Umkehr zum Leben
Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels, Denkschrift des Rates der EKD, 2009, Hrsg. Gütersloher Verlagshaus, ISBN 978-3-579-05909-9
7. Konsequenzen für die Kirchen
Leitgedanke: Kirchen werden ihrem Auftrag gerecht, wenn sie selbst zu einem Leben umkehren, das sich an den Leitwerten der Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit orientiert. Unser Ruf nach Gerechtigkeit ist auch an uns selbst gerichtet. Den Kirchen als Teil der Gesellschaft obliegt es aber auch, im Sinne der hier formulierten Leitwerte auf andere gesellschaftliche Kräfte und auf die Politik einzuwirken. Die Kirchen müssen die Beschlüsse der Kundgebung der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 2008 zum Thema "Klimawandel – Wasserwandel – Lebenswandel" zügig umsetzen, d. h. ihre klimawirksamen Emissionen bis 2015 um 25 % senken. Der Ruf nach Gerechtigkeit nimmt aber auch jeden Einzelnen in die Pflicht, das eigene Handeln an einem ökologisch vertretbaren Lebensstil auszurichten. Die Kirchen müssen darüber hinaus ihre Partner in den Entwicklungsländern bei ihren praktischen und politischen Anstrengungen für eine nachhaltige Entwicklung und bei der Bewältigung des Klimawandels in einer Weise unterstützen, die auch anderen Akteuren als Maßstab und Anreiz für einen konstruktiven Umgang mit dem Klimawandel dienen kann.
Im Vertrauen auf Gott und im Glauben an seine Gerechtigkeit bekennen wir uns zu einem Leben, das die Rechte unserer Mitmenschen und zukünftiger Generationen achtet. Wir können nicht auf die bessere Einsicht anderer warten, sondern müssen selbst Zeugnis des Glaubens an die Gerechtigkeit Gottes ablegen. Wir müssen uns im Klaren sein, dass unser Ruf nach Gerechtigkeit auch an uns selbst gerichtet ist. Er nimmt uns in die Pflicht, selbst zu handeln und unsere eigenen Lebensentwürfe im Blick auf unseren Lebensstil neu auszurichten. Sind wir selbst nicht bereit, unseren Lebensstil zu ändern und dem Gebot eines drastisch reduzierten "Energieniveaus" anzupassen, bleibt unser Ruf nach mehr Gerechtigkeit inhaltsleer und stumpf. Wir müssen uns in diesem Rahmen auch darum bemühen, von anderen zu lernen. Das gilt insbesondere für die Kooperation mit unseren Partnern. Es geht nicht nur darum, unser Wissen und technisches Können anderen zur Verfügung zu stellen, sondern auch darum, uns dem zu öffnen, was andere uns über den Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen, über eine Ökonomie der Genügsamkeit, über ein erfülltes Leben zu sagen haben.
Zugleich obliegt es den Kirchen als Teil der Gesellschaft, im Sinne der Leitwerte auf andere gesellschaftliche Kräfte und auf die Politik einzuwirken. Die Änderung des eigenen Verhaltens stellt keine Alternative zum Ruf nach globaler Veränderung dar, sondern unterstreicht die Glaubwürdigkeit eines solchen Rufes. Dabei gilt, dass auch die Kirchen nicht nur aus besserer Einsicht handeln, sondern öffentlichen Anreizen zur Änderung des eigenen Verhaltens folgen und innerkirchlich weitergehende eigene Anreize setzen. Insofern besteht zwischen der Veränderung des eigenen Verhaltens und der Veränderung der politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen eine Wechselwirkung.
