Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland - Gestaltung der christlichen Begegnung mit Muslimen

Eine Handreichung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloher Verlagshaus, 2000. ISBN 3-579-02373-X

IV. Teil: Bereiche des praktischen Zusammenlebens

1. Muslime im evangelischen Kindergarten

1.1. Auftrag evangelischer Kindertagesstätten

Kindergärten [31] und Kindertagesstätten in evangelischer Trägerschaft sind eingerichtet, um die ihnen anvertrauten Kinder im Geist des Evangeliums zu fördern und einen umfassenden Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag zu erfüllen. Sie bieten Kindern und ihren Familien die Möglichkeit, mit dem Evangelium und dem gelebten Glauben vertraut zu werden. Gleichzeitig erfüllen sie einen sozialdiakonischen Auftrag und stehen grundsätzlich allen Kindern offen. Da die Kinder in ihrer Religionszugehörigkeit, Nationalität und sozialen Herkunft unterschiedlich sind und in eine vielfältige Gesellschaft hineinwachsen, stellt sich die pädagogische Aufgabe der Integration.

Gerade im Kindergartenalter, also in einer frühen Phase der Entwicklung, kann in prägender Weise die Normalität der Vielfalt und ein großzügiger Umgang mit Fremden eingeübt werden. Dabei sind die unterschiedlichen regionalen Voraussetzungen einzubeziehen.

1.2. Muslimische Kinder im Kindergarten: Identitätsbildung und religiöse Sozialisation

Im Kindergarten begegnen sich Kinder, die einerseits aus Familien stammen, in denen Religion faktisch keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt, andererseits aus solchen, die von den religiösen Traditionen ihres Glaubens überzeugt sind und sie praktizieren. Die gemeinsame Erziehung von Kindern mit unterschiedlicher religiöser Herkunft ist zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe geworden, die auch die Kirchen wahrnehmen.

Identität entwickelt sich im Zusammenleben, im lebendigen Wechselspiel von Zustimmung und Abgrenzung. Sie ist kein Gut, das wie Besitz erworben und festgehalten werden kann. Deshalb können wir Kinder auf ihrem Weg des Glaubens nur begleiten und auf Gottes Geist vertrauen, der uns alle, Erwachsene und Kinder, immer tiefer in das Geheimnis des Glaubens führen wird. Evangelische Identität schließt die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verständigung ein. Viele christliche Eltern suchen im evangelischen Kindergarten Impulse der Bestätigung und Anerkennung ihres Glaubens. Es geht ihnen auch um die Weitergabe des Glaubens im Generationenzusammenhang. Muslimische Eltern vertrauen Christen als den »Leuten des Buches«, die sich vor dem einen Gott verantworten. Sie erwarten aber auch, dass ihre Kinder in ihrem Glauben nicht bedrängt werden.

Da sich Ängste vor Identitätsverlust leicht durch Sprachprobleme, Halbinformationen und Unsicherheit einschleichen, gilt es, mit besonderer Sorgfalt und Einfühlung die muslimischen Eltern zu informieren, und zwar schon vor ihrer Entscheidung für eine evangelische Einrichtung. Es muss ihnen deutlich gesagt werden, dass in dieser Einrichtung altersgemäß Inhalte des christlichen Glaubens vermittelt und im Zyklus des Kirchenjahres gefeiert werden. In Orten, in denen sie keine Wahlmöglichkeit zwischen Kindergärten unterschiedlicher Träger haben, kann für sie ein schwieriges Gewissensproblem entstehen.

Das bedeutet für die Träger dieser Institutionen, die muslimische Kinder aufnehmen, die Verpflichtung zu

  • Transparenz der inhaltlichen Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit,
  • Fortbildung der Mitarbeiterinnen, insbesondere in Islamkunde,
  • Begleitung der Elternarbeit, Beratung und Supervision des interkulturellen und interreligiösen Lernens.

In gegenseitigem Vertrauen kann sich Verständnis für den Anderen entwickeln. Es gibt viele Übereinstimmungen im Glauben, aber auch unvereinbare Gegensätze, die ausgehalten werden müssen. Dazu bedarf es einer Atmosphäre des Respekts, die vor voreiligen Harmonisierungen schützt. Der weltanschaulich-religiöse Pluralismus führt in Kindergarten, Schule und Gesellschaft vor die Aufgabe kultureller Verständigung und pädagogischer Bildung, wobei es darum geht, das Gemeinsame inmitten des Differenten zu stärken, in einer Bewegung durch die Differenzen hindurch, nicht über sie hinweg.

1.3. Anstellung muslimischer Erzieherinnen

Die geschilderte Integrationsaufgabe wirft mancherorts die Frage auf, ob muslimische Erzieherinnen und Erzieher in evangelischen Kindergärten angestellt werden können. Die verschiedenen Landeskirchen haben diese Frage unterschiedlich beantwortet und geregelt. Begründete Ausnahmen von der ACK-Regelung, wonach nur christliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt werden dürfen, sind in manchen Landeskirchen möglich [32].

Es kann in diesen Fällen von einer muslimischen Pädagogin allerdings nicht verlangt werden, das Evangelium von Jesus Christus in Wort und Tat zu bezeugen. Sie kann nur aus ihrer Tradition heraus einen Beitrag zum interreligiösen Leben und Lernen leisten und dabei für die Kinder Vorbild sein. Daraus können sich Gewissenskonflikte ergeben. Deren Bearbeitung darf jedoch nicht auf die Erzieherin abgewälzt werden. Der Träger muss mitverantworten können, dass Unvereinbares zusammenkommt und miteinander zu leben gelernt wird.

2. Christen und Muslime im Bewährungsfeld Schule]

2.1. Rahmenbedingungen der Präsenz muslimischer Kinder und Jugendlicher an deutschen Schulen

Die Zahl der ausländischen Kinder und Jugendlichen, die gegenwärtig deutsche Schulen besuchen, beträgt etwas mehr als eine Million. 700.000-800.000 davon sind muslimischen Glaubens. Ihre Familien sind überwiegend bereits in der 3. Generation in Deutschland ansässig. Die Verteilung ist dabei sehr ungleich: Während in den ostdeutschen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) muslimische Schülerinnen und Schüler fast völlig fehlen, gibt es in westdeutschen Ballungszentren vereinzelt Klassen mit mehr als 50 % Muslimen, besonders im Haupt- und Sonderschulbereich.

Die muslimischen Schülerinnen und Schüler partizipieren an der Pluralität unserer demokratischen Gesellschaft: an den Chancen, ein tolerantes Zusammenleben zu lernen, aber ebenso an den Problemen eines Werteverlusts. Ein Großteil von ihnen hat sich den Lebensbedingungen in Deutschland – und besonders auch den Normen der westdeutschen »Wohlstandsgesellschaft« – angepasst. Bei einem kleineren Teil werden die Merkmale der eigenen religiös-kulturellen Tradition – aus Angst, die Identität und die tradierten Werte (besonders hinsichtlich der Familienethik) zu verlieren – überstark hervorgekehrt, wovon besonders Lehrerinnen und Lehrer im Grund- und Hauptschulbereich in Gebieten mit starken Ausländeranteilen berichten. Nicht anders als ein Großteil der Eltern, die offiziell einer der christlichen Kirchen angehören, sehen sich muslimische Eltern weitgehend nicht in der Lage, die ererbten religiösen Werte angemessen weiterzugeben.

Die Säkularisierung hat sich auch in der muslimischen Bevölkerung ausgewirkt. Der Moscheebesuch ist nicht mehr selbstverständlich: Nach einer muslimischen Selbsteinschätzung werden für das Jahr 2000 zwar etwa zwei Drittel der Muslime in Deutschland als praktizierend eingestuft, regelmäßiger Kontakt zu Moscheen unterschiedlicher Trägerschaft und Ausrichtung wird bei Jugendlichen aber nur für 12% festgestellt. Die Gesamtmitgliedschaft in islamischen Verbänden macht nur gut 10% der etwas über 3 Millionen Muslime aus. Lediglich 7% der Kinder und Jugendlichen besuchen die Koranunterweisung in den Moscheen [33]. Demgegenüber hat nach allen vorliegenden Erfahrungen nur ein sehr geringer Prozentsatz der muslimischen Familien aus der Türkei kein Interesse an der eigenen Religion. Ein stark ausgeprägtes Bewusstsein, der islamischen Kultur und Tradition anzugehören, bleibt offenbar auch unter »nicht praktizierenden« Muslimen erhalten. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass die Schule ein wichtiger Lernort nicht nur christlicher, sondern auch islamischer Identitätsbildung ist und dass sie für christliche wie muslimische Schülerinnen und Schüler ein bedeutsames Einübungsfeld interreligiösen und interkulturellen Zusammenlebens darstellt.

2.2. Bisherige kirchliche Stellungnahmen

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich mit dem Prozess der Einwanderung muslimischer Familien in Arbeitsgruppen und vielen landeskirchlichen Aktivitäten befasst. Für den Bereich der Schule sind folgende Verlautbarungen von besonderer Bedeutung:

  • die Stellungnahme des Rates der EKD »Zur Erziehung und Bildung muslimischer Kinder und Jugendlicher« vom 4. Juni 1983 [34]: In ihr werden auch das Pro und Kontra eines islamischen Religionsunterrichts diskutiert;
  • die Handreichung »Kirchengemeinden und ihre muslimischen Nachbarn« [35]: Sie enthält ein differenziertes Schulkapitel. Darin werden konkrete Problemfragen angesprochen, die sich aus einem eventuell zu gewärtigenden Spannungsverhältnis zwischen Erziehungsvorstellungen bewusst muslimischer Familien einerseits und schulischer Erziehung andererseits, aber auch aus Besonderheiten der Schullaufbahn muslimischer Kinder ergeben können;
  • vor allem die EKD-Denkschrift »Identität und Verständigung« [36]: In ihr wird das gegenwärtige Umfeld des Religionsunterrichts in Deutschland analysiert und die Wichtigkeit der Begegnung mit den Werten und Normen der je eigenen religiösen Tradition, aber auch der religiösen Traditionen andersgläubiger Mitbürger für alle Schülerinnen und Schüler herausgestellt. Dabei wird das Konzept einer »Fächergruppe« ordentlicher Lehrfächer (Evangelischer/katholischer Religionsunterricht, Ethik, jüdischer/orthodoxer/ islamischer Religionsunterricht etc.) als eigenständiger Pflichtbereich entworfen. Konfessionsbezogenheit und Offenheit für das Kennenlernen und die Verständigung mit anderen Glaubens- und Weltanschauungsformen werden in eine durchdachte Relation gebracht.
  • In der letzten Zeit haben sich der Rat der EKD und die Kirchenkonferenz mehrfach mit der Problematik des islamischen Religionsunterrichts beschäftigt. Das Kirchenamt der EKD hat auf Grund dieser Beratungen im Februar 1999 ein Stellungnahme »Religionsunterricht für muslimische Schülerinnen und Schüler« veröffentlicht.

2.3. Aufgabenbereiche und Problemfelder

2.3.1. Integrative Erziehung muslimischer Schüler insbesondere türkischer Herkunft

Auf dem Wege zur Entwicklung einer solchen Erziehung hat es deutliche Fortschritte gegeben. Der ganz überwiegende Teil muslimischer Schülerinnen und Schüler besucht normale deutschsprachige Klassen. Der Anteil ausländischer, darunter auch muslimischer Kinder und Jugendlicher, die weiterführende Schulen besuchen und höhere Berufsabschlüsse anstreben, ist gestiegen. Erleichtert wurde die Integration speziell junger Musliminnen in deutsche Schulen auch dadurch, dass sich bei einem Teil der in Deutschland wohnenden Türken die Familienvorstellungen und das Geschlechterrollenverständnis zumindest ein Stück weit an mittel- und westeuropäische Leitbilder angeglichen haben. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in den Ballungszentren Problemregionen gibt, in denen der Anteil ausländischer, darunter auch muslimischer Jugendlicher, die am deutschen Bildungssystem noch nicht erfolgreich partizipieren konnten, überdurchschnittlich hoch ist. Es muss damit gerechnet werden, dass solche Jugendliche eher zu Radikalisierung und Gewaltbereitschaft neigen als ihre schulisch gut integrierten Altersgenossen [37].

