Bericht des Rates der EKD - Teil B (schriftlich)

5. Tagung der 12. Synode vom 11. bis 14. November 2018 in Würzburg

4. Kirche in der Gesellschaft

4.1 Flüchtlingsschutz

Auch in diesem Jahr stellten der Flüchtlingsschutz und die Asylpolitik zentrale Themen für das Engagement der EKD dar, das sich exemplarisch in den Bemühungen des Berliner und Brüsseler Büros zeigt. In gemeinsamen Stellungnahmen mit dem Katholischen Büro in Berlin kommentierte der Bevollmächtigte des Rates der EKD in den verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten sowie das Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Diese Gesetzgebungsverfahren wurden in großer Eile durchgeführt, was es den Kirchen und Verbänden nur sehr eingeschränkt ermöglichte, ihre zahlreichen praktischen Erfahrungen in den Prozess einzubringen. Gemeinsam mit dem Katholischen Büro führte die Dienststelle im Vorfeld viele Gespräche mit Ministerien und Abgeordneten, nahm an Sitzungen des Innenausschusses teil und koordinierte den fachlichen Austausch und das strategische Vorgehen der verschiedenen Verbände. Im Ergebnis kam es in einigen Bereichen, wie beispielsweise bei Aufzählung konkreter Härtefallkriterien, zu geringfügigen Verbesserungen.

Auch mit Blick auf die geplanten AnKER-Zentren zur Unterbringung von Schutzsuchenden brachte sich die Dienststelle aktiv in den politischen Diskurs ein. Anlässlich der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) im Frühjahr 2018 wandte sich die Dienststelle gemeinsam mit dem Katholischen Büro an Bundesinnenminister Seehofer, um ausgehend von den praktischen Erfahrungen in bereits existierenden Einrichtungen auf Probleme aufmerksam zu machen, die aus kirchlicher Sicht bei der Ausgestaltung derartiger Zentren bedacht werden müssen. Das entsprechende Schreiben wurde zugleich den Länderbeauftragten als Musterbrief zur Verfügung gestellt. Außerdem richtete die Dienststelle gemeinsam mit dem Katholischen Büro ein parlamentarisches Mittagessen zu den geplanten AnKER-Zentren aus, um auch die Abgeordneten für die Herausforderungen und Probleme bei der Einrichtung derartiger Zentren zu sensibilisieren.

Weitere Bereiche des Flüchtlingsschutzes und der Asylpolitik, in denen die Dienststelle des Bevollmächtigen im Berichtszeitraum tätig war, waren u.a. die inhaltliche und organisatorische Mitarbeit bei der Ausrichtung des 18. Berliner Symposiums zum Flüchtlingsschutz, die fachliche Begleitung eines geplanten Pilotprojekts des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zu sog. community sponsorships zur Aufnahme von Schutzsuchenden; die Vernetzung der kirchlichen Mitglieder der Härtefallkommissionen der Länder, die kritische Begleitung des Aufbaus einer staatlichen Rückführungsbeobachtung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie die Vernetzung der kirchlichen Akteure in der Abschiebungsbeobachtung.

Auch im aktuellen Berichtzeitraum kam es wiederholt zu kritischen Hinweisen von Vertretern aus Gemeinden oder Kirchenleitungen zur Situation von Konvertiten im Asylverfahren. Die Dienststelle ist daher weiterhin Ansprechpartner für betroffene konvertierte Schutzsuchende, diese begleitende PfarrerInnen und UnterstützerInnen sowie Rechtsanwälte, prüft problematische Anhörungsprotokolle, Bescheide und Gerichtsurteile, berät zu den zugrundeliegenden Problematiken und kommuniziert bei Bedarf mit involvierten Behörden.

Bereits im Januar verantwortete die Dienststelle gemeinsam mit dem Katholischen Büro auf den Hohenheimer Tagen zum Migrationsrecht eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema, an der neben RechtsanwältInnen und PfarrerInnen auch hochrangige Mitarbeiter des Bundesamtes sowie Richter von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht teilnahmen.

Nach der Verfahrensabsprache zwischen dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Dr. Manfred Schmidt, dem Bevollmächtigten und dem Leiter des Katholischen Büros im Februar 2015 konnten weiterhin viele Kirchenasylfälle in dem so genannten „Dossier-Verfahren“ durch das BAMF überprüft werden. Vielfach übte das BAMF daraufhin sein Selbsteintrittsrecht aus und übernahm die Antragsteller in das nationale Asylverfahren. Die Gespräche zum Kirchenasyl wurden auch unter der von Februar 2017 bis Juni 2018 amtierenden Präsidentin des BAMF, Jutta Cordt, fortgesetzt. Der Bevollmächtigte und der Leiter des Katholischen Büros wiesen darauf hin, dass die Prüfung eingereichter Dossiers durch das nun zuständige Referat eine Auseinandersetzung mit den dargelegten Härten im Einzelfall häufig nicht erkennen lasse. Das BAMF hingegen betonte wiederholt, dass das „Dossier-Verfahren“ lediglich eine zweite Prüfung durch das BAMF ermöglichen solle; daher erwarte es, dass die Kirchengemeinden auch ein negatives Ergebnis dieser zweiten Prüfung akzeptierten. Hinzu kam zunehmender Druck seitens der Bundesländer, die neben den bereits genannten Kritikpunkten die geringe Dossierquote (von nur 48 Prozent) bemängelten. Vor diesem Hintergrund forderte die IMK im November 2017 das Bundesinnenministerium auf, ein länderoffenes Gespräch zum Kirchenasyl zu führen. Das länderoffene Gespräch fand unter Mitwirkung der Dienststelle und des Katholischen Büros statt. Die kirchlichen Kritikpunkte wurden erneut vorgebracht und die Verfahrensabsprache mit der dadurch eröffneten Möglichkeit der Härtefallüberprüfung konnte gestützt werden.

Das länderoffene Gespräch unter Beteiligung der Dienststelle bewog die IMK dazu, ihren fortbestehenden Respekt vor der Tradition des Kirchenasyls ausdrücklich zu bekräftigen und an der mit den Kirchen getroffenen Verfahrensabsprache festzuhalten. Gleichwohl beschloss die IMK einige praktische Änderungen in der Umsetzung der Verfahrensabsprache, die in einigen Kirchenasylfällen die Verlängerung der Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate zur Folge haben werden. Die Dienststelle koordiniert gemeinsam mit dem Katholischen Büro die Umsetzung der geplanten Änderungen; daneben berät und vernetzt sie weiterhin die kirchlichen Ansprechpartner für Kirchenasyl und einzelne Kirchenasyl gewährende Gemeinden, gewährleistet die Kommunikation mit BAMF und BMI und informiert über aktuelle Entwicklungen.

In Brüssel gerieten die Verhandlungen um die Vorschläge zum Aufbau eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die die Dienststelle intensiv begleitet und gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen kommentiert hatte, aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen der EU-Mitgliedsstaaten zur Aufnahme von Flüchtlingen ins Stocken. Auf Einladung der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament beteiligte sich die Dienststelle im März 2018 an einer Anhörung zu einem formalisierten System humanitärer Visa und kommentierte zusammen mit anderen christlichen Organisationen die Vorbereitung eines Initiativberichts. Gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen legten die Mitarbeiterinnen der Dienststelle im Mai 2018 ferner in einer Stellungnahme kirchliche Vorstellungen einer humanen Flüchtlingspolitik dar. Daneben positionierten sie sich zu dem Thema des diesjährigen Europäischen Migrationsforums („Auf dem Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt für Migranten“) und kommentierten den Jahresbericht des Europäischen Asylunterstützungsbüros.

