ersten Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche gleich einem einzelnen Senfkorn begann, sieben Jahre später reiche Frucht: Gespeist aus lokalen Basis- und Protestgruppen, aus der Masse der Ausreisewilligen und später dann aus Friedensgebetsteilnehmern aus der ganzen Republik, formierte sich unter dem Dach der Kirche eine kritische Masse, die sich nicht länger einschüchtern ließ. Die Demonstranten trugen die Botschaft der Bergpredigt aus der Kirche hinaus auf die Straße. Mit ihrem gewaltlosen Protest im Anschluss an das Friedensgebet setzten sie ein Fanal des Aufbruchs und des Ausbruchs aus der Umklammerung der SED. So schloss sich am 9. Oktober 1989 in der und um die Nikolaikirche der Kreis mit jener schicksalhaften Leipziger Montagsdemonstration.
In der Rückschau derer, die den Demonstranten gegenüberstanden, hieß es später: "Wir hatten alles geplant, waren auf alles vorbereitet – nur nicht auf Kerzen und Gebete!" Ihrer pointierten Formulierung zum Trotz, vermag diese Haltung nicht darüber hinwegzutäuschen, dass es ihr entschieden daran mangelt, die Bedeutung der Ereignisse zu ermessen. Denn die Botschaft, die dahinter steckt lautet einzig und allein: Wir haben alles getan, was uns aufgetragen war, haben unsere Pflicht erfüllt. Pflichterfüllung als Leitgedanke, kein Hinterfragen der eigenen Haltung. Indem sich die Bedeutung der Ereignisse verschließt, gerät das unreflektierte Gedenken zur schieren Pose.
Man könnte jenes Geschehen vor 20 Jahren aus der Distanz so zusammenfassen: Ein erstarrter Apparat hatte jeden Bezug zur Realität verloren und war sich selbst genug. Nur zwei Tage nach den Feiern zum 40. Jahrestag der Staatsgründung war er führungslos geworden und taumelte von jenem 9. Oktober an seinem Ende entgegen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später entschieden sich die Deutschen in Ost und West aus freien Stücken, die deutsche Teilung zu beseitigen, die DDR hörte auf zu existieren.
Dennoch wird auch dieser Blickwinkel den Ereignissen nicht gerecht. Ihm geht nämlich jedes Einfühlungsvermögen ab, das nur der entwickelt, der den Zusammenhang erinnert, in den die Ereignisse gestellt sind. Nur durch Erinnerung erschließt sich die Bedeutung der Ereignisse.
Ohne Erinnerung gerät das Gedenken zur schwachen Pose.
An den 9. Oktober zu erinnern, ist und bleibt für uns, bleibt für unsere Demokratie eine Verpflichtung: Einmalig in Deutschland gelang eine Revolution – ohne Blutvergießen, ohne einen einzigen Schuss. Und das in dem Land, das wie kein anderes im 20. Jahrhundert die Welt mit Unheil überschüttet hatte! Ohne einen Krieg zu provozieren, gelang es, Deutschland zu einen, was kaum mehr möglich schien, gelang es den Eisernen Vorhang zwischen Ost und West hinwegzufegen und damit die Spaltung Europas abzuschaffen. Aus der Stadt Walter Ulbrichts, mit besonderer Erinnerung an dessen Eifer bei der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli, wurde die Stadt der friedlichen Revolution.
Leipzigs Botschaft vom 9. Oktober 1989 lautet: Gesellschaftliche Konflikte friedlich und gewaltfrei zu lösen – das geht! Gerade in diesen Tagen, zwanzig Jahre danach, sind wir wieder vor eine Reihe existenzieller Fragen gestellt: Wird es gelingen, das Soziale an unseren Begriff der Marktwirtschaft wieder anzudocken, wird das neoliberale kapitalistische Weltsystem reformfähig sein, so dass es nachhaltig, verantwortlich und zugleich ökonomisch effizient funktionieren kann? Wird es möglich sein, den Naturvernichtungsfeldzug ebenso zu beenden wie den ausbeuterischen Expansionsdrang gegenüber der Dritten Welt?