Der Aufbau einer religiös fundierten Werteerziehung muslimischer Kinder und Jugendlicher hat nicht mit der Entwicklung Schritt gehalten. Solche Erziehung könnte einer religiös-ethischen Desozialisierung entgegenwirken. Ein zusätzliches Problem besteht darin: Durch den Rückgang der Teilnahme am muttersprachlichen Unterricht hat der Bezug türkischer Schüler und Schülerinnen zur Herkunftskultur ihrer Familien immer weniger institutionellen Raum in den Schulen. Gerade die Beschäftigung mit Sinn- und Wertefragen kann wichtige Impulse aus der Auseinandersetzung mit weltanschaulichen und religiösen Traditionen und Gegenwartsströmungen des Herkunftslandes beziehen. Eine Werteerziehung ist umso notwendiger, als mit ihrer Hilfe auch den Gefahren ideologischer Fanatisierung vorgebeugt werden könnte. Als besonders dringlich erweist sie sich im Berufsschulbereich, durch den ein Großteil der ausländischen und damit auch muslimischen Jugendlichen erreicht wird. Hier ist die religiös-ethische Erziehung allerdings faktisch marginalisiert, auch für junge Christen; das macht ihre Durchführung für junge Muslime nicht leichter.

2.3.2. Islamischer Religionsunterricht

Nicht zuletzt als Ort der unverzichtbaren Werteerziehung hätte ein islamischer Religionsunterricht eine wichtige Funktion zu erfüllen. Eine ausführliche Argumentationshilfe zu den Möglichkeiten einer Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach hat das Kirchenamt der EKD im März 1995 herausgegeben [38]. Der gegenwärtige Diskussionsstand in der EKD zur Frage seiner Einrichtung ist oben ansatzweise beschrieben worden [39]. Selbstverständlich ist dabei Voraussetzung, dass der islamische Religionsunterricht allen grundgesetzlichen Regelungen genügen und – wie der Religionsunterricht der christlichen Kirchen – in das pädagogische Umfeld der Schule eingebettet sein muss. Er muss also identitätsbildend wirken, die spezifische Situation eines Lebens als Muslim oder Muslima unter den Bedingungen der säkularen Demokratie und der pluralistischen Gesellschaft Deutschlands angemessen berücksichtigen, auf Dialog angelegt sein und mit seiner Didaktik und Methodik der freien und selbständigen religiösen Orientierung der Schülerinnen und Schüler dienen.

Zur Sicherstellung eines so beschaffenen Religionsunterrichts bedarf es einer ausreichenden Zahl von Lehrkräften, die nicht nur mit den Traditionen und gegenwärtigen Ausprägungen islamischer Religiosität und Theologie gründlich vertraut, sondern zugleich auch verfassungstreu und demokratisch erzogen sind, eine Haltung des Respektes vor abweichenden weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen haben, die gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten Deutschlands aus eigenem Mitleben gut kennen und eine pädagogische Ausbildung erhalten haben, die dem in Deutschland üblichen Standard entspricht. Solche Lehrkräfte lassen sich auf Dauer nur dadurch im erforderlichen Umfang gewinnen, dass die Ausbildung islamischer Religionslehrer an einer oder mehreren deutschen Universitäten mittels Schaffung geeigneter Dozenturen institutionalisiert wird. Dazu bedarf es nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland freilich der Mitwirkung einer islamischen Religionsgemeinschaft, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht und die religiösen Überzeugungen der Elternhäuser der Gesamtheit der zu unterrichtenden muslimischen Schülerinnen und Schüler hinreichend breit repräsentiert. Dass diese Religionsgemeinschaft über ihre Anerkennung als solche hinaus, wie früher häufig behauptet wurde, nach Art der beiden großen in Deutschland vertretenen Kirchen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein müsste, ist nach heutigem verfassungsrechtlichem Erkenntnisstand unrichtig.

2.3.3. Interkulturelle und interreligiöse Erziehung

Im Bemühen um interkulturelle und interreligiöse Erziehung in unseren Schulen sind erhebliche Anstrengungen und Fortschritte zu erkennen. Der evangelische und römisch-katholische Religionsunterricht haben hier oft Leitfachcharakter. Durch entsprechende Studienprogramme, Angebote in der Lehrerfortbildung sowie regionale und überregionale Projektentwicklung sind Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulen häufig in die Lage versetzt, die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen bei den Schülerinnen und Schülern pädagogisch flexibel und produktiv aufzugreifen.

Das hat sich positiv auf die Gestaltung des Schullebens ausgewirkt: An vielen Orten sind in unterrichtlichen Projekten für die »Schulgemeinden« und auch in der Ausstattung und dem Schmuck von Schulen Elemente aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu finden. In der Begegnung mit Angehörigen des Islam ist dabei besonders wichtig, wie der Unterricht auf die religiösen Festtage eingeht: Weihnachten und Passion/Ostern christlicherseits, das Fest des Fastenbrechens (¸Seker Bayramı) und das Opferfest (Kurban Bayramı) islamischerseits. Nach anfänglichen Vorbehalten gegenüber den andersreligiösen Traditionen auf beiden Seiten gibt es inzwischen zunehmend Beispiele dafür, dass Lehrkräfte mit den Kindern – christlichen und muslimischen – gemeinsam über den Sinn der Feste sprechen und die Schüler sich dann gegenseitig einladen. Auch die Symbole der Religionen (das Kreuz christlicherseits und beispielsweise die Schriftzeichen für Allah islamischerseits) können so in ihrem Sinngehalt erschlossen werden und müssen gegenseitig nicht als Fremdkörper oder gar als Bedrohung empfunden werden. In dieser Richtung hat sich u.a. auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland geäußert.

Im Bereich des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts sind Fortschritte dahingehend auszumachen, dass die Forderung, sich im Religionsunterricht auch mit nichtchristlichen Religionen zu beschäftigen, längst kein bloßes Postulat mehr ist: In Lehrplänen, Schulbüchern, Unterrichtsmodellen und auch in der Lehreraus- und -fortbildung findet es Berücksichtigung, sowohl für den Sekundarbereich als auch für die Grundschulen. Dazu wird versucht, über den kognitiven Bereich hinaus zu einem »Begegnungslernen « zu gelangen. Das Bemühen, die anderen Religionen von ihrem Selbstverständnis her wahrzunehmen, ist deutlich zu erkennen.

Die Aufgabe, die Traditionen der Angehörigen der je anderen Religion verstehen zu lernen und zu den eigenen in Beziehung zu setzen, stellt sich abgesehen vom Religionsunterricht besonders in den Fächern, für die kulturübergreifende Fragestellungen eine besondere Rolle spielen (Geschichte, Geographie, Sach-/Gemeinschaftskunde, Sprachunterricht, musische Fächer). Hinsichtlich des Islam hat das von A. Falaturi und U. Tworuschka betreute Kölner Schulbuchprojekt [40] erkennbare Verbesserungen bewirkt. Die zusammenfassende Broschüre »Der Islam im Unterricht« [41] kann jedem interessierten Lehrer als erstes Orientierungskompendium dienen. Ein vergleichbares Projekt, das die Darstellung des Christentums in Schulbüchern ausgewählter islamischer bzw. islamisch geprägter Länder untersucht, ist an der Universität Erlangen-Nürnberg unter der Leitung des evangelischen Religionspädagogen J. Lähnemann in Arbeit.

Die Lehrkräfte, die den christlichen Religionsunterricht und den Unterricht in Fächern mit kulturübergreifenden Aspekten erteilen, und ebenso die meist türkischen Lehrer, die bisher die religiöse Unterweisung für Schüler islamischen Glaubens durchführen, sind allerdings ungeachtet der erwähnten Fortschritte zum Teil noch ungenügend auf die Aufgabe einer interreligiösen Erziehung vorbereitet: Türkische Lehrerinnen und Lehrer werden für den muttersprachlichen Unterricht in manchen Bundesländern (wie Bayern, Baden-Württemberg) nur auf fünf Jahre nach Deutschland entsandt. Sie bringen meist lediglich eine rudimentäre Vorstellung vom christlichen Glauben und den religiösen Gegebenheiten in Deutschland mit. Wegen ihrer kurz bemessenen Aufenthaltsdauer müssen sie, kaum dass sich ihr Informationsstand etwas gebessert hat, wieder uninformierten Neuankömmlingen Platz machen. Auch gibt es in Deutschland immer noch Lehrerausbildungsinstitutionen im Hochschul- und Universitätsbereich ohne jegliches Lehrangebot über nichtchristliche Religionen. So fehlen deutschen Lehrerinnen und Lehrern wissenschaftlich fundierte Kenntnisse insbesondere über die Religion muslimischer Schülerinnen und Schüler. Die in Baden-Württemberg, Bayern und Mecklenburg- Vorpommern geltende Regelung, dass alle künftigen Grund-, Haupt- und Realschullehrer im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Studiums Lehrveranstaltungen im Bereich Religion/ Philosophie zu belegen haben (einschließlich erforderlicher Leistungsnachweise!), ist ein Ansatzpunkt, diesem Defizit zu begegnen. Diese Regelung sollte in den anderen Bundesländern übernommen und auf die Pfarrerausbildung ausgeweitet werden, da Pfarrerinnen und Pfarrer in vielen Bundesländern Religionsunterricht zu geben haben.

2.3.4. Schulgottesdienste

Besonders in multikulturellen Schulsituationen wird immer häufiger nach Möglichkeiten gesucht, wie Schulgottesdienste und Schulgebete gemeinsam gefeiert werden könnten. In der Praxis finden sich verschiedene Formen, die aus christlich-theologischer Perspektive nicht alle als gleich geeignet zu bewerten sind:

  • Innerhalb eines christlichen Gottesdienstes übernehmen Muslime eine Ansprache, ein Gebet und/oder ein Lied;
  • bisweilen werden auch Lieder, Erklärungen oder (Gebets-)Texte von allen gemeinsam gesprochen oder gesungen;
  • die gemeinsame Feier hat klar definierte Abschnitte, die jeweils von Vertretern einer Religion dargeboten und verantwortet werden.

So verständlich der Wunsch nach religiöser Gemeinsamkeit ist, dürfen doch die theologischen Probleme nicht leichtfertig überspielt werden, sondern bedürfen sorgfältiger Prüfung.

Die aktive Beteiligung von Christen und Muslimen in einer gemeinsamen Feier wirft verschiedene Fragen auf: Prinzipiell ist auch hier zu unterscheiden zwischen einer multireligiösen und einer interreligiösen Feier. Das im Blick auf das gemeinsame Gebet Gesagte [42] gilt ebenso für diesen besonderen Fall einer gottesdienstlichen Feier. Auch eine multireligiöse gottesdienstliche Feier ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen denkbar:

  • Sie erwächst aus der Schulgemeinschaft und setzt Vertrauen aller beteiligten Gruppen voraus.
  • Sie bedarf langfristiger und sorgfältiger Vorbereitung, die eine Information der Elternhäuser über das Vorhaben mit einschließt.
  • Sie wird zu keinem ihr fremden Zweck missbraucht, etwa der Veröffentlichung politischer Meinungen.
  • Auf die religiösen Gefühle oder Überzeugungen der Anderen wird behutsam geachtet, weil Verletzungen tief gehen.
  • Es wird darauf gesehen, dass keine Gruppe der Gottesdienstteilnehmer vereinnahmt oder liturgisch zu Handlungen oder Worten veranlasst wird, die sie nicht nachvollziehen kann.
  • Die einzelnen Abschnitte des Gottesdienstes sind klar der christlichen oder islamischen Tradition zuzuordnen.
  • Elemente, die den Teilnehmern der anderen Religion fremd sind, werden wenn möglich erklärt.
  • Alle im Gottesdienst öffentlich gesprochenen Texte sind von der Vorbereitungsgruppe vorab zur Kenntnis genommen.
  • Texte oder Handlungen, die den Eindruck von Religionsvermischung erwecken könnten, werden vermieden.
  • Gebete oder Texte der jeweils anderen Religion werden in Respekt und Achtung vor der fremden Tradition aufgenommen.

