Fern der Heimat: Kirche - Urlaubs-Seelsorge im Wandel
VII. Rechtliche Strukturen für missionarisches Handeln am Urlaubsort
Die EKD hat den Auftrag, den Dienst an deutschsprachigen Christen im Ausland wahrzunehmen bzw. zu fördern (Art. 17 Abs. 3 GO der EKD). „Die EKD entsendet Pfarrerinnen und Pfarrer in der Regel auf 6 Jahre befristet in den Dienst der Auslandsgemeinden, vereinbart mit den Gemeinden die Höhe der Besoldung und gewährt den Gemeinden bei Bedarf und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten finanzielle Zuwendungen“ [72]. Darüber hinaus berät das Kirchenamt der EKD die Gemeinden in Haushalts- und Rechtsfragen, welche die Gemeinden oft überfordern. Durch Entsendung von Pfarrerinnen und Pfarrern trägt die EKD nicht nur die hohen Versorgungsleistungen für die Entsandten, sondern sichert in erster Linie das theologische Niveau in den Gemeinden. Auch erfolgt eine Aus- und Fortbildung von Prädikanten sowie die Fortbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer und Kirchenvorstandsmitglieder. Gemeindebesuche und Gemeindeberatung seitens der EKD zielen auf die Sicherstellung der geistlichen Gemeinschaft zwischen der EKD, ihren Gliedkirchen und den Gemeinden im Ausland.
1. Gegenwärtige Situation
Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die Rechtsformen gegeben werden, in denen kirchliches Handeln an Urlaubsorten gegenwärtig stattfindet.
a) Auslandsgemeinden
Bis zum Jahr 1954 waren die Gemeinden im Ausland an die DEK und später EKD „angeschlossen“. Dieses rechtlich nicht weiter qualifizierte Verhältnis wurde maßgeblich durch Martin Niemöller in ein partnerschaftliches Miteinander umgewandelt. So gibt es eigenständige Auslandsgemeinden in den Regionen des Tourismus in Südeuropa (z.B. Mallorca, Las Palmas de Gran Canaria). Die Gemeinden sind als rechtlich selbständige Gemeinden (Vertrags-)Partner der EKD mit den dafür notwendigen Strukturen: Kirchenvorstand, Gemeindesatzung, Rechtsfähigkeit usw. Diese Rechtsform erfordert intensive Abstimmung und Koordination zwischen der EKD und den Gemeinden im Ausland.
b) Funktionspfarrämter
Nicht an allen Orten kann es – durch die hohe Fluktuation der Urlauber, aber auch der Residenten bedingt – zur Bildung einer Gemeinde kommen. Deshalb wurden Funktionspfarrämter der EKD auch ohne institutionalisierte rechtlich verfasste Gemeinde (z.B. Playa del Inglés auf Gran Canaria) eingerichtet. Inzwischen werden in die Tourismusgebiete nur noch Funktionspfarrer entsandt, die nicht von den Gemeinden – wie sonst in der Auslandsarbeit – angestellt sind. Die Pfarrerinnen oder Pfarrer in diesen Funktionspfarrämtern sind Kirchenbeamte der EKD, die mit dem Pfarrdienst beauftragt sind, und haben als Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Regel die Urlauberarbeit. An den Orten, an denen sich keine verfasste Gemeinde bildet, kann trotzdem eine Kerngemeinde entstehen, aus der sich ein „Beirat“ als Beratungsgremium oder eine andere informelle Struktur entwickeln kann.
c) Mischformen
Um solchen kirchlichen Vereinigungen einen rechtlichen Status im Ausland zu verleihen, sind sie in jüngerer Zeit zu Filialgemeinden der Gemeinde Madrid bzw. Lissabon erklärt und beim spanischen Staat angemeldet worden.
Auf Mallorca und anderen Orten wird zur Zeit ein Modell erprobt, bei dem die pfarramtlichen Geschäfte der Gemeinde von dem dortigen Funktionspfarramt wahrgenommen werden. Dabei sind 50% des Dienstumfanges zur pfarramtlichen Unterstützung der Gemeinde vorgesehen und 50% für Tourismusarbeit. Diese Trennung ist in der Praxis keine strikte, denn es gibt viele Überschneidungen, und viele Angebote für Urlauber werden von der Gemeinde vor Ort getragen, sodass die Gastfreundlichkeit sichtbar wird.
d) Langzeitbeauftragungen
Die Betreuung des Pfarramtes wird in den Urlaubsorten in Südeuropa gegenwärtig zunehmend von sog. Langzeitbeauftragten (für zehn Monate beauftragte Ruhestandspfarrerinnen und -pfarrern) wahrgenommen. Da Tourismusgemeinden zum großen Teil aus kurz- oder langfristig wechselnden Teilnehmenden bestehen, ist die durch den Zehn-Monatswechsel bedingte Diskontinuität weniger problematisch als man annehmen sollte. Die Pensionäre machen Vieles durch ihren ehrenamtlich und damit hoch motivierten Einsatz wett. Auch wiederholt mancher seinen Dienst ein oder zwei Mal und deckt damit bis zu drei Jahre ab.
Allerdings bleiben hier auch Defizite. Neben der erwähnten Diskontinuität, die besonders bei den ständig am Ort lebenden Gemeindegruppen nicht gern gesehen wird, lässt sich eine Mitbestimmung der Gemeinden oder Gemeindegruppen bei der Personalauswahl nicht realisieren. Auch ist der zusätzliche Verwaltungsaufwand im Kirchenamt nicht zu unterschätzen.
