Einverständnis mit der Schöpfung
I. Orientierung über den Sachstand
1. Auf welchen Grundlagen baut die Gentechnik auf?
a) Der Zusammenhang von Erbgut, Umwelt und Gestalt
Die natürlichen Grundlagen des Lebens auf der Erde sind für alle Lebewesen (Organismen) gleich. Bei allem Lebendigen ist die kleinste, in sich lebende, also organische Einheit die Zelle. Von den Mikroorganismen (Bakterien und höhere Einzeller) über Pflanzen und Tiere bis hin zu den Menschen verlaufen Stoffwechsel, Vermehrung und Gestaltwandel nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten. Auch die einfachsten Lebensformen, die Viren, die nicht über einen eigenen Stoffwechsel verfügen und deshalb in den Zellen anderer Lebewesen parasitieren müssen, sind auf diese grundlegenden Voraussetzungen angewiesen. Jedes Lebewesen ist gleichsam ein System, das sich in einem ständigen Austausch mit der Umwelt befindet. Es verwertet die Informationen, die in ihm selbst, in seinem Erbgut, angelegt sind, zum Aufbau seiner Gestalt und zu seinem organischen Funktionieren. Von außen, aus seiner Umwelt, nimmt es Stoffe zu seiner Selbsterhaltung auf. Seine Erbinformation legt seine Gestalt und sein Verhalten in gewissen Grenzen fest. Doch die individuelle Ausformung ist auf die jeweilige Umwelt bezogen und von ihr mitgeprägt. So braucht und gestaltet jeder Organismus seinen Lebensraum: Er paßt sich ihm an, wirkt auf ihn ein und wird doch zugleich auch von ihm geprägt.
Das Erbgut garantiert in der Vermehrung die biologische Kontinuität von Generation zu Generation und bedingt so die weitgehende Konstanz der Arten. In der Regel kommt es nur innerhalb einer Art zu einer Vermehrung; man spricht hier von der sogenannten "Artgrenze". Das Erbgut enthält zugleich Variationsmöglichkeiten für die Anpassung an neue Lebensräume und vor allem für die Entstehung abgewandelter Individuen durch Veränderungen (Mutationen und Genaustausch) im Erbgut selbst. Die Vielfalt der heutigen Lebewesen kann nach der Evolutionstheorie aus dem unerschöpflich reichen Zusammenwirken von erblicher (genetischer) Ausstattung und deren Ausformung in verschiedenartigen Lebensformen mit der Umwelt der Erde und deren Lebenswirklichkeiten verstanden werden: Durch Selektion kam es zur Ausbildung verschiedenartiger Organismen in Arten, Familien und Stämmen im Reich der Pflanzen und Tiere und schließlich zur Entwicklung der Menschen.
Die Menschen sind auf die Natur angewiesen, weil sie selbst auch Lebewesen sind. Sie brauchen bewohnbaren Lebensraum auf der Erde und (Tiere und) Pflanzen als Nahrung. Sie können nicht leben ohne Austausch und Kommunikation mit ihresgleichen. Sie teilen die genetische Grundstruktur, d.h. die chemische Substanz und die Funktionsweise des Erbguts, mit allen Lebewesen und teilen die Erde mit ihren Lebensmöglichkeiten immer schon mit anderen Lebewesen. Der grundlegende Zusammenhang von Erbgut, Umwelt und Gestalt ist zu beachten, auch wenn sich die folgenden Ausführungen nur auf das Erbgut beziehen.
b) Das Erbgut (Genom) Das Erbgut der Lebewesen besteht chemisch gesehen aus langen Kettenmolekülen von Desoxyribonukleinsäure (DNS, engl. DNA). In der DNA ist die genetische Information nach einem Code verschlüsselt. Darin ist die chemische Substanz des Erbguts bei allen Arten und Organismen gleich. Doch hat sie für jede Art und für jedes Individuum eine spezifische Zusammensetzung und dementsprechend einen spezifischen Informationsgehalt.
