Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist
Biopatente und Ernährungssicherung aus christlicher Perspektive. Eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung. EKD-Text 115, 2012
4. Auswirkungen der Biopatentierung
Leitgedanke: Biopatente wirken als Instrument der Marktkonzentration, das sich auf die gesamte Produktionskette der Landwirtschaft – vom Saatgut bis zum Lebensmittel – auswirken kann. Als Akteure dominieren dabei multinationale Großkonzerne. Dies kann zu einer starken Verringerung der Agrobiodiversität beitragen. Zum einen werden lokale Sorten vom Markt verdrängt, zum anderen nimmt die Zahl der Zuchtbetriebe und Kleinzüchter rapide ab, so dass auch hierdurch die Vielfalt bei Saatgut sinkt. Hierzu trägt weiterhin bei, dass gleichzeitig gentechnisch veränderte Sorten massiv in den Markt gedrängt werden. Biopatente setzen einen Trend in der industrialisierten Landwirtschaft fort, der zu einer verstärkten Gefährdung der Artenvielfalt und der Ernährungssicherung führt. Dies wird von kirchlichen Agrar-, Umwelt- und Entwicklungsfachleuten mit Sorge beobachtet. Die Sicherung der Ernährung ist ein zentrales Anliegen der kirchlichen Projekt- und Lobbyarbeit.
Biopiraterie bedroht das traditionelle Wissen sowie das in der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) verankerte Konzept eines geregelten Zugangs zu biologischen Ressourcen, verbunden mit einem Vorteilsausgleich für die Bewahrer dieser Ressourcen. Daher verletzt Biopiraterie aus kirchlicher Sicht Aspekte der Gerechtigkeit im Kontext mit traditionellem Wissen.
Die Landwirtschaft stellt die Grundlage der globalen Ernährung dar. Damit handelt es sich um einen der wichtigsten lebensdienlichen Sektoren überhaupt. Die Auswirkungen von Patenten auf Pflanzen und Tiere können daher eine größere Bedeutung haben als etwa bei Patenten auf Maschinen u. ä. Die Biopatentierung verstärkt einen Prozess der fortlaufenden Privatisierung tier- und pflanzengenetischer Ressourcen und entzieht diese der freien Nutzung durch die Allgemeinheit.
Bei Nutzpflanzen und Nutztieren handelt es sich um ein gemeinsames kulturelles Erbe der Menschheit. Im Neolithikum vor ca. 13.000 Jahren begannen Menschen damit, Wildtiere zu domestizieren und Wildpflanzen zu kultivieren. Daraus entwickelten sich die Pflanzen- und die Tierzucht. Die heutigen Nutzpflanzen und Nutztiere stammen aus allen Erdteilen. Generationen von Bauern, Gärtnern und Züchtern haben sie weiterentwickelt. Der freie Austausch dieses genetischen Materials und das Aufbauen auf den Zuchtleistungen der vorausgegangenen Generationen waren die Voraussetzung dafür, dass es heute eine entsprechende Hightech-Züchtung in Industrie- und Schwellenländern gibt. Auch jetzt noch geschieht züchterischer Fortschritt in erheblichen Anteilen dadurch, dass auf alte Landsorten bzw. deren Wildformen und alte Nutztierrassen zurückgegriffen wird. Züchtung ist ein dynamischer Prozess der kontinuierlichen Innovation. Das Ziel ist die ständige Anpassung von Nutzpflanzen und Nutztieren an neue Umweltbedingungen bzw. Leistungsbedingungen.