4.2 Konversion im Asylverfahren

Eine zunehmende Zahl von Geflüchteten aus muslimisch geprägten Herkunftsländern fragt nach der Taufe, nimmt an Gottesdienst, Unterricht und Gemeindeleben teil und wird schließlich Mitglied der Kirche. Ihre Taufe resp. Konversion wird damit immer häufiger Gegenstand des Asylverfahrens. EKD und VEF haben dazu bereits 2013 die Handreichung „Zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden“ herausgegeben. Eine im Juni 2018 gemeinsam von EKD, DBK und Katholischer Akademie Münster verantwortete und sehr gut besuchte Fachtagung zu „Taufe und Konversion im Asylverfahren“ zeigte die inzwischen breit aufgestellte Expertise in den verschiedenen Kirchen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass, auch wenn EKD und DBK gegenüber dem BAMF die Praxis der Befragungen wiederholt problematisiert haben, weiterhin ein hoher Bedarf an Information, Wissen um biblisch-theologische Inhalte, Akzeptanz und Bedeutung von Glaube, Taufe und Taufpraxis auf Seiten der Entscheiderinnen und Entscheider des BAMF und der Verwaltungsgerichte besteht. Im Asylverfahren ist damit nach wie vor die Frage relevant, wo möglicherweise das Recht auf Religionsfreiheit als auch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen berührt werden.

4.3 Ökumenische Positionierung zu Migration und Integration

20 Jahre nach Veröffentlichung des Gemeinsamen Wortes zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht „Und der Fremdling, der in deinen Toren ist“
(Gemeinsame Texte Nr. 12) haben EKD und DBK einen zweijährigen Arbeitsprozess zu einer aktualisierten Veröffentlichung aufgenommen. Wenngleich das bisherige Migrationswort nach wie vor qualitative Maßstäbe der Erfassung des Themas setzt, erfordert die veränderte gesellschaftliche Situation in Deutschland in europäischer und globaler Perspektive eine neu zu erarbeitende Positionierung, sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung Deutschlands als Einwanderungsgesellschaft als auch die Umsetzung von Integration und Gestaltung von interkulturellem Zusammenleben betreffend. Angesichts der hochaktuellen Frage nach gemeinsamen europäischen Herausforderungen und Antworten sollen relevante Phänomene analysiert und auf Basis christlicher Überzeugungen tragfähige ethische Orientierungen formuliert werden.

4.4 Kirchliches Zeugnis zur zivilen Seenotrettung

Die EKD verstärkte 2018 ihr öffentlich sichtbares Eintreten für den Flüchtlingsschutz. Angesichts der zunehmenden Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung äußerte sich die EKD wiederholt und deutlich gegen die Politik des Ertrinkenlassens von Menschen im Mittelmeer und für die Pflicht zur Seenotrettung. Außergewöhnlich große Presseöffentlichkeit und social-media-Reichweite fanden u.a. die Stellungnahme von Präses Rekowski als Vorsitzendem der Kammer für Migration und Integration der EKD zum Weltflüchtlingstag, wie auch seine Reise nach Malta im Juli 2018. Dort besuchte er u.a. die festgesetzten Rettungsschiffe und flog mit dem von der EKD geförderten Beobachtungsflugzeug „Moonbird“. Auch das Flugzeug, das bereits an der Rettung von über 20.000 Menschen beteiligt war, wird von den maltesischen Behörden behindert.

4.5 Interkulturelle Woche

Mit rund 5.000 Veranstaltungen in annähernd 600 Städten und Gemeinden bundesweit erzielt die Interkulturelle Woche seit vielen Jahren eine zivilgesellschaftliche Breitenwirkung wie nur wenige Projekte. „Vielfalt verbindet“ – das Motto des Jahres 2018 fordert auf, die Chancen, Aufgaben und Herausforderungen in der Einwanderungsgesellschaft wahrzunehmen. Demokratieförderung, Integration und die Stärkung des Zusammenhalts in der Gesellschaft sind dabei notwendige Ziele der beteiligten Organisationen.

Die Kirchen betonten in ihrem Gemeinsamen Wort zur Interkulturellen Woche 2018 die Errungenschaften eines von vielfältigen Traditionen geprägten Landes und machten gleichzeitig deutlich, dass ein gelingendes Miteinander die Gestaltungsaufgabe aller sei. Vielfalt gehöre konstitutiv zum Wesen der Kirche und die Verteidigung von Grundwerten in den Debatten um den Schutz der Schwachen, um Migration, Asyl und Seenotrettung eine dringende Aufgabe. Nach einer rechtlichen Neustrukturierung als unselbstständige Einrichtung der EKD und mit einer neuen Geschäftsführerin seit Anfang 2018 ist die Interkulturelle Woche neu und zukunftssicher aufgestellt.

4.6 Exiljournalistinnen-Projekt „Amal Berlin!“ und „Chrismon für Flüchtlinge“

Nach dem großen Erfolg der bisherigen Chrismon Spezial-Ausgaben für Geflüchtete gab die EKD im Herbst 2018 die vierte und vorerst letzte Ausgabe heraus. Das 24-seitige Heft trägt den Titel „Mein Weg“ und nimmt insbesondere die Lebenswege von geflüchteten Frauen und Mädchen in den Blick. Das Heft ist auf Arabisch/Deutsch und Persisch/Deutsch erhältlich, hat eine Auflage von 300.000 Exemplaren und ist kostenfrei über fluechtlingsheft@chrismon.de zu bestellen und unter www.chrismon-guter-start.de digital abrufbar. Erneut wurde auch diese vierte Ausgabe von geflüchteten Reporterinnen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Ägypten. Sie arbeiten zugleich im Projekt „Amal Berlin!“ der Evangelischen Journalistenschule. Das Projekt wird bis Ende 2018 von der EKD ermöglicht; derzeit (Stand August) ist die Fortsetzung des erfolgreichen und bundesweit bekannten Projekts noch offen. Die Amal-Redaktion betreibt unter www.amalberlin.de eine Nachrichtenwebseite für Geflüchtete.

4.7 EKD-Menschenrechtsinitiative #freiundgleich

Im Jahr 2018 wird die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 70 Jahre alt. Die EKD nimmt das Jubiläumsjahr zum Anlass für eine Initiative, um Kirchen und Gemeinden in der Menschenrechtsbildung zu unterstützen. Die gleiche Würde und die gleichen Rechte aller Menschen stehen im Fokus der Initiative, die ab Herbst 2018 und im Jahr 2019 stattfinden wird. In unterschiedlichen Formaten, wie z.B. einer mobilen Ausstellung und Bildungsmaterial, Workshops, Planspielen und Veranstaltungen, rücken die Menschenrechte und ihre Verteidigung als Aufgabe der Kirchen in den Fokus und machen auf die weltweite Aktualität des Themas aufmerksam.

4.8 Ökumenischer Bericht zur Religionsfreiheit

EKD und DBK haben im Dezember 2017 ihren zweiten Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit vorgestellt (Gem. Texte Nr. 25). Dieser gibt einen Überblick zur Situation und Entwicklung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit, untersucht die Lage von Christen in exemplarisch ausgewählten Regionen und stellt fest, dass das Recht auf Religionsfreiheit im weltweiten Vergleich im Nahen Osten und Nordafrika besonders bedroht ist und christliche Minderheiten starken Repressalien ausgesetzt sind. Da an der Verwirklichung der Religionsfreiheit in aller Regel ablesbar ist, wie es in einem Land um die Freiheitsrechte insgesamt bestellt ist, leistet der Bericht einen wichtigen Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Debatte ebenso wie zum andauernden Einsatz der Kirchen für die Menschenrechte im weltweiten Kontext. Mit dem Schwerpunktthema zur Freiheit des Glaubenswechsels (Apostasie) gibt der vorliegende Bericht notwendige Orientierung in einer hochaktuellen Frage. Der Bericht wurde äußerst positiv von Politik und Öffentlichkeit aufgenommen.

4.9 „Weißt du, wer ich bin?“: Projekt zur interreligiösen Kooperation mit EKD-Beteiligung

Die EKD ist weiter im Lenkungsausschuss des Projektes „Weißt du, wer ich bin?“ vertreten, bei dem die jüdische, islamische und christliche Religionsgemeinschaft zusammenarbeiten. Dem bei der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Frankfurt a.M. angebundenen Projekt stehen dank einer 2017 genehmigten Förderung des Bundesinnenministeriums bis Ende 2019 über 855.800,- € zur Verfügung. Die Mittel werden für Projekte in der interreligiösen Zusammenarbeit in der Flüchtlingshilfe sowie bei klassischen Themen des interreligiösen Dialogs eingesetzt werden. In geförderten Einzelprojekten müssen mindestens zwei Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten.