In den Zellen ist die DNA in Form von Chromosomen organisiert. Bei Bakterien liegt das einzige Chromosom sozusagen frei in der Zelle, bei höheren Organismen sind sie im Zellkern eingeschlossen. Die Gesamtheit der jeweils vorhandenen Erbanlagen wird auch als Genom bezeichnet. Die kleinste Einheit der Vererbung ist das Gen. Als Gene werden diejenigen Abschnitte auf der DNA-Kette bezeichnet, die die Information für ein Protein (Strukturgen) oder ein Steuersignal (Regulatorgen) enthalten.
Die genetische Information der Strukturgene wird in der Zelle abgelesen und als Bauplan zur Synthese von Eiweißstoffen benutzt. Diese Eiweißstoffe (Proteine) bilden die Strukturen der Zellen und Organismen aus oder wirken als Enzyme (Biokatalysatoren), die spezifische biochemische Reaktionen vorantreiben. Im Rahmen natürlicher Zellteilungs-, Kreuzungs- und Vererbungsvorgänge werden die Gene normalerweise nicht für sich, sondern zusammen mit anderen Bereichen des Genoms auf die Nachkommenschaft weitergegeben.
Weltweit wird derzeit an der allgemeinen Struktur, der individuellen Zusammensetzung und den daraus resultierenden Funktionen des Erbgutes geforscht. Es ist gegenwärtig bereits möglich oder realistisch absehbar, die verschiedenen Erbanlagen (Gene) innerhalb eines Genoms zu isolieren, jedes einzelne Gen für sich darzustellen und seinen Informationsgehalt zu charakterisieren. Darüber hinaus ist es oder wird es möglich sein, Gene in einen anderen Empfängerorganismus (auch unter Überspringung der Artgrenze) einzubringen und dort unbegrenzt zu vermehren. Auch läßt sich jedes einzelne Gen gezielt zerlegen und (gegebenenfalls mit anderem Genmaterial) "rekombinieren", also neu zusammensetzen.
Der Arbeitsaufwand für die Genomanalyse jeder einzelnen Art ist erheblich, mit zunehmender Komplexität des Organismus entsprechend höher. Die Isolation von Genen sowie die Erstellung von Genkarten, auf denen alle DNA-Abschnitte und also alle Erbmerkmale eines Organismus aufgezeichnet sind, beschränken sich deshalb gegenwärtig zunächst auf Arten, die für die Menschen wissenschaftlich, wirtschaftlich und medizinisch interessant sind. Das menschliche Genom selbst erweckt besonderes Interesse, einmal ein theoretisches, um mehr über die genetischen Grundlagen, z.B. von Physiologie und Verhalten, zu erfahren, zum anderen ein praktisches, um Krankheiten, Gesundheitsgefährdungen u.a. erkennen und besser beeinflussen zu können. Das gegenwärtig anlaufende Programm einer Totalbeschreibung des menschlichen Genoms, das bis zur Jahrtausendwende abgeschlossen sein soll, versteht sich als Beitrag zu einer "prädiktiven Medizin", also einer Gesundheits- bzw. Krankheits-Vorhersage. Allerdings mehren sich die Zweifel am wissenschaftlichen Wert einer solchen Untersuchung. Ein vollständiger "Genpaß" für den Menschen hätte eine Größenordnung von 1.000 Büchern mit je 1.000 Seiten.