4.1 Marktkonzentrationsprozesse durch Biopatente
Im gesamten internationalen Bereich der Tier- und Pflanzenzüchtung fanden während der letzten Jahre rapide Marktkonzentrationsprozesse statt. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Biopatente verstärken diese Prozesse, mit der Folge, dass marktbeherrschende Unternehmen entstehen und langfristig eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs droht. Damit würden Biopatente aber langfristig genau dem entgegenwirken, womit sie begründet werden, nämlich die Innovationstätigkeit anzuregen (die bei geringer Wettbewerbsintensität nachlässt) und zur Innovationsverbreitung durch Imitation und Weiterentwicklung beizutragen (die durch Verdrängungs- und Behinderungstaktiken von marktbeherrschenden Unternehmen gebremst werden). Biopatentierung fördert die Konzentration zum einen deshalb, weil überwiegend Großkonzerne überhaupt in der finanziellen und logistischen Lage sind, Biopatente anzumelden bzw. gegen Patente Dritter Einspruch zu erheben. Außerdem verfügen sie eher über das finanzielle und juristische Know-how, Konkurrenten durch Patentklagen von der Verwertung deren Produkte abzuhalten oder zumindest zum Vergleich zu zwingen.
Zum anderen werden kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund der massiven Rechtsunsicherheiten über die Reichweite von Biopatenten indirekt in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung ausgebremst und benachteiligt. Die Zahlung von Lizenzgebühren ist für sie oft unerschwinglich, die Angst vor berechtigten oder unberechtigten Patentklagen und den entstehenden Anwalts-, Gerichts- und Schadensersatzkosten groß.
Biopatente werden gezielt strategisch von multinationalen Life Science-Unternehmen dazu genutzt, über die gesamte Produktionskette der Landwirtschaft vom Saatgut bis zum Lebensmittel ihre Marktmacht auszubauen [26]. Es dominieren dabei Großkonzerne wie Monsanto, Dupont, Syngenta, Bayer CropScience und BASF. Im Jahr 2009 hatten am internationalen Saatgutmarkt 10 Unternehmen bereits einen Weltmarktanteil von 73% mit zusammen 20 Mrd. US-Dollar Umsatz. Die drei führenden Saatzuchtunternehmen kontrollierten nach einer Studie aus 2009 85% der Patente auf gentechnisch veränderten Mais und 70% der sonstigen Patente auf transgene Pflanzen in den USA [27].
Tabelle 1: Die 10 größten Saatgutunternehmen der Welt
Bei den Unternehmen auf Rang 1-3, 7 und 8 handelt es sich um klassische Chemieunternehmen, die erst später in das Saatgutgeschäft eingetreten sind.
Rang | Unternehmen (Sitz) | Umsatz mit Saatgut (Mio. US$) | Marktanteil (%) |
---|---|---|---|
1 | Monsanto (USA) | 7.297 | 27 |
2 | DuPont/Pioneer (USA) | 4.641 | 17 |
3 | Syngenta (Schweiz) | 2.564 | 9 |
4 | Groupe Limagrain (Frankreich) | 1.252 | 5 |
5 | Land O’Lakes/Winfield Solutions (USA) | 1.100 | 4 |
6 | KWS AG (Deutschland) | 997 | 4 |
7 | Bayer Crop Science (Deutschland) | 700 | 3 |
8 | Dow Agro Sciences (USA) | 635 | 2 |
9 | Sakata (Japan) | 491 | 2> |
10 | DLF-Trifolium A/S (Dänemark) | 385 | 1 |
Summe | 20.062 | 73 |
Quelle: ETC Group: Who will control the Green Economy? 15.12.2011, S. 22; www.etcgroup.org/en/
Tabelle 2: Die 10 größten Agrochemieunternehmen der Welt
Die weltweit größten Saatgutunternehmen und die Agrochemieunternehmen sind teilweise identisch.