7.1 Als Kirche selbst eine gerechte Klimapolitik praktizieren
Es liegt an den Kirchen in der wohlhabenden Welt, glaubwürdige Schritte zu tun, um die von Gott geschenkte und geforderte Gerechtigkeit sichtbar werden zu lassen: gegenüber dem Nächsten – besonders dem schwachen Nächsten –, gegenüber der Mitschöpfung und gegenüber den nächsten Generationen. Wir müssen jedoch als Vertrauensbeweis in Vorlage gehen, soll unser Zeugnis des Glaubens an Gerechtigkeit glaubwürdig sein. Unser Ruf nach Gerechtigkeit lässt uns nicht unbeteiligt. Er nimmt uns in die Pflicht, zu handeln. Er nimmt uns in die Pflicht, unsere eigenen
Lebensentwürfe im Blick auf unseren Lebensstil neu auszurichten. Ohne Verzicht auf bisherige Besitzstände wird es nicht gehen. Sind wir nicht bereit, unseren westlichen Lebensstil deutlich auf ein niedrigeres Energieniveau zu senken, um die CO2-Emissionen zu drosseln, kommen wir zu spät. Deshalb hat die EKD-Synode 2008 den klaren und anspruchsvollen Beschluss gefasst: "Der Rat möge den Gliedkirchen vorschlagen, das Ziel anzustreben, im Zeitraum bis 2015 eine Reduktion ihrer CO2-Emissionen um 25 Prozent – gemessen an dem Basisjahr 2005 – vorzunehmen."[114]
Um das zu erreichen, bedarf es noch mehr Anstrengungen auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens, in den Gemeinden wie in den Kirchenleitungen, in der Bildungs- und Bewusstseinsarbeit genauso wie im kirchlichen Umweltmanagement. Entsprechend den Beschlüssen der Kundgebung der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 2008 zum Thema "Klimawandel – Wasserwandel – Lebenswandel" nehmen wir Bezug auf die dort formulierten zehn Schritte zum schöpfungsgerechten Handeln:
- Für Gottes Schöpfung eintreten: Als Kirche wollen wir den Klimaschutz als Querschnittsaufgabe verstehen. Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene müssen wir dafür Sorge tragen, dass das Klima konsequent geschützt wird. Dieses bedeutet vor allem eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen.
- Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung einüben: Den Gliedkirchen wird nahe gelegt, Bildungs- und Jugendarbeit, insbesondere mit Hilfe der Studie "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" in den Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen zu fördern, um das notwendige energie- und klimapolitische Umdenken in der Gesellschaft voranzubringen. Als Institution Kirche mit unseren Werken und Einrichtungen nehmen wir aktiv an der gesellschaftlichen Debatte über den Zusammenhang von Klimawandel und Gerechtigkeit teil.
- International eine gerechte Klimapolitik fördern: Gemeinsam mit unseren ökumenischen Partnern sollten wir Programme zu einer gerechten Klimapolitik, zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen, Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge und Anpassung auflegen und finanziell besser als bisher ausstatten.
- Umweltarbeit in den Kirchen ausreichend ausstatten: Kirchliche Haushalte sind aufgerufen, mehr finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung zu stellen, um die dringend notwendigen Maßnahmen zum Umweltschutz umzusetzen. Die finanziellen Mittel sollen gezielt für den ökologischen Umbau auf allen kirchlichen Ebenen eingesetzt werden. Alle Landeskirchen sollen ihre Gebäude, ihren Energiebedarf, ihr Beschaffungswesen und ihren Ressourcenverbrauch nachhaltig bewirtschaften. Dazu bedarf es überprüfbarer Kriterien (wie z. B. das Umweltmanagement-System "Grüner Hahn/Grüner Gockel" und die Zertifizierung nach der EMAS-Verordnung), Beratungskapazität und Evaluation der Projekte. Wir appellieren an jede Landeskirche, ihr haupt- und ehrenamtliches Engagement im Umweltbereich zu verstärken und finanziell angemessen auszustatten.