2. Wie werden gentechnische Eingriffe vorgenommen?
Veränderungen (Mutationen) des Genoms, die natürlicherweise spontan entstehen, können durch Bestrahlungen und mutationsauslösende Chemikalien ungezielt erreicht werden. Gewisse Teile von Chromosomen (d.h. von Teilstücken im Zellkern, die die Gene tragen) lassen sich vervielfältigen und vermischen. Die moderne Gentechnik bedient sich vor allem spezieller Enzyme. Die Restriktionsenzyme erkennen bestimmte Sequenzen der DNA-Kette und zerlegen sie an entsprechenden Stellen, schneiden sie also auf. Mit Hilfe anderer Enzyme (Ligasen) können die dadurch auftretenden Bruchstücke, gegebenenfalls auch mit Stücken anderer, u.U. auch chemisch synthetisierter DNA-Ketten, neu zusammengefügt werden. Durch eine derartige "Rekombination" von DNA-Stücken werden im Labor künstliche Gene konstruiert. Neuerdings kennt man DNA-Sonden: Das sind nachgebaute Teilstücke einer DNA-Kette, die es zu überprüfen erlauben, ob ein Gen vorhanden ist oder nicht, und so - in Zukunft - möglich machen, jeweils das gesamte Genom der verschiedenen Organismen zu erforschen. Als biologische Instrumente werden in der Gentechnik darüber hinaus Vehikel benutzt, die den Transfer von Genen (DNA-Stücken) in Zielorganismen ermöglichen: Plasmide (neben der funktionsleitenden DNA natürlich vorkommende kleine DNA-Ringe), modifizierte Viren und autonom replizierende DNA-Sequenzen, z.B. aus der Hefe. Man spricht hier von Vektoren. Die Transformation gelingt in einigen Fällen auch vektorfrei, d.h. durch direkte Einführung der Ziel-DNA allein. Dies kann auf verschiedene Weise erfolgen, etwa durch Mikroinjektion. Bei passender Zusammensetzung der neuen DNA-Einheit, d.h. nach Hinzufügen von regulatorischen Elementen, sog. Promotoren, treten die entsprechenden Funktionen auf: Das implantierte Gen wird "exprimiert", d.h. seine Information wird aufgenommen und verwertet. Zum Beispiel produzieren gentechnisch entsprechend manipulierte Bakterien menschliches Insulin. Auf diese Weise läßt sich auch die Artgrenze überwinden.
Wenn es erforderlich ist, kann aus Sicherheitsgründen erreicht werden, daß ein Überleben gentechnisch veränderter Organismen nur in künstlicher Umgebung (im Labor oder z.B. im Fermenter, einem Behälter für bestimmte biochemische Prozesse) möglich ist. Entsprechende Sicherheitsstämme (z.B. von Coli-Bakterien) wurden gezielt hergestellt. Eine Konferenz biochemisch forschender Naturwissenschaftler in Asilomar (USA) forderte 1975 strenge Sicherheitsvorkehrungen und gegebenenfalls ein zeitweises Aussetzen der Forschung mit gentechnisch manipulierten Bakterien und Mikroorganismen. Daraufhin wurden in verschiedenen Ländern entsprechende Sicherheitsrichtlinien erlassen. Sie wurden aufgrund der - nicht unumstrittenen - Einschätzung, daß sich die ursprünglichen Befürchtungen nicht bestätigt haben, im Laufe der Jahre spezifiziert und zu einem erheblichen Teil wieder zurückgenommen. In der Bundesrepublik Deutschland bestanden bis 1990 Sicherheitsrichtlinien des Bundesministers für Forschung und Technologie, die für staatlich geförderte Forschungsarbeiten unmittelbar gültig waren und von anderen Instituten in freiwilliger Selbstverpflichtung übernommen wurden. Seit 1990 gilt ein Gentechnik-Gesetz, das unter Einschaltung der "Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit" (ZKBS) die gesamte gentechnische Arbeit über Anmelde- oder Genehmigungsverfahren staatlicher Kontrolle unterwirft (s. noch unten S.38.89).
So vollzieht sich gegenwärtig in einem Großteil der Biologie der wissenschaftlich einschneidende Vorgang, der sich in anderen Bereichen der experimentellen Naturwissenschaft (in der Physik im Wandel zur Atomphysik, in der Chemie zur technischen Produktion) bereits früher vollzogen hat: der Übergang von der beschreibenden Erkenntnis der Naturprozesse zu deren Veränderung und Nutzung, also zur Ingenieurwissenschaft. Naturerkenntnis wird zum Ausgangspunkt für Eingriffe in die Natur und scheint vielen ohne solche Eingriffe nicht mehr möglich. Auf der anderen Seite stehen jedoch Zweifel, ob eine experimentell veränderte Natur eine Erkenntnis über die experimentell nicht veränderte Natur überhaupt zuläßt. Trotz dieser Grundproblematik läßt sich innerhalb der Grenzen des Wissens technisch über die Natur verfügen. Solchem wissenschaftlichen Vorgehen liegt der Gedanke zugrunde, grundsätzlich ließen sich alle natürlichen Vorgänge, also die gesamte Natur, funktionalisieren und instrumentalisieren.
