Umkehr zum Leben

Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels, Denkschrift des Rates der EKD, 2009, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05909-9

2. Klimawandel

Leitgedanke: Der Klimawandel vollzieht sich sehr viel dynamischer, als bis vor Kurzem noch angenommen wurde. Dass unsere Wirtschaftsaktivitäten dabei eine wichtige Rolle spielen, wird heute nur noch von wenigen bezweifelt. Ausschlaggebend sind die Emissionen von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid, die bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas entstehen, sei es zur Stromerzeugung oder im Verkehr. Aber auch das Abbrennen von Wäldern sowie die Emissionen von Methan in der Viehwirtschaft und im Reisanbau sind von erheblicher Bedeutung. Eine Einschränkung von Treibhausgasemissionen ist daher unerlässlich. Nur wenn es auf diesem Wege gelingt, den mittleren Temperaturanstieg auf 2° C zu begrenzen, bleibt dieser in einem Rahmen, innerhalb dessen Vorkehrungen für eine Anpassung an jetzt schon unvermeidliche Veränderungen der Umweltbedingungen Erfolg versprechen.

2.1 Herausforderungen

Die klimapolitische Debatte hat in den letzten Jahren weltweit deutlich an Intensität zugenommen. Gründe hierfür waren Extremereignisse (Hurrikan "Katrina" in den USA 2005), der sog. Stern-Report zur Ökonomie des Klimawandels (2006), die extrem milden Winter in Mitteleuropa 2006/7 und 2007/8, Al Gores populärer Film "An Inconvenient Truth" ("Eine unbequeme Wahrheit"), für den er 2007 den Friedensnobelpreis erhielt, und der Vierte Sachstandsbericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) von 2007. Klimapolitik ist als ein zentrales Handlungsfeld der Umweltpolitik anerkannt, das sogar eine sicherheitspolitische Dimension hat[5].

Es gibt kaum noch wissenschaftlich begründbare Zweifel am anthropogenen, d. h. durch menschliche Aktivitäten mit verursachten Klimawandel. Der Klimawandel vollzieht sich bereits und er wird durch die von Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen (vor allem von Kohlendioxid – CO2) vorangetrieben. Das Zusammenspiel von Messdaten, Theorien und Modellen ergibt in diesem Sinne ein kohärentes Bild. Die so genannte Null- Hypothese ("Es ist kein menschlicher Einfluss auf die Entwicklung des Klimas nachweisbar!") kann auf dem heutigen Erkenntnisstand ausgeschlossen werden.

Das IPCC sieht einen signifikanten Fortschritt unseres Wissens über die Entwicklung des Weltklimas. Allerdings wird eine Reihe von Faktoren, die das Klimasystem beeinflussen, nach wie vor nicht befriedigend verstanden. Dies betrifft u. a. die Rolle der Wolken und kleinster Partikel in der Luft (Aerosole), die Dynamik der Kältezonen (Kryosphäre) und die Kohlenstoffspeicherung in Ozeanen und Böden. Die Ungewissheiten sind vom IPCC in die diversen Gewissheitsniveaus eingearbeitet worden. Vergleicht man die vier Sachstandsberichte des IPCC seit 1990, so zeigt sich trotz der verbleibenden Unsicherheiten ein beeindruckender Zugewinn an gesicherten Wissensbeständen.

Wir wissen heute, dass das Klimasystem dynamischer ist als ursprünglich angenommen wurde. Die Vorstellung, wonach das globale Klimasystem ein eher träges und nur langsam reagierendes System sei, ist nicht länger haltbar. Das IPCC betont an vielen Stellen die sich gegenseitig verstärkenden Wechselwirkungen im globalen Klimasystem ("positive Rückkoppelungseffekte"). So können z. B. die Erwärmung und Versauerung der Meere sowie das Auftauen von Dauerfrostmooren als Folgen des Klimawandels ihrerseits den Klimawandel verstärken, indem das auf Meeresböden und in Mooren gespeicherte Methan freigesetzt wird. Während dies in den Ozeanen eher eine langfristig wirksame Tendenz darstellt, könnte die Freisetzung von Methan aus auftauenden Mooren demgegenüber rascher erfolgen. Allerdings wird hier das Pflanzenwachstum auf früher gefrorenen Moorböden auch wieder CO2 binden.

Ein weiterer Rückkoppelungseffekt liegt darin, dass sich durch das Auftauen großflächiger Vereisungen (Pole, Gletscher) das Verhältnis zwischen reflektierter und einfallender Sonnenstrahlung (Albedo) verändert. Der Verlust von schnee- und eisbedeckten Flächen (etwa des arktischen Meereises) beschleunigt die Erwärmung. Was die arktischen Gebiete an betriff t, so könnte das Abschmelzen des vergleichsweise massearmen Eises im Nordpolarmeer die Albedo dieser Erdzone so verändern, dass die Abschmelzungsprozesse auf Grönland (und kleineren Inselgruppen) in einer bisher nicht vorhergesehenen Weise beschleunigt werden. Bedenklich ist, dass die Angaben im Vierten Sachstandsbericht des IPCC über den Anstieg des Meeresspiegels die möglichen großen Abschmelzungsprozesse (Grönland, Antarktis) noch nicht berücksichtigen. Diese aber bilden die eigentliche Gefahr.

Die CO2-Aufnahmefähigkeit der landgebundenen (terrestrischen) Ökosysteme (Wälder, Böden etc.) könnte bei einer raschen Erderwärmung allmählich schwächer werden und sich bei einer starken Temperaturerhöhung sogar umkehren. Besonders kritisch ist die Möglichkeit zu sehen, dass Böden von (teilweise recht dauerhaften) CO2-Speichern zu CO2-Quellen werden. Allein diese Rückkoppelungsmechanismen könnten mit bis zu 1° C zur Erderwärmung beitragen.

Es besteht somit die Gefahr eines sich eigendynamisch beschleunigenden Klimawandels. So scheint z. B. die hohe Luftverschmutzung durch abkühlend wirkende schwefelhaltige Aerosole während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das wahre Ausmaß der Erderwärmung "verschleiert" zu haben. Die so genannten Klimaskeptiker, die gegen alle Befunde immer noch einen wesentlichen Einfluss des Menschen auf den Klimawandel verneinen, haben den Rückgang der globalen Mitteltemperatur der Erde in der Mitte des 20. Jahrhunderts fälschlich für ein Argument zu ihren Gunsten ausgegeben. Demgegenüber kann dieser kurze Rückgang plausibel mit der damaligen Luftverschmutzung durch schweflige Aerosole – also mit einem besonders drastischen Einfluss des Menschen auf die Klimaentwicklung – erklärt werden. Die kritische Obergrenze des Klimawandels für bestehende Ökosysteme (Klimasensitivität) wird im Vierten Sachstandsbericht des IPCC mit 3°C angegeben. Diese Erhöhung der globalen Mitteltemperatur würde wahrscheinlich bei einer Verdopplung der Treibhausgas-Konzentrationen in der Erdatmosphäre gegenüber vorindustriellen Werten erreicht. Mittlerweile gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass die durchschnittliche Erwärmung kleiner als 1,5°C ausfallen könnte. Die Unsicherheiten am oberen Ende des Intervalls sind aus methodischen Gründen größer. Der Vierte Sachstandsbericht des IPCC schließt Werte von über 4,5°C nicht aus.