- Klima schonende Mobilität fördern: Das Verkehrssystem trägt wesentlich zur Erhöhung der Treibhausgasemissionen bei. Eine wirksame Reduktion der Emissionen im Verkehr ist mit einer Veränderung des Mobilitätsverhaltens verknüpft. Kirchen, Gemeinden und Landeskirchen sind aufgerufen, leitende Geistliche, Mitarbeitende und Gemeindeglieder zu motivieren, möglichst Klima schonend unterwegs zu sein. Sie sollten Tickets des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) anbieten, Fahrgemeinschaften bilden, wenn möglich Telefon- und Videokonferenzen anstelle von Dienstreisen abhalten, Flugreisen reduzieren oder kompensieren, möglichst Pkw mit niedrigem CO2-Ausstoß nutzen und ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen einhalten.
- Wasser nachhaltig und verantwortlich nutzen: Im globalen Maßstab wird der Klimawandel zu regionalen und nationalen Konflikten um die Wassernutzung führen. Das bedeutet im Blick auf eine gerechte Klima- und eine nachhaltige Entwicklungspolitik, dass wir unsere Konsumgewohnheiten überprüfen, denn mit jeder importierten Ware verbrauchen wir das Wasser anderer Länder, das für deren Produktion eingesetzt wurde, erhöhen die CO2-Emissionen durch die aufwändigen Transporte rund um den Globus und tragen zur Verknappung des Lebensmittels Wasser bei. Auch die Kirche als Institution ist gefragt, über ihre Partnerschaften und Entwicklungswerke Wasserversorgungsprojekte in anderen Regionen der Welt zu unterstützen, lokale Initiativen zur Reinhaltung des Wassers zu ergreifen und zur Gerechtigkeit bei der Nutzung des kostbaren und lebensnotwendigen Wassers beizutragen.
- Biologische Vielfalt erhalten: Mit dem Klimawandel und unserer Ernährungsweise gehen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten hohe Belastungen und damit die Gefahr der Verdrängung und Ausrottung einher. Die Vielfalt der Lebensräume und die biologische Vielfalt auf regionaler, nationaler und globaler Ebene gilt es zu erhalten, dies ist auch ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Die Kirchen und kirchlichen Einrichtungen nehmen ihre Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung wahr, wenn sie ihre kirchlichen Außenanlagen und landwirtschaftlichen Flächen in Kirchenbesitz konsequent naturverträglich bewirtschaften und Pachtverträge mit Dritten in diesem Sinne überprüfen.
- Zukunftsfähig im Energiebereich handeln: Das heutige System der Energieversorgung und Energienutzung ist nicht zukunftsfähig. Energie muss nachhaltig genutzt werden. Strategien dafür sind: Energie einsparen, Energie effizient einsetzen sowie erneuerbare Energieträger nutzen, fördern und ausbauen. Vorhandene kirchliche Gebäude sollten klimatechnisch saniert und mit Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien ausgestattet werden.
- Am Ausstieg aus der Kernenergie festhalten: Kernenergie ist kein verantwortlicher Beitrag zum Klimaschutz und behindert den notwendigen Umbau der Energieversorgung.
- Bewusst nachhaltig wirtschaften: Ein umfassender Mentalitätswandel ist unabdingbar. Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit müssen für den Umgang mit den natürlichen Ressourcen handlungsleitend sein. Die Kirche mit ihren Institutionen und Werken muss sich selbst in die Pflicht nehmen, in allen Handlungsebenen ihren Beitrag zu einer gerechten Klima- und einer nachhaltigen Entwicklungspolitik leisten und darüber hinaus sich dafür einsetzen, dass die Gesellschaft in allen Lebensbereichen umsteuert.
7.2 Nachhaltige Entwicklung in der Ökumene unterstützen
Kirchliche Entwicklungsarbeit hat durch ihren Auftrag, weltweite Armut zu überwinden, auch in besonderer Weise die Erhaltung der Schöpfung im Blick. In der Projektarbeit haben Brot für die Welt und die Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe e.V. (EZE) schon seit den 1980er Jahren ökologische Fragen aufgegriffen. Vor allem im ländlichen Bereich wurden Projekte der (Wieder-) Aufforstung, zur sachgerechten Bewässerung und zur Verhinderung von Erosionsschäden gefördert.