Rang | Unternehmen (Sitz) | Umsatz bei Agrochemikalien 2009 (Mio. US$) | Marktanteil (%) |
---|---|---|---|
1 | Syngenta (Schweiz) | 8.491 | 19 |
2 | Bayer Crop Science (Deutschland) | 7.544 | 17 |
3 | BASF (Deutschland) | 5.007 | 11 |
4 | Monsanto (USA) | 4.427 | 10 |
5 | Dow Agro Sciences (USA) | 3.902 | 9 |
6 | DuPont (USA) | 2.403 | 5 |
7 | Sumitomo Chemical (Japan) | 2.374 | 5 |
8 | Nufarm (Australien) | 635 | 2 |
9 | Makhteshim-Agan Industries (Japan) | 491 | 2 |
10 | Arysta LifeScience (Japan) | 385 | 1 |
Summe | 39.468 | 89 |
Quelle: ETC Group: Who will control the Green Economy? 15.12.2011, S. 25; www.etcgroup.org/en/node/5296 [10.6.2012]
Die den Markt dominierenden Unternehmen setzen den Klimawandel als Argument für den Ausbau der Forschung und Entwicklung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ein. Sie setzen auf patentierte, den veränderten Klimaten angepasste gentechnisch veränderte Sorten. Dabei werden Schlüsselgene in den jeweiligen Stoffwechselwegen zum Patent angemeldet. Die Nichtregierungsorganisation ETC Group hat bei einer Recherche im Jahr 2010 1663 Patentanträge und erteilte Patente weltweit ermittelt, die Claims auf Stresstoleranzen wie Dürre, Hitze, Überschwemmung, Kälte oder Salz erheben. DuPont, Monsanto, BASF, Bayer und Syngenta halten 77% der Patente, zwei Drittel davon liegen bei nur 3 Unternehmen, DuPont, BASF und Monsanto (vgl. Tabelle 3). Die öffentliche Pflanzenforschung hält lediglich 10% der Patente [28].
Tabelle 3: Klimarelevante Patente
Beantragte und erteilte Patente nach Patentfamilien (Zeitraum 30. Juni 2008 – 30. Juni 2010). Patentfamilien sind Patente, die miteinander in Beziehung stehen und den gleichen Patentrechteinhaber aufweisen. Durch die systematische Patentierung werden Schlüsselinformationen für die Züchtung stress toleranter Pflanzen im Blick auf den Klimawandel privatisiert.
Patentrechteinhaber | Anzahl Patentfamilien | % | Gesamtanzahl Patente und Anträge innerhalb der Patentfamilie | Anzahl erteilte Patente in der Patentfamilie |
---|---|---|---|---|
DuPont | 114 | 44 | 240 | 104 |
BASF (u. Tochterfirmen) | 48 | 18 | 522 | 53 |
Monsanto | 11 | 4 | 122 | 3 |
Mendel Biotechnology | 4 | 2 | 232 | 21 |
Syngenta | 6 | 2 | 39 | 2 |
Evogene | 8 | 3 | 64 | 1 |
Bayer | 7 | 3 | 43 | 2 |
Dow | 3 | 1 | 18 | 1 |
Kein Patentrechteinhaber benannt | 17 | 7 | 99 | 5 |
Summe Andere | 43 | 16 | 272 | 28 |
Gesamt | 261 | 100 | 1.663 | 221 |
Quelle: ETC Group, Capturing "Climate Genes", 2011, S. 7; www.etcgroup.org/upload/publication/pdf_file/Genegiants2011_0.pdf [10.6.2012]
Die Abhängigkeit der Landwirtschaft und Züchter von wenigen Großkonzernen steigt in jüngster Zeit dramatisch. Neben der wirtschaftlichen Macht kann über die Privatisierung der Verfügungsrechte auf Nahrung auch politischer Einfluss ausgeübt werden. Daran ändert auch der Internationale Saatgutvertrag wenig, der zwar einerseits die Schutzrechtsansprüche von Patenten einzuschränken scheint, der aber gleichzeitig die Patentierung neuer Sorten explizit gestattet.
Aus der Sorge heraus, Monsanto könnte sie der Patentverletzung anklagen, haben in den USA Familienbetriebe, Saatzuchtunternehmen und Bioverbände über die Public Patent Foundation 2011 eine Klage gegen Monsanto eingereicht. Hintergrund ist, dass es dort kaum noch möglich ist, eine Verunreinigung der eigenen Ernte durch GVO zu vermeiden. Neben der Gefährdung der eigenen (Bio-)Märkte drohen Klagen des Unternehmens auf widerrechtliche Nutzung patentierten Saatguts [29].