Ohne Gegensteuerung können Erhöhungen der globalen Mitteltemperatur von 5–6°C am Ende des 21. Jahrhunderts nicht ausgeschlossen werden; denn bei einer Beibehaltung der gegenwärtigen, treibhausgasintensiven wirtschaftlichen Aktivitäten und Strukturen würde es gegen Ende unseres Jahrhunderts zu Treibhausgaskonzentrationen von über 800 ppmv[6] (gemessen in CO2-Äquivalenten[7]) in der Erdatmosphäre kommen. Die entsprechende Temperaturerhöhung würde in den höheren Breitengraden überproportional hoch ausfallen. In diesem Sinne bedeutet ein Weitermachen wie bisher (business as usual) den Weg in eine andere Welt.

Geht man nun hypothetisch von dem 3°C-Wert als Bezugspunkt der Klimasensitivität aus und hält an dem politisch weitgehend anerkannten Ziel fest, die mittlere Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf 2°C zu begrenzen ("2°C-Ziel"), so dürfen die atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen allenfalls auf 450 ppmv (gemessen in CO2-Äquivalenten, CO2eq) steigen. Angesichts des Sachverhalts, dass im Jahre 2007 bereits eine CO2-Konzentration von 380 ppmv erreicht wurde, bedeutet dies, dass ein sofortiges und energisches Umsteuern der Energiepolitik auf allen politischen Ebenen erfolgen muss, um möglichst rasch (idealiter nicht viel später als 2020) eine Trendwende bei den globalen Emissionen zu erreichen. Diese Zahlenwerte muten angesichts der Realitäten als utopisch an. Gleichwohl sollte man dieses 2°C-Ziel nicht in vorauseilender Anpassung an das Unvermeidliche abschwächen.

Eine Begrenzung des Anstiegs der globalen Temperaturen im Sinne des 2°C-Zieles ist auch eine entscheidende Voraussetzung für erfolgversprechende Anpassungsmaßnahmen. Bei einem ungebremsten Anstieg der globalen Mitteltemperatur wird eine erfolgreiche Bewältigung des Klimawandels immer unwahrscheinlicher, da die Anpassungskapazitäten ökologischer, politischer und kultureller Systeme zunehmend überfordert werden. Daher ist eine entschiedene Verringerung der Emissionen (mitigation) eine wesentliche Bedingung für erfolgreiche Anpassung (adaptation).[8]

Die Emissionen des 21. Jahrhunderts werden die Klimaentwicklung auf dem Planeten Erde für viele Jahrhunderte prägen. Die globalen Emissionen von Treibhausgasen sind in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. Eine Trendwende ist bis 2020 nicht zu erwarten. Nahezu unverändert hohe Emissionen in den meisten Industrieländern, der starke Anstieg in den USA seit 1990 und steil ansteigende Emissionen in den großen Schwellenländern China und Indien schließen eine kurzfristige Trendwende aus. Für die zukünftigen Emissionen wichtiger als die allmählich zu Ende gehenden herkömmlichen Ölreserven sind die nicht konventionellen Ölvorräte (Ölsande, Ölschiefer) und vor allem die Kohlevorräte. Es ist insgesamt genügend abbaubarer Kohlenstoff in der Erdkruste vorhanden, um die Treibhausgaskonzentrationen weiter steil ansteigen zu lassen. Die Kohleverstromung ist ein Hauptproblem der internationalen (und nationalen) Klimapolitik. Ob die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise zumindest eine Atempause bringt, ist ungewiss. Das Gegenteil kann der Fall sein, wenn die Politik davon ausgeht, dass Belange des Klimas gerade wegen der Wirtschaftskrise zurückgestellt werden müssen.

Tabelle 1: Veränderungen bei den Emissionen der USA, der EU, Deutschlands, Chinas und Indiens

  Pro-Kopf-Emissionen Absolute Emissionen
  Tonnen CO2e Mio. t CO2e  
  1990 2004 Veränderung in Prozent 1990 2004 Veränderung in Prozent
USA 19,7 20,1 +2,0 4.909,8 5.888,7 +19,9
EU-25 9,0 8,8 -2,6 3.954,1 4.017,1 +1,6
Deutschland 12,5 10,4 -16,7 989,8 856,6 -13,5
China 2,2 4,0 +83,5 2.483,9 5.204,8 +109,5
Indien 0,7 1,1 +48,9 633,5 1.199,0 +89,3

Quelle: Climate Analysis Indicators Tool (www.cait.wri.org)

Aus Tabelle 1 geht hervor, dass die Emissionen weltweit angestiegen sind. Die für Deutschland aufgeführte Reduktion ist mehrheitlich auf die mit der Wiedervereinigung verbundene Schließung treibhausgasintensiver Produktionsstätten zurückzuführen. Eine Stabilisierung bei ca. 450 ppmv würde es erfordern, dass die globalen Emissionen in den kommenden zehn Jahren ihren Höhepunkt erreichen und dann mit einer Rate von mehr als 5 Prozent pro Jahr fallen und bis 2050 70 Prozent unter ihrem derzeitigen Wert liegen. Diese Verringerungen müssen erreicht werden, obwohl davon auszugehen ist, dass die Weltwirtschaft bis zum Jahre 2050 wachsen wird.

2.2 Auswirkungen des Klimawandels

Ein wärmeres Klima verändert den Energiehaushalt der Erde und hat zur Folge, dass sich der globale Wasserkreislauf beschleunigt und es zu veränderten Niederschlagsmustern, einer geringeren örtlichen Wasserverfügbarkeit und häufigeren und intensiveren extremen Wetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürmen kommt. Darüber hinaus lassen das Abschmelzen der Polkappen und die Erwärmung der Meere die Meeresspiegel ansteigen; in tief liegenden Küstengebieten kommt es vermehrt zu Überschwemmungen, Landverlusten und zur Versalzung von Böden, Gewässern und Grundwasservorkommen.

Die naturräumlichen Folgen des Klimawandels sind geographisch so verteilt, dass sie insbesondere die armen Länder, vor allem in Afrika südlich der Sahara, belasten. Diese Länder verfügen in der Regel nur über schwache politische und ökonomische Anpassungsfähigkeiten. Wenn die betroffenen Gesellschaften keine oder nur unzureichende vorbeugende Anpassungsmaßnahmen treffen, können die politischen, ökonomischen und sozialen Folgen dieser Phänomene erheblich sein. Verteilungskonflikte um Böden, Wasser und Nahrung können sich verschärfen, Migrationsströme anwachsen. Daraus können sich auch zusätzliche internationale Spannungen ergeben.[9]

Besonders die kleinen Inselstaaten und die tief liegenden Küstengebiete sind großen Gefahren ausgesetzt: Durch den Meeresspiegelanstieg und zunehmende Hurrikane sind Staaten im Pazifik und der Karibik in ihrer Existenz bedroht. Die Regierung der Malediven hat einen öffentlichen Sparfonds gegründet, um damit zu einem späteren Zeitpunkt große Ländereien, z. B. in Australien zu kaufen, auf denen sich das dann vom Klimawandel vertriebene Inselvolk neu ansiedeln kann. Dies betrifft die körperliche Rettung dieser Gesellschaft – aber was wird aus ihrer Staatlichkeit? Aus ihrer Kultur und Ökonomie? Die Menschen, die in tief liegenden Küstengebieten leben, stehen durch den Meeresspiegelanstieg und den damit verbundenen Verlust an Boden sowie der Versalzung des Grundwassers ebenfalls vor der Frage, wann sie sich gezwungen sehen, ihren Lebensort zu verlassen. Diese Gebiete sind in der Regel dicht besiedelt, sind Standort großer Häfen und außerdem bedeutende landwirtschaftliche Produktionszonen. Eine Aufgabe dieser Gebiete ist nicht nur für die dort lebenden und arbeitenden Menschen eine Katastrophe, sondern auch für die Länder, zu denen sie gehören.