Klimafragen spielen deshalb auch in der Förderung von Projekten zur Armutsüberwindung verstärkt eine Rolle. Migrationsbewegungen in den Ländern des Südens sind direkt oder indirekt eine Folge von klimatischen Veränderungen. Fortschreitende Wüstenbildungen, sintflutartige Regenfälle, aber auch Dürren und Erosionsschäden führen zur Verarmung von ganzen Bevölkerungsgruppen, wie z. B. in der Sahelzone in Afrika. Projekte der ländlichen Entwicklung mit Aufforstungen zum Schutz vor Sandverwehungen oder mit biologisch organischer Bewirtschaftung durch Kleinbauern bilden deshalb einen Kernbereich der Förderungen von Brot für die Welt und dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED). Die Unterstützung der Partner bei der Anpassung an den Klimawandel durch Projektkooperationen ist einer der Pfeiler kirchlicher Entwicklungszusammenarbeit im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Dabei geht es um praktikable Alternativen, die armen Menschen das Überleben ermöglichen, ihnen Entwicklungschancen bieten und gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz des Klimas liefern.
Ein zweiter Schwerpunkt der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit liegt in der Lobby- und Advocacy-Arbeit zur Herstellung einer gerechten und nachhaltigen Klima- und Entwicklungspolitik. Die Bekämpfung des Klimawandels bedeutet mehr, als Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung wahrzunehmen, es geht auch um Schutz und Sicherung der Menschenwürde, es geht um Teilhabegerechtigkeit an den Umweltgütern und um die Realisierung zukunftsfähiger Entwicklungschancen für die Menschen in den Entwicklungsländern und für nachfolgende Generationen. Den Armen und Betroffenen eine Stimme zu geben, sie dabei zu unterstützen, dass sie ihre Rechte wahrnehmen, ist für die kirchliche Entwicklungszusammenarbeit ein wichtiges Leitbild. EED und Brot für die Welt unterstützen ihre kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partner in Übersee durch gemeinsame Workshops, durch finanzielle Förderung und die Entsendung von Fachkräften dabei, eigene Lobby- und Advocacy-Arbeit zu qualifizieren und sich stärker in die politischen Debatten auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene einzubringen.
In Kooperation mit internationalen ökumenischen Partnern (Ökumenischer Rat der Kirchen – ÖRK, Association of World Council of Churches related Development Organisations in Europe – Aprodev [Dachverband der protestantischen Entwicklungsorganisationen], European Christian Environmental Network – ECEN) und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren (Climate Action Network, CAN) begleiten und kommentieren Brot für die Welt und EED die internationalen Klimaverhandlungen. Zentrale Themen sind u. a. die Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen, wie der Ausbau der Agrartreibstoffe auf die Ernährungssicherheit, die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Emissionshandels in Entwicklungsländern, die Erhöhung der Finanzierungszusagen für die Fonds zu Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und die Förderung des Transfers von Technologien. In Deutschland beteiligen sich die kirchlichen Hilfswerke zusammen mit anderen kirchlichen Akteuren an der Profilierung ökumenischer Positionen in der politischen Debatte und in zivilgesellschaftlichen Netzwerken wie der Klima-Allianz oder der 2008 gebildeten Entwicklungspolitischen Plattform "Klima der Gerechtigkeit", der sich bereits ca. 20 Kirchen und Werke aus dem evangelischen und katholischen Bereich angeschlossen haben. Sie plädiert für eine noch stärkere Verknüpfung von Armutsbekämpfung und Klimaschutz.[115] In diesen Bündnissen wird versucht, das Potenzial der internationalen Partner für die eigene klimapolitische Lobby- und Advocacy-Arbeit zu nutzen, um so die entwicklungspolitische Dimension der Klimadebatte zu stärken.