4.10 Ökumenische Positionierung zu Migration und Entwicklung

Die Geschäftsführer der Kammer für Migration und Integration und der Kammer für nachhaltige Entwicklung sprechen sich gemeinsam dafür aus, diesen Punkt nicht im Ratsbericht zu erwähnen, da das Impulspapier noch nicht fertiggestellt ist und der weiteren Beratung durch beide Kammern bedarf.

4.11 „Starke Demokratie“ für ev. Bildungs- und Jugendeinrichtungen startet

Der Rat der EKD beauftragte seinen Arbeitsbereich „Demokratische Kultur und Kirche“ an der Evangelischen Akademie zu Berlin mit dem besonderen Schwerpunkt Bildung. Daraus erwuchs 2017/18 zum einen „narrt“, das „Netzwerk antisemitismuskritische und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie“. In dem wachsenden Netzwerk verbinden sich Lehrstuhlinhaber von theologischen Fakultäten und Fachbereichen der Lehrerausbildung, das Comenius-Institut mit religionspädagogischen Instituten der Landeskirchen und Verantwortliche in Bildungsarbeit und Gemeinde (inzwischen gehören 40 Organisationen, Institutionen und Einzelpersönlichkeiten aus Wissenschaft und Ökumene dem Netzwerk an) mit dem Ziel, für Religionspädagogik und Theologie explizites Arbeitsmaterial zur Verfügung zu stellen, um mit christlicher Begrifflichkeit rassistischen und antisemitischen Selbstbildern und Gesellschaftsvorstellungen etwas entgegenzusetzen (www.narrt.eaberlin.de). Hinzu kommen Veranstaltungshinweise und Kontakte zu anderen Projekten. Zudem begann in 2018 das digitale theologische Projekt „NetzTeufel“ mit jungen Theologinnen und Theologen, das direkt in digitalen Räumen agiert. Es analysiert die Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Namen des christlichen Glaubens und fragt, wie #digitalekirche Zivilcourage im Netz stärken kann (www.netzteufel.eaberlin.de). 

4.12 „Konsens und Konflikt“ – ein Wort zur Demokratie der Kammer für Öffentliche Verantwortung

Am 21. August 2017 wurde in einer öffentlichen Veranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche ein Wort der Kammer für Öffentliche Verantwortung zur Demokratie in Deutschland präsentiert. Der Text trägt den Titel „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung. Zehn Impulse der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD zu aktuellen Herausforderungen der Demokratie in Deutschland“. Insgesamt will der Text verstanden werden als eine Ermutigung zu einem vielstimmigen und auch antagonistischen demokratischen Diskurs. Grenzen der politischen Auseinandersetzung liegen dort, wo Gewalt eingesetzt wird oder offen Rassismus propagiert wird. Gleichwohl gelte es, Moralisierungen und vorschnelle Exklusion aus dem Raum des Meinungsstreits zu vermeiden. Besonders in den Fragen des Umgangs mit Flucht und Migration, gegenwärtig die entscheidende Bruchlinie des Politischen in Deutschland und anderen europäischen Staaten, sollten auch die kritischen Stimmen gehört und ernst genommen werden. Der von Seiten rechter und linker Populisten artikulierte Verdacht, dass politische Gestaltung zu einem Projekt kosmopolitischer Eliten ohne echte Zugehörigkeit und Loyalität zum eigenen Gemeinwesen geworden sei, könne nur durch eine vertiefte demokratische Partizipation begegnet werden.

Diese auf das politische System bezogenen Überlegungen des Kammertextes sind gerahmt durch theologische Reflexionen zum Zusammenhang von freiheitlicher Demokratie und evangelischem Christentum und evangelischer Kirche. Im Eingangsteil des Textes wird knapp ein rechtfertigungstheologisches Verständnis der freiheitlichen Demokratie entwickelt, im Schlussabschnitt werden die Kirchen selbst als Orte demokratischer Beteiligung und Auseinandersetzung verstanden und in die Pflicht genommen. Dieser Kammertext wurde in vergleichsweise größerem Umfang vor allem in den Printmedien aufgenommen, inzwischen mehrfach nachgedruckt und in einer Vielzahl von Veranstaltungen in Kirche und Diakonie diskutiert. Zur Beförderung des EKD- hat der Bevollmächtigte im Rahmen der Reihe „Treffpunkt Gendarmenmarkt“ am 23. Mai 2018 eine Diskussion zwischen dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Prof. Norbert Lammert und der Abgeordneten Linda Teuteberg (FDP) veranstaltet. Moderiert wurde das Gespräch von der Chefredakteurin des Deutschlandfunks, Birgit Wentzien. Die Diskussion wurde vom Deutschlandfunk live übertragen. 

4.13 Integrierter Forschungsverbund Kirche und politische Kultur

Im Rahmen der EKD-Synode des Jahres 2016 wurde der Abschlussbericht der qualitativen empirischen Untersuchung „Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur“ vorgestellt. Ziel dieser Studie war es, an drei exemplarischen Themen (Homophobie, Antijudaismus, Islamophobie) und drei unterschiedlichen räumlichen Kontexten (evangelische Gemeinde in einer Großstadt, einer Kleinstadt, auf einem Dorf) typische Narrative und Argumentationsmuster diskriminierender Haltungen zu beschreiben und auf den Zusammenhang von Glaubensüberzeugungen und politischen Einstellungen bzw. Haltungen hin zu untersuchen. Der Abschlussbericht der qualitativen Untersuchung wurde im August 2017 in einer wissenschaftlichen Fachtagung, u.a. unter Beteiligung von Mitgliedern des Rates der EKD, an der Ev. Akademie zu Berlin ausgewertet und auf sein Potential für weitere Forschung und für kirchliche Praxis befragt.

Auf dieser Tagung wurde der Vorschlag erarbeitet, den Forschungsansatz der qualitativen Studie in drei einzelnen, aber in der Form eines „Integrierten Forschungsverbundes“ eng aufeinander bezogenen Folgeprojekten weiter zu verfolgen. Dabei handelt es sich: 1. Um eine (auch von der EKD-Synode 2016 angeregte) eigenständige quantitative Untersuchung zur Verankerung von Vorurteilsstrukturen in der Mitgliedschaft der evangelischen Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Beziehung von Inhaltsdimension des Glaubens und diskriminierenden Haltungen; 2. Um eine inhaltliche und diskursanalytische Untersuchung von diskriminierenden Äußerungen, Zuschriften, Texten aus dem kirchlichen Bereich auf die in ihnen implizit oder explizit enthaltenen Theologien hin („Traditionshermeneutiken“); 3. Um eine mit den Mitteln der teilnehmenden Beobachtung erarbeitete Analyse von politischen Kulturen von Kirchengemeinden, vor allem in Hinsicht auf den Umgang mit politischen Herausforderungen und Konflikten im unmittelbaren lokalen Umfeld.

Der Rat der EKD war mit der Frage des politischen Forschungsverbundes zuletzt im April 2018 befasst, auch in Aufnahme der Beschlüsse der EKD-Synode 2017 zu „Kirchenmitgliedschaft und politischer Kultur“. Angesichts der Höhe der mit dem Gesamtprojekt verbundenen finanziellen Aufwendungen (410.000€) sollte zunächst eine mögliche Akquise von Drittmitteln geprüft werden. Diese Prüfung wird sich, vor allem mit Blick auf eine mögliche Bezuschussung aus Mitteln des Programms „Demokratie leben“ des BMFSFJ, bis zum Ende des Jahres 2018 hinziehen.