3. Christlich-muslimische Ehen

Migrationsbewegungen, Mobilität und das Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägungen führen vermehrt zu Eheschließungen, in denen Partner der christlichen und islamischen Tradition zusammenleben. Genaue Zahlen lassen sich nicht nennen; staatliche Statistiken erfassen die islamische Religionszugehörigkeit eines Ehepartners nicht. Zahlreiche Veröffentlichungen seitens Beratungsstellen, staatlicher Organe und kirchlicher Gremien zeigen jedoch ein gewachsenes Bewusstsein für die besondere Situation und Themen christlich-muslimischer Ehen [43]. Die Zahl und Zugänglichkeit von Beratungsstellen wird erhöht werden müssen, wenn dem Bedarf an qualifizierter Beratung von Paaren in religionsverschiedenen Ehen oder in einer Entscheidungssituation vor einer solchen entsprochen werden soll.

3.1. Ehe und Familie im Islam. Rechtsvorschriften

Im Islam wird die Ehe als eine »Handlung rechter Frömmigkeit« betrachtet. Die Ehe ist damit ein religiöser Akt [44]. Sie konstituiert die Lebensgemeinschaft zweier Menschen. Gleichzeitig gehen die Partner mit der Ehe auch eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft ein. Im Islam wird hervorgehoben, dass die Familie die Keimzelle der Gesellschaft ist und die Ehe die Grundlage ihrer Bildung. Männer und Frauen haben das Recht zu heiraten. Sie dürfen durch keinerlei Einschränkungen aufgrund der Rasse, Hautfarbe oder Nationalität davon abgehalten werden, dieses Recht in Anspruch zu nehmen.

Die im Koran grundsätzlich eingeräumte Möglichkeit, dass ein Mann bis zu vier Frauen heiraten darf [45], hat aufgrund der Landesgesetze und der gesellschaftlichen Entwicklungen meist nur noch untergeordnete Bedeutung. Moderne Koranausleger weisen überdies darauf hin, dass auch im Koran die Tendenz zur Einehe erkennbar sei. Die Rechtsverordnungen hinsichtlich der Religionszugehörigkeit von Kindern, des Sorgerechts und der Vormundschaft bei Beendigung der Ehe sowie hinsichtlich des Erbrechts beschränken im Falle einer interreligiösen Ehe die Rechte des nichtmuslimischen Partners weitestgehend. Möglichkeiten vertraglich fixierter Absprachen bestehen hier nur in geringem Maße.

Der Islam kennt die interreligiöse Ehe in der Form, dass es muslimischen Männern erlaubt ist, Frauen der Schriftreligionen Judentum und Christentum zu heiraten. Den umgekehrten Fall sieht der Koran nicht vor, das klassische Recht verbietet ihn. Die jüngeren gesellschaftlichen Entwicklungen führen hier allerdings zu einer innerislamischen Rechtsdiskussion, in der die eine Seite eine Reinterpretation der koranischen Belegtexte fordert und eine Ehe zwischen einer muslimischen Frau und einem Christen nicht ausschließt [46]. Kommt es, etwa in Europa oder in stark säkularisierten islamischen Kreisen, zu solch einer Eheschließung, so sieht sich das Paar häufig extremem Widerstand ausgesetzt. Erfahrungsberichte betroffener Paare zeigen, wie wichtig es in einer solchen Situation ist, dass Christen (und Muslime) ihre Fürsorgepflicht erkennen, das Paar in Gesprächen begleiten und ihm ein soziales Netz bieten.

Nach islamischer Rechtsauffassung ist die Eheschließung ein privatrechtlicher Vertrag, der zwischen zwei Partnern geschlossen wird. Dem Ehevertrag, der häufig vor einem Imam, in Europa meist mit einem Zusatzvertrag beim Notar, in Anwesenheit zweier muslimischer Zeugen von den beiden Ehepartnern unterzeichnet wird, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Er dient primär der finanziellen und rechtlichen Absicherung der Frau und sollte spezifische Rechte festlegen, etwa in Bezug auf den Wohnsitz, die Berufstätigkeit, die Einehe, den Güterstand, die Ausreisefreiheit, Scheidungsvoraussetzungen, die Freiheit der Religionsausübung sowie die Höhe und Zahlungsweise der sogenannten »Morgengabe«. Diese festgelegte Geldsumme sollte dem erstrebten Lebensstandard entsprechen [47]. Sie steht der Frau unabhängig vom Familieneinkommen zur Verfügung: zu eigenem Wirtschaften während der Ehe, im Falle des Ablebens des Partners oder bei Scheidung als einmalige Ausgleichszahlung.

Im Kontext eines Familienrechts, das sich in den meisten Fällen stark von europäischen Regelungen unterscheidet, kommt dem Ehevertrag und einem notariell zu beglaubigenden Zusatzvertrag hohe Bedeutung zu. Er garantiert jedoch keine Rechtssicherheit. Es ist unerlässlich, qualifizierte Beratung durch spezifische Beratungsstellen [48] einzuholen. Die Beratung muss länderspezifisch sein, weil das klassische religiöse Recht, europäische Gesetzgebung und regionale Traditionen in unterschiedlicher Weise Eingang in das Familienrecht islamisch geprägter Länder gefunden hat. Im Falle binationaler Eheschließungen stehen sich häufig konkurrierende nationale Gesetzgebungen gegenüber. In jüngerer Zeit wird versucht, Konflikte, die sich aus Scheidungen ergeben, mit Verträgen zwischen einzelnen europäischen und islamisch geprägten Staaten zu entschärfen.

Die rechtlichen Benachteiligungen einer nichtmuslimischen Ehefrau im islamischen Ehe- und Familienrecht, sozialer Druck sowie Erwartungen des Partners oder dessen Familie führen bisweilen – manchmal in der Hoffnung auf schnellere Integration und Akzeptanz – zur Konversion der christlichen Ehefrau. Ein solcher Religionswechsel aus formalen Gründen ist als höchst problematisch zu bewerten.

3.2. Soziale Konfliktbereiche

Partner einer christlich-muslimischen Ehe befinden sich in unterschiedlichen Spannungsfeldern:

Sind beide Partner kulturell verschieden sozialisiert, wird das abweichende Rollenverständnis von Frauen und Männern oft als belastend empfunden, weil es mit den je eigenen Vorstellungen von der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht übereinstimmt. Erlernte Rollenmuster beeinflussen die alltägliche Gestaltung des Ehe- und Familienlebens, ob das den Partnern bewusst ist oder nicht. Das weitere familiäre Umfeld, das in einer nicht-individualisierten Gesellschaftsform dem einzelnen Sinn vermittelt und eine bestimmte Stellung zuschreibt, kann von außen zusätzliche Erwartungen an die Ehe herantragen und zur Belastung werden. Dass soziale und wirtschaftliche Entwicklungen auch im Islam die traditionellen Rollenverhältnisse in Frage stellen, ist unübersehbar, geschieht aber für die westliche Partnerin oft zu langsam. Dies kann besonders dann, wenn die Frau ihren muslimischen Ehemann in dessen Heimatland begleitet, zu schwerwiegenden Problemen führen.

Dort, wo die Partner in einer christlich-muslimischen Ehe unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sind, kommen häufig – etwa bei Familiennachzug oder in einem schwebenden Asylverfahren – Rechtsunsicherheit und Fragen der Integration sowie der ökonomischen Absicherung hinzu. Die Berufstätigkeit der Frau für den Familienunterhalt oder eine eventuelle Abhängigkeit von Sozialleistungen stehen im Widerspruch zum Rollenverständnis des Mannes und können zu erheblichen Belastungen führen.

3.3.Interreligiöser Alltag zwischen Vermittlung und Eigenständigkeit

Eine christlich-muslimische Partnerschaft ist die kleinste Einheit interreligiöser Begegnung im Alltag. Im Idealfall wird in einer solchen Ehe der christlich-islamische Dialog täglich gelebt, in eigenen Formen der Frömmigkeit, gemeinsamer Ausrichtung auf Gott, gegenseitiger Befragung und Bezeugung des je eigenen Glaubens (1 Kor 7, 13 – 14). Aber auch dort, wo nur ein distanziertes Verhältnis zur eigenen Religionsgemeinschaft besteht, wo der Glaube des Partners in seiner Bedeutung nicht ernstgenommen wird und die unterschiedliche Religionszugehörigkeit bei der Eheschließung keine wichtige Rolle zu spielen scheint, wird sie doch im Verlauf der Ehe für beide Partner zur gemeinsamen Aufgabe werden:

  • Die Einbindung in den Jahresablauf wirft zwangsläufig die Frage nach der gemeinsamen Gestaltung von kulturell und religiös geprägten Festen auf.
  • Biografische Stationen wie Geburt, Taufe oder Beschneidung, Eheschließung und Tod werden in den beiden Religionen von unterschiedlichen Riten begleitet. Diese werden bei dem jeweils anderen Partner das Bedürfnis nach Information aufkommen lassen und ihn vor die Frage nach der Teilnahme und Einbindung in den fremdreligiösen Ritus stellen.
  • Erfahrungsberichte zeigen, dass die Entscheidung über die Religionszugehörigkeit und Erziehung der Kinder besonderer Verständigung bedarf. Nach islamischem Recht besteht die Pflicht, die Kinder in der (islamischen) Religion des Vaters zu erziehen. Anderslautende Absprachen vor der Ehe helfen nur bedingt. Christlich-muslimische Paare gehen hier ganz unterschiedliche und eigenständige Wege, die zeigen, dass ihre religionsverbindende Situation nach Formen suchen lässt, in der sowohl eigenständige religiöse Identität als auch Achtung vor und Teilhabe an der Religion des anderen gewonnen und gelebt werden können.
  • Kulturelle und soziale Unterschiede werden in Konfliktsituationen nur allzu leicht auf die religiöse Zugehörigkeit des jeweiligen Partners zurückgeführt. Dabei werden Religion und religiöse Zugehörigkeit leicht zur Waffe in Auseinandersetzungen über Hoffnungen und die gemeinsame Gestaltung der Ehe und Familie.

3.4. Lebensbegleitung in Seelsorge und Gemeinde

In jüngerer Zeit haben unsere Kirchen ein Bewusstsein für die spezifischen Chancen und Probleme einer christlich-muslimischen Ehe entwickelt [49] und die Notwendigkeit seelsorgerlicher und pastoraler Begleitung erkannt.