Die Aktivitäten sind von der Überzeugung getragen, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf Ressourcen wie Luft, Wasser und Land hat. Zum entwicklungspolitischen Auftrag der kirchlichen Werke gehört es, das Wohlstandsmodell in den Industrieländern kritisch zu prüfen und neue Modelle zu entwickeln, die allen Menschen auf diesem Planeten eine gerechte Teilhabe an den Gütern dieser Erde ermöglicht.
Kasten 6:
Clean Development Mechanism als Finanzierungsinstrument für kirchliche Entwicklungsprojekte am Beispiel des EED
Der so genannte "Clean Development Mechanism" (CDM) ist ein Instrument im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Er bietet die Möglichkeit, in Entwicklungsländern Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dieser Mechanismus ist zwar umstritten, aber er bietet Finanzierungsmöglichkeiten, die für die Entwicklungsarbeit der Kirchen nutzbar gemacht werden können. So konnte eine Partnerorganisation des EED in Südindien durch den Verkauf von CDM-Emissionszertifikaten (Certified Emission Reduction, CER) den Bau von 8000 kleinen Biogasanlagen für ländliche Familien zu 100 Prozent finanzieren. Ein größeres Nachfolgeprojekt wird gerade ausgearbeitet. Andere Partner sind ebenfalls dabei, die innovativen Möglichkeiten einer Finanzierung über den Verkauf von Emissionszertifikaten zu prüfen und zu analysieren, wie diese für armutsorientierte Projekte nutzbar gemacht werden können. Die Erfahrungen werden im Rahmen von Netzwerken und gegenseitigen Besuchen ausgetauscht. Der EED unterstützt auch Partner im Süden finanziell bei den vorbereitenden Planungen für die Erstellung eines Projektplanes für CDM-Finanzierung.
Der EED prüft derzeit die Möglichkeiten, wie er dezentrale und armutsorientierte Energieprojekte von Partnerorganisationen kosteneffizient unterstützten kann, so dass sie als Kompensationsprojekte anerkannt werden und zusätzliche Einnahmen aus dem Emissionshandel (CDM und freiwilliger Markt) erzielen können. Er orientiert sich dabei an den Gold Standard Kriterien, die hohe Anforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit stellen und sozialen und entwicklungspolitischen Aspekten einen großen Stellenwert einräumen. Erfolgreichen Projekten öffnen sich durch den Emissionshandel neue Finanzierungsmöglichkeiten, wobei die Kompensationszahlungen des EED für seine Flugemissionen nur einen geringen Anteil ausmachen dürften.
Der EED hat sich im Rahmen seines Umweltmanagements verpflichtet, ab 2009 die durch Flugreisen verursachten und nichtvermeidbaren Treibhausgasemissionen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Finanzierung von CDM-Projekten zu kompensieren. Dies wird zunächst über den Anbieter "atmosfair" erfolgen. Es ist angedacht, dies sobald als möglich zukünftig über Projekte eigener Partner zu tun.
Bei den kirchlichen Entwicklungsorganisationen und Institutionen, den Missionswerken und vielen Christinnen und Christen in Deutschland gibt es insgesamt eine große Sensibilität und aktives Eintreten für eine gerechte Klimapolitik. Sowohl bei der Vermeidung von Treibhausgasemissionen als auch bei der Kompensation gibt es diverse Initiativen. Der EED tauscht sich mit den Landeskirchen und anderen Werken regelmäßig zu klimapolitischen Fragen aus. Auch über die Möglichkeiten des Aufbaus eines kirchlichen Klimafonds, der diverse Initiativen bündelt, bundesweit agiert, nicht nur Flüge kompensiert und ein breites Kompensationsangebot mit eigenen Südpartnern anbietet, wurde nachgedacht. Ob und wie eine solche Initiative kosteneffizient umgesetzt werden kann, wäre eingehend zu prüfen. Der EED möchte daher die Diskussion dazu intern und in Kommunikation mit Partnern weiter voranbringen.