4.14 Positionsbestimmung zu „Kirche in der Gesellschaft“ mit Klärung der theologischen Konzepte

Das Leitmotiv des Rates, das „Zeugnis des Evangeliums in Wort und Tat in einer Gesellschaft im Wandel“, wird vom Rat immer wieder aktuell fokussiert. Im Anschluss an den Impuls von Lucian Hölscher auf der Synode 2017 wurde reflektiert, wie Kirche und säkularisierte Gesellschaft sich zueinander verhalten, ob sie als Gegenüber zu verstehen sind oder ob die Kirche sich als Teil der säkularen Gesellschaft versteht. Der Akzent wurde auf das zweite Verständnis gelegt, weil es nur so gelingt, die Kirche aus einer defensiven Selbstbeschreibung herauszunehmen und sie als Dialogteilnehmerin und Mitgestalterin in der Gesellschaft zu verstehen. Als weitere Aspekte wurden die Polarität von Konsens und Konflikt in der Gesellschaft sowie Frage nach Lebensdeutungsrelevanz der kirchlichen Botschaft als Herausforderung bei der Klärung der theologischen Konzepte im Raum der EKD genannt.

4.15 Bundesweite Konsultation Kirche und Inklusion

In Aufnahme von Impulsen der Orientierungshilfe des Rates „Es ist normal, verschieden zu sein. Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft“ (2014) und in Aufnahme der Notwendigkeiten und Schwierigkeiten der Umsetzung von Inklusion ist gemäß dem Leitmotiv der Ziele und der Schwerpunkte des Rates (Strategischer Rahmen für die Arbeit des Rates 2016-2021 „Aus dem Evangelium leben – Erkennbares Zeugnis in Wort und Tat in einer Gesellschaft im Wandel“) in den Ratsschwerpunkten 2018 das Ziel der Schaffung eines EKD-Netzwerkes Inklusion im Themenfeld „Kirche in der Gesellschaft“ benannt worden.

Dazu hat vom 22. bis 23. Februar 2018 eine EKD-weite Tagung zum Thema „Offen für alle? – Anspruch und Realität einer inklusiven Kirche“ in der Evangelischen Akademie zu Berlin (Schwanenwerder) stattgefunden. Auf der sehr gut nachgefragten Tagung haben die teilnehmenden Expertinnen und Experten aus ganz verschiedenen kirchlichen Handlungsfeldern sowie aus dem Bereich der Leitungen von evangelischer Kirche und ihrer Diakonie sich einstimmig dafür ausgesprochen, im EKD-Kontext ein Netzwerk zur Förderung einer inklusiv(er) werdenden Kirche zu schaffen. Auf diese Weise sollen die vielfältigen Herausforderungen auf dem Weg zu einer inklusive(re)n Kirche und Gesellschaft thematisch und fachlich koordiniert bearbeitet werden, um zu einer nachhaltigen und öffentlich wahrnehmbaren Handlungsstrategie in der Kirche, ihrer Diakonie und den kirchlichen Werken zu kommen.

Auf der Tagung wurden folgende dringliche Aufgaben identifiziert: Einrichtung von bzw. Weiterentwicklung und Koordination bestehender Foren zum Austausch und zur Zusammenarbeit, um voneinander zu lernen für inklusive (auch diakonische) Kirchenentwicklung und Bildungsarbeit; Stärkung von gezielten Fortbildungsangeboten in der Bundesakademie für Kirche und Diakonie sowie den landeskirchlichen und diakonischen Fortbildungseinrichtungen bzw. Erfahrungstransfer; Begleitung der Entwicklung einer inklusiven Personalführungs- und Kirchenleitungsexpertise; Entwicklung EKD-weiter Standards für leicht verständliche Sprache und barrierefreie Kommunikation (in Aufnahme der Erfahrungen mit der Übertragung von bisher drei EKD-Texten); Aufbau eines Themenbereichs Inklusion zum Austausch von Materialien und zur Dokumentation von Beispielen guter Praxis auf ekd.de; Berufung eines/einer EKD- Inklusionsbeauftragten.

4.16 Ächtung von Atomwaffen

Seit dem Beschluss der UN-Vollversammlung zu einem Atomwaffenverbotsvertrag (Nuclear Ban Treaty (NBT) im Sommer 2017 ist in die politische und friedensethische Debatte um nukleare Waffen neue Bewegung gekommen. Dies gilt auch für den kirchlichen Bereich: Eine Reihe von Gliedkirchen der EKD befasst sich im Rahmen von eigenen synodalen Prozessen zu Friedensfragen ebenfalls mit einer Positionierung hinsichtlich von Atomwaffen. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Organisation ICAN (International Campaign against Nuclear Weapons) und eine groß angelegte vatikanische Konferenz zur Frage atomarer Rüstung sorgten für größere öffentliche Aufmerksamkeit. Besondere Brisanz erhält das Thema durch die Auseinandersetzungen um die Atomwaffenprogramme Nordkoreas und des Iran. Hinzu kommen umfassende Modernisierungsvorhaben für die atomaren Arsenale der Großmächte, die auch Pläne zur Entwicklung nuklearer Gefechtsfeldwaffen umfassen. Der Rat der EKD befasste sich im Mai 2018 mit diesen neuen Entwicklungen. Dabei würdigte er einerseits die schwierigen politischen Abwägungsprozesse, die in den Augen der Bundesregierung gegen eine Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrages sprechen, bekräftigte aber andererseits den Einsatz der EKD für eine Ächtung von Atomwaffen, wie sie vom Friedensbeauftragten und vom Ratsvorsitzenden – etwa anlässlich seines Besuches in Hiroshima im Sommer 2015 – gefordert werden. Die Frage der Ächtung von Atomwaffen soll auch Gegenstand der EKD-Synode 2019 werden.

4.17 Rüstungsexportbericht der GKKE

Als evangelischer Vorsitzender der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat der Bevollmächtigte am 18. Dezember 2017 zusammen mit seinem katholischen Amtsbruder, Prälat Dr. Karl Jüsten, den 21. Rüstungsexportbericht der GKKE vorgestellt. Insbesondere kritisierte der Bericht, dass deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu der humanitären Katastrophe im Jemen beitragen. Während der Koalitionsverhandlungen hat der Bevollmächtigte die unter den Koalitionären umstrittene Forderung nach einem Stopp sämtlicher Waffenlieferungen an Staaten, die am Jemenkrieg beteiligt sind, vorgetragen. Anlässlich der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts 2017 der Bundesregierung am 20. Juni hat Prälat Dutzmann seine Kritik am Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien – darunter vor allem Patrouillenboote im Wert von über 250 Mio. Euro – wiederholt.

Wegen des illegalen Exports von G36-Gewehren nach Mexiko wurde am 15. Mai vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess gegen zwei ehemalige Geschäftsführer des Rüstungsunternehmens Heckler & Koch eröffnet. Staatliche Sicherheitskräfte, die für schwerste Menschenrechtsverletzungen in Mexiko verantwortlich gemacht werden, waren auch mit G36-Gewehren ausgerüstet. Während einer Reise des Bevollmächtigten mit dem Ausschuss für Entwicklungsdienst und Humanitäre Hilfe von Brot für die Welt nach Mexiko haben Gespräche mit Angehörigen von Verschwundenen und Ermordeten dies bestätigt. In der Folge hat Prälat Dutzmann in Interviews und bei Gesprächen mit Abgeordneten auf diese Thematik hingewiesen.

4.18 Europäische Verteidigungspolitik

Im Bereich der Verteidigungspolitik hat der Europäische Rat im Dezember 2017 die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ; englisch „Pesco“) begründet. Ziel der 25 Mitgliedsstaaten ist es, zu einer engeren Koordinierung sowie zu mehr Investitionen in die Verteidigung und die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten zu gelangen. Ein Europäischer Verteidigungsfonds soll zudem die Rüstungskooperation stärken und dem Neben- und Gegeneinander in Europa entgegenwirken: 178 verschiedene europäische Waffensysteme standen zuletzt 30 Systemen in den USA gegenüber. 2018 haben sich zudem neun EU-Staaten entschieden, der von Präsident Macron angeregten „Europäischen Interventionsinitiative“ beizutreten. Im Vordergrund stehen die Lageanalyse und die grundsätzliche Bereitschaft der EU-Staaten, die Kräfte zu bündeln – unter Wahrung der nicht nur in Deutschland geltenden rechtlichen Voraussetzungen für Militäreinsätze. Das EKD-Büro in Brüssel informierte die Konferenz für Friedensarbeit der EKD über die aktuellen Entwicklungen in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, u.a. am 4. Februar 2018 in Loccum.