Leipzigs Botschaft vom 9. Oktober 1989 lautet aber auch: Erinnert Euch, freut Euch und sagt Dank! Uns Deutschen wird gerne nachgesagt, wir wären zur Freude unfähig. In der Tat scheint vieles von dem, was vor wenig mehr als zwanzig Jahren unerreichbar schien, heute kein Anlass mehr zur Freude zu sein. Zwar haben wir – geht es um Fußball - mittlerweile gelernt, das Verlieren zu ertragen, uns trotzdem über das Erreichte zu freuen und mit den Siegern zu feiern. Doch wie belastbar ist das alles, wenn wir unsere Besitzstände gefährdet wähnen? Können wir tatsächliche Benachteiligung überhaupt noch von vermeintlicher unterscheiden? Sind wir dann noch in der Lage, über den Tellerrand hinauszublicken und den Überblick zu behalten?
Denken wir an den 9. Oktober 1989, haben wir allen Grund zur Freude und zu tiefer Dankbarkeit.
Lied: "Seid einander Segen..."
Ich hätte nicht gedacht ... ein Blick aus dem Westen
Vor 20 Jahren hätte ich im Westen nicht gedacht, dass die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland möglich sein würde. Die Bilder der Montagsdemonstration am 9. Oktober ’89 aus Leipzig, die ich in den Nachrichten sah, beeindruckten mich tief.
Ich hätte nicht gedacht, dass das DDR Regime diese massive Kritik aus dem Volk tatenlos zulässt - vor allem nach den schrecklichen Ereignissen im Frühsommer in China auf dem Platz des himmlischen Friedens! Ich war in großer Sorge um den europäischen Frieden. Eine Eskalation hätte auch einen Flächenbrand entfachen können.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Menschen im Osten den Mut aufbringen würden, für Freiheit und Demokratie auf die Straße zu gehen und ihr Leben zu riskieren. Ich empfand tiefen Respekt für die Menschen, und bangte um sie und ihre Familien.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Welt mit friedlichen Mitteln so nachhaltig zum Besseren hin verändert werden könnte. Am Ende blieb die staunende Erkenntnis, dass dieses Wunder doch möglich war und ich es miterleben durfte. Ich musste nichts riskieren, ich war nur Zaungast, habe gehofft und versucht, mit meinen Gebeten zu unterstützen.
Ich hätte nicht gedacht ... ein Blick aus dem Osten
Ich im Osten hätte nicht gedacht, dass ich mich einmal nicht mehr so eingesperrt fühlen würde, sondern mich frei in aller Welt bewegen kann. Ich hatte oft ein Minderwertigkeitsgefühl, wenn die "freien Bürger" aus dem Westen kamen und mir von ihren Möglichkeiten erzählten, die sie so selbstverständlich fanden.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich eines Tages frei meine Meinung äußern könnte, ohne Konsequenzen für mich und meine Familie befürchten zu müssen.
Ich hätte nicht gedacht, dass die innere Gefangenschaft, in die uns die staatstragende Partei zwingen wollte, aufgehoben würde. Es war für Eltern nicht leicht, ihre Kinder zu aufrechten Menschen zu erziehen und sie gleichzeitig davor zu bewahren, im Kindergarten oder in der Schule an den Pranger gestellt zu werden. Ich hätte nicht gedacht, dass diese Belastung jemals von unseren Schultern genommen würde.
Zu begreifen ist dieses Wunder nicht. Wir können nur dankbar sein, dass wir mit diesem Geschenk leben dürfen.
Lesung: Psalm 138, 1-3, 7-8
(beide Personen lesen im Wechsel)
1 Ich danke dir von ganzem Herzen,
vor den Göttern will ich dir lobsingen.
2 Ich will anbeten vor deinem heiligen Tempel
und deinen Namen preisen für deine Güte und Treue;
denn du hast deinen Namen und dein Wort
herrlich gemacht über alles.
3 Wenn ich dich anrufe, so erhörst du mich
und gibst meiner Seele große Kraft.
7 Wenn ich mitten in der Angst wandle,
so erquickest du mich
und reckst deine Hand gegen den Zorn meiner Feinde
und hilfst mir mit deiner Rechten.
8 Der Herr wird meine Sache hinausführen.
Herr, deine Güte ist ewig.
Das Werk deiner Hände wollest du nicht lassen.
Lied "Gott gab uns Atem..." (EG 432)
Lesung aus der Bergpredigt des Jesus von Nazareth; Matthäus 5, 3-10
(zwei Personen im Wechsel)
Selig sind, die geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Die nicht schon auf alles eine Antwort wissen,
die sind gut dran,
denn ihnen tut sich die Welt Gottes auf.
Selig sind, die da Leid tragen;
denn sie sollen getröstet werden.
