Fern der Heimat: Kirche - Urlaubs-Seelsorge im Wandel
IX. Beispiele und Möglichkeiten für gelingendes kirchliches Handeln an Urlaubsorten
1. Gottesdienste und andere geistliche Formen
Die folgenden Beispiele sind eine Sammlung gelungener Erfahrungen kirchlichen Handelns an Urlaubsorten im In- und Ausland: Gottesdienste mit Fackelwanderung am Strand bei Sonnenuntergang, Kutter-Gottesdienste, Gottesdienste bei Sonnenaufgang auf einem Berg, von dessen Gipfel sich die ersten Sonnenstrahlen erblicken lassen. Sie symbolisieren den Übergang, an dem Urlauber sich befinden [73]. Auf diese Weise lässt sich der Urlaub als Passageritus oder als Verwandlung symbolisieren und thematisieren. Die anthropologischen Tiefenschichten werden auf ganz andere Weise berührt als in einem „klassischen“ Gottesdienst. Das Erleben der Natur und die Kraft der Schöpfungsbilder können so ihre Wirkung entfalten und eignen sich als Thema für einen Urlauber-Gottesdienst. Erlebnisse lassen sich nicht „herstellen“, aber es gibt Bilder, die angeboten werden können. Diese Formen der Verkündigung haben Erlebniswert und bleiben bei den Menschen haften, zugleich bieten sie aber auch ein Gemeinschaftserleben und auch eine Erfahrung des Heiligen.
Von diesen Erfahrungen können die Gemeinden vor Ort, aber auch in Deutschland profitieren. Anknüpfungspunkte dafür bietet der Urlaubsort, die Reisezeit, die sich mit der Situation der Urlauber verbinden lässt:
- Natur (Strand, Berg, See, Wasser, Horizont, Blumen, Pflanzen, Weinberge, landschaftliche Besonderheiten)
- Gebäude (Kirche, Leuchtturm, Brücken, Ruinen oder: Unbehaustheit)
- Situationen (Abschied, Entspannen, Loslassen, Aufnehmen, Kennenlernen, Gemeinschaft, Beziehung, Einsamkeit, Verwandlung, Neues entdecken, andere Wege gehen)
- Jahreszeiten (Frühling: Aufblühen, Erwachen der Natur; Sommer: Blühen, Wärme; Herbst: Reifen, Welken, Weinlese)
2. Wandern – Seelsorge, Kommunikation und Verkündigung
Kommunikative Angebote an Urlaubsorten werden von vielen Urlaubern gern wahrgenommen. Festzustellen ist ein ausgeprägter Bedarf zu erzählen [74] und Fragen zu stellen. Der Urlaub bietet auch hierfür Zeit und Raum. Im Gespräch vergewissert man sich seiner Vergangenheit und entwirft auf diesem Hintergrund Bilder für die Zukunft. Zugleich entspricht Erzählen dem Wesen der Kirche, denn „Kirche ist Erzählgemeinschaft“ [75]. Erzählen wird dem Menschen als Subjekt gerecht, Erzählen drängt keine Meinung auf, sondern fordert heraus zum Mitdenken. Der Hörende ist immer auch aktiv beteiligt, muss sich ein Bild machen, einen Standpunkt finden.
Ein gutes Beispiel für kommunikative Angebote sind die Wanderungen, die von manchen Tourismuspfarrämtern angeboten und von immer mehr Gemeinden entdeckt werden. Wandern hat nicht nur eine sportliche, sondern auch eine spirituelle und eine kommunikative Seite. Das zeigt sich bis in die Bezeichnungen der Veranstaltungen: „Kreuzwege zwischen Himmel und Erde“ oder „Quellen des Lebens entdecken“. Der „spirituelle Charakter des Wanderns liegt besonders darin, dass der Rhythmus aus Bewegung und Atmung dem, was in Gebet oder Meditation passiert, sehr nahe kommt“ [76]. Auf der kommunikativen Seite ist bereits das Setting ist wichtig: „Es wird ein gemeinsamer Weg statt eines Gegenüberkontakts ausgemacht“ [77]. Auch ist die Begegnung auf die Zeit der Wanderung begrenzt. Alle Beteiligten lassen sich auf einen Zeitrahmen ein, der nur schwer zu verändern ist und daher verlässlich ist. Die Schwelle zum Gespräch ist niedrig, wenn zwei Menschen nebeneinander gehen [78]. Auf einer Wanderung kann man in lockerer Weise mit der Pfarrerin/dem Pfarrer ins Gespräch kommen. Die Wanderung enthält Phasen des Gesprächs und Schweigens, die aber mit einer Tätigkeit gefüllt sind (dem Wandern) und zugleich die Möglichkeit zum Nachdenken bzw. Verarbeiten bieten. Beim Wandern ist zu bedenken, dass die mit Gehen und Bewegung verbundenen Metaphern nicht nur Sprachspielereien sind, sondern „Figuren, die unser Denken und Handeln bestimmen“ [79]: Sich auf den Weg machen, weiterkommen, Standpunkte und -orte finden und verlassen, einen Weg finden, sich einen Weg bahnen usw.. Das Erlebte mit seinen Metaphern wirkt auch im Alltag weiter. Eine Wandertour in den Bergen hat eine eigene Liturgie mit Zusammenkommen, Eröffnung, Anstieg, Höhepunkt, gemeinsamen Mahl, Abstieg und Trennung. Diese Abschnitte lassen sich auch liturgisch gestalten und mit den persönlichen Themen der Urlauber verbinden, wie z.B. Wanderungen an Flüssen entlang zur Quelle, welche nach dem persönlichen Werdegang und den eigenen Quellen fragen oder gemeinsame Quellen entdecken, die einen auf dem (Lebens-)Weg erfrischen.