7.3 Nachhaltiger Lebensstil
Als Christen können wir andere nicht zur Umkehr rufen, wenn wir nicht selbst bereit sind, umzukehren. Dieser Ruf zur Umkehr ist jedoch kein drohender, sondern ein lebensverheißender Ruf. "Kehret um, und ihr werdet leben" – dieser Ruf will Zukunft ermöglichen. Nur scheinbar geht es um Verzicht. Dem, der es sich an Gottes Gaben genug sein lässt, der sich nicht im Streben nach immer mehr verausgabt, wird ein neues und reicheres Leben verheißen. Diesen "Perspektivwechsel" des christlichen Glaubens zu leben und weiterzugeben, ist erste Aufgabe und Verantwortung jedes einzelnen Christen angesichts des Klimawandels, aus dem alle anderen ethischen und politischen Konsequenzen abgeleitet werden können. "Umkehr" in diesem Zusammenhang bedeutet einen veränderten Lebensstil, der einer Ethik der Gerechtigkeit und einer Ethik der Genügsamkeit folgt.
Ein nachhaltiger Lebensstil beinhaltet, sich Gedanken über das eigene Konsumverhalten zu machen. Das bedeutet, dass Christen sich einsetzen für fairen Handel, für ökologische und soziale Herstellungsbedingungen von Konsumgütern (z. B. Lebensmittel, Textilien, Blumen, Papier, Möbel etc.), für Verwendung von Solarenergie, intelligentes Mobilitätsverhalten und Veränderung von Ernährungsgewohnheiten[116]. Durch ihr eigenes Einkaufsverhalten können sie demonstrieren, dass ein umwelt- und sozialverträglicherer Konsum möglich ist.
Auch ein verändertes Energienutzungsverhalten kann zu relevanten Einspareffekten führen. Hierzu gehört die Wärmedämmung von Gebäuden, die Errichtung von Photovoltaik- und Solaranlagen auf privaten Dächern, die Anschaffung moderner Heizungsanlagen mit einer effizienten Steuerung und die Kaufablehnung von Geräten mit Stand-by-Funktion, um deren Marktanteil zurückzudrängen. Das Wechseln zu einem Öko-Stromanbieter im privaten Bereich ist ebenfalls ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Im Raum der Kirchen gibt es viele Gruppen, Gemeinschaften und Initiativen, die in beeindruckender Weise einen anderen, einfacheren und sozial- und umweltverträglicheren Lebensstil gemeinsam zu leben versuchen und damit Andere inspirieren und ermutigen, dies ebenfalls zu wagen. Exemplarisch seien hier die Lebensgemeinschaften des Laurentius-Konventes[117] genannt sowie die "Ökumenische Initiative Eine Welt"[118] und die Initiative "Anders besser leben".[119]
Im christlichen Bewusstsein ist der Gedanke des Verzichtes im Grunde nichts Neues, sondern durch die biblische und kirchliche Tradition des Fastens eine ureigene gute christliche Tradition, die sich immer stärker in der spirituellen Praxis niederschlägt. Das steigende Interesse an spirituellen Einkehrtagen, in die auch das Fasten integriert ist, oder die Angebote von Kirchengemeinden für die Passionszeit "Sieben Wochen ohne"[120] sind Beispiele der gemeinsamen Einübung in eine Ethik der Genügsamkeit. Auch die kritischen Stimmen der Kirchen gegenüber der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf Sonn- und Feiertage sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Wir brauchen eine stärkere Akzeptanz einer Ethik der Genügsamkeit, ja sogar eine Bereitschaft zum "Weniger ", zum Verzicht. Darin äußert sich auch eine Verschiebung der Werte von rein materiellem Wohlstand zu einem anderen Wohlstand wie z. B. Zeitwohlstand oder Reichtum an sozialen Beziehungen. In allen diesen Aktionen ist auch eine ideologische und praktische Abkehr vom Denken in den Kategorien des Wachstums zu sehen, das viele Jahre der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland war und z. T. immer noch ist. Umweltbewusstes Wachstum sollte heute die Devise sein. Die Christen müssen vom Evangelium her überzeugend darlegen und vorleben, dass das Leben sich nicht im Streben nach "immer mehr" erschöpft. Je mehr ihnen dies gelingt, umso mehr werden sie auch verändernd in die Gesellschaft hineinwirken.