Vermehrt treten christlich-muslimische Paare vor oder nach der Eheschließung an Pfarrer und Pfarrerinnen mit der Frage heran, ob und in welcher Form ihr Ja zu einem gemeinsamen Leben in einem Gottesdienst gefeiert werden könne. Ein solches Anliegen bietet vielfältige Möglichkeiten seelsorgerlicher Begleitung und gegebenenfalls liturgischer Gestaltung:

  • Die Pfarrerin oder der Pfarrer kann dem christlichen Partner und – falls gewünscht – dem Paar Gesprächspartner sein im Benennen von Hoffnungen und Befürchtungen, in der eigenen religiösen Standortbestimmung und beim Überdenken von Lebensentscheidungen.
  • Die Ehekommission der EKD hat in ihren Grundsätzen 1971 die Voraussetzungen für eine gottesdienstliche Handlung anlässlich einer Eheschließung zwischen einem Christen und einem Nichtchristen formuliert. Sie sind auch auf den besonderen Fall einer christlich-muslimischen Ehe anzuwenden. Eine gottesdienstliche Handlung kann danach nur stattfinden, »wenn
    1. beide Ehepartner gewillt sind, eine monogame Ehe auf Lebenszeit zu führen,
    2. der nichtchristliche Partner erklärt, den evangelischen Gatten in der Ausübung seines Glaubens nicht zu behindern,
    3. der nichtchristliche Partner den Wunsch nach einer kirchlichen Handlung ausdrücklich billigt.« [50]
  • Ob und in welcher Form ein Gottesdienst anlässlich der Eheschließung eines evangelischen Christen und eines Nichtchristen, in dem die Kirche ihren allgemeinen Verkündigungsauftrag wahrnimmt, in der Gemeinde gefeiert werden kann, hängt von den in den verschiedenen Landeskirchen unterschiedlichen agendarischen Ordnungen für einen solchen Gottesdienst und von der seelsorgerlichen Begleitung im Einzelfall ab.
  • Bezieht sich die Fürsorgepflicht der Pfarrerin oder des Pfarrers zunächst auf das christliche Gemeindeglied, so stellt doch die Besonderheit des Eheanliegens die Themen des Seelsorgeverhältnisses in den größeren Kontext interreligiöser Begegnung zweier Menschen und Familiensysteme. Die Suche nach tragfähigen Glaubens- und Lebensformen zu begleiten, ist hierbei wichtig und wird mit der Eheschließung keineswegs abgeschlossen sein. Möglicherweise wird in Krisensituationen an den Pfarrer oder die Pfarrerin auch die Bitte um Vermittlung herangetragen werden.
  • Die nachgehende Seelsorge will auch die christliche Partnerin oder den christlichen Partner darin unterstützen, in ihrem Glauben zu bleiben und nicht aus einem falsch verstandenen Harmoniebestreben zu konvertieren.

Die Begleitung christlich-muslimischer Paare ist nicht zuletzt auch eine Aufgabe der ganzen Gemeinde. Betroffene Paare erkennen an der Reaktion von kirchlichen Mitarbeitern und Gemeindegliedern sehr schnell, ob sie in ihrer besonderen Situation willkommen geheißen werden oder ob ihre religionsübergreifende Eheschließung bewusst oder unbewusst als Gefahr oder gar Verrat am christlichen Bekenntnis bewertet wird. Erfahrungsberichte zeigen, welche Funktion christliche Gemeinden in der Begleitung solcher Paare auf der Suche nach einem religiös gestalteten Leben haben können.

4. Arbeitswelt

4.1. Ausbildung und Arbeitsmarkt

Obwohl die zweite und dritte Generation der im Zuge der Arbeitseinwanderung in Deutschland sesshaft gewordenen Muslime ihre Ausbildung in Deutschland erhalten haben, ist weiterhin von strukturellen Defiziten im Blick auf die Ausbildungssituation und den Arbeitsmarkt zu sprechen.

Die Anwerbegeneration war fast ausschließlich in un- und angelernten Tätigkeiten in der Industrie beschäftigt. Gerade diese Arbeitsplätze sind sehr konjunkturabhängig, viele sind im Zuge der Rationalisierungen der letzten Jahre weggefallen.

Muslimische Studierende sind in nahezu allen Studiengängen vertreten. Sie stehen für den Bildungsanspruch besonders der zweiten oder dritten Generation der Bevölkerungsgruppe türkischer Abstammung. Das Studium bringt auch eine beträchtliche Zahl muslimischer Studierender aus dem nordafrikanischen, nahöstlichen und südostasiatischen Bereich für eine begrenzte Verweildauer nach Deutschland. Sie haben einen hohen Grad an muslimischer Selbstorganisation mit internationalem Selbstverständnis: unter den islamischen Vereinigungen im Hochschulbereich sind besonders die bereits 1965 gegründete Muslim Studenten Vereinigung sowie der Verein muslimischer StudentInnen (1994) zu nennen.

Trotz der Verbesserung der Ausbildung findet sich die Mehrheit der muslimischen Arbeitskräfte bis heute in nur wenigen Arbeitsmarktsegmenten. Im öffentlichen Dienst und in der Wohlfahrtspflege sind Muslime noch unterrepräsentiert. Ein hohes Arbeitsplatzrisiko, schlechte Arbeitsbedingungen (Gesundheitsgefahr) und niedrige Bezahlung kennzeichnen die Arbeitsmarktsituation der überwiegenden Mehrheit der muslimischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit ist etwa 1,5 – 2 mal so hoch wie die der Gesamtbevölkerung. Muslimische Jugendliche erleben Diskriminierungen bei der Lehrstellenvergabe und sind von hoher Arbeitslosigkeit betroffen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die muslimische Bevölkerung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung relativ jung ist. Diese strukturellen Schwierigkeiten und auch die Unsicherheit in der Lebensplanung in Deutschland führen in der Ausbildungswahl der jungen Muslime häufig zu Berufen, die die Möglichkeit einer selbständigen Arbeit versprechen, z.B. Kraftfahrzeugschlosser oder Friseuse.

Die Etablierung von mittlerweile etwa 51.000 Selbständigen in diversen Bereichen der Wirtschaft zeigt jedoch, dass Muslime nicht in der Nischenwirtschaft geblieben sind. Es gibt auch beachtliche Ansätze für die Ausbildung eines Mittelstandes (Ärzte, Lehrer, Sozialberater, Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen). Im Bereich der Hochschulen ist im Unterschied zu den siebziger und achtziger Jahren, als man sich auf die Ingenieur- und Naturwissenschaften konzentrierte, eine stärkere Orientierung auf Fächer wie Jura, Lehramt etc. festzustellen.

Muslimische Frauen arbeiten hauptsächlich im verarbeitenden Gewerbe und in den niederen Dienstleistungen, häufig auch in rechtlich ungesicherten Arbeitsverhältnissen. Damit sind ihre Arbeitsverhältnisse von Konjunkturschwankungen und Rationalisierungen besonders betroffen. Die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe liegt etwa doppelt so hoch wie die der muslimischen Männer. Wegen dieser Arbeitsmarktsituation und der starken Einbindung in die Familie kommt der Beratung der jungen Frauen im Blick auf Ausbildung und Berufswahl eine besondere Bedeutung zu. Die Beratung muss den kulturellen und religiösen Kontext kennen.

Ein großes Problem stellt die Verbindung von Aufenthaltsrecht und Arbeitsrecht für die Frauen dar, die im Rahmen des Familiennachzuges nach Deutschland gekommen sind. Im Falle der Scheidung oder des Todes des Ehegatten vor Ablauf von fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland gehen sie ihrer Aufenthaltsrechte verlustig.

4.2. Problemstellungen am Arbeitsplatz

Für Muslime, die sich an ihre religiösen Pflichten gebunden fühlen, ergeben sich in der Praxis einer säkularisierten Arbeitswelt häufig Probleme. In hochtechnisierten Arbeitsabläufen etwa wird für das Gebet (salât, türkisch auch: namaz) selten Zeit und Raum zur Verfügung gestellt. Die Verpflichtung zum Fasten (sawm; türkisch: oruç) im Monat Ramadan macht Muslimen besonders dort Schwierigkeiten, wo sie in Tätigkeiten beschäftigt sind, die eine starke körperliche Beanspruchung erfordern. Über die Befreiungen und Erleichterungen der religiösen Pflicht können inzwischen gut ausgebildete islamische Theologen die nötigen Informationen geben. Da sich der deutsche Festund Feiertagskalender an der christlichen und säkularen Geschichte orientiert, ist es für Muslime bisweilen schwierig, zumindest an je einem Tag ihrer großen Feste, Fastenbrechen (arabisch:´id al-fitr; türkisch: ramazan bayramı, im Volksmund »Zuckerfest«) und dem Opferfest (arabisch: ´id al-adha; türkisch: kurban bayramı), frei zu bekommen. Aus den religiösen Pflichten erwächst auch die Frage nach der Ermöglichung der Pilgerfahrt nach Mekka (hajj; türkisch: hac). Muslime suchen Verständnis bei Arbeitgebern für ihre diesbezüglichen Urlaubswünsche.

Das Kantinenessen ist frommen Muslimen zumeist verwehrt, da ihre Speisevorschriften anfangs selten berücksichtigt wurden. Sie dürfen kein Schweinefleisch oder -fett essen, sondern nur Fleisch von rituell geschlachteten Tieren. Hier gibt es inzwischen positive Entwicklungen, da manche Betriebe auf diese Besonderheiten Rücksicht nehmen. Das Kopftuch oder die Bedeckung lässt an Arbeitsplätzen mit Öffentlichkeitskontakt auf Befremden oder Ablehnung stoßen, im Bereich der Schule führt es zu heftigen Kontroversen [51]. Strenge Erziehung zur Schamhaftigkeit schafft ihnen Probleme, z.B. beim gemeinsamen Duschen und durch das Zeigen pornographischer Abbildungen im Kollegenkreis.

4.3. Gewerkschaftliche Organisation

Ein großer Teil der angeworbenen muslimischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der ersten Generation war und ist Mitglied der Gewerkschaften in Deutschland. Sie erfuhren die Gewerkschaften als eine der Institutionen in Deutschland, die sich für ihre Rechte als ausländische Arbeitskräfte einsetzten.

Die Gewerkschaften in Deutschland haben sich anfangs schwer getan, den Islam als Religion wahrzunehmen. Die unübersichtliche Struktur der Verbände etwa und die Bedeutung der islamischen Religionszugehörigkeit für die islamischen Gruppen in Deutschland zu Beginn der 80er Jahre trugen zu diesem Sachverhalt bei. Dass ein großer Teil der eingewanderten Menschen die Integration in Deutschland ausdrücklich ohne Aufgabe ihrer Religion sucht, ist eine Herausforderung, die Gewerkschaften im Blick auf ihre eigenen Mitglieder erst noch annehmen müssen. Der relativ schwächere Organisationsgrad der zweiten und dritten Generation der muslimischen Minderheit weckt – wie z.B. in der IG-Metall – das Interesse an der Kultur und Religion dieser Mitgliederzielgruppe. Wie positiv Muslime die Bedeutung der Gewerkschaften als Institutionen in Deutschland in ihren Reihen einschätzen, mag daran deutlich werden, dass die Gründung einer eigenen islamischen Gewerkschaft nach eingehenden Diskussionen verworfen wurde.

Die gute Zusammenarbeit mit dem DGB in der Vorbereitung der von den Kirchen getragenen »Woche der ausländischen Mitbürger / Interkulturelle Woche« ermutigt, Gewerkschaften in den interreligiösen Dialog mit einzubeziehen. Ebenso hat der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt die Möglichkeit, wichtige Brücken zwischen türkischen Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Arbeitgebern zu bauen. Die Strukturen der deutschen Gesellschaft und die Prinzipien sozialer Marktwirtschaft können Themen für interessante gemeinsame Gespräche bieten [52].

4.4. Altersprobleme muslimischer Einwanderer

Wiewohl die muslimische Bevölkerung noch überdurchschnittlich jung ist, wird der Anteil der Alten in den nächsten Jahren ansteigen. Aus verschiedenen Gründen entschließen sich viele der älter Werdenden, in Deutschland zu bleiben. Mit zunehmender Verweildauer in Deutschland lockern sich die Bindungen an die Heimat. Kinder und Enkelkinder wachsen hier auf. Der Lebensmittelpunkt verlagert sich nach Deutschland.