Die Problematik der zu erwartenden Klimaflüchtlinge, die irgendwann keine Lebensaussichten in von Dürren und Überschwemmungen bedrohten Regionen sehen und für die dauerhaft neue und geeignete Siedlungsräume gefunden werden müssen, erfordert Anstrengungen, die die Kapazitäten vieler Länder des Südens übersteigen. Die Zahlen der möglichen Klimaflüchtlinge lassen sich nicht exakt prognostizieren; die Spannbreite liegt je nach Definition und Klimaszenario zwischen 20 und mehr als 200 Millionen Menschen. Die Ursachen der notwendigen Umsiedlungen mitsamt den sozialen und kulturellen Folgen liegen zumindest teilweise in den Industrieländern. Um die moralische Problematik pointiert auszudrücken: Wie kann es verhindert werden, dass die Bewohnerinnen der Malediven in den Slums von Mumbai und die Bewohnerinnen der Mangrovenwälder Bangladeschs in den Slums von Dacca enden?

Besonders großen Risiken ist die ländliche Bevölkerung ausgesetzt. Der Erfolg ihrer wirtschaftlichen Strategien hängt in starkem Maße von gleich bleibenden natürlichen Bedingungen (Bodenfruchtbarkeit, Niederschläge, jahreszeitlicher Temperaturwechsel, bisheriges Spektrum der Klimavariabilität) ab. Ändern sich diese Bedingungen, müssen Bauern Zugang zu solidem Wissen über diese Veränderungen und alternative Technologien haben, um in eine Anpassung ihrer Produktionssysteme investieren zu können. Neue Studien zur Nahrungsmittelerzeugung, die nicht nur erhöhte Durchschnittstemperaturen, sondern auch kurze Perioden extremer Hitze modellieren, kommen zu der Prognose, dass bei starker Erwärmung im Jahre 2100 die Hälfte der Erdbevölkerung von Hunger bedroht sein könnte.[10]

Aber auch städtische Arme, insbesondere in den rapide wachsenden Mega-Cities Asiens, stehen vor neuen Risiken: Ihre oftmals prekären Wohnverhältnisse in den Städten können sich durch extreme Wetterereignisse verschlimmern. Damit werden im informellen Sektor häufig auch Erwerbsquellen existenziell gefährdet. Starke Regenfälle können in den Slums zu Landrutschen führen, der damit einhergehende Zusammenbruch der Strom- und Wasserversorgung gefährdet die Gesundheit und damit die wirtschaftlichen Aktivitäten der städtischen Bevölkerung. Die in einigen Ländern zu erwartende Landflucht wird die Bevölkerung in vielen Städten ohnehin anschwellen lassen (Urbanisierung der Armut). Wo wenig Alternativen bestehen, wird sich die Konkurrenz um Erwerbsquellen und ökonomische Ressourcen verschärfen.[11]

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die sog. Kipp-Punkte des Klimawandels (tipping points).[12] Es handelt sich hierbei um radikale und unkontrollierbare Auswirkungen, die eintreten können, wenn bestimmte Schwellen der Veränderung überschritten werden. Wichtige Gebiete, deren Umkippen für das globale Klimasystem bedrohlich wäre, sind u. a. der Nordostatlantik mit seiner Bedeutung für die atlantische Meereszirkulation ("Golfstrom"), das Amazonasbecken, die Monsungebiete des indischen Subkontinents, die Gletscherregionen von Pamir und Himalaja, die Dauerfrostgebiete Sibiriens und der Südpazifik, dessen regelmäßige Erwärmung das Klima in Teilen Südamerikas, Afrikas und Asiens beeinflusst ("El Niño"). Die ökologischen und sozialen Folgen von großräumigen ökologischen Transformationen in diesen Gebieten sind laut IPCC nicht mehr vorhersehbar. Erreicht die Veränderung in solchen Gebieten den Kipp-Punkt, könnte das aufgrund der globalen Auswirkungen die Erreichung aller anderen Stabilisierungsbemühungen zunichte machen. Schätzt man im Lichte des Vorsorgeprinzips und des Artikels 2 der Klimarahmenkonvention[13] (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) die positiven Rückkoppelungseffekte und die Veränderungen von tipping points als stark und gefährlich ein, muss man Stabilisierungsziele neu überdenken und ggf. korrigieren. Unbedingt zu verhindern gilt es, dass viele dieser tipping points gleichzeitig beginnen, stark auf die Erderwärmung zu reagieren.

Dramatisch sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die belebte Mitwelt. Eine Erhöhung der globalen Mitteltemperatur ober- halb von 1,5 – 2,5° C könnte Strukturen und Funktionen ökologischer Systeme im großen Maßstab verändern. 20 – 30 Prozent aller bekannten Arten wären vom Aussterben bedroht, wobei der Vierte Sachstandsbericht des IPCC hier allerdings große Spannbreiten des Artenverlustes für unterschiedliche Großlebensräume (Biome) angibt. Besonders betroff en von den Veränderungen wären aber auch bestimmte Biome selbst wie die Tundra, Wälder auf der Nordhalbkugel, Gebirge, Mangrovenwälder, Korallenriff e, mediterrane Ökosysteme und Meereissysteme. Bei höheren Temperaturanstiegen ist ein Austrocknen des Amazonasgebietes möglich. Überdies konterkariert die Verbindung aus Klimawandel und intensiver Landnutzung das Ziel der Erhaltung der globalen Biodiversität.[14]

2.3 Der Sachstand der Klimapolitik

Es besteht (noch) kein Grund zur klimapolitischen Resignation oder zum Fatalismus des "Rette sich, wer kann". Der Vierte Sachstandsbericht des IPCC hält fest, dass ein Erreichen des 2°C-Ziels immer noch in Reichweite klimapolitischer Handlungsmöglichkeiten ist. Zwar sind die vergangenen Jahrzehnte durch Versäumnisse und Verzögerungen geprägt, aber das Problembewusstsein ist weltweit gewachsen. Die technologischen Optionen haben sich deutlich verbessert (Energieeffizienz, erneuerbare Energien, emissionsarme Verfahren der Energieerzeugung), die politischen Instrumente werden derzeit erprobt (Clean Development Mechanism und Joint Implementation, Emissionshandel). Auch wird die Notwendigkeit für ein neues Klima-Protokoll ab 2012 global anerkannt. Bei einem entsprechenden politischen Willen der Staaten- und Völkergemeinschaft ist eine Begrenzung des Klimawandels auf einen beherrschbaren Rahmen weiterhin möglich. Es liegt immer noch im Bereich des Möglichen, das Schlimmste zu verhindern. Allerdings ist hierzu erforderlich, durch eine entschlossene Klimapolitik die unbedingt erforderliche Trendwende in der globalen Emissionsentwicklung jetzt energisch einzuleiten und diese Richtung konsequent beizubehalten. Die Menschheit hat jetzt noch die Gelegenheit, zu handeln – diese Gelegenheit nicht zu nutzen, wäre künftigen Generationen gegenüber verantwortungslos. Falsch wäre es auch, die Erfolglosigkeit der Klimaverhandlungen zum Anlass zu nehmen, die Anstrengungen im Bereich der Reduzierung von Treibhausgasemissionen (mitigation) zu verringern und alle Hoffnungen auf Anpassung (adaptation) zu setzen. Anpassungsstrategien sind unumgänglich und ethisch geboten; dies gilt auch für die Institutionalisierung eines globalen Anpassungsfonds, der gegenwärtig in der klimapolitischen Debatte ist. Aber die Entwicklung einer praktikablen Anpassungsstrategie hängt maßgeblich von einer deutlichen Emissionsreduzierung ab.