Bei verengten Marktstrukturen ist mit steigenden Saatgutpreisen und Mengenverknappungen zu rechnen. In den USA wurde bereits 2009 eine kartellrechtliche Überprüfung der marktbeherrschenden Stellung des Konzerns Monsanto eingeleitet. Der Vorwurf: In 90% aller Sojabohnen und in 80% aller Maissorten, die in den USA angebaut werden, ist mindestens ein patentiertes Gen von Monsanto enthalten. Diese Marktdominanz behindert die Forschung und Entwicklung für neues Saatgut [30]. Außerdem waren dort während der vergangenen Jahre die Saatgutpreise für Soja und Mais überproportional stark angestiegen. Der Rückgang der Anzahl der Saatzuchtunternehmen in den USA hatte zur Folge, dass die Arten- und Sortenvielfalt in der Landwirtschaft sank und eine Verengung der Züchtungsziele erfolgte. Damit sinkt die Anpassungsfähigkeit der Nutzpflanzen an veränderte Umweltbedingungen wie den Klimawandel.
Die aktive Nutzung der vorhandenen Breite an Agrobiodiversität wird somit eingeschränkt. Da die Agrobiodiversität ganz wesentlich durch ihre Nutzung selber erhalten wird, tragen Biopatente indirekt zur Verengung der landwirtschaftlichen genetischen Basis bei. Deutschland weist im internationalen Vergleich noch eine ungewöhnlich hohe Anzahl an etwa 100 Saatzuchtunternehmen auf. Neben Großkonzernen handelt es sich dabei um diverse kleine und mittlere Saatzuchtunternehmen, die regionalspezifisches Saatgut oder Saatgut für Nischenmärkte anbieten.
Auch im Tierzuchtsektor steigt die ökonomische Bedeutung von Biopatenten. Zunehmend beruht die Zuchtbewertung z. B. im Milchviehbereich neben messbaren Leistungen und dem Phänotyp auf dem genetischen Screening der Zuchtbullen. Biopatente spielen zudem beim Klonen von Nutztieren und sperm sexing (Auswahl von Sperma, um Tiere bestimmten Geschlechts zu zeugen) eine wichtige Rolle. Die Marktmacht beruht im Nutztiersektor auf dem Eigentum von Zuchttieren mit hohem Zuchtwert, die eine entsprechende staatliche Zuchtwertprüfung durchlaufen haben.
Die kommerzielle Tierzucht in Deutschland konzentriert sich zumeist auf wenige Nutztierrassen. Besonders drastisch ist die Marktkonzentration im Bereich der international agierenden Legehennenzüchter. In den Jahren 2005-2006 lieferte das holländische Zuchtunternehmen Hendrix Genetics B. V. das Zuchtmaterial für jene Legehennen, von denen 65% der weltweit kommerziell produzierten braunen Eier stammten und 32% der weißen Eier. Bei 68% der weltweit kommerziell produzierten weißen Eier und 17% der braunen Eier stammten die Legehennen vom deutschen Zuchtunternehmen Erich Wesjohann GmbH und Co. KG [31]. Zwar gibt es aufgrund von Initiativen zum Erhalt alter Nutztierrassen noch eine breitere genetische Basis – im kommerziellen Sektor findet jedoch eine zunehmende Erosion der genetischen Diversität statt, da über moderne Reproduktionsmethoden die Anzahl der Nachkommen z. B. von einem Spitzen-Zuchtbullen auf bis zu 1,5 Millionen Tiere ansteigen kann. Diese genetische Verengung steigert u. a. die Risiken der Verbreitung verdeckter Erbkrankheiten.