Gentechnische Manipulation kann aber immer nur "Stückwerk-Technologie" sein. Nie wird neues Leben, eine restlos neue Zelle oder gar ein ganz neuartiger Organismus, produziert. Gegebenes Leben wird in seiner Substanz verändert. Es kann auch mit neuen Eigenschaften ausgestattet werden; dadurch allerdings erhält die menschliche Handlungsmacht eine neuartige Qualität.
3. Wozu wird die Gentechnik genutzt?
a) Viren, Bakterien und auch Hefen sind Eingriffen mittels gentechnischer Methoden am ehesten zugänglich.
Anders als bei den Organismen, die einen Zellkern besitzen, ist die Erbsubstanz (DNA) bei Bakterien auf einem Chromosom lokalisiert, das frei in der Zelle liegt und nicht durch einen Zellkern geschützt ist. Bei Viren ist die DNA in der Regel nur von einer Eiweißhülle umgeben, die bei einer Infektion abgelöst wird. Viren, die Bakterien befallen (Bakteriophagen), sind zuerst als Überträger genetischer Substanz in Bakterienzellen benutzt worden. Im Zellplasma von Bakterien sind dann die vom zentralen Chromosom unabhängigen Plasmide (s. schon oben S.18) entdeckt worden, die bei Zellteilungen auch an Tochterzellen weitergegeben werden. Ihre Eigenschaften - geringe Komplexität und, damit verbunden, Übersichtlichkeit - machen sie zu geeigneten Werkzeugen einfacher genetischer Veränderungen.
Werden die durch Einpflanzung bestimmter Gene veränderten Bakterien großtechnisch in Fermentern vermehrt, läßt sich eine Produktion von Wirkstoffen erreichen, die aufgrund der raschen Vermehrungsgeschwindigkeit von Bakterien in wirtschaftlich relevantem Umfang betrieben werden kann. Einer der Schwerpunkte gentechnischer Veränderung und Nutzung von Bakterien liegt im Bereich der Pharmazeutika. Insulin, Interferon, Wachstumshormon oder Blutfaktor VIII können auf diese Weise hergestellt werden und sind zum Teil bereits auf dem Markt. An einer großen Zahl weiterer Medikamente wird gearbeitet, einige haben schon das Stadium der Marktreife erreicht. Weiterhin sind hier DNA-Sonden oder Antikörper für diagnostische Zwecke bzw. zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu nennen, ebenso Impfstoffe, die ihrerseits die natürliche Bildung von Antikörpern provozieren. Für die Krebsbekämpfung könnte die Entwicklung neuer Therapeutika besondere Bedeutung gewinnen.
Weitere Bereiche, in denen gentechnisch veränderte Mikroorganismen oder ihre Produkte eingesetzt werden können, sind die Enzymtechnologie, die ergiebigere und schonendere Verfahren in der Erzeugung von Chemieprodukten erlaubt, die Produktion von Proteinen mit dem Ziel der Verbesserung von Futter- und Nahrungsstoffen und die Herstellung neuer Chemikalien für verschiedenste Anwendungsgebiete. Möglich ist ein Einsatz von der Rohstoffversorgung bis hin zur Energiegewinnung (z.B. Biogas).
Während solche Verfahren in geschlossenen Systemen (im Labor oder im Fermenter) gehalten werden können, erfordern andere Anwendungen die Freisetzung veränderter Bakterien in die Umwelt. Durch sogenannte Eis-Minus-Bakterien, die die Ausbildung von Eiskristallen auf der Blattoberfläche bei sinkenden Temperaturen verzögern, kann die Vegetationsperiode von Nutzpflanzen (Kartoffeln, Erdbeeren) um Wochen verlängert und der Ertrag entsprechend erhöht werden. Weiterhin wird daran gearbeitet, Bakterien so zu verändern, daß sie in der Lage sind, Umweltschadstoffe abzubauen, die von den natürlicherweise vorkommenden Bakterien oder Lebensgemeinschaften von Kleinstlebewesen nur schlecht oder gar nicht angegriffen werden können. So veränderte Organismen sollen für den biologischen Abbau von Kunststoffmüll oder die Abtrennung von Schwermetallen aus Abwässern und Böden nutzbar gemacht werden, um auf diesem Wege bereits eingetretene Umweltschäden eindämmen und minimieren zu können. Solche Techniken sind in Bearbeitung, mögliche Auswirkungen lassen sich noch nicht abklären. Doch haben Freisetzungsexperimente in den USA, Japan und Europa begonnen.