Traditionelle muslimische Großfamilien sind in Deutschland nicht vor dem Zerfall geschützt. Da zudem die Kontakte zur deutschen Bevölkerung, die häufig nur am Arbeitsplatz stattfanden, mit dem Eintritt in den Ruhestand oft enden, sind häufig Isolation und Vereinsamung die Folge. Darauf sind die Einrichtungen der Altenhilfe nicht oder nicht ausreichend vorbereitet, wenngleich es erste Angebote in der offenen bzw. ambulanten Altenhilfe gibt. Diese sind häufig auf Anregung der Ausländersozialdienste entstanden oder werden auch von diesen selbst organisiert. Neue Konzepte müssen von den bisherigen Trägern erarbeitet werden, aber auch die Möglichkeit der Etablierung eigener muslimischer Träger ist zu erwägen. In diesem Zusammenhang kommt muslimischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bei der Ausarbeitung von Konzepten für die Elterngeneration eine wichtige Funktion zu.

Wegen der oben angesprochenen Arbeitsmarktsituation mit relativ langen Zeiten von Arbeitslosigkeit sowie der für die Berechnung der Renten relevanten häufig kurzen Arbeitszeit werden zunehmend muslimische Rentner im nächsten Jahrzehnt unter Altersarmut leiden. Hinzu kommt die Isolation alter Menschen, die nicht durch eine Großfamilie aufgefangen werden. In diesem Bereich ist eine spezielle Beratung und Begleitung wie auch weitere Angebote im Bereich der offenen bzw. ambulanten Altenhilfe nötig.

Schon jetzt pendeln viele der muslimischen Rentner zwischen Herkunftsheimat und Deutschland. Dies entspricht ihrem Lebensgefühl der Zugehörigkeit zu beiden Teilen der Welt. Sie benötigen rechtliche Erleichterungen, die ihnen ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland sichern, auch wenn sie mehr als sechs Monate in der Heimat sind.

4.5. Gesellschaftliche und gesellschaftsdiakonische Konsequenzen

Aufgrund dieser Lage erscheint eine noch stärkere interkulturelle Durchdringung der sozialen Dienste unerlässlich, wie sie auch die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer 1994 im Anschluss an eine gründliche Recherche empfohlen hat [53]. Dabei müssen die verschiedenen religiösen Prägungen und kulturellen Hintergründe berücksichtigt werden. Die in den sozialen Diensten Arbeitenden sollten, sowohl in kirchlichen als auch in kommunalen und anderen Einrichtungen, diese kulturellen Differenzen wahrnehmen. Sie sollten sie keineswegs überspielen, sondern darauf Rücksicht nehmen. Erforderlich sind zum Beispiel:

  • die Öffnung der bestehenden Angebotsstruktur für muslimische Klienten und ihre spezifischen Bedürfnisse;
  • die Weiterbildung der übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Kontakte mit muslimischen Klienten;
  • das Gespräch und die Kooperation mit vorhandenen oder entstehenden islamischen sozialen Diensten. Dazu ist es nötig, dass die bereits bestehenden organisatorischen Strukturen und Rahmenbedingungen sorgfältig gesichtet werden.

5. Muslimische Patienten im Krankenhaus

5.1. Das sozio-kulturelle Umfeld

Krankenhäuser in unterschiedlicher Trägerschaft versorgen auch muslimische Patienten und Patientinnen. Hier kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten im pflegerischen und medizinischen Bereich. Das Gefühl der Fremdheit wird bei Muslimen, die aus anderen Ländern stammen, durch das andere soziale Umfeld und die andere Struktur der medizinischen Versorgung im Herkunftsland gesteigert. Dort besitzen Krankenhäuser häufig den Charakter von Polikliniken; ein stationärer Krankenhausaufenthalt wird als letzte Notmaßnahme für einen sehr ernsten Zustand angesehen und erregt dementsprechend Ängste.

Die Einsicht in die Notwendigkeit von Vor- und Nachsorge ist kaum ausgeprägt. Behandlungsmethoden wie Infusionen und Tabletten genießen weniger Ansehen als unmittelbar wirkende Spritzen. Das Schamgefühl bei Frauen ist so ausgeprägt, dass Eingriffe und Maßnahmen im Intimbereich durch männliche Pflegende nicht zuzumuten sind.

Das Problem wird u.U. durch eine andere, kulturell geprägte Sicht von Gesundheit und Krankheit verstärkt [54]. Die westliche Medizin, die den muslimischen Patienten im Krankenhaus begegnet, ist auf Diagnostik und medizinische Therapie, also auf eine genaue Anamnese, auf Symptome und Befunde, auf komplizierte diagnostische Maßnahmen ausgerichtet. Im Unterschied hierzu haben muslimische Patienten oft ein ganzheitliches, vereinfachtes Bild der Krankheit: Es geht ihnen nicht so sehr um einzelne Symptome, sondern um die Schwere der Krankheit, die sie vor dem Arzt beklagen. Psychosomatische Zusammenhänge sind ihnen nicht leicht zu vermitteln, obwohl die Situation der Migration und die damit verbundenen Probleme (andere Gesellschaftsstruktur, Rollenprobleme, Trennung von der Familie) zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen führen können. Oft werden »exogene« Faktoren verantwortlich gemacht. Der »böse Blick« eines anderen, soziale Belastungen, die von anderen ausgehen, oder allenfalls schlechte Nerven werden als Ursachen der Krankheit genannt. Gelegentlich sind Vorstellungen der Volksmedizin noch lebendig, die Blutungen oder Blutbeimengungen in Ausscheidungen sehr ernst nimmt, aber anderen pathologischen Erscheinungen, wie etwa Husten, kein so großes Gewicht beimisst.

Die jeweils andere Sichtweise verleitet dazu, die Patienten als unklar, hysterisch, nicht ernstzunehmend einzustufen oder umgekehrt die Ärzte nicht als Vertrauens- und Autoritätspersonen anzusehen, zumal das Verhältnis zwischen türkisch-muslimischen Patienten und dem deutschen Personal z. T. auch durch Sprachprobleme gestört sein kann. Besonders bei älteren Patienten oder Bürgerkriegsflüchtlingen erschweren Verständigungsprobleme diagnostische und therapeutische Maßnahmen.

Die genannten Probleme vertiefen sich noch einmal, wenn es sich um muslimische Patientinnen handelt. Vor allem gynäkologische Erkrankungen und Untersuchungen sind hier noch mehr als bei europäischen Frauen ein sensibler Bereich. Die Wertschätzung der Virginität bei jungen Mädchen, die Betonung der weiblichen Rolle als Gebärerin und Mutter und das Fürsorgerecht und die Fürsorgepflicht des Ehemannes müssen in der medizinischen Kommunikation ernst genommen werden.

Ein besonderes Problem stellt die »Beschneidung« von Frauen dar, die in erschreckendem Ausmaß immer noch an Frauen, die etwa aus Ägypten oder einem anderen afrikanischen Land stammen, vollzogen wird – quer durch alle religiösen Traditionen. Hier ist neben medizinischem Fachwissen psychologische Betreuung und Aufklärungsarbeit nötig, die unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass Genitalverstümmelungen als Menschenrechtsverletzungen in Europa verboten sind [55].

5.2. Religiös bedingte Probleme

Abgesehen von diesen sozio-kulturell bedingten Problemen bergen die religiöse Bindung an den Islam, aber auch religiös verstandene Sitten und Gebräuche aus den Herkunftstraditionen in der säkularen und christlich geprägten Umgebung eines deutschen Krankenhauses Schwierigkeiten in sich. Diese werden auch künftig bleiben, da der Islam in Deutschland heimisch geworden ist:

  • Der moderne Klinikbetrieb erschwert die Ausübung von islamischer Frömmigkeit, besonders die Einhaltung der Gebetszeiten.
  • Der Verdacht, Fleisch, Fett und Knochen von Schweinen oder Alkohol könne bei Speisen, Medikamenten und medizinischen Ersatzteilen (künstliche Gelenke) verwendet worden sein oder ein Muslimen zum Verzehr erlaubtes Tier sei nicht rituell geschlachtet worden, kann zu einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber der Verpflegung führen. Jedoch wird schon vielerorts eine an die islamischen Sitten angepasste Krankenhauskost angeboten.
  • Grenzsituationen wie Schmerz, Geburt und Tod werden teilweise anders erlebt, unterliegen anderen Deutungsmustern und werden von anderen religiösen Sitten begleitet als in der christlich geprägten europäischen Kultur. Hier kann es auf beiden Seiten leicht zu Missverständnissen und Konflikten kommen.

Einzelne Veröffentlichungen widmen sich dem Thema mit praktischen Hinweisen und Hilfsmitteln; Materialien zur Krankenpflegeausbildung entstehen, die dem Bedürfnis nach gezielter Information über religiöse und kulturelle Hintergründe muslimischer Patienten entgegenkommen [56].

Von Seiten der Pflegeberufe und ihrer Verbände wird der Ruf nach einer Pflege laut, die beiden Kulturen gerecht wird [57]. Die Ethnomedizin bemüht sich neuerdings durch statistische Erhebungen unter ausländischen Arbeitnehmern, vor allem auch unter Türken, und durch entsprechende Vorträge und Veröffentlichungen, die Erkenntnisse über besondere Verständnisbarrieren weiterzugeben und die Situation für ausländische Patienten zu verbessern. Ebenso legt die diakoniewissenschaftliche Reflexion über das kirchliche bzw. evangelische Krankenhaus [58] einen solchen interkulturellen Ansatz in der Pflege nahe. Auch wenn nichtchristliche oder muslimische Patienten noch nicht unmittelbar in den Blick genommen und in die Überlegungen miteinbezogen werden, so ist die Gesamtkonzeption hierfür brauchbar, da das Verständnis von Krankenhausbehandlung und Pflege durch Ganzheitlichkeit und Orientierung am Patienten und seiner biografischen Situation charakterisiert ist. Die Krankenhaus-Seelsorger verstehen sich dabei als Wegbegleiter in der besonderen Situation des Krankseins und des Klinikaufenthaltes.