7.4 Zusammenfassung und Ausblick
Zur Umkehr der Kirchen in Richtung eines nachhaltigen Lebensstils sind folgende Schritte notwendig:
- Gerechtigkeits- und Umweltfragen in der kirchlichen Agenda inhaltlich und strukturell eine höhere Priorität zu geben,
- Fragen des Klimawandels und der Armutsbekämpfung noch stärker miteinander in Beziehung zu setzen (wie es z. B. die Plattform "Klima der Gerechtigkeit" fordert),
- in den Landeskirchen und den Werken ausreichend Personal und Ressourcen bereitzustellen, um die notwendige Bildungs-, Informations- und Advocacy-Arbeit durchführen zu können,
- Umweltmanagement in allen kirchlichen Häusern verpflichtend zu machen,
- das Mobilitätsverhalten in der Kirche zu überprüfen und Anreize für eine klimafreundliche Mobilität zu geben (z. B. Abhalten von Telefon- und Videokonferenzen anstelle von Dienstreisen; wo möglich Fahren mit der Bahn anstelle der Nutzung des Pkw oder des Flugzeuges),
- weniger Energie zu verbrauchen und nachhaltige und klimafreundliche Formen der Energieerzeugung zu bevorzugen,
- das ökofaire Beschaffungswesen auszubauen.
Diese Ansätze, die nicht als erschöpfend anzusehen sind, zeigen, dass es für uns als Kirchen zahlreiche Handlungsoptionen gibt, die ergriff en werden können und um der Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit der von Gott geschaffenen Welt ergriff en werden müssen. Abschließend sei ein Aufruf von Desmond Tutu zitiert, der uns daran erinnert, dass wir als Kirche Teil einer weltweiten Gemeinschaft sind, in der wir nur überleben können, wenn wir nicht weiter auf Kosten anderer leben, sondern wenn wir umkehren zu einem solidarischen, genügsamen und achtsamen Lebensstil: "Natürlich können reiche Länder ihre immensen finanziellen und technologischen Ressourcen nutzen, um sich gegen den Klimawandel zumindest kurzfristig zu schützen – das ist eines der Privilegien des Reichtums. Aber in dem Maße, in dem der Klimawandel Lebensgrundlagen zerstört, Menschen vertreibt und ganze Sozial- und Wirtschaftssysteme untergräbt, wird kein Land – egal wie reich oder mächtig es sein mag – gegen die Konsequenzen immun sein. Langfristig werden die Probleme der Armen an den Türschwellen der Reichen auftauchen, wenn die Klimakrise zu Verzweiflung, Wut und Bedrohungen der kollektiven Sicherheit führen wird.
Nichts von all dem muss geschehen. Letztlich ist die einzige Lösung gegen den Klimawandel rasche Emissionsreduktion. Aber wir können – und müssen – zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass der jetzt stattfindende Klimawandel nicht zu Rückschlägen für die menschliche Entwicklung führt. Deshalb rufe ich die Führer der reichen Welt auf, die Anpassung an den Klimawandel ins Zentrum der internationalen Armutsbekämpfungs- Agenda zu rücken – und dies zu tun, bevor es zu spät ist."[121]
Noch ist Zeit, umzukehren. Noch können wir dem biblischen Ruf zu einer "Umkehr zum Leben" folgen.