4.2 Auswirkungen auf die Agrobiodiversität
Die Einführung patentierten Saatguts kann im Allgemeinen und insbesondere in den Ländern des Südens zu einer starken Verringerung der Agrobiodiversität führen. Die in vielen Ländern übliche Praxis des gegenseitigen Austausches von Saatgut und Tieren zur Weiterzucht führte zu einer großen Vielfalt an Landsorten, die an die lokalen Bedingungen optimal angepasst waren. Die Einführung des Patentsystems bedeutet, dass patentgeschützte Sorten, die im Wesentlichen von wenigen multinationalen Unternehmen vermarktet werden, auf den Markt drängen. Es besteht die Gefahr, dass die Landsorten verdrängt werden. Aus diesem Grund plädieren einige Agrarexperten für den Erhalt der öffentlichen und der partizipativen Saatgutzüchtung. Eine Studie des International Food Policy Research Institute von 2006 empfiehlt die Anerkennung der gemeinschaftlichen Innovation, den garantierten Zugang zu genetischen Ressourcen für die bäuerliche Züchtungsarbeit, die Sicherstellung der freien Verfügbarkeit von pflanzengenetischen Ressourcen und einen Vorteilsausgleich (benefit sharing) [32].
Eigentlich könnte der Internationale Saatgutvertrag hierbei eine hilfreiche und unterstützende Rolle spielen. In der Praxis ist dies jedoch nicht oder zumindest bei weitem nicht ausreichend der Fall. Zwar erkennt er die Rechte der Bauern auf Saatguttausch und Wiederaussaat an, verweist die Zuständigkeit dafür jedoch auf die nationale Ebene. Gleichzeitig schränken das TRIPS-Abkommen bzw. der politische Druck zu seiner Interpretation den nationalen Gesetzgebungsspielraum ein. Wenn EU und USA in ihren bilateralen Handelsabkommen durchsetzen, dass entweder UPOV 1991 einzuführen ist oder aber als einziges verbindliches System sui generis im Sinne von TRIPS Artikel 27.3 als Alternative zur Patentierung gilt, dann haben Regierungen keine Chance mehr, das Recht auf Wiederaussaat oder auf Saatguttausch in ihrer nationalen Gesetzgebung zu verankern.
Im Irak wurde im Jahr 2004 durch die US-Administration unter Paul Bremer eine Revision des irakischen Patentrechts durchgeführt. Hatte die irakische Verfassung zuvor ein privates Eigentumsrecht an biologischen Ressourcen ausgeschlossen, so gelten nun für die Anmeldung von Saatgut die Regeln von UPOV. Patentiertes Saatgut darf nur gegen Zahlung einer Lizenzgebühr für die nächste Aussaat verwendet werden. Damit wurde der Grundstein für die Verdrängung traditioneller Sorten durch patentiertes Saatgut gelegt. Sehr wahrscheinlich wird der für den freien Handel geöffnete irakische Saatgutmarkt zukünftig von US-Saatgut dominiert werden [33].
Das Beispiel des Irak mag spezifisch sein. Es zeigt jedoch, wie Unternehmen, nicht selten unterstützt von staatlichen Stellen, ihre Interessen durchsetzen. Grundsätzlich müssen die Auswirkungen gentechnisch veränderten Saatgutes – auf absehbare Zeit werden hier die zwei Eigenschaften Herbizidresistenz und Produktion verschiedener Bt-Insektengifte dominieren – auf die Landwirtschaft in Entwicklungsländern vor dem Hintergrund der Landwirtschaftspolitik und der Lebensrealität in den ländlichen Gebieten gesehen werden. Mit dem Versprechen einer technologiebasierten Lösung der landwirtschaftlichen Probleme durch patentierte Gene im Saatgut wollen die Agrobiotech-Unternehmen die Lücke schließen, die der Abbau von staatlichen Ausbildungs- und Unterstützungsprogrammen in zahlreichen Ländern hinterlassen haben. Versagt jedoch das gentechnisch veränderte Saatgut – wenn Insekten oder Unkräuter resistent werden, wenn die Firmen regional ungeeignetes oder sogar unwirksames Saatgut anbieten –, sind die Bauern und ihre Familien die Leidtragenden [34].