Die unter den Zuständen leiden,
die sind gut dran,
denn sie werden Mut und Hoffnung gewinnen.
Selig sind die Sanftmütigen;
denn sie werden das Erdreich besitzen.
ie nicht auf Gewalt setzen,
die sind gut dran,
denn ihnen wird die Erde gehören.
Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Die keine Ruhe geben und nach Gerechtigkeit schreien,
die sind gut dran,
denn sie werden zufrieden sein.
Selig sind die Barmherzigen;
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Die Gnade vor Recht ergehen lassen,
die sind gut dran,
denn sie werden Barmherzigkeit erleben.
Selig sind, die reinen Herzens sind;
denn sie werden Gott schauen.
Die sich selbst und anderen nichts vormachen,
die sind gut dran,
denn sie werden Gott vor Augen haben.
Selig sind, die Frieden stiften;
denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Die den Frieden herbeiführen,
die sind gut dran,
denn ihnen wird man glauben, dass sie von Gott sind.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Die angefeindet werden wegen neuer Gerechtigkeit,
die sind gut dran,
denn ihnen tut sich die Welt Gottes auf.
Predigt über Psalm 65, 9b: "Gott, Du machst fröhlich was da lebet im Osten wie im Westen."
Liebe Friedensgebetsgemeinde!
Es war am 19. Februar 1988 in der Leipziger Nikolaikirche. Ich hatte etwa 50 Ausreisewillige zum Gesprächsabend "Leben und Bleiben in der DDR" eingeladen. Die Reaktion der staatlichen Stellen im Vorfeld war heftig. Am Abend des 19. Februars wusste ich, warum: statt der 50 Eingeladenen waren etwa 600 Menschen gekommen.
Der Abend begann unter großer Anspannung. Weggehen oder Hierbleiben: das muss genau überlegt sein. Es ist eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Angesichts des Anlasses probierte ich eine neue Art von "Auslegung". Ich nahm nicht einen Bibeltext und sagte einige kluge Sätze dazu. Sondern ich wählte ein Bibelwort aus, das die Menschen sofort anpackte, das sie unmittelbar auf sich beziehen konnten. Jesus hatte einmal zu seinen Freunden, die ihn umstanden, gesagt: "Wollt ihr auch weggehen?" Diesen einen Satz nur zitierte ich und rief in die Kirche: "Jesus sagt: Wollt ihr auch weggehen?" Es wurde mit einem Schlag totenstill in der Kirche. In den Menschen arbeitete es: Hier bist du geboren, zur Schule gegangen. Hier sind deine Eltern und Freunde. Und wenn du wirklich in den Westen kommst: Kannst du jemals wieder zurück? Womöglich erst als Rentner? Was machen die in diesem Staat eigentlich mit dir? Die ganze Aussichtslosigkeit ihrer Situation trat ihnen deutlich vor Augen. Ich sagte: "So können wir jetzt nicht aus der Kirche nach Hause gehen. Sehen wir noch einmal in die Psalmen, da steht ein wichtiger Satz für Sie drin. Im Psalm 65 heißt es "Gott, Du machst fröhlich was da lebet im Osten wie im Westen!" Alle fingen an zu lachen. "Das haben Sie doch jetzt bestimmt erfunden", rief jemand. "Nein", sagte ich, "das steht schon seit Jahrhunderten in der Bibel für Sie, nur Sie haben es noch nicht gefunden!" Die Stimmung kippte im Handumdrehen ins Positive um.
Eine befreite, fröhliche Ausgelassenheit breitete sich in der Kirche aus. Alle redeten miteinander. Ich hatte Mühe, noch einen Segen in die Massen zu sprechen. Danach kamen etliche zu mir: "Herr Pfarrer, wir gehören zwar nicht zur Kirche, aber können wir trotzdem ihre Friedensgebete besuchen?" "Draußen steht die Nikolaikirche – offen für alle. Das gilt ausnahmslos. Sie sind uns herzlich willkommen", erwiderte ich. Die Menschen hatten erkannt, wie gut es tut, nicht alleine zu sein. Vor allem aber, auch einmal lächeln oder lachen zu können in der ganzen Misere. Der Humor ist ein wichtiger Bruder des Glaubens. Leider kommt er in der Kirche noch zu wenig zum Tragen. In einer Situation dauernder Anspannung, Angst, Hoffnungslosigkeit und Wut kann ein Lächeln oder gar Lachen unwahrscheinlich befreiend sein. Gott sei Dank war uns das Lachen noch nicht vergangen! "Gott, Du machst fröhlich was da lebet im Osten wie im Westen" – wird das auch noch gelten, wenn es ganz ernst wird?