5.3. Konsequenzen für die stationäre Pflege

Bei der Pflege und Behandlung sollte im Krankenhaus soweit als möglich das religiöse und kulturelle Umfeld muslimischer Patienten berücksichtigt werden. Insbesondere ist zu beachten:

  • Muslimische Frauen, die allein zum Arzt oder in die Klinik gekommen sind, sollten vor medizinischen Untersuchungen, besonders gynäkologischen, gefragt werden, ob sie sich ihnen sofort oder lieber später im Beisein einer Vertrauensperson ihrer Wahl (z.B. Ehemann, Mutter, Schwester, Freundin) unterziehen möchten. Außerdem sollten sie gefragt werden, ob sie die Hinzuziehung ihres Ehemannes zum Gespräch mit dem Arzt wünschen. Gut ist es, wenn Frauen besonders in diesem Bereich von Frauen behandelt werden [59].
  • Bei der Verpflegung sollte darauf geachtet werden, dass Muslime kein Schweinefleisch und keine mit Alkohol angerührten Speisen erhalten. In der Fastenzeit des Ramadan sollten Muslime, die ihre Verbundenheit mit ihrer religiösen Gemeinschaft durch Mitfasten zum Ausdruck bringen wollen, abends ein Lunchpaket erhalten, damit sie nachts essen und tagsüber fasten können. Wenn die Teilnahme am Fasten, das auch den Verzicht auf Flüssigkeit einschließt, medizinisch bedenklich ist, sollte darauf verwiesen werden, dass nach islamisch-hanafitischer Rechtsauffassung Schwerkranke sowie schwangere und stillende Frauen nicht zum Fasten verpflichtet sind, sondern dieses später nachholen können.
  • Es ist wünschenswert, dass in Krankenhäusern Muslime [60] einen Raum für das Gebet nutzen können. In der Frage des Betens sieht die islamische Rechtsauslegung Erleichterungen für bettlägerige Kranke vor. So kann etwa das Pflichtgebet ohne Niederwerfung einfach im Sitzen oder Liegen verrichtet werden. Bei dieser erleichterten Form des Betens werden Patienten nach Möglichkeit die Richtung nach Mekka (qibla) einnehmen wollen. Es ist daher gut, wenn diese in jedem Krankenhaus durch einen kompetenten Muslim, z.B. einen örtlichen Imam, vorsorglich festgestellt und dem Personal bekanntgegeben wird, damit auf Nachfrage die nötige Auskunft gegeben werden kann. Die Einhaltung der Gebetszeiten sollte – soweit es sich mit dem Klinikbetrieb und dem Zustand des Patienten vereinbaren lässt – ermöglicht werden. Hier müssen allerdings die verschiedenen lokalen Gegebenheiten beachtet werden.
  • Ist die Anwesenheit des muslimischen Vaters bei einer Geburt nicht geplant, dann sollten die Eltern vorher gefragt werden, ob eine Helferin oder ein Helfer islamischen Glaubens dem Kind unmittelbar nach der Geburt den Gebetsruf (adhan) ins Ohr sprechen soll. Für die Anwesenheit einer solchen Person ist in diesem Fall in Absprache mit den Eltern zu sorgen.
  • Beim Sterben von muslimischen Kranken und unmittelbar danach müssen die nächsten Angehörigen oder eine andere muslimische Vertrauensperson des oder der Sterbenden oder der Imam [61] anwesend sein können und Gelegenheit erhalten, die notwendigen religiösen Riten zu vollziehen. Soweit möglich sollten schwerstkranke Muslime, die nicht durch Angehörige begleitet werden, gefragt werden, ob und durch wen sie religiös begleitet zu werden wünschen. Dafür kommen persönliche Bekannte oder der Imam in Betracht. Örtliche Hospiz-Vereine können oft auch muslimische Helfer vermitteln. Es ist wünschenswert, dass die Krankenhäuser einen Raum bereitstellen, um die rituelle Totenwaschung durchführen zu können [62].
  • Christliche Patienten können die Probleme, die sich durch ihre Krankheit ergeben, mit Hilfe der von den Kirchen getragenen Krankenhausseelsorge verarbeiten. Gelegentlich werden die Seelsorger auch muslimischen Patienten begegnen. Selbst bei einem hohen Informationsstand des Seelsorgers können hier naturgemäß Barrieren wegen der unterschiedlichen religiösen Zugehörigkeit auftreten.
  • In einem traditionellen Umfeld sind Grenzerfahrungen von Krankheit oder Tod in das soziale Geflecht der Familie eingebettet. Für viele Muslime in Deutschland ist dies nicht mehr der Fall. Ihnen fehlt ein geeignetes soziales Umfeld zur Bearbeitung von Krankheit und Trauer. Darum sollten Klinikleitung und Träger für die Arbeit von muslimischen Seelsorgern offen sein. Gerade in der Diasporasituation und einer säkularen Umwelt wird das Aufgabengebiet spezieller, nachgehender Seelsorge von islamischer Seite in zunehmendem Maße als Notwendigkeit verstanden.

6. Muslime in kirchlichen Altenheimen

6.1. Alt werden, in Deutschland bleiben

Entgegen der ursprünglichen eigenen Lebensplanung, im Alter in ihre Heimat zurückzukehren, bleiben viele alt gewordene Ausländer und Ausländerinnen hier. Hieraus ist die Frage nach dem Konzept einer ausländergerechten Altenhilfe entstanden – eine Aufgabe, die im kommunalen Bereich vorwiegend unter soziologischen, weniger aber unter religiösen Gesichtspunkten gesehen wird. Infolge der zunehmenden Integration wird es zukünftig weniger eine Frage des Umgangs mit Ausländern sein als eine Frage unserer Einstellung zu Menschen mit islamischer Religionszugehörigkeit. Moscheegemeinden und islamische Verbände werden sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob sie selbst Altenheime, Altentagesstätten und mobile Dienste einrichten und tragen wollen.

Angesichts des Mangels an solchen Einrichtungen und Diensten sind immer wieder muslimische Senioren in christlichen Altenheimen anzutreffen. Oft sind sie – über die Situation des Alters hinaus – mit besonderen Problemen konfrontiert. Eine mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache führt häufig zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihnen und der Heimleitung sowie den Mitbewohnern. Überhaupt ein Heim zu benötigen, belastet die Senioren psychisch. In ihren Heimatländern sind Altersheime eine relativ neue Entwicklung. Alte Menschen verbringen ihren Lebensabend traditionell bei einem der Söhne innerhalb der Familie und werden von Kindern und Enkeln in geradezu rührender Weise betreut und versorgt. Wie bei anderen alten Menschen auch tritt bei muslimischen Senioren die Vergangenheit immer stärker in der Erinnerung hervor. Das bedeutet etwa, dass die eigene türkische Kultur, an die sie sich, teilweise glorifizierend, erinnern, immer mehr Vorrang vor der hiesigen Kultur gewinnt, in der sie leben. Probleme gibt es auch bei der Speisekarte: Die Ablehnung von Schweinefleisch und Alkohol gilt selbstverständlich auch für muslimische Senioren. Auch Fleisch, das nicht nach religiösem Recht rituell korrekt geschlachtet wurde, kann einigen Bewohnern Bedenken bereiten.

6.2. Konsequenzen

Die Heimleitung und das Pflegepersonal können diese Probleme, die auf die ganze Hausgemeinschaft Auswirkungen haben, durch Verständnis und entsprechendes Verhalten zumindest lindern; dabei wollen die folgenden Überlegungen anregen:

Muslimen soll die Einhaltung der Speisevorschriften ihrer Religion ermöglicht werden. Insbesondere müssen für sie neben einer Auswahl an alkoholfreien Getränken klar gekennzeichnete Speisen, die von Schweinefleisch und -fett sowie von Alkoholzusätzen frei sind, zur Verfügung stehen. Sofern sie das Fasten im Monat Ramadan einzuhalten oder in diesem Monat nicht gehaltene Fastentage nachzuholen wünschen, ist ihnen dies durch Bereitstellung von Lunchpaketen oder einfach aufzuwärmenden Fertigmahlzeiten für die Stunden zwischen Sonnenuntergang und Morgendämmerung zu erleichtern. Das Pflegepersonal sollte jedoch wissen, dass ernstlich erkrankte sowie sehr alte und schwache Personen nach islamischen Vorschriften nicht fasten müssen, ja nicht einmal fasten dürfen, wenn sie ihrer Gesundheit dadurch zusätzlichen Schaden zufügen könnten.

  • Auf Gebetszeiten und Gebetssitten sollte Rücksicht genommen werden.
  • In der bei Pflegebedürftigen notwendigen Intimpflege sollte auf das ausgeprägte Schamgefühl der Muslime, vor allem auf die Regel, dass der Körper zwischen Bauchnabel und Knie stets bedeckt sein sollte, geachtet werden.
  • Für das Zusammenleben der Hausgemeinschaft sollte man um Verständnis dafür werben, dass nach islamischem Verhaltenskodex einander fremde Männer und Frauen sich in der Regel nicht die Hand geben.
  • Das Pflegepersonal sollte daran denken, dass man im Orient alten Menschen mit mehr Respekt begegnet, als bei uns üblich ist. Direkte Anweisungen oder offene Kritik lassen sich durch freundliche Hinweise ersetzen, die die Würde des Gegenübers respektieren.
  • Das Seniorenheim sollte in seinem Freizeitprogramm auch den sprachlichen und kulturellen Interessen der muslimischen Senioren und Seniorinnen Rechnung tragen.
  • Es ist – wie im Fall eines Krankenhauses – zu überlegen, inwieweit ein eigener islamischer Seelsorgedienst und ein eigener Gebetsraum für Muslime eingerichtet werden können. Dies hängt in erster Linie von den islamischen Gemeinden und auch von dem christlichen Träger ab. In jedem Fall sollte – wie im Krankenhaus – in Todesfällen die Möglichkeit bestehen, die entsprechenden Riten zu vollziehen und vor allem die Totenwaschung durchzuführen.

7. Seelsorge an Straf- und Untersuchungsgefangenen

7.1. Recht auf seelsorgerliche Betreuung

Bezüglich der Seelsorgeangebote für muslimische Gefangene [63] ist eine Gleichbehandlung derzeit im deutschen Strafvollzug nicht durchgängig gewährleistet. Anders als z. B. in den Niederlanden, in denen die »geistliche Versorgung« der Gefangenen regelmäßig auch von islamischen und jüdischen Geistlichen sowie von Seelsorgern des Humanistischen Verbandes gleichrangig geregelt ist, haben die Landesjustizverwaltungen der Bundesländer nur in geringem Umfang und z.T. höchstens mit Honorarvereinbarungen eine regelmäßige Seelsorge für muslimische Gefangene gesichert.

Eine Erklärung dafür ist einerseits, dass dem Islam eine Seelsorge, wie sie für die christlichen Kirchen kennzeichnend ist, wesensfremd ist, und andererseits, dass dem Staat das Gegenüber einer mehr oder weniger einheitlich verfassten Religionsgemeinschaft für vertragliche Vereinbarungen fehlt. Die verschiedenen islamischen Moscheen, Zentren und Vereinigungen stehen zudem zum Teil in handfester Konkurrenz zueinander, je nach Zugehörigkeit zu verschiedenen Traditionen, Strömungen, nationalen und ethnischen Prägungen.

Wo muslimische Gefangene ausdrücklich die religiöse Betreuung durch einen Vertreter ihrer »Gemeinde« verlangen, wird dem in der Regel mit der Zulassung von Besuchen außerhalb des üblichen Besuchskontingents oder auch mit der Zulassung von bestimmten Personen als Vollzugshelfer (ehrenamtliche externe Mitarbeiter) entsprochen.

7.2. Herausforderung für kirchliche Seelsorge

Die Vermittlung solcher Besuche geschieht vielfach durch die Seelsorge der christlichen Kirchen. Auch die Möglichkeit, z.B. besondere Gebetszeiten einhalten zu können, den Ramadan angemessen zu begehen oder besondere religiöse Feste (wie das Fastenbrechen) mit anderen muslimischen Inhaftierten gemeinsam zu gestalten, wird häufig auf Vermittlung der christlichen Seelsorger in den Anstalten eröffnet. In vielen Fällen sind die Seelsorger direkt in die Vorbereitung und Durchführung solcher Veranstaltungen involviert. Für Anstaltsleitungen sind die Seelsorger der christlichen Kirchen häufig so etwas wie der Fachdienst für religiöse Angelegenheiten, der die Gewähr bietet, dass auch bei den nichtchristlichen religiösen Veranstaltungen alles seine Ordnung hat.

In aller Regel sind die Anstaltsseelsorger auch als seelsorgerliche Gesprächspartner von muslimischen Gefangenen akzeptiert und gewünscht. Dies bedeutet eine besondere Herausforderung, da die Seelsorger sich für eine angemessene Seelsorge und Beratung dieser Gefangenen (z. B. im Hinblick auf Probleme mit den Familien bzw. den Partnern und Partnerinnen) gründlich mit den religiösen und kulturellen Besonderheiten vertraut machen müssen. Dadurch werden dann die Seelsorger vielfach auch wiederum zu Multiplikatoren, die ihre Kenntnisse an andere Mitarbeiter der Anstalt, die im Umgang mit Menschen fremder Sprachen, Kulturen und Religionen unsicher sind, vermitteln können.