4.19 Gedenken Erster Weltkrieg

Mit dem Waffenstillstand am 11. November 1918 endete für das „Deutsche Reich“ der Erste Weltkrieg. Die EKD begeht, ebenso wie andere politische und gesellschaftliche Akteure in Deutschland, Europa und darüber hinaus den 100. Jahrestag des Kriegsendes. Der Rat der EKD legte als Grundlinie dieses Gedenkens fest, dass nicht nur auf die Kriegsereignisse geblickt werden, sondern dass auch der Zusammenhang von Ausrufung der ersten deutschen Republik, Demokratie, Friedensverantwortung und Menschenrechten gewürdigt werden solle. Von 1918 aus sollten die Jahrestage 1948 (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Gründung des ÖRK) und 1968 (Ermordung Martin Luther Kings und die Bürgerrechtsbewegung) in ein übergreifendes Narrativ einbezogen werden. An einzelnen Veranstaltungen wurden durchgeführt, bzw. sind geplant: Am 26.-27. April 2018 in Zusammenarbeit mit der UEK Veranstaltungen zum Gedenken an Martin Luther King, u.a. ein Gebetsgottesdienst und eine Tagung; am 9. Oktober 2018 die Verleihung des „Friedrich-Siegmund-Schultze-Förderpreises für gewaltfreies Handeln“ als „Evangelischer Friedenspreises 2018“ in Kooperation mit der Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK); am 20. Oktober 2018 eine Diskussion des Ratsvorsitzenden mit Schülerinnen und Schülern zum Thema „Was heißt: Ich bin ein Europäer/eine Europäerin?“ in Straßburg mit anschließendem Gedenkgottesdienst in Kooperation mit der UEPAL (Union des Eglises Protestantes en Alsace et Lorraine); am 11. November ein ökumenischer Gedenkgottesdienst im Berliner Dom verantwortet von Bischof Dröge in Kooperation mit Erzbischof Koch und weiteren europäischen Partnern, u.a. aus Polen; am 14.-15. Dezember ein Symposion in Prag mit dem Titel "Epochenjahr 1918 - Zwischen Ende und Neuanfang. Zur Bedeutung des Jahres 1918 in der Erinnerungskultur evangelischer Kirchen in Europa", in Kooperation mit der Ev. Kirche der Böhmischen Brüder (im Rahmen des 100. Jahrestages der Kirchengründung) mit Vortragenden aus Deutschland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Österreich, Frankreich, Italien und den Niederlanden.

4.20 Woche für das Leben

„Kinderwunsch. Wunschkind. Unser Kind!“ – unter diesem Motto stand die ökumenische „Woche für das Leben“ vom 14.-21. April 2018. Das Thema lenkt den Blick auf die ambivalenten Folgen, die heutige Methoden der Pränataldiagnostik mit sich bringen. Während bestimmte diagnostische Möglichkeiten eine verbesserte Vorsorge und ein therapeutisches Handeln ermöglichen, die den Embryo vor Schaden schützen, generieren andere Testverfahren lediglich ein Wissen darüber, ob das Kind bestimmte genetische Merkmale oder Störungen hat. Mit einer Therapiemöglichkeit sind letztere Tests, zu denen der sogenannte „Bluttest“ für Schwangere gehört, jedoch nicht verbunden. Eltern, die einen beunruhigenden Befund erhalten, stehen oftmals nur noch vor der Wahl, ihr Kind mit einer möglichen Behinderung zur Welt zu bringen oder die Schwangerschaft abzubrechen – ein schwerer Entscheidungskonflikt, auf den viele Paare nicht vorbereitet sind. Deshalb sehen die Kirchen ihren wichtigen Auftrag darin, werdenden Eltern beratend und unterstützend beizustehen und sie zu ermutigen, ihre Elternrolle in guter Hoffnung und im Vertrauen auf Gott anzunehmen. Die „Woche für das Leben“ 2018 wurde in Trier in einem Gottesdienst mit den beiden Vorsitzenden der evangelischen und katholischen Kirche feierlich eröffnet.

4.21 Diskussion um die Abschaffung von §219a StGB

Die Ärztin Kristina Hänel wurde am 24. November 2017 wegen Verstoßes gegen § 219a des Strafgesetzbuches (StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 € verurteilt, weil sie auf ihrer Praxis-Website über ihr Tätigkeitsspektrum informierte, das auch legale Schwangerschaftsabbrüche umfasst. § 219a StGB verbietet die „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche. Die Norm ist so umfassend formuliert, dass auch die Information über die Bereitschaft zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs erfasst ist. Die Politik hat sich inzwischen dieser Thematik angenommen. Es liegen drei Gesetzesentwürfe zu § 219a StGB vor: Während der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion eine „Einschränkung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ vorsieht, wollen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke den Straftatbestand der „Werbung für den Schwangerschaftsabbruch“ aufheben, weil sie dadurch Frauen im Schwangerschaftskonflikt in ihrem Recht auf Information über Möglichkeiten des Abbruchs eingeschränkt sehen. Außerdem bedeute der Paragraph eine Rechtsunsicherheit für diejenigen Ärzte, die darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die SPD hatte sich mit der CDU/CSU-Fraktion im März 2018 darauf verständigt, dass das Bundesjustizministerium einen Kompromissvorschlag zur Reform des Paragraphen erarbeiten soll, der noch nicht vorliegt.

Im Kontext dieser Diskussion plädieren kirchlicherseits die Evangelischen Frauen in Deutschland, das Frauenwerk der Nordkirche und der Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e. V für die Abschaffung des § 219a StGB, weil der Paragraph a) nicht hinreichend zwischen „Information“ und „Werbung“ differenziere, b) 1933 von den Nationalsozialisten als Bestandteil einer Strafrechtsreform eingeführt wurde, die sich gegen Frauen richtete und c) die sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche verbiete.

Der Ratsvorsitzende und die evangelischen Landeskirchen in Hessen haben sich gegen eine Abschaffung des § 219a StGB mit den Argumenten ausgesprochen: a) Das Werbeverbot sei Teil des Konzeptes zum Schutz menschlichen Lebens, das das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Schwangerschaftsabbruch 1993 eingefordert hatte. b) Eine Streichung des Werbeverbotes berge die Gefahr, dass diese Gesamtstatik des damaligen Kompromisses zum Schwangerschaftsabbruch infrage gestellt werde. c) Auch könne eine Aufhebung des Werbeverbotes eine gesellschaftliche Einstellung befördern, die Abtreibung als Bestandteil eines normalen ärztlichen Leistungsspektrums missversteht.

Das Anliegen, den Informationszugang über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu verbessern, ohne § 219a StGB zu ändern oder aufzuheben, wird vom Bevollmächtigten des Rates und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen präferiert: Dazu bedürfe es einer gesetzlichen Regelung, die die Länder verpflichtet, in angemessener Weise über Einrichtungen zu informieren, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

4.22 Verantwortung der evangelischen Kirche in Fällen sexualisierter Gewalt

Die Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt beschäftigt die evangelische Kirche seit einigen Jahren – intensiv arbeitet sie an Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt seit 2010. In der Kirchenkonferenz wurden dazu mehrfach Beschlüsse gefasst. Im März 2015 wurde das Kirchenamt beispielsweise damit beauftragt ein Fortbildungskonzept zu entwickeln, das EKD-weit von allen Gliedkirchen genutzt werden kann, um Mitarbeitende für den Bereich zu sensibilisieren und auf diesem Weg eine Kultur der Achtsamkeit zu implementieren. Zuletzt stand das Thema im September 2018 auf der Tagesordnung der Kirchenkonferenz. Dort wurde unter anderem die Schaffung eines sogenannten Beauftragtenrates beschlossen. Um der dezentralen Struktur der evangelischen Kirche gerecht zu werden, sollen bis zu fünf Personen aus dem Kreis der Kirchenleitungen darum gebeten werden, gemeinsam als Beauftragte der Gliedkirchen im öffentlichen Diskurs zum Thema sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche Auskunft zu geben und die hiermit verbundene Aufgabenstellung für die Gliedkirchen sowohl innerkirchlich als auch gesellschaftlich aktiv voranzubringen. Vereinbart wurde darüber hinaus, dass Bischöfin Fehrs zu dem Thema auf der EKD-Synode im November 2018 berichtet, siehe hierzu der gesonderte mündliche und schriftliche Bericht.

