Sterben hat seine Zeit
1. Einleitung
„Geborenwerden hat seine Zeit, Sterben hat seine Zeit.“ (Koh 3,2)
Zu denjenigen medizinethischen Problemen, die seit einiger Zeit die Öffentlichkeit, die Wissenschaft und die Politik beschäftigen, gehört zurecht die Frage nach dem, was medizinisch am Lebensende eines Menschen wünschenswert, sinnvoll, problematisch oder gar menschenunwürdig ist. Insbesondere für die Situation, in der sie selbst nicht mehr entscheidungs- und einwilligungsfähig sind, fürchten viele Menschen ein Ausgeliefertsein an fremdbestimmte oder entwürdigende Situationen, gegen die sie sich nicht wehren können. Eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht stellt eine Möglichkeit dar, konstruktiv auf solche Besorgnisse und Befürchtungen zu reagieren, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass in der Situation einer Einwilligungsunfähigkeit etwas mit dem Patienten(4) geschieht – getan oder unterlassen wird –, was er nicht möchte. Damit soll so gut wie möglich dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass ärztliches Handeln nicht gegen den Willen des betroffenen Menschen geschehen darf.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht es als ihre Aufgabe an, ihre Sicht zur Thematik der Patientenverfügungen in die Diskussion einzubringen. Der Umgang mit Sterben und Tod ist für sie ein zentrales Thema, das erhebliche Auswirkungen auf das Menschenbild und das gesellschaftliche Miteinander hat. Die evangelische Kirche verfügt über ein breites Erfahrungswissen in diesem Lebensbereich und wäre durch neue gesetzliche Regelungen in der Hospizarbeit, Seelsorge und Diakonie direkt betroffen. Außerdem unterstützen die christlichen Kirchen schon seit Jahren Menschen in ihrem Bemühen um die Gestaltung ihres Lebensendes mit einer „Christlichen Patientenverfügung“.
Fußnoten:
(4) Nach den Gepflogenheiten der inklusiven Sprache müsste es heißen: „Patienten und Patientinnen“ (o. ä.). Zur besseren Lesbarkeit wird im Text aber ausschließlich die männliche Form verwendet. Inhaltlich sind Männer und Frauen gleichermaßen gemeint.