Gentechnisch veränderte Mikroorganismen in die Umwelt zu entlassen kann möglicherweise zu erheblichen Veränderungen des dort eingespielten natürlichen Gleichgewichts führen. Damit ist eine prinzipielle Unwägbarkeit und Unsicherheit für eine solche auf Freisetzung angewiesene Gentechnik gegeben. Selbst bei Einhaltung aller zur Zeit möglichen Sicherheitsvorkehrungen in Forschung und Anwendung - z.B. durch Anwendung von Organismen, die nur begrenzt lebensfähig sind - bleibt in jedem Fall die Möglichkeit bestehen, daß veränderte Organismen oder ihr anders zusammengefügtes Erbmaterial ungewollt in die Umwelt gelangen. Nicht abschließend bestimmen läßt sich derzeit, welche Folgen die Freisetzung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hat. Was nicht vorhergesehen werden kann, kann gerade deshalb eintreten. Die Hauptunsicherheit besteht darin, daß nach neuester Erkenntnis die DNA der Genome variabler, für Austauschreaktionen und Rekombinationen offener ist als früher angenommen. Genübertragungen durch Plasmide sind möglich. Auch begrenzt überlebensfähige Mikroorganismen können u.U. ihr Erbgut durch Genaustausch weiter verbreiten oder selbst rückmutieren und so wieder lebenstüchtig werden. Wie jede Technik kann auch die Gentechnik militärisch verwendet und korrumpiert werden. Die Perversität des Gedankens biogenetischer Waffen zeigt sich darin, daß schon biologische Waffen ein unausdenkbares Zerstörungspotential haben und von der Völkergemeinschaft geächtet sind. Die Konstruktion neuer, gefährlicher Erreger ist freilich im Rahmen der Genfer Konvention nicht verboten, wenn die Erreger im Zusammenhang mit Defensivstrategien, also zur Impfstoffherstellung benötigt werden. So ergeben sich Schwierigkeiten für die Verifikation der vertraglichen Vereinbarungen und für ihre internationale Kontrolle.
b) Ähnlich wie bei Bakterien können gentechnische Methoden in der Pflanzenzucht angewandt werden.
Seit langem bekannt ist die Symbiose von Schmetterlingsblütlern mit Bakterien, die den Stickstoff der Luft verarbeiten und in Stickstoffverbindungen umsetzen können; sie wird bei der Gründüngung genutzt. Es liegt nahe, die Bakteriengene, die diese Fähigkeit besitzen, direkt in Nutzpflanzen einzuführen. Doch das Problem ist äußerst komplex, da je nach Organismen schätzungsweise 20 - 300 Gene an der Stickstoff-Fixierung beteiligt sind. Auch vom Einbau spezifischer Gene, die an diesem Prozeß beteiligt sind, in Plasmide und deren Transfer in Bakterien, die in der Nähe von Getreidewurzeln leben, wird eine Förderung des Wachstums unter Einsparung von Kunstdünger erwartet. Immerhin konnten schon Testgene aus Bakterien in Getreidepflanzen (Mais, Reis) eingeführt werden. Für die Übertragung von erwünschten Erbmerkmalen in Nutzpflanzen kann das Plasmid des allgemein verbreiteten Agrobacterium tumefaciens benutzt werden. Das Bakterium siedelt sich in pflanzlichen Wunden an und überträgt dort DNA-Abschnitte des Plasmids, die Tumore auslösen, in das Genom der Wirtspflanze. Das vermittelnde Plasmid, tumorinduzierender Gene beraubt, kann als Träger fremder Gene eingesetzt werden: An der Infektionsstelle sich bildendes Gewebe läßt sich zu vollständigen Pflanzen regenerieren, die die gewünschte Eigenschaft besitzen.