Tabelle 4: Patentanträge bei der World Intellectual Property Organisation (WIPO) auf Pflanzenzucht von 1984-2010
Die Recherchen der internationalen Koalition "No Patents on Seeds" zeigen auf, dass inzwischen zahlreiche Patente auf konventionelle Züchtungen beantragt wurden. Insgesamt 100 Patente sind vom EPA auf konventionelle Pflanzenzüchtung erteilt worden.
Unternehmen | Patentanträge gesamt | davon ganz oder teilweise ohne Gentechnik |
---|---|---|
DuPont/Pioneer | 525 | 39 |
BASF | 322 | 19 |
Monsanto | 282 | 77 |
Syngenta | 185 | 23 |
Bayer | 109 | 8 |
Seminis, De Ruiter (Tochterunternehmen von Monsanto) | 28 | 27 |
Quelle: Christoph Then, Ruth Tippe: Das Saatgutkartell auf dem Vormarsch, No Patents on Seeds (Hg.), März 2011; www.no-patents-on-seeds.org/de/information/hintergrund/saatgutkartell-vormarsch [10.6.2012]
Eine Rückkehr zu den gentechnikfreien Praktiken wird häufig durch die Strategien der Saatmultis erschwert, die gentechnikfreie Sorten nicht mehr weiterentwickeln oder sogar auslaufen lassen. In vielen Ländern werden zudem staatliche Unterstützungsleistungen im Paket mit "modernen", durch Patente oder andere Rechte an geistigem Eigentum geschützten Sorten angeboten [35]. Eine umfassende Technikfolgenabschätzung findet in keinem Entwicklungsland statt. Die Abschätzung der gesundheitlichen und ökologischen Risiken wird häufig aufgrund "importierter" Daten und mittels simpler und unzureichender Methoden durchgeführt [36]. Ein besonderes Risiko stellt hier die Verunreinigung von Sorten durch Transgene in ihren Urspungs- und Vielfaltszentren dar, die von vielen indigenen und traditionellen Gemeinschaften nicht akzeptiert wird [37].
So wird aus Brasilien berichtet, dass Bauern, die konventionelles Saatgut benutzen oder ökologische Landwirtschaft betreiben, durch Kontamination mit gentechnisch verändertem Saatgut Einkommensverluste erleiden [38]. Kontaminiert werden auch traditionelle Sorten, die grundlegende Bedeutung für die Ernährung der Menschheit haben, so etwa Mais in Mexiko [39]. Dabei ist der ökonomische Nutzen gentechnisch veränderter Sorten fragwürdig. Für Indien wird berichtet, dass sich für die Bauern der Anbau organischer oder konventioneller Baumwolle mehr lohnt als gentechnisch veränderte Sorten. Der Grund dafür liegt in den höheren Produktionskosten, unter anderem auch für Saatgut, die der Landwirt bei der Verwendung gentechnisch veränderter Baumwollsorten aufzuwenden hat [40]. Mit anderen Worten: Biopatente befördern einen Prozess, der die biologische Vielfalt gefährdet. Während die großen Saatgutkonzerne profitieren, haben Bauern und kleinere bzw. mittlere Züchter das Nachsehen.