Von den Szenarien der Emissionsentwicklung, die das IPCC aufgezeigt hat, eröffnet nur eines die Chance, im angestrebten 2° C Rahmen zu bleiben. Dieses Szenario sieht eine rasche Einführung erneuerbarer Energien weltweit vor, eine globale Verbreitung modernster Technologien zur effizienten Ressourcennutzung und eine Steigerung der Energieeffizienz. Hinzu kommt eine energische Bekämpfung der Treibhausgasemissionen aus der Vernichtung von Mooren und Wäldern. In allen anderen Szenarien besteht ein hohes Risiko, das 2° C-Ziel zu verfehlen. Es wird damit immer plausibler, dass die eben genannten energiepolitischen Maßnahmen in umfassende klimapolitische Programme eingebettet werden müssen.[15]

Die Ergebnisse der Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention und zum Kyoto-Protokoll[16] in Bali 2007 geben Grund zur Hoffnung, vor allem weil auch die Entwicklungsländer nachvollziehbare und messbare Aktivitäten für den Klimaschutz zugesagt haben.[17] Allerdings ist ein Scheitern der Verhandlungen über die Ziele und Instrumente eines neuen Protokolls, das ab 2012 gültig wäre, nach wie vor möglich. Es verbleibt nur noch eine Verhandlungsrunde[18] zur Festlegung verbindlicher Reduktionsziele der Industrieländer ab 2012. Die Verhandlungen in Poznań (Dezember 2008) gingen ergebnisarm vorüber. Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf dem ersten Amtsjahr von US-Präsident Barack Obama. Eklatant ist das Auseinanderklaffen zwischen dem Problembewusstsein einer globalen Zivilgesellschaft und der Handlungsbereitschaft der sich an ihren Eigeninteressen orientierenden Nationalstaaten.

Außer konkreten materiellen Vereinbarungen zu den oben genannten strittigen Punkten müssen konkrete finanzielle Vereinbarungen getroffen werden mit dem Ziel, die großen Emittenten unter den Entwicklungsländern bei der Verringerung ihrer Emissionen und alle Entwicklungsländer bei der Erweiterung ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel zu unterstützen. Dies könnte eine entscheidende Gelegenheit der Nichtregierungsorganisationen (NRO) sein, unter Berufung auf eine moralisch sensibilisierte Weltöffentlichkeit den Druck auf die Verhandlungen zu erhöhen: Kein Staat möchte (hoffentlich) vor dieser Öffentlichkeit für ein Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht werden. Ebenso wichtig wird es sein, Vereinbarungen zu treffen, mit denen die großen Emittenten unter den Entwicklungsländern bei der Verringerung ihrer Emissionen unterstützt werden können, sowie Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen.

2.3.1 Die klimapolitische Haltung der Industrieländer

Unter den Industrieländern sind drei größere Akteure relevant: Die Führungsrolle liegt unbestritten bei der EU, während die USA und Russland bisher in unterschiedlichem Ausmaß als Blockademächte aufgetreten sind. Von den USA wurden jedoch nach dem Regierungswechsel neue konstruktive klimapolitische Initiativen für die Weiterentwicklung der globalen klimapolitischen Vereinbarungen angekündigt und ansatzweise bereits in die Tat umgesetzt. Die EU hat sich nicht nur seit 2001, als US-Präsident George W. Bush unmittelbar nach seinem Amtsantritt das Kyoto-Protokoll für "tot" erklärte, hartnäckig um dessen Ratifizierung bemüht. 2004 erzielte sie den Durchbruch: Russland stimmte dem Protokoll zu, nachdem die EU zugesichert hatte, den russischen Antrag auf Mitgliedschaft in der WTO zu unterstützen. Die EU hat gleichzeitig auch ein ambitioniertes europäisches Klimaschutzprogramm aufgelegt, dessen Kernstück das Europäische Emissionshandelssystem (Emission Trading System, ETS) bildet.

Kasten 1: Der europäische Emissionshandel

Die Europäische Union hat 2005 ein Emissionshandelssystem (Emission Trading System, ETS) eingeführt, mit dem sie eine systematische Verringerung der Treibhausgasemissionen erreichen will. Bisher deckt der Emissionshandel die Stromerzeugung und besonders energieintensive Branchen wie die Zementherstellung oder die Stahlindustrie ab. Zusammen macht dies etwa die Hälfte der europäischen CO2-Emissionen aus. In der EU bekommt jede der etwa 12.000 abgedeckten Produktionsstätten und Kraftwerke eine bestimmte Menge Emissionsberechtigungen zugeteilt. Stößt die Anlage mehr aus, müssen zusätzliche Zertifikate zugekauft werden. Dies erfolgt an Börsen, über Makler oder direkt zwischen den Beteiligten. Emissionsrechte aus Entwicklungsländern, die im Rahmen des Clean Development Mechanism erworben wurden, können im ETS angerechnet werden, allerdings nur bis zu bestimmten Obergrenzen, und Rechte aus Aufforstungsprojekten sind davon ausgenommen. In Deutschland wurde diese Obergrenze auf 22 Prozent der jeder einzelnen Anlage zugeteilten Emissionszertifikate begrenzt.

Zwischen 2005 und 2007 wurden zu viele Emissionsrechte vergeben, so dass der Preis dafür zunächst auf wenige Cent einbrach. Dies änderte sich später. Darüber hinaus mussten die Emissionsrechte zu 95 Prozent kostenlos abgegeben werden. Deutschland hat diese Möglichkeit wie die meisten anderen Staaten der EU nicht genutzt. Alle Anlagen erhielten ausreichend kostenlose Zertifikate, um ihre bisherigen Emissionen abzudecken. Die großen Stromversorger rechneten allerdings anschließend die (fiktiven) Kosten für ihre Emissionsrechte am Markt in den Strompreis ein und erzielten damit hohe Gewinne.

Zwischen 2008 und 2012 können bis zu 10 Prozent der Emissionsrechte versteigert werden. In Deutschland bleiben die Emissionsrechte für die Industriebetriebe kostenlos, während die Stromerzeuger 10 Prozent über die Börse erwerben müssen. Monatlich erzielt der Staat damit Einnahmen von etwa 80 Millionen Euro. Die weitere Entwicklung des Emissionshandelssystems wurde Ende 2007 und 2008 beschlossen. Ab 2012 soll auch der Luftverkehr in das ETS einbezogen werden. Alle Fluglinien, die in der EU starten oder landen, müssen in Zukunft unabhängig von ihrer Herkunft Emissionsrechte kaufen, auch für Interkontinentalflüge. Damit soll der seit 1990 um 87 Prozent gewachsene CO2- Ausstoß des Luftverkehrs verringert werden. Die Zertifikate werden von der Kommission verteilt, 15 Prozent werden versteigert. Die kostenlose Verteilung erfolgt anhand eines technologischen Benchmarks (Best Available Technology, BAT). Damit werden zahlreiche Vorschläge der EU-Kommission für die nächste Phase des ETS 2013-2020 bereits vorweggenommen.