Bei diesem Modell begegnen sich zwei Entwicklungen. Zum einen zwingt die Finanznot zu solchen sehr kostengünstigen Lösungen und zum anderen wächst die Zahl der für solchen Dienst motivierten Pensionäre.
e) Urlaubs-Seelsorge
Neben den entsandten Pfarrerinnen und Pfarrern und den Langzeitbeauftragten wird die kirchliche Arbeit an Urlaubsorten im Ausland gegenwärtig von ca. 180 Kurzzeit-Urlaubs-seelsorgerinnen und -seelsorgern wahrgenommen. Dabei handelt es sich um Pfarrerinnen und Pfarrer im aktiven Dienst ihrer Landeskirche, die von der EKD meist für drei bis vier Wochen mit einem Dienst an einem Urlaubsort beauftragt werden. Pfarrerinnen und Pfarrer der Gliedkirchen der EKD erhalten für einen vierwöchigen Dienst in der Regel einen Sonderurlaub von 14 Tagen.
2. Zukünftige Strukturen
Im Folgenden sollen Strukturen angedacht werden, die gelingendes kirchliches Handeln an Urlaubsorten besonders unterstützen und befördern.
a) Mitgliedschaftsformen im Ausland
Kirchliches Handeln an Urlaubsorten sollte den Menschen, die sich dort für längere oder kürzere Zeit niederlassen, Formen der Bindung ermöglichen.
Aus diesem Grund ist zu erwägen, das EKD-Mitgliedschaftsrecht so weiter zu entwickeln, dass Menschen, die im Ausland leben, bei Eintritt in eine Auslandsgemeinde die Mitgliedschaft in der Ortsgemeinde im Ausland und zugleich eine Mitgliedschaft in der EKD erwerben. Denn Auslandsgemeinden sind nicht eigene Kirchen im Ausland, sondern nehmen die von den Gliedkirchen der EKD übertragenen Aufgaben wahr. Ziehen die Menschen wieder nach Deutschland, werden sie Mitglied der entsprechenden Gemeinde und Gliedkirche, in der sie ihren ersten Wohnsitz haben.
Bei Menschen, die in Deutschland gemeldet sind, aber sich vor allem im Süden aufhalten, ließe sich möglicherweise anknüpfen an die „Kirchenmitgliedschaft in besonderen Fällen“. Diese ermöglicht, die Kirchenmitgliedschaft in einer anderen Gemeinde als der Kirchengemeinde des Wohnsitzes zu erwerben – auch über landeskirchliche Grenzen hinweg.
Aber auch Touristen sollten die Gemeinden an Urlaubsorten Formen der Bindung ermöglichen. Es wäre wünschenswert, dass Pfarrerinnen und Pfarrer an Urlaubsorten Wiedereintritte begleiten und beurkunden könnten und so den Urlaubern den Eintritt in die evangelische Kirche ermöglichen, der am ersten Wohnsitz realisiert wird. Die Benachrichtigung der Heimatgemeinde muss sichergestellt werden.
Darüber hinaus gibt es Urlauber, die regelmäßig über viele Jahre am selben Ort Urlaub machen und deshalb bereit sind, sich für die Kirche am Urlaubsort einzusetzen. Ihnen ist die Mitgliedschaft in einem Förderverein anzubieten.
b) Die Rechtsformen
Die Möglichkeit der EKD, Pfarrerinnen und Pfarrer in Funktionspfarrämter zu entsenden, erleichtert kirchliche Arbeit an Urlaubsorten. Die Residenten profitieren von der Selbständigkeit der Funktionspfarrämter, da sie nicht die Strukturen einer verfassten Gemeinde vorhalten müssen.
Nach gegenwärtigen Wissensstand spricht kein EU-Recht dagegen, eine eigene Gattung „Auslandsgemeinde der EKD“ an massentouristischen Hochburgen der EU zu schaffen, die sich an folgenden Bedingungen orientiert:
- Kirchliches Handeln an Urlaubsorten muss ohne verfasste Gemeinde möglich sein.
- Trotzdem sollte es Mitgliedschaft vor Ort und zugleich in der EKD für diejenigen geben, die sie erstreben.
- Wenn es aufgrund der Situation nicht möglich ist, einen Kirchenvorstand zu bilden, wäre die Zuordnung eines Kuratoriums oder Beirates sinnvoll, das bzw. der die Interessen der Gemeinde artikuliert.
- Die Dienstleistungen des Kirchenamtes der EKD für solche Tourismuspfarrämter bestehen in der flexiblen Unterstützung in den unterschiedlichen Situationen vor Ort.
- Sollte die Etablierung von Auslandsgemeinden der EKD möglich sein, muss die EKD ihre Interessen einbringen und vertreten können.
- Die Größe der Gemeinden und Tätigkeitsbereiche (Regionen) muss – wie im Inland auch – in guter Weise ausgeglichen sein.
Zugleich können diese Gemeinden ein Modell für andere Auslandsgemeinden bilden, die auch oft auf die große Fluktuation ihrer Mitglieder reagieren müssen. Erleichternd für diese Form wäre ein Pfarrdienstrecht der EKD als ein gemeinsames Pfarrdienstrecht aller Gliedkirchen, damit es für die EKD möglich ist, eigene Pfarrerinnen und Pfarrer zu entsenden. Mit den sog. „Funktionspfarrämtern“ werden zur Zeit Erfahrungen gesammelt, die nützlich sein können, falls die EKD für ihre gesamte Auslandsarbeit ein noch zu schaffendes gemeinsames Pfarrerdienstrecht aller Gliedkirchen entwickeln sollte.