4.23 Gespräche des Rates mit den Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen

Am 4. Mai 2018 traf sich eine Abordnung des Rates unter der Leitung des Ratsvorsitzenden mit der Religionspolitischen Sprecherin der Partei DIE LINKE. In dem von der Dienststelle des Bevollmächtigten organisierten Gespräch wurde das Thema DDR-Kirchenpolitik und ihre Folgen besprochen. Für 2020 wird ein Gespräch des Rates mit der Partei DIE LINKE in Aussicht genommen, bei dem der Einstieg auch wiederum über die Aufarbeitung von DDR-Unrecht und insbesondere über die Aufarbeitung des Umgangs mit Christen und den Kirchen in der DDR erfolgen solle.

Der Rat der EKD knüpfte mit dem Gespräch, das er am 28. September 2018 mit dem Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen führte, an frühere Begegnungen an. Themen waren diesmal der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland und Europa (insbesondere die Flüchtlings- und Asylpolitik), das Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche und der Sonn- und Feiertagsschutz.

4.24 Begegnungen des Rats mit den Arbeitgeberverbänden und dem Bundesverband der Deutschen Industrie

Am 19. Juni 2018 fand eine Begegnung des Rates unter der Leitung des Ratsvorsitzenden mit Vertretern der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Vertretern des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. Berliner Büro der EKD statt. Die Themen Digitalisierung, Integration der Geflüchteten und Langzeitarbeitslosigkeit („soziale Nachhaltigkeit“), Klima und Energie („ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit“) wurden hier besprochen.

4.25 Martin-Luther-King-Gedenken

Am 23. April fand in der Sophienkirche in Berlin die zentrale Veranstaltung der EKD zum Gedenken an den 50. Jahrestag des Attentats auf Martin Luther King statt. Die ökumenische Gedenkfeier, an der auch amerikanische Gäste beteiligt waren, verstand sich als eine Aktualisierung des Eintretens Martin Luther Kings für die Bürger- und Freiheitsrechte aller Menschen und zugleich als eine meditative Andacht in der Kirche, in der Martin Luther King im September 1964 bei einem überraschenden Besuch in Ost-Berlin predigte, um die Menschen in der DDR zu ermutigen. Er sagte damals: „keine Grenze kann die Kinder Gottes voneinander trennen,“ und die Gemeinde sang spontan „Let my people go“.

Die Veranstaltung in der Sophienkirche wurde von Bischöfin Petra Bosse-Huber geleitet und von der Evangelischen Akademie zu Berlin mitveranstaltet. Den Kirchengemeinden in Deutschland und den USA wurde eine ökumenische Arbeitshilfe für ein Abendgebet zum Gedenken an Martin Luther King auf Deutsch und Englisch zur Verfügung gestellt. Sie wurde von der United Church of Christ (UCC), der Evangelical Lutheran Church in Amerika (ELCA), der EKD, der VELKD und der UEK gemeinsam erarbeitet und in vielen Gemeinden diesseits und jenseits des Atlantiks verwendet. Martin Luther Kings Kampf gegen Unterdrückung, Rassentrennung und soziale Ungerechtigkeit in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurde damit gewürdigt. Zugleich betont die EKD mit diesem Gedenken, dass sein Eintreten für Gerechtigkeit und Freiheit bis heute unerfüllt geblieben ist.

4.26 70 Jahre Evangelisches Studienwerk Villigst

1948 wurde das evangelische Studienwerk Villigst e.V., das Begabtenförderungswerk der evangelischen Kirche, gegründet. Nach den Erfahrungen in der Nazidiktatur sollte eine Begabtenförderung entstehen, in der Religionsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit im Geist des Evangeliums gelebt werden. Am 17.-18. Juni feierte das Evangelische Studienwerk Villigst e.V. sein siebzigjähriges Bestehen. Der Ratsvorsitzende und die stellvertretende Ratsvorsitzende gaben mit Vortrag und Predigt theologisch Orientierung und markierten das Profil des evangelischen Studienwerks und die besondere Verantwortung, die mit Begabung verbunden ist. Das Programm zeigte mit Science Slam und zahlreichen weiteren stipendiatischen Beiträgen das hohe Niveau stipendiatischer Mitgestaltung in Villigst. 1200 Grund- und 200 Promotionsstipendiatinnen und -stipendiaten ermöglicht das Evangelische Studienwerk Villigst neben der Studienförderung eine solide, persönliche Begleitung in der wissenschaftlichen Entwicklung. Interdisziplinarität, Diskurs und geistliche Angebote prägen die ideelle Förderung im evangelischen Begabtenförderungswerk. Diese wurde in einer Evaluation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit hervorragend und Platz 1 unter allen Begabtenförderungswerken bewertet. Die kirchlichen Mittel fließen vor allem in diese ideelle Förderung.

Darüber hinaus konnte auch das Programm zur Vermittlung von Villigst-Stipendiaten als Praktikanten bei Abgeordneten des Deutschen Bundestages erfolgreich fortgesetzt werden. Im Zuge dieses Vermittlungsprogramms konnte die Dienststelle des Bevollmächtigten in der vergangenen Legislaturperiode 40 Praktika vermitteln. Im ersten Jahr nach Zusammentritt des neugewählten Deutschen Bundestages sind rund 20 Praktika vermittelt worden.

4.27 Religiöse Bildung in der migrationssensiblen Schule

Die Integration der Migrantinnen und Migranten stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Das zeigt sich in besonderer Weise im Bildungssystem, wo mittlerweile etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben. Bildung und religiöse Bildung müssen in der Schule wie an anderen Lernorten darum der Vielfalt der Lernenden gerecht werden. Migrationssensibilität ist Teil einer positiven Wahrnehmung von Heterogenität in einer pluralitätsfähigen Schule. Religiöse Bildung wird in der Integrationsdebatte dabei bislang häufig zu Unrecht vernachlässigt: Tatsächlich nimmt sie bei der konstruktiven Bearbeitung von Migration jedoch spezifische, nicht delegierbare Aufgaben wahr. In diesem Zusammenhang hat die Kammer für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend in zwölf Thesen Herausforderungen und Ermutigungen formuliert. Der Rat hat sie dankbar aufgenommen und ihre Veröffentlichung beschlossen. Sie sind unter dem Titel „Religiöse Bildung in der migrationssensiblen Schule“ als EKD-Texte 130 im September erschienen.

4.28 Digitale Austausch- und Materialplattformen für Schule und Jugendarbeit

Die EKD förderte 2018 die Entwicklung von zwei aufeinander bezogenen Materialplattformen für die Jugendarbeit und Jugendbildungsarbeit. Das evangelische Jugendwerk in Württemberg baute in Kooperation mit verschiedenen Jugendverbänden, mit der aej und dem Kindergottesdienst eine Plattform auf, die Pay-Materialien und Open Educational Ressources für ehrenamtlich und hauptamtlich Tätige in der Jugendarbeit und im Kindergottesdienst zur Verfügung stellt. Diese Plattform kann von allen Gliedkirchen und Jugendverbänden für ihre Materialien genutzt werden. Ziel ist die digitale Bereitstellung von Materialien, die bisher als Printprodukte genutzt wurden, sowie die Bereitstellung von Materialien, die Praktiker für Praktiker entwickelten. Zukünftig könnten bis zu 100.000 Mitarbeitende in allen Feldern außerschulischer Jugendarbeit auf diese Materialien zugreifen. Technisch ist eine Verbindung mit rpi-virtuell, der oft genutzten Materialplattform für religiöse Bildungsarbeit in Schule und Gemeinde angebahnt. Die aej wurde gefördert, um eine digitale Plattform zu schaffen, über die Mitarbeitende schnell Informationsmaterial zu Recht, Strukturen und Organisation der Jugendarbeit finden. Beide Plattformen sollen Ende 2018 fertig entwickelt sein und sich gegenseitig ergänzen. Der Rat der EKD hatte digitale Plattformen für diesen Bereich in seine Ziele für 2018 aufgenommen.