Im neuen Klimapaket, das im Dezember 2008 nach langen Verhandlungen zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament angenommen wurde, stehen auch die Richtlinien für die dritte Phase des ETS. So wird die Vergabe der Emissionsrechte massiv verändert. In Zukunft wird die Europäische Kommission eine EU-weite Gesamtobergrenze für CO2-Emissionen vorgeben, die jährlich um 1,74 Prozent gesenkt wird, um sie schließlich im Jahr 2020 auf 1,72 Milliarden Tonnen oder 79 Prozent der Emissionen des Jahres 2005 zu begrenzen.

Das ETS deckt künftig auch andere klimaschädliche Substanzen wie Lachgas und vollhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) ab. Zudem gilt das System ab 2013 grundsätzlich für alle Industrieunternehmen mit einem jährlichen Kohlendioxidausstoß von mehr als 10.000 Tonnen, und damit für 95 Prozent der europäischen Industrie. Allerdings gibt es bedeutende Ausnahmen für energieintensive und exportorientierte Unternehmen. 2013 soll der Anteil der auktionierten Zertifikate 20 Prozent betragen. In den folgenden Jahren wird der Anteil Schritt für Schritt auf 70 Prozent (2020) und schließlich 2025 auf 100 Prozent erhöht. Die Stromproduzenten müssen bereits ab 2013 alle benötigten Zertifikate bezahlen. Ausgenommen von dieser Regelung sind allerdings Kraftwerke mit hohem Kohleanteil. Sie erhalten zu Beginn noch bis zu 70 Prozent der Zertifikate gratis, müssen diese jedoch spätestens 2019 ebenfalls vollständig er steigern.

Gratiszertifikate werden in Zukunft nur noch nach dem Prinzip der besten verfügbaren Technologie (Best Available Technology [BAT], Orientierung am technischen Standard der Anlagenklasse) vergeben. Ausschlaggebend ist dann nicht mehr, wie viel Treibhausgase bisher von einer bestimmten Anlage ausgestoßen wurden, sondern wie viel ein modernes effizientes Werk der gleichen Größenordnung ausstößt. Energieintensive Betriebe, die zu den zehn Prozent der umweltfreundlichsten ihrer Branche in Europa zählen, werden mit Gratisemissionszertifikaten belohnt.

Ebenfalls kostenlos sind Emissionszertifikate für exportorientierte Industrieunternehmen, deren Produktionskosten durch die CO2- Abgaben um mehr als fünf Prozent steigen würden und die ihre Umsätze zu mehr als zehn Prozent im Export außerhalb der EU erlösen. Dadurch sollen Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern verhindert werden, die in Staaten operieren, die sich nicht am globalen Klimaschutz beteiligen. Welche Branchen von dieser Regelung profitieren, muss bis Dezember 2009 entschieden werden. Die Einnahmen in Höhe eines hohen zweistelligen Milliarden Euro Betrages sollen zum Teil an die Mitgliedsländer ausgeschüttet werden, zum Teil einen Klimafonds speisen. Reiche EU-Staaten müssen zwölf Prozent der ihnen zustehenden Emissionsrechte an ärmere Staaten abgeben, um deren Kosten durch den Emissionshandel abzufedern.

Quelle: Vgl. Offizielle Informationsseite der Europäischen Kommission

http://ec.europa.eu/environment/climat/emission/index_en.htm; Seite des Bundesumweltministeriums zum Emissionshandel: www.bmu.de/emissionshandel/aktuell/aktuell/1201.php

Anfang 2008 hat die Europäische Kommission ein klima- und energiepolitisches Paket vorgelegt, dessen Einzelmaßnahmen in den Jahren 2009 und 2010 verhandelt werden. Zentrale Bestandteile sind der Ausbau des ETS und die Förderung erneuerbarer Energien. Bezogen auf die Zeit nach 2012 soll sich das ETS an einem EU-weiten Reduktionsziel von 21 Prozent orientieren; in der gegenwärtigen Laufzeit von 2008 – 2012 hat jedes Mitgliedsland ein eigenes Reduktionsziel. Es wird erwartet, dass dies zu einer größeren ökologischen Integrität und höherer wirtschaftlicher Effizienz führt. Letztere wird auch durch die Auktionierung der Emissionsrechte verbessert werden: Gegenwärtig werden nur 10 Prozent versteigert; ab 2013 wird der Energiesektor seine gesamten Emissionsrechte über den Markt erwerben müssen. Insgesamt werden 2013 60 Prozent der Emissionsrechte versteigert werden.

Die Luftfahrt soll ab 2013 in das ETS aufgenommen werden. Die Einnahmen aus der Auktionierung werden für die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien verwendet sowie für die Investition in Anpassungsmaßnahmen in der EU und in Entwicklungsländern. Im Bereich der erneuerbaren Energien hält die EU-Kommission vorerst an Einzelzielen für die Mitgliedsländer fest, fordert aber die Vorlage von Aktionsplänen mit Einzelmaßnahmen in den Bereichen Elektrizität, Heizen/Kühlen und Verkehr. Länder, die ihre Ziele nicht erreichen, können so genannte renewable credits bei anderen Mitgliedsstaaten erwerben, die über der Ziellinie liegen.

Kritikwürdig an diesem klimapolitischen Paket der EU ist vor allem, dass es sich – wahrscheinlich aus wirtschafts- und energiepolitischen Interessen – an einem Reduktionsziel von 20 Prozent und damit am untersten vom IPCC empfohlenen Wert orientiert. Damit geht die EU ein hohes Risiko ein, das 2°C-Ziel zu verfehlen. Hinzu kommt, dass die Verminderung von Emissionen im Verkehrssektor zum Teil mit dem Ausbau des Anteils von Agrartreibstoff en erkauft wird. Dies ist nicht überzeugend angesichts steigender Nahrungsmittelpreise und einer ungünstigen Energiebilanz der meisten Agrartreibstoffe.[19]

Die Verhandlungen um den Rahmen für die Weiterentwicklung der Klimarahmenkonvention Ende 2007 in Bali wurden maßgeblich von der EU geprägt, auch wenn es ihr nicht gelungen ist, das vom IPCC empfohlene Reduktionsziel von 25– 40 Prozent der globalen Emissionen bis 2020 festzuschreiben. Die Europäische Union hat sich selbst verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zwischen 2012 und 2020 gegenüber 1990 um 20 Prozent zu verringern. Sollten die USA, China und andere große Emittenten ebenfalls Reduktionen beschließen, so bietet die EU ein 30 Prozent- Reduktionsziel bis 2020 an. Dies würde für Deutschland als dem größten Emittenten innerhalb der EU ein Reduktionsziel oberhalb von 30 Prozent implizieren. Allerdings ist fraglich, ob es der EU gelingen wird, ihr Reduktionsziel unter dem Kyoto-Protokoll bis 2012 zu erreichen. Eine Verfehlung des Kyoto-Ziels würde die Vorreiterrolle der EU stark beschädigen. Die klimapolitischen Ziele der EU gerieten Ende 2008 aufgrund der Weltwirtschaftskrise in Gefahr und konnten nur mit Mühe "gerettet" werden. Viel wird davon abhängen, ob die Politik im Krisenjahr 2009 die Kraft finden wird, aus der Situation klimapolitisches Kapital zu schlagen (Stichwort: New Green Deal) oder ob sich die politischen Kräfte durchsetzen, die Klimaschutz gegen die "Rettung" der Wirtschaft ausspielen wollen.