Auch an den christlichen Gottesdiensten in Justizvollzugsanstalten nehmen vielfach Muslime teil. Gelegentlich kommt es vor, dass sogar mehr muslimische Gefangene im Gottesdienst sind als christlichabendländisch Sozialisierte, da bei Angehörigen des Islam bei aller Säkularisierung Religiosität eine größere Rolle spielt als bei der Mehrzahl der anderen Inhaftierten, in deren Lebensgeschichte Kirche und Gottesdienst so gut wie nicht vorgekommen sind. Dass dieses auf die Gestaltung der Gottesdienste im Gefängnis Auswirkungen haben muss, liegt auf der Hand.

7.3.Türkische Muslime

Ein besonderes Problem ergibt sich daraus, dass bezogen auf die türkischen Muslime, die in der Gruppe der dem Islam zuzurechnenden Gefangenen die klare Mehrheit darstellt, der türkische Staat in Gestalt der konsularischen Vertretungen ein Betreuungsmonopol für sich reklamiert und klare Abgrenzungen vornimmt.

Diese konsularischen Vertretungen nehmen für sich in Anspruch, durch die aus der Türkei nach Deutschland entsandten Religionsattachés die Imame zu bestimmen, die mit der Betreuung türkischer Muslime betraut werden. Dies sind ausschließlich sunnitische DITIB- Imame, die durch die türkische Religionsbehörde (Diyanet Işleri Türk-Islam Birliği) legitimiert und der Religionsbehörde gegenüber auch berichtspflichtig sind. Eine verschwiegene Seelsorge im Sinne des Angebots der Anstaltspfarrer ist damit nicht zu erwarten. In Ausnahmefällen lassen die türkischen konsularischen Vertretungen zu, dass auch islamische Geistliche anderer Verbände bei besonderen Gelegenheiten in die Anstalten gehen. Die regelmäßige religiöse Betreuung von türkischen Inhaftierten durch sie ist jedoch untersagt. Die türkischen Religionsbeauftragten ihrerseits sind allein mit der Betreuung sunnitischer türkischer Gefangener beauftragt, nicht mit anderen Muslimen oder Türken anderer Konfession. Schiiten, Kurden und Aleviten türkischer Nationalität sowie Muslime anderer Nationalität fallen somit gänzlich aus diesem Betreuungsangebot heraus.

Dieser Sachverhalt einerseits und eine weitgehende Ablehnung der offiziellen Religionsbeauftragten durch die Inhaftierten wegen ihrer Ausrichtung und ihrer Bindung an die staatlichen Behörden der Türkei andererseits führen dazu, dass wohl die Mehrzahl der Muslime in den Anstalten das Angebot der kirchlichen Seelsorge bevorzugt.

8. Islamische Friedhöfe und Gräberfelder

Der Tod und die Bestattung von Muslimen stellen in Deutschland die betroffenen Familien und die kommunalen Verwaltungen vor besondere Probleme. Die islamische Tradition kennt Bestattungsvorschriften, etwa die rituelle Waschung, das Totengebet, die Ausrichtung der Grabanlage sowie die Dauerhaftigkeit der Grabstätten, denen die kommunalen Friedhofssatzungen häufig widersprechen. Weil viele Familien im Fall des Ablebens eines Verwandten fürchten, dass im deutschen Kontext die Einhaltung der islamischen Bestattungsvorschriften nicht garantiert werden kann, kommt es immer noch häufig zu Überführungen in das Herkunftsland der Verstorbenen. Auch finanzielle Gründe [64] sprechen für eine solche Entscheidung. Es gibt türkische Bestattungsunternehmen und islamische Verbände, die eine Sterbevorsorge anbieten und diese Überführungen organisieren. Gleichzeitig wächst jedoch das Interesse auf islamischer Seite an Verhandlungen mit kommunalen Trägern über die Einrichtung eigener Friedhöfe oder die Zuweisung islamischer Gräberfelder, auf denen Muslime unter Wahrung islamischer Bestattungsvorschriften beigesetzt werden können [65]. Auch kirchliche Stellungnahmen, kulturhistorische Untersuchungen und ausführliche Abhandlungen zu den Riten islamischer Bestattung dokumentieren das öffentliche Bewusstsein gegenüber dieser Fragestellung [66]. Die Situation soll daher im Folgenden nur kurz skizziert werden.

8.1. Soziale Faktoren

Die Wahl des Bestattungsortes ist eng mit der Frage nach der sozialen Identität und der gesellschaftlichen Integration verbunden. »Je länger der Aufenthalt in Deutschland andauert, desto mehr gehen auch die Bindungen an die Heimat verloren, da die Familienangehörigen dort nicht mehr leben, die Kinder und Enkelkinder der muslimischen Arbeitnehmer in der Fremde geboren wurden und leben und sich die familiären Bindungen verlagern... Während es für die erste Generation der muslimischen Arbeitnehmer noch selbstverständlich ist, einmal im Geburtsland beigesetzt zu werden, wird sich die Frage für die zweite und dritte Generation anders stellen. Für viele Muslime ist eine Überführung und Bestattung im Heimatland auch wegen politischer Unruhen und Bürgerkriegs nicht möglich... Schließlich ist auch daran zu denken, dass für die Muslime, die im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft sind ... nur eine Beisetzung auf deutschem Boden in Frage kommt.« [67]

Die demographische Entwicklung und soziale Faktoren werden im Unterschied zur derzeitigen Überführungspraxis in den kommenden Jahren zu einer steigenden Zahl der islamischen Beerdigungen in Deutschland führen [68].

8.2. Islamische Friedhöfe oder Gräberfelder

Mittlerweile gibt es in Deutschland einige islamische Friedhöfe bzw. Gräberfelder für Muslime, auf denen die Toten nach islamischem Ritus bestattet werden können [69]. Auf einigen Friedhöfen ist auch die Bestattung auswärtiger Muslime erlaubt. Ein Verzeichnis islamischer Gräberfelder und ihrer Bedingungen hinsichtlich des Einzugsgebietes, der Bestattungsart sowie der Ruhefrist enthält eine neue Untersuchung zum Thema [70].

8.3. Regelungsbedarf

Regelungsbedarf besteht dringend für die Satzungen der Friedhöfe. Dabei herrscht Einigkeit unter christlichen und muslimischen Fachleuten, dass Muslime in der Regel wegen des Verkündigungscharakters kirchlicher Friedhöfe kommunale Friedhöfe und Gräberfelder oder eigene Friedhöfe für die Beerdigung ihrer Glaubensgenossen vorziehen würden. Wo es dafür noch keine Möglichkeit gibt, sollten Kirchengemeinden sich dafür einsetzen, dass Muslimen von den Kommunen eigene Friedhöfe oder besondere Gräberfelder zur Verfügung gestellt werden.

Die Durchführung islamischer Bestattungen in Deutschland erfordert einen konstruktiven Dialog sowie gegenseitige Zugeständnisse zwischen den antragstellenden Moscheegemeinden und der kommunalen Verwaltung. Hinsichtlich des Ergänzungsbedarfs kommunaler Bestattungsvorschriften ist folgendes zu beachten:

Nach islamischer Vorstellung sind Grabstätten ohne zeitliche Befristung anzulegen. Dies steht in Widerspruch zu deutschen Friedhofsordnungen und stellt damit das größte Problem dar. Hilfreich ist die Stellungnahme des Zentralrates der Muslime in Deutschland für die Klärung der Frage der Liegezeiten und einer eventuellen Wiederbenutzung: »Muslimische Gräber dürfen zum Zwecke einer erneuten islamischen Bestattung nur dann ausgehoben werden, wenn man an Hand von gesicherten Erfahrungen davon ausgehen kann, dass keine menschlichen Überreste mehr vorhanden sind.« [71] Die innerislamische Diskussion zum Thema sowie Beispiele kommunaler Praxis zeigen, dass Kompromisse zwischen der Wahrung der Totenruhe und der Möglichkeit einer Wiederbelegung von Grabstätten möglich sind.

  • Islamische Grabstätten sind grundsätzlich so auszurichten, dass der auf der rechten Seite liegende Tote mit dem Gesicht nach Mekka blickt. Ferner soll das Gräberfeld ausschließlich von Muslimen belegt werden; eine Trennung der Geschlechter ist hingegen nicht erforderlich. In der Regel haben kommunale Friedhöfe genügend Handlungsspielraum, um auf diese Erfordernisse Rücksicht zu nehmen.
  • Im Unterschied zum deutschen Bestattungswesen, das zwischen dem Eintritt des Todes und der Bestattung eine Frist von einigen Tagen vorsieht, findet in islamisch geprägten Ländern die Beerdigung meist noch am selben Tag statt. Diesem Brauch kann in Deutschland auf Grund behördlicher Bestimmungen nicht entsprochen werden.
  • Es müssen Möglichkeiten für die rituelle Waschung gewährleistet sein. Sie wird in der Regel in örtlichen Moscheen vollzogen werden. Jedoch wird auch an entsprechend ausgestattete Friedhofsgebäude zu denken sein. Die aus Mangel an Waschungsmöglichkeiten häufige Praxis der Waschung in den Prosekturräumen von Krankenhäusern verteuert zur Zeit viele Bestattungen von Muslimen sehr.
  • Nach islamischer Vorschrift wird der Tote nur in ein Leinentuch gewickelt bestattet; die in Deutschland vorgeschriebene Sargbestattung stellt insofern ein Problem dar. Für einzelne Friedhöfe existieren Sonderregelungen. Auch Gutachten von islamischer Seite signalisieren hier die Bereitschaft zu Konzessionen.
  • Nach der rituellen Waschung und dem Totengebet wird der Tote zu seiner Grabstätte getragen. Professionelle Sargträger sind dabei unüblich, vielmehr wechseln sich Personen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis ab (es gilt als besonders verdienstvoll, den Toten auf seinem Weg zur Heimkehr zu Gott auf diese Weise zu begleiten). Das kann Konflikte mit Unfallverhütungsvorschriften bringen, so dass zu prüfen ist, ob die Friedhofsordnung diese Sitte gestattet.
  • Auch wenn Sozialämter nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes die Kosten für die rituellen Waschungen übernehmen müssen, tauchen Probleme auf. So hat z.B. ein Sozialamt die Überführung auf einen islamischen Friedhof abgelehnt, weil dieser außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches lag.
  • Islamische Friedhöfe oder Grabfelder sind in der Regel nicht mit Blumen oder anderem Grabschmuck versehen wie in Deutschland üblich, so dass der Eindruck entstehen kann, sie seien nicht gepflegt. Das Grab ist nur soweit kenntlich zu machen, dass Menschen das Grab bemerken und nicht etwa darauf treten. Nach islamischer Auffassung sollen Gräber nicht durch besonderen Schmuck etc. zu einer Art »Wallfahrtsort« werden; das widerspräche dem Gebot, nur Gott zu ehren.

9. Errichtung von Moscheen

In Deutschland existieren ca. 2.200 islamische Gebetsräume, nach Angaben islamischer Verbände sogar noch weit mehr. In der Mehrzahl der Fälle sind diese Gebetsräume im Stadtbild allerdings nicht als Moscheen erkennbar, denn meist sind sie nicht als solche gestaltet. Oft befinden sie sich in ehemaligen Lagerhallen, in Gewerbegebieten, in Hinterhöfen oder in Kellerräumen, nicht selten nur durch ein bescheidenes Hinweisschild von außen als islamische Gebetsstätten erkennbar. Auch wenn die Innenräume meist liebevoll umgebaut und gestaltet sind, bleibt der Eindruck von Provisorien.