Am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung, in Leipzig? Zwei Tage zuvor waren bereits Hunderte von Menschen auf Lastwagen gezerrt und in die zementierten Pferdeboxen auf dem Gelände der Landwirtschaftsausstellung gepfercht worden. Der Auftakt sozusagen, jetzt endgültig Schluss zu machen, wenn es sein muss, mit der Waffe in der Hand. Aber es kam – ganz anders! Am 9. Oktober wurde die Nikolaikirche im Verbund mit den anderen Innenstadtkirchen zum Ausgangspunkt der Demonstration der 70.000 und damit zum Kernpunkt der friedlichen Revolution überhaupt. Einer Revolution, die aus der Kirche kam. Denn "Kirche", wie Heinrich Albertz sagte, "war endlich einmal bei ihrem Herrn und damit auf der richtigen Seite: bei den Unterdrückten und nicht bei den Unterdrückern, beim Volk und nicht bei den Mächtigen." Und die unglaubliche Erfahrung der Macht der Gewaltlosigkeit, die die Partei- und Weltanschauungsdiktatur der DDR zum Einsturz brachte. Zugleich die wunderbare Bestätigung, dass alles wirklich wahr ist, was geschrieben steht: "Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht." (Jesaja 7,9) "Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen." (Sacharja 4,6) "Er stößt die Machthaber vom Thron und hebt die Niedrigen auf." (Lukas 1,52) "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." (2. Korinther 12,9) Und als der 9. Oktober mit der Maueröffnung am 9. November sein spektakulärstes Ziel erreichte, kannten Staunen und Freude keine Grenzen mehr! Die tief greifenden Unterschiede zwischen Ost und West waren aufgehoben. Ein solches warmherziges Zusammengehörigkeitsgefühl in Freude und Dank hatte es seit Menschengedenken in Deutschland nicht gegeben! Wer diese Zeit zwischen dem 9. Oktober und dem 9. November 1989 miterlebte, wer diese Bilder sieht, der begreift, was es heißt: "Gott, Du machst fröhlich was da lebet im Osten wie im Westen." Wie wir es mit den 600 Menschen in der Nikolaikirche erlebt hatten, so war es im Großen geschehen: Aus der lebensgefährlichen Situation der Aussichtslosigkeit friedlicher Veränderungen der DDR war am 9. Oktober der nicht zu fassende Umschwung zu neuen, ungeahnten Hoffnungen und Möglichkeiten geworden!
Doch bald zog der nüchterne Alltag auch in die neuen Verhältnisse ein. Nicht lange, da kamen die ersten Ängste hoch. In der BRD, dass es ihnen an den lieb gewordenen Wohlstand gehen könnte. In der Noch-DDR, dass die negativen Seiten der Marktwirtschaft vom schwachen Teil der Bevölkerung nicht verkraftet werden könnten. Der Weg begann mit Enttäuschungen auf beiden Seiten. Im Gepäck und jederzeit griffbereit handliche Vorurteile, Gedächtnislücken, bewusste Verdrängungen, Vergangenheitsverklärung, mangelnde Kenntnis und Anschauung von 40 Jahren unterschiedlicher Entwicklung und Prägung. So waren die Deutschen hüben und drüben 1990 zunehmend ernüchtert auf dem Weg zur Einheit. Nicht eben froh, obwohl wir so viel erreicht haben, wonach wir sehnlich ausgeschaut. Nicht eben dankbar, obwohl uns ein Blick in die jüngste Vergangenheit und über gesamtdeutsche Grenzen hinweg eines Besseren belehren könnte. Nicht eben aufrecht, obwohl gerade der aufrechte Gang, mühsam in Friedensgebeten und Basisgruppentreffen unter Kirchendächern gelernt und auf der Straße bewährt, die ungeheuren Veränderungen 1989 bewirkt hatten. Darüber sind 20 Jahre ins Land gegangen. Obwohl die Arbeitslosigkeit ein dauerhaft hartes Problem ist, obwohl die Menschen am unteren Rand von Einkommen und sozialen