Ende Januar 2009 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für ein umfassendes Klimaabkommen für die Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagen Ende 2009.[20] Kernelemente sind, dass alle Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990 senken, während Entwicklungsländer den Anstieg ihrer Emissionen um 15 bis 30 Prozent verlangsamen sollen. Die OECD-Länder sollen die Entwicklungsländer bei ihren Maßnahmen zur Minderung und zur Anpassung finanziell unterstützen. Dafür sollen innovative Finanzierungsquellen wie die internationale Versteigerung von Emissionsrechten erschlossen werden. Die Lastenteilung sollte sich auf das Verursacherprinzip und die Größe der jeweiligen Volkswirtschaft beziehen. Bis 2015 sollen alle OECD-Staaten am Emissionshandel teilnehmen, bis 2020 sollen auch andere große Emittenten wie China beitreten. Die Emissionen aus dem Flug- und Schiffsverkehr sollen ebenfalls in das neue Klimaregime einbezogen werden.

Die USA haben in den vergangenen zehn Jahren unter Präsident George W. Bush alles daran gesetzt, klimapolitische Fortschritte auf internationaler Ebene zu blockieren. Die USA sind der weltweit größte absolute Emittent von Treibhausgasen, auch die Pro- Kopf-Emissionen der USA gehören weltweit zu den höchsten. Zwischen 1990 – dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls – und 2004 stiegen die CO2-Emissionen der USA absolut um knapp 20 Prozent und pro Kopf um 2 Prozent. Allerdings hat seit 2007 nicht nur der internationale Druck auf die USA zugenommen, ihre Blockadeposition zu überdenken. 2008 unterzeichneten die Gouverneure von 20 Bundesstaaten eine gemeinsame klimapolitische Erklärung, in der sie sozusagen "von innen" die US-Bundesregierung dazu aufrufen, sich ihren Programmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen anzuschließen. Die Bürgermeister von mehr als 800 Städten unterzeichneten eine Erklärung zur Unterstützung der Ziele des Kyoto-Protokolls. Vertreter großer US-amerikanischer Konzerne veröffentlichten einen Aufruf an die US-Bundesregierung, verbindliche Reduktionsziele einzuführen, Anreize für die Verbesserung der Energieeffizienz zu setzen und einen US-weiten Emissionshandel zu schaff en. Auch wächst das bislang kaum vorhandene Bewusstsein für die ökologische Verwundbarkeit einzelner Regionen, und evangelikale Organisationen entdecken unter schöpfungstheologischen Prämissen das Thema Klimawandel. Diese vielfältigen Lernprozesse auf unteren politischen Ebenen und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen können zusammen mit dem Regierungswechsel den Boden für eine klimapolitische Wende in den USA bereiten.

US-Präsident Barack Obama bekennt sich zu einer solchen Wende und hat Ende Januar 2009 bereits erste Maßnahmen ergriff en. Die Frage ist, wie schnell entsprechende Gesetze durch den Kongress und den Senat verabschiedet werden. Nicht der Präsident, sondern nur der Senat kann völkerrechtlich bindende Abkommen beschließen. Der Präsident kann gleichwohl eigene Akzente in der Klimapolitik setzen; dies ist umso bedeutender, als es gerade in der gegenwärtigen Krise auf politische Führung ankommt. Dazu gehört auch die Einführung eines US-weiten Emissionshandels, die im Jahre 2008 zunächst gescheitert war. Eine Verpflichtung der USA auf die Linie des "alten" Kyoto-Protokolls (Einschränkung der Emissionen um 5,2 Prozent bis 2012 gegenüber 1990) und eine dringend erforderliche substanzielle Verschärfung der Reduktionsverpflichtungen nach 2012 würde durchgreifende Maßnahmen erfordern. Ob diese politisch gegen die Verbindung der diversen Industrie-Lobbys mit dem extrem energieintensiven amerikanischen Lebensstil und den wirtschaftlichen Krisenerscheinungen in den USA erreichbar ist, erscheint eher unwahrscheinlich. Zwar werden die Emissionen der USA in der gegenwärtigen Rezession ein wenig zurückgehen, aber die politische Akzeptanz für eine langfristige Reduktion auch nur auf EU-Durchschnittswerte (10 t/a pro Person) zeichnet sich bisher nicht ab, zumal auch vom ökonomischen Chefberater der gegenwärtigen US-Regierung die Wirtschaftskrise als globales Nachfrageproblem gesehen wird, das nur durch eine Steigerung der weltweiten Nachfrage gelöst werden kann. Es wird viel davon abhängen, wie die USA die Einsichten verkraften, die ihnen die Wirtschaftskrise zumutet: dass sie lange Zeit über ihre ökonomischen Verhältnisse gelebt haben, dass ihr neoliberales Modell gescheitert ist, dass die Infrastrukturen in einem schlechten Zustand sind und dass ihr Energiekonsum weder ökonomisch noch ökologisch auch nur minimalen Nachhaltigkeitsstandards entspricht.

Ein Scheitern der globalen Klimaverhandlungen würde sich negativ auf alle Anstrengungen auswirken, die Vereinten Nationen und das Völkerrecht zu reformieren und zu einem wirksamen Instrument des Interessenausgleiches auf globaler Ebene zu machen. Bei den Klimaverhandlungen geht es um die Lösung eines wahrhaft globalen Problems, das von keinem Land allein auf seinem Staatsgebiet bewältigt werden kann. Gelingt es hier nicht, zukunftsfähige und gerechte Lösungen für gegenwärtige und zukünftige Generationen auszuhandeln, sind Fortschritte in anderen globalen Arenen wie der Welthandelsrunde kaum vorstellbar.

Ein Beispiel für die Destruktivität rein nationaler Perspektiven bietet Russland trotz seines Beitritts zum Kyoto-Protokoll.[21] Russland ist das einzige größere Land, in dem erhebliche Teile der Wissenschaft und der politischen Führung ohne Skrupel die Vorteile eines Klimawandels für das Land herausstreichen, ohne dabei die Folgen des globalen Wandels für andere Länder in Rechnung zu stellen. Aus dieser Perspektive zählt nur, dass die globale Erwärmung zur Erschließung neuer agrarischer Nutzflächen im Norden Russlands führen und auch die Ausbeutung von Rohstoff vorkommen in Sibirien erleichtern würde. Eine konstruktive Klimapolitik ist bei einer solchen Sichtweise nur schwer vorstellbar. Angesichts der gegenwärtigen energiepolitischen Abhängigkeit der EU von russischen Gas-Lieferungen erfordert dies einen umso intensiveren Dialog mit denjenigen in Russland, die für Fragen der globalen Klimapolitik off en sind. Ziel muss weiterhin eine Einbindung Russlands in ein verbindliches internationales Regime sein.[22]

2.3.2 Die klimapolitische Haltung der Entwicklungsländer

Die Gruppe der Entwicklungsländer ist intern durch unterschiedliche und teilweise widersprüchliche Interessenlagen geprägt, tritt jedoch in den Klimaverhandlungen generell als Block der "G77- Länder + China" auf. Die Aushandlung gemeinsamer Positionen ist allerdings zeitaufwändig und wird immer schwieriger. Grob können folgende Untergruppen[23] unterschieden werden:

