Xenotransplantation

5. Juristische Aspekte

Juristisch können sich im Zusammenhang mit der Xenotransplantation Fragen von Schutzrechten und Fragen von Leistungsrechten ergeben. Bei den Schutzrechten sind folgende Aspekte zu erörtern:

  • Probleme des Patientenschutzes könnten in zweierlei Weise juristisch relevant werden: In einer ersten Phase, in der Xenotransplantationen noch einen experimentellen Status haben, ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt Probleme des Heilversuchs. Als weiteres juristisches Problem haben die auch über die erste Phase hinaus bestehenden viel diskutierten Infektionsgefahren zu gelten.

    Unter dem Gesichtspunkt des Heilversuchs stellen sich erhöhte Wirksamkeitsanforderungen an die Aufklärung des Patienten / der Patientin. Die Problematik ist jedoch aus dem Bereich sonstiger "Neulandoperationen" hinlänglich bekannt. Eine Infektionsgefahr, soweit sie allein den Patienten bzw. die Patientin betrifft, stellt sich gleichfalls als Einwilligungsproblem. Da das Wissen über Art und Ausmaß potentieller Gefahren derzeit gering ist, kann auch die Aufklärung hier nur in einer Information über den Stand des derzeitigen Wissens bestehen. Für die Wirksamkeit der aufgrund der Aufklärung erteilten Einwilligung gelten wieder die allgemeinen juristischen Prinzipien über die Wirksamkeit von Einwilligung in Risiken, hier insbesondere in das Risiko der Körperverletzung oder sogar des eigenen Todes.

    Soweit der Patient bzw. die Patientin betroffen ist, stellen sich also keine neuartigen rechtlichen Fragen. Zu berücksichtigen wären nach gegenwärtiger Rechtslage also insbesondere das Strafgesetzbuch in seinen Vorschriften zu den Tötungs- und Körperverletzungsstraftaten sowie das Bundesseuchengesetz und das Arzneimittelgesetz.

  • Auch beim Schutz der Allgemeinheit dürfte im Vordergrund die Gefahr der retroviralen Infektionen stehen. Dies könnte nur der Fall sein durch Übertragung von im Transplantat vorhandenen Retro-Viren. Ergänzend zum oben Gesagten sei auf die Gefahr hingewiesen, daß für die Allgemeinheit die organempfangende Person selbst als mögliche Ausscheiderin von Krankheitserregern in Frage kommt. Darüber hinaus sind auch hier wieder die allgemeinen Vorschriften zur fahrlässigen Tötung und zur fahrlässigen Körperverletzung von Bedeutung. Angesichts der unbegrenzten Vielzahl möglicher Opfer wären insoweit an die Sorgfaltspflichten hohe Anforderungen zu stellen.

    Gerade im Hinblick auf die Allgemeinheit sind aber auch die Anforderungen des Gentechnikgesetzes zu berücksichtigen. Das Gentechnikgesetz regelt unter anderem das Freisetzen von gentechnisch veränderten Organismen. Da Xenotransplantationen derzeit wohl nur mit transgenen Tieren vorstellbar sind, würde das Bereitstellen der tierischen Organe unter § 2 Abs. 2 Gentechnikgesetz fallen mit der Folge, daß eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen Berücksichtigung finden müßte.

    Anders als beim Patientenschutz wäre zu überlegen, ob die derzeitige Rechtslage überhaupt hinreichend Schutz vor potentiellen Risiken der Xenotransplantation für die Allgemeinheit bieten kann. Bundesseuchengesetz und Gentechnikgesetz (und auch das Arzneimittelgesetz) enthalten keine auf die spezifischen Gefahren der Xenotransplantation zugeschnittenen Schutznormen.

  • Beim Tierschutz stellt sich zunächst die allgemeine Frage, ob das Herstellen transgener Tiere als Verstoß gegen § 1 Tierschutzgesetz einzustufen ist, wonach das Leben und Wohlbefinden des Tieres als Mitgeschöpf des Menschen zu schützen ist. Nach dem gegenwärtigen Stand der juristischen Diskussion wird dies zu verneinen sein. Jedenfalls sind keine gerichtlichen Entscheidungen bekannt, die in der bisher schon verbreiteten Erzeugung transgener Tiere insoweit Bedenken signalisieren würden. Auch einer Organentnahme bei Tieren steht das Tierschutzgesetz im Ergebnis nicht entgegen. Zwar verbietet es diese in § 6 Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz bei Wirbeltieren grundsätzlich, nimmt hiervon aber die Organentnahme zum Zweck der Transplantation in Satz 2 Nr. 4 ausdrücklich aus. Auch soweit der Tod des Tieres mit der Organentnahme verbunden ist, steht dem das Tierschutzgesetz nicht entgegen, da es in § 5 für schmerzverursachende (auch tödliche) Eingriffe an einem Wirbeltier lediglich prinzipiell die Betäubung fordert.

Bei den Leistungsrechten geht es um folgende beiden Aspekte:

  • Aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Grundgesetz (GG) sowie - als abgeleitete ("derivative") Teilhaberechte - aus dem Gleichheitssatz des § 3 GG ergeben sich individuelle Leistungsrechte gegen den Staat, die im Sozialgesetzbuch konkretisiert werden. Für den Fall der gesetzlichen Krankenversicherung werden diese Rechte im Sozialgesetzbuch (SGB) V bestimmt. Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V hat die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig zu sein, darf aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß wirtschaftlich erbracht werden. Außerdem ist auf eine "humane Krankenbehandlung" (Abs. 2) hinzuwirken. Als zweckmäßig und notwendig wird man eine Xenotransplantation noch nicht im Experimentalstadium ansehen können, so daß es für einen Leistungsanspruch in diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf die Frage der Wirtschaftlichkeit ankommt. Sollten aber Xenotransplantationen einmal zur medizinischen lex artis gehören, so werden sie als zweckmäßig und notwendig einzustufen sein. Wirtschaftlichkeitserwägungen sind dann - allerdings nur auf dieser Grundlage eines prinzipiellen Anspruchs - im Hinblick auf unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Transplantation anzustellen. Das Erfordernis einer "humanen Krankenbehandlung" kann jedenfalls einen Anspruch der potentiell organempfangenden Person nicht schmälern, etwa nach der Devise, daß Xenotransplantationen generell nicht "human" seien, sondern gilt nur als Postulat zur Beachtung der Menschenwürde während der Behandlung.
  • Auch Fragen der Verteilung von Organen, die aus transgenen Tieren gewonnen werden, werfen juristisch keine prinzipiell neuen Fragen auf. Die medizinischen und sozialen Kriterien der Verteilung könnten hier ähnlich wie bei der Humantransplantation auf der Grundlage von medizinischer Notwendigkeit, Wartezeit und anderen Verteilungskategorien bestimmt werden. Grundsatzfragen wie die, ob bei der Zuteilung das Vorleben (Alkoholkonsum? Nikotinkonsum?) oder die Übereinstimmung mit den therapeutischen Vorschlägen ("compliance") Berücksichtigung finden dürfen, stellen sich selbstverständlich auch hier, im Prinzip jedoch auch nicht anders als bei der Humantransplantation.
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