Solche Wanderungen sind mehr als sportliche Angebote, sie rühren an Tiefenschichten, sind Einladungen über das Leben nachzudenken und eröffnen Ausblicke und neue Wege.
3. Ideenpool
Ein Durchgang durch die Internetauftritte und Gemeindebriefe der Gemeinden an Urlaubsorten in Deutschland und Südeuropa hat folgendes Bild an Veranstaltungen ergeben, die durchgeführt werden. Zugleich sind es Anregungen, die eine oder andere Idee zu übernehmen, sie zu variieren und so fruchtbar zu machen.
Zu bedenken ist, dass die geschilderten Veranstaltungen tendenziell eher in der zweiten Urlaubshälfte zum Tragen kommen, da die ersten Tage nach der Ankunft meist durch erste Orientierung in dem fremden Umfeld geprägt sind. Die Urlauber stehen damit in der Spannung von Loslassen, erfülltem Leben und dem Ausblick auf das Ende des Urlaubs und auf die Zeit danach.
Gottesdienste/Andachten
- Prozessionen am Meer
- Segnungsfeiern/Segnungsgottesdienste
- ökumenischer Tagesbeginn
- Strandgottesdienste
- Früh-Gottesdienst
- Berg-Gottesdienste
- Kutter-Gottesdienste
- Gottesdienst unterm Sternenhimmel
- Taize-Andachten
- Abendandacht am See
- „Weinberg-Gottesdienste
- Feier-Abend“, „Atempause“, „Oase“ (Meditative Gottesdienste)
- Abendsegen
- „Rückenwind-Gottesdienst“, Thema: "Leinen los – von Fesseln frei"
- „Barfuß beten“ – ein Gottesdienst am Strand
Musik
- „Heilsame Klänge – heilsame Worte“ (Wort und Musik)
- meditative Abendmusik
- „Wohin sollen wir gehen? Was dem Leben Sinn gibt“ (Literatur und Musik)
- „Musik und Muße“
Meditationen
- Stille Stunde (Bildmeditation mit Orgelmusik und Texten)
- Bildmeditationen zur Nacht
- Kunstwerkmeditationen
- Abendmeditation am See
- „Mystik und Meditation“
- „Momente der Stille“ Texte und Musik zum Tagesausklang
- Besinnliches zur Nacht
Wandern
- „Licht für die Nacht – Gedanken für den Tag“ (Fackelwanderung)
- Wanderungen an einem Fluss zur Quelle
- Meditationswege
- „Kreuzwege zwischen Himmel und Erde“ (Bergtour)
- „Quellen des Lebens entdecken“
- Fasten-Wanderwoche unter dem Motto: „Wolken, Wind und Weite“
Familienveranstaltungen
- Strandolympiade/Strandspiele
- „Kreativ-Treff“
- Urlaubspost selbst gemacht
- Piratenabend
- Erzählfest
Sonstiges
- Gute-Nacht-Geschichten/Gute-Nacht-Kirche
- „dass der Wein erfreue des Menschen Herz“ (Ps 104,15) Bibelstunde mit Weinprobe
- „Abendkirche“: Bibelhören oder Vesper
- „Gedankensplitter“ – Impulse, Ideen, Impressionen zum Nachdenken
- „Höre den Wind und die Wellen“ – Nachts am Strand
- Literaturcafé
- „Klönschnack“
- Frauencafé