Einen anderen Weg ist man bei der Entschlüsselung des Genoms der Kakaobohne gegangen. Das Genom der Kakaobohne wurde durch eine Kooperation des Schokoriegelherstellers Mars, der Forschungsabteilung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums und des Computerkonzerns IBM entschlüsselt und frei zugänglich im Internet veröffentlicht. So soll gewährleistet werden, dass die Daten ohne Patentanspruch verfügbar bleiben und weiterhin wissenschaftlich genutzt werden können. Howard Shapiro, Leiter der Abteilung Pflanzenforschung bei Mars, antwortete auf die Frage, ob es ihn nicht störe, dass durch die öffentliche Zugänglichkeit des Kakaogenoms auch Wettbewerber bessere Schokolade herstellen können: "Wir haben keine andere Wahl. Unser biologisches Kapital ist bald verbraucht. Dieses größte Problem unserer Zukunft können wir nur gemeinsam in neuen, international verknüpften Netzwerken lösen." [41] Langfristig sollen durch das Vorhaben der Anbau und die Züchtung von Kakaopflanzen verbessert werden, ohne jedoch die Kakaopflanzen gentechnisch zu verändern. Kakao gehört zu den am meisten gehandelten landwirtschaftlichen Gütern der Welt und ist für etwa 6,5 Millionen Bauern in Afrika , Asien und Lateinamerika eine wichtige Kulturpflanze. Kakao sichert das Überleben der Bauern und das der Volkswirtschaften ihrer Länder vor allem in West-Afrika, wo mehr als 70% des Kakaoertrags der Welt angebaut wird.
4.3 Biopiraterie
Wenn genetische Ressourcen und das traditionelle Wissen im Blick auf besondere Eigenschaften von Pflanzen und Tieren ohne die vorherige informierte Zustimmung derjenigen, die diese Ressourcen zur Verfügung stellen, patentiert werden, wird dies als "Biopiraterie" bezeichnet. Die Opfer von Biopiraterie sind oftmals Menschen bzw. Völker in den Ländern des Südens. Zunächst einmal werden Entwicklungsländer der prinzipiellen Möglichkeit beraubt, im internationalen Wettbewerb ihre komparativen Vorteile (in diesem Falle die biologische Vielfalt und das damit verbundene, lebendige traditionelle Wissen) ökonomisch zu verwerten. Denn durch das Patent wird dem Patentinhaber in einem definierten regionalen Geltungsbereich ein monopolartiger Schutz garantiert. In den Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens etwa darf eine patentgeschützte Erfindung nur vom Patentinhaber oder von einem Lizenznehmer genutzt werden. Unternehmen aus den Ursprungsländern wird in einem solchen Fall die Möglichkeit genommen, ein entsprechendes Produkt in die EPÜ-Staaten zu exportieren. Hier kommt die, im Zeitalter der Globalisierung eigentlich überholte Funktion des Patentrechts der Stärkung der nationalen (oder hier besser: regionalen) Wettbewerbsfähigkeit noch einmal zum Tragen. Auch wenn es andere Gründe geben mag, wie fehlendes Know-how bei Produktion und Marketing, die Entwicklungsländer davon abhalten, Marktchancen zu nutzen, so ist das Patentrecht in diesem Zusammenhang ein Baustein, der ihnen potentielle Exportmärkte verschließt. Dies gilt insbesondere auch mit Blick darauf, dass das Patentrecht Monopole in Industrieländern schafft und damit eine abschreckende Wirkung auf die Investitionsneigung in Entwicklungsländern in diesen spezifischen Bereichen ausübt. Kaum jemand wird in eine Unternehmung investieren, wenn wichtige Absatzmärkte durch Patente verschlossen sind.
Selbst wenn eine exportorientierte unternehmerische Tätigkeit in einem Entwicklungsland aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt, hebelt das Patentrecht ein Recht auf Gewinnbeteiligung derjenigen, die genetische Ressourcen und traditionelles Wissen zur Verfügung stellen, systematisch aus. Da ein Patent ohne vorherige informierte Zustimmung (prior informed consent) und eine Vereinbarung zum gerechten Vorteilsausgleich (benefit sharing) erteilt werden kann, verhindert das Patentrecht nicht, dass sich große Unternehmen an den genetischen Ressourcen des Südens und am traditionellen Wissen indigener Völker bereichern.