Ziele derartiger gentechnischer Forschungsvorhaben sind zum einen verbesserte Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel, insbesondere höherer Nährwert, harmonischere Zusammensetzung, verringerter Bitterstoffgehalt und bessere Verdaulichkeit, zum anderen die Steigerung der Produktivität, also der Erträge. Schließlich werden bessere Verträglichkeit für ungünstige Klimafaktoren oder Bodenverhältnisse und gesteigerte Widerstandsfähigkeit gegen Schäden und Krankheiten, die durch Bakterien, Viren, Pflanzen, Tiere oder Agrarchemikalien verursacht werden, angestrebt.
Es gibt verschiedene experimentelle Strategien, um auf gentechnischem Wege beispielsweise Virusresistenz zu erzeugen. So läßt sich, wenn das Gen des Hüllproteins eines Schadvirus transferiert wird, in der zu schützenden Pflanze die schädigende Virulenz bis zur Resistenz (z.B. gegen die Tabakmosaikkrankheit) vermindern. Ein anderes Beispiel bietet der Bacillus thuringiensis. Er besitzt ein hochwirksames Gift, das bestimmte Insekten tötet. Seine Varianten haben spezielle Abwandlungen dieses Endotoxins mit einem sehr eng begrenzten Wirkungsspektrum; sie sind nur bei ganz bestimmten Arten (z.B. krankheitsübertragenden Mückenarten und Kartoffelkäfern) wirksam, nicht aber bei nah verwandten Arten oder etwa bei Wirbeltieren. Das Endotoxin-Gen kann in Pflanzen übertragen werden und bewirkt bei ihnen eine spezifische Resistenz gegen bestimmten Insektenfraß. Analog dazu könnte ein Resistenz-Gen der Wildrübe gegen Fraß von Fadenwürmern auf die Zuckerrübe übertragen werden. So läßt sich übrigens auch ein vertieftes Verständnis von Resistenz und Anpassung wie überhaupt von Wirkungszusammenhängen der Pflanzen gewinnen. Ein kontrovers diskutierter Schritt ist insbesondere die gentechnische Herstellung von Herbizidresistenz bei Nutzpflanzen. Es könnten nämlich Breitbandherbizide (wie Glyphosat) eingesetzt werden, die nur die präparierten Sorten nicht schädigen, alles übrige pflanzliche Leben auf dem Acker aber abtöten. Der Vorteil wird darin gesehen, daß statt vieler Vernichtungsmittel nur eines ausreicht und damit die Gesamtmenge von Vernichtungsmitteln reduziert wird. Selbst wenn dies erreicht werden kann, bleibt der Einsatz von Herbiziden problematisch.
Atrazin wirkt über lange Zeit hochgiftig; darum wird es in der Bundesrepublik Deutschland auch zurückgenommen, in die Dritte Welt wird es aber noch exportiert. Generell ist zu bedenken: Wildkräuter könnten zumindest langfristig Resistenzen entwickeln und damit erneuten Herbizideinsatz provozieren. Das gilt schon vor dem Einsatz gentechnischer Methoden. Durch diese wird die Situation aber noch verschärft. Resistenzen bei Nutzpflanzen und Wildkräutern schaukeln sich unter Umständen evolutionär gegenseitig auf. Die Verwendung chemischer Gifte wird von daher grundsätzlich in Frage gestellt. Bodenorganismen und Pflanzen an Ackerrainen können schon jetzt, unter Umständen noch über weite Entfernungen hinweg, geschädigt oder zerstört werden. So besteht die Gefahr erheblicher Beschleunigung der Wildpflanzen- und Artenverarmung. Von 300 Ackerwildarten in der Bundesrepublik Deutschland sind heute bereits über 80 gefährdet. Von diesen leben Insekten, die wiederum für die Ernährung von Vögeln unverzichtbar sind. So ergeben sich erhebliche Auswirkungen auf das Ökosystem im ganzen. Weiterhin muß die schädliche Wirkung der Bodenerosion beachtet werden, die durch Abtötung und Verarmung der Pflanzendecken fortschreitet. Beim Maisanbau macht sich dies bemerkbar. Mit Hilfe von Untersaaten, die nicht mit Mais konkurrieren, wird versucht, das sekundär zu korrigieren. Lokal ist durch das Eindringen von Atrazin in das Grundwasser schon die Trinkwasserversorgung gefährdet worden. Nicht hinreichend abgeklärt und vielleicht auch gar nicht abklärbar ist schließlich, welche Wirkungen die Stoffwechselprodukte bestimmter von Nutzpflanzen abgebauten Herbizide auf Menschen haben, insbesondere auf Embryonen und im Hinblick auf die Entstehung von Krebs. Neue Auflaufherbizide verbessern die Situation: Glyphosat kann selektiv eingesetzt werden und zerfällt in kurzer Zeit (wenige Tage bis Monate) in rein mineralische Bestandteile (Phosphat, Wasser, Kohlendioxyd), seine Nebenwirkungen sind also gering. Doch auch hier ist nicht geklärt, was die Bodenflora und -fauna erleiden. So ist, auch wenn sich die Ökosysteme als erstaunlich stabil erweisen, der gentechnische Einbau von Widerstandsfähigkeiten nicht nur gegen Konkurrenzorganismen, sondern darüber hinaus auch gegen deren Vernichtungsmittel unter ökologischen wie toxikologischen Gesichtspunkten nach wie vor problematisch.