  • die Gruppe der großen und schnell wachsenden Emittenten; dazu gehören China, Indien, Brasilien, Indonesien und Südafrika; in China und Indien leben absolut gesehen die meisten Armen, allerdings bildet sich in diesen Ländern auch eine Ober- und Mittelschicht heraus;
  • die Gruppe der Entwicklungsländer, die bereits ein mittleres Einkommensniveau erreicht, bisher anhaltendes Wirtschaftswachstum verzeichnet und damit einhergehende wachsende Emissionen haben;
  • die Gruppe der Erdölländer, die in der Regel hohe Pro-Kopf-Emissionen aufweisen, sich als negativ Betroffene der zurückgehenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern sehen und für diese Zeit wirtschaftliche Ausgleichszahlungen fordern;
  • die Gruppe der Länder, deren Emissionen aufgrund ihres niedrigen Entwicklungsniveaus sowohl historisch als auch in absehbarer Zukunft nicht ins Gewicht fallen, die aber stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroff en sein werden; den Kern dieser Gruppe bildet die African Group, zu der die ärmsten Entwicklungsländer (Least Developed Countries, LDCs) gehören;
  • die Gruppe der kleinen Inselstaaten, deren Existenz durch den Anstieg des Meeresspiegels teilweise noch in diesem Jahrhundert bedroht ist; diese Gruppe ist in der Association of Small Island States (AOSIS) organisiert.

Die Klimarahmenkonvention von 1992 legt in Artikel 4 fest, dass alle Unterzeichnerstaaten Maßnahmen zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen ergreifen, "unter Berücksichtigung ihrer gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihrer speziellen nationalen und regionalen Entwicklungsprioritäten, Ziele und Gegebenheiten". In der Präambel wird explizit anerkannt, dass diese Maßnahmen "eng mit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung koordiniert werden sollten, damit nachteilige Auswirkungen auf diese Entwicklung vermieden werden, wobei die legitimen vorrangigen Bedürfnisse der Entwicklungsländer in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Beseitigung der Armut voll zu berücksichtigen sind."[24]

Die klimapolitische Position der Entwicklungsländer besagt, dass die Industrieländer historisch verantwortlich für den Klimawandel sind und deshalb Vorleistungen bei seiner Bekämpfung erbringen müssen. Dies bedeutete auch, dass alle Entwicklungsländer es zunächst ablehnten, Begrenzungsmaßnahmen zu treffen oder über Reduktionsverpflichtungen ihrerseits nach 2012 zu sprechen. Hintergrund dieser Position ist die Befürchtung, dass ihre wirtschaftliche Entwicklung mit Verweis auf das übergeordnete Interesse des Klimaschutzes begrenzt und damit das gegenwärtige Gefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zementiert werden würde. Diese Befürchtung wird durch den gegenwärtig dominierenden Ansatz, Reduktionsverpflichtungen am bestehenden Emissionsniveau auszurichten und nicht beispielsweise an global gleich verteilten Emissionsrechten, genährt. Die Befürchtungen der Entwicklungsländer sind vollauf berechtigt. Gleichwohl sind das Prinzip der historischen Verantwortung und das aus ihm abgeleitete Konzept der "ökologischen Schulden" (ecological debt) problematisch. Ein allgemeines Problembewusstsein für einen anthropogen verursachten Klimawandel existiert erst seit wenigen Jahren. Die Akteure der Vergangenheit wussten nicht, dass ihre Emissionen langfristige Konsequenzen für das Weltklima haben würden. Auch die Entwicklungsländer machen dies erst seit Kurzem geltend. Die Fürsprecher einer aufholenden Industrialisierung haben noch auf der ersten Weltumweltkonferenz, die 1972 in Stockholm stattfand, umweltpolitische Argumente als Hindernis auf dem Weg der Entwicklungsländer in die Industriegesellschaft zurückgewiesen. Den Industrieländern ist insofern zwar eine kausale Verantwortung für den historischen Klimawandel zuzurechnen. Der Schritt von der kausalen zur moralischen Verantwortung wäre jedoch besonders begründungsbedürftig. Dies auch deshalb, weil etwa 50 Prozent aller jemals emittierten Treibhausgase in den vergangenen 40 Jahren emittiert wurden und ein rasch wachsender Anteil dieser Emissionen aus Wirtschaftsaktivitäten außerhalb der "alten" Industrieländer stammt. Dessen ungeachtet ist der Norden aufgrund des Gewinns, den er aus den bisher kostenlosen Emissionen gezogen hat, moralisch (wenn auch nach bisherigem Verständnis nicht rechtlich) verpflichtet, bei der Begrenzung von Emissionen voranzugehen, klimapolitische Konzepte und Institutionen zu entwickeln, die den Entwicklungsländern zum Vorteil gereichen, und die Umsetzung dieser Konzepte finanziell und technologisch zu unterstützen (s. Kapitel 6). Diese Verpflichtung besteht, obwohl die Emissionen der Entwicklungsländer an Bedeutung für die globale Entwicklung gewinnen und die Entwicklungsländer von daher selbst zum Handeln aufgerufen sind. Selbst eine unzulängliche Wahrnehmung der Verantwortung des Südens für seinen eigenen Beitrag zum Klimawandel entbindet den Norden nicht seiner Pflicht, im Klimaschutz voranzugehen. Wenn der Norden dieser Pflicht ernsthaft nachkommt, werden auch die Länder des Südens folgen; denn die Entwicklungsländer haben bereits begonnen, sich dem Ruf nach einem eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu öffnen.

Berechnungen des World Resources Institute zeigen, dass ab 2025 die Entwicklungsländer trotz geringerer Pro-Kopf-Emissionen absolut mehr Treibhausgase emittieren werden als die Industrieländer.[25] Damit verursachen sie langfristige Risiken auch für sich selbst (etwa eine Veränderung des Monsuns in Indien[26]). Auf der Vertragsstaatenkonferenz in Bali 2007 haben die Entwicklungsländer deshalb erstmals zugesagt, nachprüfbare und quantifizierbare Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ergreifen. Diese Selbstverpflichtung der Entwicklungsländer bezieht sich zwar nicht auf international verbindliche Emissionsreduktionsziele, sondern auf nationale Maßnahmen des Klimaschutzes, und bindet entsprechende Maßnahmen an die konkrete Unterstützung durch die Industrieländer. Es könnte aber ein erster Schritt sein, um aus der bisherigen Verhandlungslogik auszubrechen, nach der jede Seite zunächst Zugeständnisse von der anderen erwartet, bevor sie sich selber bewegt. Mit den Worten des südafrikanischen Verhandlungsführers im Abschlussplenum 2007: "Die Entwicklungsländer sagen freiwillig, dass sie bereit sind, sich zu messbaren, dokumentierbaren und nachprüfbaren Maßnahmen des Klimaschutzes zu verpflichten. Das ist noch nie geschehen. Vor einem Jahr war dies völlig undenkbar."[27] In diesem Wandel spiegelt sich die Einsicht, dass auch in Entwicklungsländern die Energieversorgung nur mit verbesserter Energieeffizienz und dem Umstieg auf erneuerbare Energien gesichert werden kann.

