Es ist normal, verschieden zu sein

Inklusion leben in Kirche und Gesellschaft. Eine Orientierungshilfe des Rates der EKD, Januar 2015

Vorwort

Inklusion - ein neuer Begriff hat Einzug gehalten in öffentliche Debatten. Angestoßen durch die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verbindet sich mit ihm die Wertschätzung von Vielfalt sowie die Stärkung von Teilhabe in unserer Gesellschaft. Inklusion ist zum Leitbild eines umfassenden Wandels geworden: Wie schaffen wir es, dass Barrieren, Vorurteile und Trennungen abgebaut werden? Wie können Menschen trotz all ihrer Verschiedenheit gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben? Wie können wir angesichts der Erfahrung unseres begrenzten und verletzlichen Lebens ein solidarisches Miteinander entwickeln? Mit dem Wort Inklusion wird ein Paradigmenwechsel markiert. Es geht nicht mehr um die Integration einer kleinen abweichenden Minderheitsgruppe in die »normale« Mehrheit. Vielmehr soll die Gemeinschaft so gestaltet werden, dass niemand aufgrund seiner Andersartigkeit herausfällt oder ausgegrenzt wird. Der Weg dahin ist lang. Die Kontroverse, ob und unter welchen Voraussetzungen Inklusion gelingen kann, ist in vollem Gange. Die Unterscheidung von »Letztem« und »Vorletztem« kann hier vor verfehlter Euphorie wie vor Resignation bewahren. Veränderungen brauchen Zeit und Ressourcen. Wer Inklusion allerdings als Sparmodell missversteht, verspielt die Chancen, die in dem begonnenen Paradigmenwechsel liegen.

Der vorliegende Text wurde von einer Ad-hoc-Kommission erarbeitet, die der Rat in Aufnahme eines Beschlusses der 11. Synode der EKD und von Impulsen der Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend eingesetzt hat, um die Überlegungen in den verschiedenen Handlungsfeldern zusammenzuführen und auf dem Hintergrund der gesellschaftlichen sowie bildungs- und sozialpolitischen Herausforderungen durch die Umsetzung der UN-Behindertenrechts-konvention zu einer strategischen Orientierung besonders für die evangelische Kirche und ihre Diakonie beizutragen. Damit stand die Kommission vor der schwierigen Aufgabe, eine Vielzahl von Traditionssträngen, wissenschaftlichen und politischen Implikationen sowie — auch institutionell sehr unterschiedlich verorteten — Handlungsfeldern zu bündeln und unter einer konzeptionell vereinheitlichenden Perspektive zu integrieren. Hierzu hat die Kommission im Rahmen kleinerer Konsultationen weitere Expertinnen und Experten aus den Bereichen Theologie und Sozialwissenschaft sowie der UNESCO in ihre Beratungen einbezogen. Ebenso hat die Kammer für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend die Unterkapitel zu Bildung und Konfirmandenarbeit diskutiert und dazu Anregungen eingebracht. Schließlich fand insgesamt eine enge Abstimmung mit der Diakonie Deutschland statt.

Der Rat der EKD hat sich den von der Kommission vorgelegten Text mit einem herzlichen Dank an die Mitglieder und Mitarbeitenden der Kommission zu eigen gemacht und seine Veröffentlichung als Orientierungshilfe beschlossen. Orientierungshilfen des Rates beziehen sich in der Regel auf eine aktuelle und oft auch kontroverse Thematik, für die in Kirche und Gesellschaft nach überzeugenden Argumenten gefragt wird, die eine Anleitung und Hilfe zu einer persönlich verantworteten Entscheidung darstellen können. Dazu gehören ebenso Handlungsempfehlungen im persönlichen, kirchlichen oder gesellschaftlichen Bereich.

Mit der vorliegenden Orientierungshilfe möchte der Rat Menschen in Kirche und Diakonie, aber auch politische Verantwortungsträger und persönlich Betroffene ermutigen, sich in den Diskurs um eine inklusive Weiterentwicklung des Gemeinwesens einzubringen. Mut und Kreativität sind dabei genauso gefragt wie Professionalität und ein sensibler Umgang mit Vielfalt. Wie so oft ist dabei gute Praxis in der Regel das beste Argument der Kirche in dieser Debatte. Wo Kirche und Diakonie mit inklusiven Projekten Zeichen setzen, können sie im Horizont ihrer zentralen Glaubensbotschaft Rückenwind für eine inklusive Gestaltung der Gesellschaft geben. Auch dazu gibt diese Orientierungshilfe vielfältige Hinweise.

Hannover, im Dezember 2014

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

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