Zuwendungen einen schweren Stand in diesem reichen Deutschland haben, obwohl immer noch schmerzliche finanzielle Unterschiede im Lohn zwischen Frauen und Männern und zwischen Ost und West bestehen, obwohl der neoliberale Globalkapitalismus durch die Banken- und Finanzkrise selbst offenbaren musste, dass auch er nicht zukunftsfähig ist, wird die Situation in Deutschland 2009 unverhältnismäßig heruntergejammert! Je länger die DDR-Zeit zurückliegt, um so mehr steigt die Zahl ihrer Bewunderer. Was ebenso für die gute alte Wirtschaftswunder-Zeit der BRD gilt. Dazu schleppen wir als schweres Erbe der DDR den Gewohnheitsatheismus mit uns herum, der das Gewohnheitschristentum ablöste. Aus der BRD lastet der Wohlstandsatheismus auf uns, der dazu noch einige christliche Flicken aufweist. Gegen Verklärung und Erblasten sagen wir den DDR-Nostalgikern in Biermannscher Schärfe: "...Das gesicherte Dahinsiechen ist vorbei. Alles ist in Bewegung geraten, die lebenslangen Frührentner fangen an ranzuklotzen wie sonst nur am Wochenende auf der Datscha. Der chronische Bummelstreik ist beendet..." Und den BRD-Verklärern ebenfalls mit Biermann: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." Wir sollten uns aus dem steten Jammerton lösen, das Dankenswerte achten und die Missstände bekämpfen. Tiefgreifende Änderungen im Wirtschaftsystem sind nötig. Die Demokratie braucht eine gerechtere Wirtschaftsform als den Neoliberalismus mit den veralteten immer gleichen Antworten einer vergehenden Epoche. Die Wurzelsünde des Globalkapitalismus, die immer neue Anstachelung der Gier, muss überwunden werden. Wir brauchen die Jesus-Mentalität des Teilens, um so viele Menschen wie möglich beteiligen zu können an Arbeit und Einkommen. Wir brauchen die "solidarische Ökonomie", die Verantwortung praktiziert. Dazu genügen nicht einige Appelle mit unerträglich ausgewogenen Verlautbarungen. Wir müssen alle in Bewegung bringen, weil es alle angeht. Wie zur friedlichen Revolution 1989. Dazu sind weder der Gewohnheitsatheismus noch der Wohlstandsatheismus in der Lage, die den lethargischen Egoismus pflegen. Vielleicht kommen sich viele heutzutage vor wie in einem Labyrinth. Man läuft pausenlos und findet doch den Ausweg nicht. Aber denken wir daran: Das Labyrinth ist oben offen! Wir brauchen wieder den Aufblick! Nicht das pausenlose Ablaufen der immer gleichen Wege. Den Aufblick, um uns orientieren zu können! Den Aufblick zu Jesus, dass wir nicht liegen bleiben und aufgeben, sondern wieder Mut und Hoffnung bekommen und wieder stehen können, dass wir widerstehen können, wie am 9. Oktober 1989. Dann sehen wir nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch das Dankenswerte, das wir jetzt schon haben. Wir sind ein offenes Land mit freien Menschen, wie es die Basisgruppen gefordert haben. Mit "Keine Gewalt" und "Wir sind das Volk" haben wir aus gebückter Haltung und unwürdiger Anpassung herausgefunden. In der friedlichen Revolution haben wir die Gnade Gottes erfahren trotz allem, was das "Volk der Dichter und Denker" im vorigen Jahrhundert an unvorstellbaren Gräueltaten zu verantworten hat, besonders vor dem Volk, aus dem Jesus geboren wurde. Und leben mit der Erfahrung im Rücken und der Verheißung vor Augen: "Gott, Du machst fröhlich was da lebet im Osten wie im Westen!"
Wer wollte da mutlos werden?
Amen
Lied EG 585: "Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt,..."
Dank und Fürbitte
dazwischen: "Du Gott stützt uns, du Gott stärkst uns..."