Kasten 2:

Die Klimapolitik Brasiliens, Chinas, Indiens, Mexikos und Südafrikas

Diese fünf Länder spielen in der Klimapolitik eine wichtige Rolle: Als große und dynamische Volkswirtschaften sind sie sowohl große Emittenten als auch wichtige Partner der Industrieländer, wenn gemeinsam Lösungen für globale Probleme gefunden werden sollen. Das gilt für die Bewältigung der Finanzkrise und die Regulierung der Finanzmärkte ebenso wie für die Klimapolitik. Als politische Wortführer der Entwicklungsländer spielen diese Länder auch eine wichtige Rolle in der Positionsbildung der G77. Alle fünf Länder haben das Kyoto-Protokoll unterzeichnet. Brasilien, China, Indien und Südafrika haben sich beim G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 dazu verpflichtet, enger mit den G8-Mitgliedsstaaten und Mexiko in den Bereichen Energieeffizienz und Energietechnologie mit dem Ziel der Reduktion der CO2-Emissionen zusammenzuarbeiten. Alle wollen bei der Neuauflage des Kyoto-Protokolls aktiver mitwirken.

China, Brasilien und Mexiko haben bereits ohne den Druck völkerrechtlicher Verpflichtungen nationale Maßnahmen beschlossen, die zu erheblichen Minderungen ihrer Treibhausgasemissionen führen können. Das Center for Clean Air Policy (CCAP) in den USA hat berechnet, dass China, Brasilien und Mexiko bis 2010 mehr Treibhausgasemissionen vermeiden können als alle Industrieländer zusammen, die durch das Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet sind. Diese drei Länder haben eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, deren Umsetzung zu Emissionssenkungen führen würde, die über den Verpflichtungen der Europäischen Union bis 2020 lägen.

2008 haben alle fünf Länder klimapolitische Strategien sowie konkrete Programme und Maßnahmen verabschiedet. Im Vordergrund stehen immer die Erhöhung der Energieeffizienz und der Anteile erneuerbarer Energien am Energiemix. Chinas Strategie baut auf dem 11. Fünfjahresplan auf, der bereits eine Energiestrategie mit verbindlichen Zielen enthielt. Die Herausforderungen, die in der Entkopplung von Wachstum und Treibhausgasemissionen, in der Verringerung des Umweltverbrauchs sowie in der Anpassung an den Klimawandel liegen, werden explizit benannt. Indien ist ebenso wie China der Ansicht, dass eine internationale Übereinkunft zur Eindämmung von CO2-Emissionen auf Pro-Kopf-Zahlen und nicht auf absoluten Beträgen fußen solle. Brasilien legte sich Ende 2008 darauf fest, seine Entwaldungsrate bis 2017 um etwa 70 Prozent zu reduzieren. Zwischen 2006 – 2009 soll die Entwaldungsrate um 50 Prozent gegenüber dem Durchschnitt 1996 – 2005 gesenkt werden und in den folgenden zwei 4-Jahresblöcken um jeweils 30 Prozent gegenüber den Vorjahresblöcken (s. Government of Brazil: National Plan on Climate Change, Executive Summary, Brasilia 2008). Etwa 70 Prozent der brasilianischen Emissionen stammen aus der Entwaldung im Amazonasgebiet. Mexiko macht in seiner Strategie Vorschläge dazu, wie Entwicklungsländer schrittweise in ein globales System des Klimaschutzes integriert werden könnten, während Südafrika darlegt, welche Maßnahmen es im Eigeninteresse einer nachhaltigen Entwicklung ergreift, welche Maßnahmen es darüber hinaus als verantwortungsvoller Staat der Weltgemeinschaft beschließt und was es zusätzlich dazu zu tun bereit wäre, sollte es internationale Unterstützung erhalten.

Quellen: S. CCAP (Center for Clean Air Policy): January 2008/December 2007 Newsletter: Special Post-Bali Edition 2008; www.ccap.org/newsletter.htm; www.pewclimate.org/policy_center/international_policy

Eine Senkung der energiebedingten Emissionen von Entwicklungsländern erfordert eine beschleunigte Verbreitung der bereits vorhandenen neuen Technologien, insbesondere in China und Indien. Diesen Prozess müssen die Industrieländer finanziell unterstützen, denn der "natürliche" technologische Diffusionsprozess beansprucht zu viel Zeit. Um eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Erdatmosphäre zu erreichen, muss der weitere Anstieg der Emissionen in China und Indien schnell verlangsamt werden; zwischen 2020 und 2050 müssen die Emissionen auch hier absolut sinken. Die Industrieländer haben der Forderung nach einem entsprechenden Technologietransfer in Bali nachgegeben, schnelle Fortschritte bei der Einrichtung eines Technologietransfer- Fonds sind aber nicht zu erwarten: Das Interesse der Industrieländer, aus ihrem technologischen Vorsprung wirtschaftliche Vorteile gerade gegenüber den neuen Wettbewerbern aus Asien zu ziehen, wird als Hemmschuh wirken.

Für die ärmeren Entwicklungsländer sind die Vereinbarungen zur Unterstützung der Anpassung an den Klimawandel entscheidend. Damit die finanziellen Transfers dafür nicht auf Kosten der internationalen Entwicklungsfinanzierung, also der Armutsbekämpfung, gehen, fordern die Entwicklungsländer zusätzliche Mittel. Sie sollen also nicht aus der Entwicklungshilfe gezahlt werden. Der Human Development Report von 2007/2008, der unter der Schirmherrschaft des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme, UNDP) steht, beziffert die zusätzlich erforderlichen Mittel auf weitere 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Industrieländer. 2008 wurde ein Anpassungsfonds unter dem Kyoto-Protokoll eingerichtet, der zu einem geringen prozentualen Anteil an Abgaben aus dem Handel mit Emissionszertifikaten im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM) finanziert wird. Der CDM sieht vor, dass Industrieländer einen Teil ihrer Reduktionsverpflichtungen abdecken können, indem sie in Emissionsminderungen in Entwicklungsländern investieren. Die CDM-Abgabe für die Anpassung ist also ein Solidarbeitrag, zu dem auch die Entwicklungsländer beitragen. Mittlerweile ist auch die Einrichtung eines umfassenderen Anpassungsfonds im Rahmen des Abkommens von Kopenhagen in der Diskussion. Dieser sollte im Sinne des Verursacherprinzips aus Budgetmitteln der Industrieländer und/oder aus innovativen Finanzierungsquellen gespeist werden; es wird dabei voraussichtlich um eine Größenordnung von mehreren Milliarden USD gehen. Die Tropenwaldländer setzen darüber hinaus große Hoffnungen auf eine Vereinbarung zu einem finanziellen Mechanismus, mit dem entwaldungsbedingte Emissionen reduziert werden sollen. Die erforderlichen Mittel hierfür werden auf 10 –12 Mrd. USD pro Jahr geschätzt. Kontrovers ist, wie diese Mittel aufgebracht werden sollen: über die Ausgabe von Emissionsrechten oder über die Finanzierung eines Fonds, der z. B. aus Einnahmen aus dem Emissionshandel gespeist würde.

Generell steht für die Entwicklungsländer bei den Klimaverhandlungen viel auf dem Spiel. Es soll sowohl ein gefährlicher Klimawandel vermieden werden, als auch finanzielle Unterstützung bei der Umstellung auf eine klimaverträgliche und möglichst gegen Klimarisiken geschützte Entwicklungsstrategie eingeworben werden. In beiden Fällen sind die Entwicklungsländer einerseits auf Kooperation der Industrieländer angewiesen, andererseits müssen sie aber auch zunehmend dazu übergehen, die Handlungsspielräume für eigenständige klima-relevante Maßnahmen im eigenen Land zu nutzen.

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