4.29 Jugend und Bildung in Europa

In den Themenfeldern Jugend und Bildung standen die weiteren Verhandlungen um den Europäischen Solidaritätskorps als eigenständiges Jugendprogramm, die Ausgestaltung der EU-Jugendstrategie ab 2019, der Programmvorschlag zu Erasmus+ (2021-2027) – insbesondere der Programmteil „JUGEND IN AKTION“ und die „Free Interrail“- bzw. „Discover EU“-Initiative des Europäischen Parlaments im Fokus der Arbeit des EKD-Büros in Brüssel. Diese Vorgänge wurden mit Konsultationsbeiträgen, Stellungnahmen, Änderungsanträgen und durch Gespräche mit Verantwortlichen der EU-Institutionen intensiv begleitet. Der Europäische Freiwilligendienst wird ab Herbst 2018 vollständig im Solidaritätskorps aufgehen und in geringem Umfang auch Praktika und Arbeitsgelegenheiten für junge Menschen beinhalten. Die Einsätze müssen einen Solidaritäts- und Gemeinnützigkeitsbezug haben, werden aber für freie Unternehmen zugänglich sein. Besonders umstritten ist die „Free Interrail“- bzw. „Discover EU“-Initiative, die ab 2021 unter dem Stichwort Lernmobilität im Erasmus+ Programm aufgenommen werden soll. Der Austausch- und Begegnungscharakter der bisherigen Formate im Jugendprogrammteil von Erasmus+ findet zu wenig Berücksichtigung. Die Fragen nach der zukünftigen EU aus der Perspektive junger Menschen wurden in einem Fachgespräch am 22. November 2017 unter der Überschrift: „jung.mobil.aktiv. Meine Zukunft in Europa“ thematisiert und werden in einer Wahlkampagne zur Europawahl 2019 weiterbearbeitet. Die Kooperation des der Dienststelle mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. hat sich in diesen Themenfeldern weiter bewährt und wird ab September 2018 ausgeweitet.

4.30 Jugendverbände der Parteien

Der Kontakt des Bevollmächtigten zu den Jugendverbänden der Parteien wurde im vergangenen Jahr intensiviert. Die hierfür engagierte, weitgehend ehrenamtlich tätige Beauftragte des Bevollmächtigten folgte den Einladungen zu den Bundeskongressen der Jungen Union, Jungen Sozialist­­innen, Grünen Jugend, Jungen Liberalen und 2018 erstmalig auch der Linksjugend ['solid]. Auch der Austausch zwischen den Vorständen der Jugendverbände und dem Bevollmächtigten selbst wurde verstetigt. Auf diese Weise wertschätzt die Dienststelle die Arbeit der jungen Politikerinnen und Politiker, fördert die Verbindung der evangelischen Kirche zum politischen Nachwuchs und beschäftigt sich mit den Bedingungen, unter denen religionspolitische Fragen in der jungen Generation verhandelt werden.

4.31 Text der Kammer für Öffentliche Verantwortung zur Nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD)

Im Sommer 2017 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein Methodenbewertungsverfahren zu NIPD eingeleitet. Dies geschah mit dem Ziel, zu prüfen, ob die NIPD künftig im Falle von Risikoschwangerschaften in den Katalog der Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen werden sollte. Als sich dieses Prüfverfahren im Herbst 2016 abzeichnete, bat der Rat der EKD die Kammer für Öffentliche Verantwortung um eine Stellungnahme – auch mit Blick auf mögliche gesellschaftliche Folgen einer „Normalisierung“ von NIPD, die etwa darin bestehen könnten, so eine vielfach artikulierte Befürchtung, dass eugenische Schwangerschaftsabbrüche vor allem nach Diagnosen von Trisomie 13,18 und 21 zum gesellschaftlich akzeptierten Normalfall werden.

Der Anfang des Jahres 2018 vorgelegte Zwischenbericht des IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) legte aufgrund der vorliegenden Daten nahe, dass die Durchführung von NIPD erheblich schonender gegenüber invasiven Untersuchungen (Amniozentese) sei, zu einer geringeren Rate von Fehlgeburten führe und sich daher eine Einführung von NIPD als Regelleistung empfehle. Der inzwischen vorliegende Abschlussbericht bestätigt diese Einschätzung im Grundsatz, drückt aber auch den Wunsch nach einem größeren Umfang von Daten (vor allem für Trisomie 13 und 18) aus als sie bisher vorliegen.

Nach einer Diskussion im Rat der EKD im Januar 2018 konnte die Kammer dem Rat im Mai 2018 einen ausgearbeiteten Text vorlegen, den sich der Rat der EKD durch Beschluss zu eigen machte. Dieser Text schlägt vor, die Einführung von NIPD als Regelleistung der GKV für Risikoschwangerschaften grundsätzlich zu begrüßen. Gleichzeitig soll aber eine erhebliche Ausweitung des Beratungsangebotes insbesondere in der Form einer psychosozialen, am Schutz des Lebens orientierten Beratung politisch gefordert und von den Kirchen auch im Blick auf ihre eigenen Beratungsstellen erbracht werden.

Kritisch bewertet die Kammer auch die zunehmende Privatisierung der NIPD durch einen internetbasierten Direct-to-Consumer Markt für genetische Tests. Diese Vermarktlichung sei allerdings durch ein Verbot oder eine restriktive rechtliche Regelung kaum aufzuhalten. Ein ausgeweitetes Beratungsangebot müsse daher vor allem auf Kooperation mit den schwangeren Frauen und auf Anreize setzen. Gegenwärtig (Stand Juli 2018.) scheint es, dass im politischen Raum noch neue Debatten zu vorgeburtlichen Bluttests bevorstehen. Eine Veröffentlichung des Texts der Kammer und eine darauf aufbauende Stellungnahme der EKD sollte erst in einer genauen Wahrnehmung dieser Diskussionslage erfolgen.

4.32 Hanna Jursch-Preis für Dissertation über „Exogame Ehen“

Der Hanna Jursch-Preis war dieses Mal mit dem Themenschwerpunkt Das Andere – Die Andere – Der Andere ausgeschrieben. „Andersheit begegnet in ganz unterschiedlichen Facetten. Das, die, der Andere fasziniert, bereichert und befremdet. Nach Gott zu fragen, ist Ausdruck dessen, dass Menschen auf ein Anderes angewiesen sind. Die Schöpfung ist vielfältig und damit auch spannungsreich. Zur alltäglichen Erfahrung gehört, dass Menschen zu Anderen gemacht und ausgegrenzt werden. Alle diese Aspekte können Gegenstand wissenschaftlich-theologischer Reflexion sein“, heißt es der Ausschreibungstext der Jury für diese 9. Ausschreibung des Preises. Aus einer großen Zahl von Bewerbungen wurde die Arbeit der Marburger Theologin Aliyah El Mansy „Exogame Ehen. Die traditionsgeschichtlichen Kontexte von 1Kor 7,12-16“ für den Hanna Jursch-Preis ausgewählt und vom Rat auf Vorschlag der Jury ausgezeichnet. Die wissenschaftlich hervorragend gearbeitete Dissertation greift eine Thematik auf, die auch gegenwärtig hochaktuell ist. In einer Lebensgemeinschaft mit einem Partner oder einer Partnerin einer anderen Konfession, Religion oder Weltanschauung geht es immer auch um die Frage, wie die eigene religiöse Identität gelebt und gewahrt werden kann. Die Arbeit geht den biblischen Quellen nach und arbeitet heraus, dass sich in ihnen ein engagiertes Ringen um diese Frage widerspiegelt.

Vergeben wurden auch zwei Hanna Jursch-Nachwuchspreise. Sie gehen nach Marburg und Rostock. An Friederike Luise Arnold für ihre Seminararbeit „Siehst du diese Frau? Exegese Lk 7,36-50“ und an Dorothee Charlotte Heise für ihre Seminararbeit „הָאָדָם וְאִשְׁתֹּו. Der (Rest-)Mensch und die Andere? Zur Konstruktion von Geschlecht in der zweiten Schöpfungserzählung Gen 2,4b–3,24“.