(6 Beter im Wechsel)
Du, unser Gott, wir danken Dir für die Verheißung Jesu aus der Bergpredigt. Du willst, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
In unserer Welt leben Menschen, die Opfer von Krieg, Unterdrückung, Menschenhandel, Folter, Hunger oder Missbrauch geworden sind. Wir bringen ihre Nöte vor Dich. Du kennst all ihre Namen und hörst ihre Hilferufe.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus, segne und behüte alle Frauen und Männer, die sich einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Du, unser Gott, wir danken Dir, dass am 9. Oktober 1989 von der Nikolaikirche in Leipzig die Friedensbotschaft "Keine Gewalt" ausging und dass Du mit Deinem Segen bei allen Menschen warst, die trotz Lebensgefahr ihre Angst überwinden konnten und die Gewaltlosigkeit konsequent auf den Straßen praktiziert haben.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus für alle, die auch heute Angst haben und dennoch ihre Stimme erheben, um für die zu sprechen, die erneut sprachlos, mutlos oder traurig und verzweifelt sind.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Du, unser Gott; wir danken dir, dass wir in einem friedlichen und demokratischen Land leben dürfen. Wir beklagen aber, dass in unserer Gesellschaft die Kluft zwischen arm und reich immer größer wird durch Maßlosigkeit und Gier.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus, lass uns nicht müde werden dafür einzutreten, für alle Menschen ein würdevolles Leben, Bildungschancen und Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu schaffen.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Du, unser Gott, wir danken Dir für den Reichtum unserer Welt. Leider finden wir oft nicht den richtigen Umgang mit den Gütern der Erde. Misswirtschaft und Egoismus führen zu globalen und lebensbedrohenden Krisen.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus für die Menschen, die sich von der Finanzkrise bedroht fühlen. Lass sie nicht verbittern, weil sie nicht mehr an gerechte Verhältnisse glauben können. Lass uns Arbeit und Einkommen gerecht teilen, um Arbeitslosigkeit und Armut wirksam zu bekämpfen.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Du, unser Gott, wir danken Dir, dass vor Dir alle Menschen gleich sind, die Frauen wie die Männer, die Reichen wie die Armen, die Mächtigen wie die Schwachen.
Wie oft sehen wir den Splitter in den Augen des anderen, den Balken im eigenen aber nicht.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus um Deine Hilfe, unsere immer noch vorhandenen Vorurteile "hüben wie drüben" zu überwinden. Lass auch nicht zu, dass sich erneut Rassismus und Fremdenhass in unserem Land festsetzen, gib uns die Energie zum Protest.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Du, unser Gott, wir danken Dir für alles Gute, das Du uns tagtäglich schenkst und erleben lässt. Auch wenn wir es oft nicht erkennen, so spüren wir doch, dass Du bei uns bist und Deine Hand über uns hältst.
Wir bitten Dich durch Jesus Christus, lass den Geist von 1989 in uns wach bleiben und auch unsere Kinder berühren, dass sie zu Menschen heranwachsen, die Jesus beim Wort nehmen und Missstände bekämpfen und für Gerechtigkeit eintreten.
ALLE: Du Gott stützt uns, Du Gott stärkst uns, Du Gott machst uns Mut. (gesungen)
Vater unser
Segen
Lied EG 170: "Komm, Herr, segne uns..."
Postludium
Kerzenandacht am 9. November 2009
Fritz Baltruweit
Ankommen in einer ziemlich dunklen Kirche.
(1) Ein paar Kerzen brennen.
Die Menschen, die kommen, zünden im Altarraum eine Kerze an.
(2) Glockenschläge
Friedens-Eröffnung und Friedensgruß
"Wir hatten alles geplant.
Wir waren auf alles vorbereitet.
Nur nicht auf Kerzen und Gebete."
Die Worte von SED-Zentralkomitee-Mitglied Sindermann stehen für das, was heute und in diesen Tagen vor 20 Jahren geschah.
Heute vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer.
Wir sind zusammengekommen,
an diese Stunde der Freiheit zu denken,
für sie zu danken,
und zu schauen:
Wo geht es heute darum,
für Freiheit, für Gerechtigkeit,
für Frieden einzutreten.
Herzlich willkommen
am Abend des 9. November in unserer Kirche.
Bilder stehen vielen von uns vor Augen:
Menschen, die auf der Berliner Mauer sitzen oder stehen –
mit Freuden-Tränen in den Augen.
Menschen, die in Scharen über die Todes-Grenze gehen –
die Freiheit vor Augen.
Wildfremde Menschen aus Ost und West,
die einander in die Arme schließen.
friedliche Revolution.
Zeit des Friedens.
Eine Wunder-Zeit.
Stille
So werden wir uns heute der Zusage Gottes bewusst,
der uns damals und heute sagt:
Friede sei mit Euch!
Und so sprechen auch wir uns an diesem Tag
gegenseitig den Frieden zu:
Friede sei mit euch!
(...)