Seit einigen Jahren ändert sich dieses Bild. Viele muslimische Migrantenfamilien haben sich darauf eingestellt, in Deutschland zu bleiben. Dementsprechend versuchen Moscheevereine, dauerhafte Lösungen zu finden. Liegenschaften werden erworben, Moscheen geplant und errichtet, die auch äußerlich als solche erkennbar sein sollen, mit Minarett und Kuppel. Nach muslimischen Angaben sind bis März 2000 in Deutschland 66 »klassische Moscheen« eröffnet worden [72].

Die traditionelle deutsche Wohnbevölkerung hat zum Teil recht skeptisch auf diese Entwicklung reagiert, die für sie anfangs recht unerwartet kam. Inzwischen sind aber Jahre vergangen. Wie sollen sich heute evangelische Kirchengemeinden verhalten, wenn etwa in ihrem Stadtteil Pläne für einen Moscheebau vorgelegt werden? [73]

Die deutsche Rechtsordnung schützt die Freiheit der Religion als ein elementares Grundrecht. Dieses Grundrecht ist nicht an die deutsche Staatsangehörigkeit gebunden. In seiner Stellungnahme vom 4. Juni 198374 verwies der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auf dieses Grundrecht: »Die evangelische Kirche setzt sich für die Wahrung und Verwirklichung der Rechte auch solcher Mitbürger ein, die ihr nicht angehören. Sie bejaht den Auftrag des Staates, im Sinne des Grundgesetzes auch den hier lebenden Menschen islamischen Glaubens gerecht zu werden. Zu diesen Rechten gehört die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die eine ungestörte Religionsausübung einschließt (Art. 4 GG).« Dass die Religionsfreiheit als Grundrecht in Deutschland auch für Nichtchristen nicht eingeschränkt wird, sollte für evangelische Christen ein selbstverständliches Anliegen sein.

Zum Recht auf ungestörte Religionsausübung gehört auch das Recht auf den Erwerb von Gebetsräumen und die Errichtung von Moscheen. Im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge können sich deshalb die Kommunen ihrer Pflicht nicht entziehen, geeignete Flächen für die Errichtung von Moscheen auszuweisen, wenn die islamische Religionsgemeinschaft mit einem entsprechenden Ansinnen auf sie zukommt.

Mancherorts wird in letzter Zeit der öffentliche Gebetsruf (adhan, türkisch: ezan) zum Streitpunkt, mehr noch: zu einem Politikum. Denn aus politischen Gründen haben in einzelnen Fällen Kommunen die Genehmigung eines Minaretts an die Auflage gebunden, dass dieses nicht zum Gebetsruf benutzt wird. Auch wenn lokale Moscheevereine sich dem gefügt haben, betrachten viele Muslime dies als Verweigerung eines Grundrechts. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings eine Auskunft des Großscheichs der Kairoer Al-Azhar-Universität, Mohammed Sayed Tantawi: Er hatte während seines Besuchs in Deutschland bei einem Empfang der hessen-nassauischen Landeskirche darauf hingewiesen, dass sich die Lautstärke des Gebetsrufes rücksichtsvoll nach den jeweiligen Gegebenheiten zu richten habe und durchaus auch leise vorgetragen werden darf. Damit unterstützte Tantawi die Erklärung des Leitenden Geistlichen Amtes der Evangelischen Kirche in Hessen-Nassau, die für gegenseitige Verständigung »je nach den lokalen Rahmenbedingungen und den jeweils vorhandenen religiösen Traditionen und Überzeugungen « eingetreten war. Wenngleich der Großscheich bei rund einer Milliarde Muslime als Autorität in Glaubensfragen ein hohes Ansehen hat, steht ihm dennoch keine Weisungsbefugnis zu. Der Islam kennt kein zentrales Lehramt, dessen Entscheidungen für die Gläubigen bindend wären, und entsprechend werden die islamischen Gemeinschaften vor Ort selbständig darum ringen, welche Kompromisse sie in strittigen Fragen wie der des lautsprecherverstärkten Gebetsrufes eingehen wollen.

Doch auch auf christlicher Seite gibt es hier keine eindeutige Position, und die unterschiedlichen Haltungen in dieser Frage spiegeln den innerkirchlichen Pluralismus wider: [74] Neben moderaten und um Verständnis werbenden Stimmen hat es in mehreren Kommunen gerade auch aus christlichen Gemeinden heraus heftigen Widerstand gegen den öffentlichen Gebetsruf gegeben. Die entscheidende Frage wird sein, ob sich Muslime und Christen in dieser Angelegenheit so weit verständigen können, dass der öffentliche Friede und jene Toleranz gefördert werden, die alle Religionsgemeinschaften für ihr gedeihliches Leben wie auch für das Zusammenleben über die Religionsgrenzen hinweg brauchen.

Oft wird gefordert, gerade in der Frage des Moscheebaus auf Gegenleistungen für Christen in islamisch geprägten Ländern zu bestehen. In diesem Argument äußert sich die berechtigte Erwartung, dass das interreligiöse Verhältnis auf Gegenseitigkeit beruhen sollte und keine einseitige Angelegenheit sein darf. So wie wir in Deutschland dem Islam das Recht der freien Religionsausübung einräumen, soll auch mit den christlichen Kirchen in islamisch geprägten Ländern umgegangen werden. Doch selbst wenn diese Erwartung nicht oder noch nicht erfüllt wird, ist das kein Grund, von unserer Seite aus mit Intoleranz zu reagieren. Das verbietet das Neue Testament (Mt 5, 39). Außerdem kann die Anerkennung der Religionsfreiheit in Deutschland nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Religionsfreiheit in islamisch geprägten Ländern gewährleistet ist. Dennoch müssen wir als Christen in unserer Begegnung mit Muslimen unsere Solidarität mit christlichen Minoritäten, die in islamisch geprägten Ländern in der Ausübung ihrer religiösen Freiheit beschränkt werden, zum Ausdruck bringen. Religionsfreiheit wird überall auf der Welt auch mit politischen Mitteln durch Entwicklung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen gefördert.

Wir sind allerdings als Christen nur dann glaubwürdig in unserer Kritik an anderen, wenn wir uns nicht zu Verhaltensweisen verleiten lassen, die wir selbst bei anderen ablehnen. Vielmehr sollten wir auf die Hoffnung setzen, dass ein gutes Zusammenleben von Christen und Muslimen bei uns auf lange Sicht auch für Christen in islamisch geprägten Ländern positive Auswirkungen zeitigen wird. Bei Reisen in diese Länder sollten wir jedenfalls von solchen guten Beispielen gelungenen Zusammenlebens aus unseren Erfahrungen berichten.

Auch wenn ihre christliche Überzeugung und die rechtlichen Grundlagen unserer Verfassung dazu führen, dass evangelische Kirchengemeinden Moscheebauten bejahen, müssen sie in dieser Frage auf die Sorgen der betroffenen Nachbarschaft Rücksicht nehmen. Die Erfahrung zeigt, dass Moscheebauten und auch die Genehmigung des Gebetsrufes eher dann von den nichtmuslimischen Nachbarn akzeptiert werden, wenn sie als Partner ernst genommen und in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden. Sie müssen möglichst frühzeitig und umfassend über entsprechende Vorhaben informiert werden und mit ihren Anliegen bei den entscheidenden Instanzen Gehör finden. Konflikte verschärfen sich hingegen oft dann, wenn in der Wahrnehmung der nichtmuslimischen Bevölkerung der Moscheebau bereits vorhandene Belastungen ihres Stadtteils verstärkt (z.B. Verkehrs- und Lärmbelastung, schlechte Wohnraumqualität, Parkplatzmangel, Angst vor Ghettoisierung etc.) und die Entscheidungen an den Betroffenen vorbei gefällt werden. Kirchengemeinden können hier helfen und in Zusammenarbeit mit den islamischen Gemeinden Vertrauen schaffen, indem sie Gespräche und Begegnungen z.B. durch Tage der offenen Tür zwischen den Betroffenen ermöglichen.

10. Raumvergabe an Muslime<

Unmittelbarer als bei der Debatte um Moscheebauten werden evangelische Gemeinden zur Entscheidung gefordert, wenn Muslime sie um die zeitweise Überlassung von gemeindlichen Räumen bitten [75]. Während über Moscheebau und Gebetsruf kommunale Instanzen eine Entscheidung zu treffen haben, müssen über die Vergabe kirchlicher Räume die Kirchenvorstände selbst entscheiden. Sie sollten diese Bitte als Herausforderung an ihre Gastfreundschaft und Dialogbereitschaft verstehen.

Erfahrungsgemäß kann man drei Anlässe für die Bitte um zeitweise Überlassung gemeindlicher Räume unterscheiden. Räume werden erbeten

  • für Familienfeste wie Beschneidung oder Hochzeiten,
  • für Versammlungen und rituelle Gebete anlässlich der islamischen religiösen Feste, oder
  • als Gebetsraum für das tägliche Gebet oder das Freitagsgebet.

Bitten um Gebetsräume sind in den letzten Jahren seltener geworden, nachdem Moscheevereine in der Regel Gebetsräume zumindest provisorisch angemietet oder gar erworben haben. So beschränkt sich die Bitte meist auf besondere Situationen, z.B. während des Umbaus der Moscheeräume.

Es ist weitgehend Konsens in den evangelischen Kirchen in Deutschland, daß bei der Überlassung von Räumen an Muslime zu unterscheiden ist zwischen Kirchen bzw. allein gottesdienstlichen Zwekken vorbehaltenen Räumen und anderen Räumen im Besitz der Kirchengemeinde. Räume, die allein dem christlichen Gottesdienst gewidmet sind, können wegen ihrer geistlichen Zweckbestimmung und ihrer Raumausstattung (Kreuz, Bilder) nicht an Muslime vergeben werden. Dadurch werden Irritationen und Missverständnisse auf beiden Seiten vermieden.

Andere Räume können Muslimen zeitweise überlassen werden. Dabei sind die landeskirchlichen Vorschriften für die Raumvergabe zu beachten, nach denen in der Regel der lokale Kirchenvorstand die Entscheidung trifft. Das Gremium wird dabei berücksichtigen, daß auch reine Familienfeste nicht ohne religiöse Elemente gefeiert werden. So ist mit einer Rezitation des Koran auch bei solchen Feiern zu rechnen. Alle praktischen Fragen (etwa die Frage der Kinderbetreuung) sind mit den muslimischen Gästen im persönlichen Gespräch zu klären. Die betroffenen kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Hausmeister etc.) sind einzubeziehen. Sollte über die Vergabe solcher Räume an Muslime negativ entschieden werden, ist es besonders wichtig, dass den Betroffenen in einem persönlichen Gespräch diese Entscheidung nachvollziehbar vermittelt wird. In diesem Fall wäre es hilfreich, wenn die Kirchengemeinde die Muslime unterstützt, geeignete Räume im kommunalen Bereich zu finden.

Wo es in Landeskirchen Arbeitskreise für Islamfragen oder Islambeauftragte gibt, sollten sie vor der Beschlussfassung über die antragstellenden islamischen Gruppierungen befragt werden. Sie können vielleicht auch Auskunft darüber geben, für welche Zwecke diese Gruppierungen üblicherweise um die Nutzung von Räumen nachsuchen.

Anders als in einigen europäischen Nachbarländern ist in Deutschland bisher keine Kirche an einen Moscheeverein verkauft worden, um in eine Moschee umgewandelt zu werden. Wo in Zukunft der Verkauf einer Kirche erwogen wird, sind landeskirchliche Genehmigungsvorbehalte zu beachten. Es ist im Interesse der Gemeinde, dass Muslime angemessen untergebracht sind. Ein eventueller Verkauf müsste rechtzeitig und sorgfältig der Nachbarschaft vermittelt werden.

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