4.33 Stiftung Anerkennung und Hilfe

Die auf 5 Jahre als Verbrauchsstiftung angelegte Stiftung „Anerkennung und Hilfe“, ein Hilfesystem für betroffene Kinder und Jugendliche, die in der Erziehung in Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. stationären psychiatrischen Einrichtungen nach 1949 Leid und Unrecht erfahren haben, ist zum 1. Januar 2017 mit einem Stiftungsvermögen von ca. 288 Mio. € errichtet worden, von denen die beiden großen Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände ca. 56,4 Mio € tragen. Die Stiftung hat in einzelnen Bundesländern erst deutlich verspätet im Lauf des Jahres 2017 die Beratungen der Betroffenen anbieten können. Bis zur Halbzeit der Antragsfrist Ende Juni 2018 sind die Anmeldezahlen von Betroffenen deutlich unter den Schätzungen geblieben. Im Bemühen, den Adressatenkreis besser zu erreichen, sind deshalb Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und, unter Beibehaltung der Gesamtlaufzeit, die Verlängerung der Anmeldefrist bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen worden.

4.34 Veranstaltungsreihe „Die Digitale Revolution“ in Berlin

Gemeinsam mit der Diakonie Deutschland und der Evangelischen Akademie zu Berlin hat die Dienststelle eine Veranstaltungsreihe unter der Überschrift „Die digitale Revolution. Wie wollen wir morgen leben und arbeiten?“ begonnen. Bei der Auftaktveranstaltung am 7. Juni im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) diskutierten Prof. Dieter Kempf, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V., Prof. Dr. Gesche Joost, Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin und Internetbotschafterin der Bundesregierung für die Europäische Kommission, und Prof. Dr. Martin Emmer vom Institut für Publizistik-  und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin über die zu erwartenden Veränderungen für die Arbeitswelt.

Bei der Folgeveranstaltung am 25. September standen die sozialpolitischen Konsequenzen der Digitalisierung im Mittelpunkt. Auf dem Podium diskutierten Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), und Prof. Dr. Michael Hüther, der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft über die für die Arbeitswelt zu erwartenden Veränderungen.

Im dritten Schritt, der vor wenigen Tagen am 6. November stattfand, ging es um die bildungspolitischen Konsequenzen der Digitalisierung. Nach einem Impuls von Staatssekretär Thomas Rachel debattierten die Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer, und der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ingo Dachwitz. Die resümierende Abschlussveranstaltung ist für den 16. Januar 2019 geplant.

4.35 Veranstaltungen der Dienststellen des Bevollmächtigten des Rates aus Berlin und Brüssel

Auch in der 19. Wahlperiode organisiert die Dienststelle des Bevollmächtigten ökumenische „Christliche Morgenfeiern“ im Andachtsraum des Bundestages an jedem Donnerstag und Freitag in den parlamentarischen Sitzungswochen vor den morgendlichen Plenardebatten. Die Andachten werden von Prälat Martin Dutzmann, seinem katholischen Kollegen Prälat Karl Jüsten und ihren jeweiligen Mitarbeitern, sowie von Abgeordneten und Mitarbeitern des Deutschen Bundestages gehalten. In der aktuellen Wahlperiode haben sich bereits mehr als 20 Abgeordnete aktiv daran beteiligt.

Die morgendlichen Gebetsfrühstücke des Bevollmächtigten (fünf- bis sechsmal jährlich für die evangelischen Abgeordneten des Bundestages, einmal für Parlamentarier, die keiner Konfession angehören) wurden auch in dieser Legislaturperiode fortgesetzt.

Zum sechsten Mal wurde in diesem Jahr am 21. Juni der jährliche Ökumenische Gottesdienst anlässlich der Entsendung von Angehörigen des Auswärtigen Dienstes in die deutschen Auslandsvertretungen gefeiert. An dem Gottesdienst, der gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt vorbereitet und gestaltet wird, nahmen auch wieder Familien der Diplomaten teil. Der Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche erfreut sich Jahr für Jahr einer wachsenden Akzeptanz.

Ein traditioneller Höhepunkt war auch in diesem Berichtszeitraum der Johannisempfang; am 27. Juni sprach der Ratsvorsitzende zum Thema „‚…wenig niedriger gemacht als Gott‘. Menschenbilder im digitalen Zeitalter“. Die anschließende Gelegenheit zu politischen Gesprächen auf dem Gendarmenmarkt wurde von einer Vielzahl der Gäste wahrgenommen.

Gemeinsam mit dem Katholischen Auslandssekretariat setzte die Dienststelle des Bevollmächtigten die seit vielen Jahrzehnten stattfindenden jährlichen „Attachés-Tagungen“ für angehende Diplomaten des höheren Auswärtigen Dienstes am 18.-19. Oktober 2018 in Chorin fort. Ähnliche Veranstaltungen hatten bereits zu Beginn des Jahres für Anwärter des gehobenen und mittleren Dienstes des Auswärtigen Amts (am 29.-30. Januar 2018) stattgefunden.

Die Brüsseler Dienststelle des Bevollmächtigten richtete darüber hinaus u.a. folgende Veranstaltungen aus: Am 7. November 2017 fand das von der Europäischen Kommission ausgerichtete und mit „The Future of Europe: a value-based and effective Union“ betitelte High-Level Meeting mit Religionsvertretern zur Zukunft Europas in Brüssel statt. Für die EKD nahm Präses Irmgard Schwaetzer teil. Sie machte bei dem Treffen deutlich, dass die EKD die Idee, Bürgerkonvente über die Zukunft der EU in den Mitgliedsstaaten abzuhalten, unterstützt. Die Debatte über die Zukunft der EU müsse stärker in den Mitgliedstaaten und deren Regionen geführt und zu den Unionsbürgern getragen werden. Die Kirchen in Deutschland wollten sich an dieser Debatte gern beteiligen.

Daneben lud die Europäische Sonntagsallianz (ESA) mit Unterstützung des Brüsseler Büros am 22. Februar 2018 zu einem Treffen der Interest Group „Work-Life-Balance“ ins Europäische Parlament ein. Unter der Schirmherrschaft der Abgeordneten Thomas Mann (CDU) und Evelyn Regner (SPÖ) diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über soziales und bürgerliches Engagement in einer vernetzten Gesellschaft im Zusammenhang mit dem von Arbeitnehmern immer stärker geforderten Zeitmanagement in (künftigen) Arbeitsverhältnissen.

Das Thema „Populismus in der EU“ wurde u.a. am 22. April 2018 thematisiert. Der Bielefelder Gewalt- und Konfliktforscher Prof. Dr. Andreas Zick hielt auf Einladung von Prälat Dutzmann und Prälat Jüsten einen Vortrag zu Rechtspopulismus in Deutschland und Europa unter der Überschrift: „Zwischen Abschottung und Willkommen: Empirische Einblicke in die Meinungs- und Gemütslage in Deutschland und Europa“.

4.36 Die Kammern des Rates der EKD

Der Rat der EKD setzt Experten aus den Gliedkirchen und der Synode der EKD sowie Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft in den Kammern der EKD ein, um Fragen gründlich zu diskutieren, den Rat zu informieren oder eine Publikation vorzubereiten. Neben ihrer beratenden Funktion veröffentlichen die Kammern auch Stellungnahmen und Texte. Die konkreten Arbeitsaufträge für die Kammern sind in der Anlage 1 dargelegt.

4.37 Beauftragte des Rates der EKD

Beauftragte des Rates sollten helfen, die kirchliche Präsenz in Bereichen zu verstärken, die generell und aktuell besonders dringlich intensiver kirchlicher Begleitung bedürfen. Die Beauftragten stehen den Menschen in diesen Bereichen als Gesprächspartner zur Verfügung und fördern in Kirche und Gesellschaft das Verständnis für ihre Belange. Derzeit hat der Rat zwölf Beauftragte für unterschiedliche Aufgaben berufen, deren inhaltliche Arbeit in der Anlage 1 dargelegt ist.

Nächstes Kapitel