Lied: Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen (EG 272) oder: Nun danket Gott, erhebt und preiset... (EG 290, V.1+2)
Dankgebet
Lasst uns beten:
Gott,
wir danken dir heute noch einmal
für das Wunder,
das vor 20 Jahren an diesem Tag
und in diesen Tagen geschah.
Wir spüren deiner Freiheit nach,
deiner Lebenskraft,
deiner Friedens-Verheißung.
Sei mitten unter uns in dieser Stunde –
Zeig uns auch heute Wege der Befreiung,
wo das not-wendig ist.
Stille
So sprechen wir miteinander Worte des 85. Psalms:
Alle: Gott,
erweise uns deine Gnade
und gib uns dein Heil!
Könnte ich doch hören,
was Gott der Herr redet,
dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen,
damit sie nicht in Torheit geraten.
Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten,
dass in unserm Lande Ehre wohne;
dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen;
dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;
dass uns auch der Herr Gutes tue,
und unser Land seine Frucht gebe;
dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe
und seinen Schritten folge.
Amen.
oder
Eine/r: Die Bäume werden in den Himmel wachsen,
dass ihre Kronen das Licht trinken,
ihre Wurzeln aber sind fest vergraben in der Erde.
Alle:Die Träume werden in den Himmel wachsen,
dass sie sich ausbreiten und entfalten
bis zum Himmelszelt,
und kehren wieder zurück auf die Erde;
geerdete Träume bekommen Hand und Fuß.
Eine/r: Güte und Treue begegnen sich wieder,
Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.
Die Treue wächst auf der Erde
und die Gerechtigkeit schaut vom Himmel herab.
Alle: Mit meinem Leben wachse ich dem Himmel entgegen,
und der Himmel kommt mir entgegen;
er breitet sich unter meinen Füßen aus
wie Hände, die mich halten.
Eine/r: Ich möchte Leuchtspur zum Himmel sein,
damit die Wege zu ihm begehbar und hell werden.
Alle: Güte und Treue begegnen sich wieder,
Gerechtigkeit und Frieden werden sich küssen.
Die Treue wächst auf der Erde
und die Gerechtigkeit schaut vom Himmel herab.
Gott sei Dank.
oder:
Worte aus Psalm 18
Alle: Ich hab dich lieb, Gott,
denn du gibst mir Kraft.
Gott, mein Felsen, meine Burg, meine Rettung,
du Gott, meine sichere Zuflucht,
mein Schutz, meine Hilfe, meine Festung!
Die Fesseln des Todes hielten mich gefangen
und Fluten des Unheils überwältigten mich.
Voller Angst rief ich zu Gott.
Gott erhörte mich
und gab mir Schutz,
führte mich hinaus in die freie Weite,
Denn groß ist Gottes Liebe zu mir.
Mein Lebenslicht, Gott, lässt du hell erstrahlen,
die Dunkelheit verwandelst du in Licht.
Mit Gott kann ich über Mauern springen.
Darum will ich dir danken,
und deinen Namen will ich mit Liedern loben.
Amen.
Bilder – Tagebuch-Notizen vom 9. November
2. An dieser Stelle könnte eine etwa zwei Minuten lange Wort-Collage stehen - oder vielleicht besser: eine O-Ton-Collage - oder sogar am besten: eine Bild-Collage rund um den 9. November 1989. Vielleicht können in diesem Zusammenhang die in Ziffer (12) dargestellten weiterführenden Materialien und Angebote hilfreich sein. Sie beinhalten auch zahlreiche Internetangebote.
Biblische Lesung
Ein biblisches Wort soll uns an diesem Tag begegnen,
das uns die Verheißung der Freiheit Jesu eröffnet.
Wir hören Worte aus Matthäus, Kapitel 5.
Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da Leid tragen;
denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen;
denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet
nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen;
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die reinen Herzens sind;
denn sie werden Gott schauen.
Selig sind die Friedfertigen;
denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Der biblische Text (nicht die Einleitung zum Text!) kann mit Musik unterlegt werden: entweder mit einer Harfenmusik oder mit einer Musik aus dem Lutherfilm.
Lied: Mauern überwinden
- Wenn Menschen sich nicht mehr bedrohen,
und Kriegsgeld der Entwicklung dient,
nicht Macht, sondern Versöhnung leitet
die Christen, Juden und Muslime,
wenn wir im Feind den Menschen sehen,
Begegnungen entwaffnend sind,
dann rosten Waffen und vermodern,
und Frieden wird für jedes Kind.