Um hier Abhilfe zu schaffen, hat eine Reihe von Entwicklungsländern in der Welthandelsorganisation WTO Ergänzungen zu TRIPS Artikel 29 vorgeschlagen, wonach bei der Anmeldung von Patenten die Offenlegung der Herkunft von gegebenenfalls verwendetem traditionellen Wissen und genetischen Ressourcen verlangt würde. Zudem sollen Patentanmelder nachweisen, genetische Ressourcen und traditionelles Wissen auf der Basis einer vorherigen informierten Zustimmung derjenigen zu nutzen, die diese Ressourcen und dieses Wissen zur Verfügung stellen. Schließlich soll bei der Patentanmeldung in den genannten Fällen eine Vereinbarung zum gerechten Vorteilsausgleich nachgewiesen werden müssen. Bei Zuwiderhandlung sollen Sanktionen drohen, die auch den Widerruf des Patents und Entschädigungen einschließen [42]. Im Grunde wollen die Entwicklungsländer damit das globale Patentrecht an die Regeln der "Konvention über die biologische Vielfalt" anpassen. Hierzu müsste eine Umsetzung des Nagoya-Protokolls auch im Patentrecht verankert werden (vgl. Kap. 3.5). Aus diesem Grunde sollte der vom Europäischen Parlament bereits in der Entstehungsphase der Biopatentrichtlinie geforderte Paragraph in den Text der Richtlinie übernommen werden: "Besteht der Gegenstand einer Erfindung aus biologischem Material pflanzlicher oder tierischer Herkunft oder verwendet er solches, wird ein Patent auf diese Erfindung nur dann erteilt, wenn die Patentschrift den geografischen Herkunftsort des Materials offenbart und der Patentmelder gegenüber der Patentbehörde den Nachweis führt, dass das Material in Übereinstimmung mit den am Herkunftsort geltenden gesetzlichen Zugangs- und Exportbestimmungen verwendet wurde."
Kasten 2: Patent auf Melonen aus herkömmlicher Züchtung
Im Mai 2011 erteilte das EPA dem multinationalen Konzern Monsanto das Patent EP 1 962 578 auf Melonen, die auf konventionelle Pflanzenzucht zurückgehen. Die Melonen weisen eine natürliche Resistenz gegenüber einer bestimmten Viruskrankheit auf. Die Virusresistenz stammt von Melonen aus Indien. Es handelt sich deshalb vermutlich um einen Fall von Biopiraterie. Der ursprüngliche Patentantrag umfasste auch das Verfahren zur Züchtung der Melonen. Da das EPA im Dezember 2010 entschieden hatte, dass die konventionelle Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht patentiert werden kann, wurde das Züchtungsverfahren aus dem Melonen-Patent gestrichen. Doch die Pflanzen, das Saatgut und die Früchte wurden trotzdem patentiert.
Quelle: Kein Patent auf Leben (2011): Melonen als Erfindung von Monsanto; www.keinpatent.de/index.php?id=206 [10.6.2012]
Schließlich stellen Biopatente nach dem bisherigen Muster in aller Regel, also ohne vorherige informierte Zustimmung, einen Verstoß gegen die Menschenrechte dar. Der "UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker" vom September 2007 zufolge haben indigene Völker "das Recht auf die Bewahrung, die Kontrolle, den Schutz und die Weiterentwicklung ihres kulturellen Erbes, ihres traditionellen Wissens und ihrer traditionellen kulturellen Ausdrucksformen sowie der Erscheinungsformen ihrer Wissenschaften, ihrer Techniken und ihrer Kultur, einschließlich ihrer menschlichen und genetischen Ressourcen, ihres Saatguts, ihrer Arzneimittel, ihrer Kenntnisse der Eigenschaften der Tier- und Pflanzenwelt […]." [43] Das heißt: Wer genetische Ressourcen und traditionelles Wissen indigener Völker nutzt und sich eine darauf beruhende Erfindung ohne deren vorherige informierte Zustimmung patentieren lässt, missachtet ihr Recht, über ihr Wissen und ihre Ressourcen zur verfügen. Um dieses Menschenrecht angemessen juristisch einfordern zu können, ist die Einrichtung eines Mechanismus erforderlich, der indigenen Völkern eine Klagemöglichkeit gegen Biopatente eröffnet.