Ref.: Das ist ein Fest,
wenn wir Mauern überwinden,
und der Himmel sich zeigt.
Wenn wir zueinander finden,
dann ist Friedenszeit.
- Wenn wir den Menschen nahe kommen,
die tief in Armut sind und Not,
dann stärke Gott uns in den Kämpfen
hier für ein Leben vor dem Tod.
Wenn Regeln neu erfunden werden,
wie Reichtum in dieser Welt
zur Chance wird für alle Menschen,
dann wird die Zukunft neu bestellt.
Ref.: Das ist ein Fest, wenn wir Mauern überwinden...
- Wenn Menschen nicht mehr angstvoll leben
wegen der Farbe ihrer Haut
und Neugier uns statt Mauern Brücken
bis in die Welt der Andern baut,
wenn wir dann miteinander leben
in bunter Gemeinsamkeit,
und Fremde sich zu Freunden wandeln,
dann werden Horizonte weit.
Ref.: Das ist ein Fest, wenn wir Mauern überwinden...
Text: Friedemann Müller, Musik: Fritz Baltruweit, Rechte: Autor (Text), tvd-Verlag Düsseldorf (Musik)
oder: Jesu, meine Freude (Neudichtung von: EG 396)
Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide,
Jesu, wahrer Gott. Wer will dich schon hören?
Deine Worte stören den gewohnten Trott.
Du gefährdest Sicherheit.
Du bist Sand im Weltgetriebe.
Du, mit Deiner Liebe.
Du warst eingemauert. Du hast überdauert
Lager, Bann und Haft. Bist nicht totzukriegen;
niemand kann besiegen deiner Liebe Kraft.
Wer dich foltert und erschlägt,
hofft auf deinen Tod vergebens,
Samenkorn des Lebens.
Jesus, Freund der Armen.
Groß ist dein Erbarmen mit der kranken Welt.
Herrscher gehen unter.
Träumer werden munter, die dein Licht erhellt.
Und wenn ich ganz unten bin,
weiß ich dich auf meiner Seite,
Jesu, meine Freude
Text: Gerhard Schöne
Auslegung: Der Tenor der Auslegung könnte lauten: "Wir sind das Volk" oder aber "Yes, we can".
Musik zum Nachdenken
[oder eines der beiden Lieder, die vor der Auslegung vorgeschlagen sind]
Kerzen anzünden für die Freiheit:
Fürbittengebet 20 Jahre friedliche Revolution
(Zu jeder Bitte zünden wir noch einmal eine Kerze an. –
Alternative: statt Kehrvers und Kerzen: Nach jeder Bitte wird eine Klangschale angeschlagen – dann: Stille)
Vor 20 Jahren fiel die Berliner Mauer.
Wir sind dankbar für das Wunder von damals,
für die Menschen, die sich für die friedliche Revolution eingesetzt haben,
die ihr Leben für dieses Wunder aufs Spiel gesetzt haben.
Lasst uns Kerzen anzünden –
zum Danken, zum Gedenken und zum Für-Bitten.
Ich zünde eine Kerze an zum Dank für die Freiheit,
die sich damals ausbreitete wie ein Lichtermeer.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze zum Dank für die, die das auf den Weg gebracht haben.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze zum Gedenken an die, die im Kampf für die Freiheit ihr Leben lassen mussten.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die Familien, die in den Zeiten der Unfreiheit auseinandergerissen wurden.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die ihre schlimmen Erinnerungen nicht loswerden können.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die sich immer wieder neu für die Freiheit, für die Gerechtigkeit auf den Weg machen.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die heute unter Unrecht und Unfreiheit leiden.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die heute zu uns flüchten.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die in den Kindern unsere Geschichte lebendig halten.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Eine Kerze für die, die Befreiung in deinem Licht sehn, Gott.
Liedvers: Dein Licht leuchte uns.
Wir beten gemeinsam:
Vater unser
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Gott segne uns und behüte uns.
Gott gebe uns Liebe, wo Hass ist,
Kraft, wo Schwachheit lähmt,
Toleranz, wo Ungeduld herrscht,
Offenheit, wo alles festgefahren scheint.
So sei Gottes Segen mit uns allen.
Er beflügele unsere Hoffnung
und begleite uns wie ein Licht in der Nacht.
Amen.
Lied: Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen (EG 266)
oder: Verleih uns Frieden (EG 421)