c) Für die gentechnische Forschung und ihre Anwendung bei Säugetieren bilden die neueren Entwicklungen der Befruchtungs- und Reproduktionstechnik eine wichtige Voraussetzung. Sie sind noch nicht selbst Gentechnik und daher ethisch gesondert zu betrachten.
In ihrem Rahmen wird schon längere Zeit die künstliche Besamung praktiziert. Die Auslösung von Superovulation, das Ausspülen von Embryonen und die Befruchtung außerhalb des Muttertieres (In-vitro-Fertilisation/IVF) sind neuere Verfahren, mittels derer die Fortpflanzung beeinflußt werden kann. Prinzipiell ist bis zum 16-Zell-Stadium eine Vereinzelung von Embryonalzellen, von denen sich jede zu einem vollständigen Tier weiterentwickeln kann, möglich. Durch diese Art von Klonierung entstehen genetisch identische Tiere. In Verbindung mit einer genauen Analyse des Erbguts können sich dadurch für die Zuchtbetriebe ökonomische Vorteile ergeben. Die Bestimmung des Geschlechts der Embryonen, bevor sie auf Empfängertiere übertragen werden, ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Faktor. Die Tiefgefrierkonservierung gestattet längere Aufbewahrung und weltweiten Versand von Embryonen. Die Kombination von Embryonalzellen unterschiedlicher Tiere erlaubt es, Chimären zu erzeugen. Genannt seien die schwarz-weiß gefleckte Chimärenmaus und die sogenannte Schiege, eine Mischung aus Schaf und Ziege. Die Tomoffel, eine Kombination von Tomate und Kartoffel mit möglichen Erträgen über und unter der Erde, ist ein paralleles Beispiel aus dem Pflanzenreich. Entsprechende Experimente sind vorläufig lediglich für die Grundlagenforschung von Bedeutung.
Die Gentechnik selbst (im Sinne der Genmanipulation) wird im Blick auf Säugetiere vornehmlich in der Grundlagenforschung eingesetzt. Anwendungsmöglichkeiten mit dem Ziel der Resistenzbildung gegen Krankheiten und Umwelteinflüsse und insbesondere der Leistungssteigerung werden erprobt. In diesem Zusammenhang dient die Genomanalyse dazu, einerseits Abweichungen von der normalen genetischen Ausstattung festzustellen und andererseits bestimmte Gene zu identifizieren. Das längerfristige Ziel ist es, Erbkrankheiten möglichst zu eliminieren, mit erwünschten Merkmalen weiterzuzüchten und damit die Zucht zu verbessern.
So soll die Untersuchung von Struktur und Funktion der Gene, die bei Kühen den Proteingehalt der Milch bestimmen, entsprechende Verbesserungen in der Milchproduktion ermöglichen. Ein weiteres Beispiel angestrebter Eigenschaften ist eine Kälteresistenz bei Freilaufschweinen. Medizinisch interessant sind vergleichende Untersuchungen über die genetische Grundlage der Trisomie 21 (Down-Syndrom) beim Menschen (die Chromosomenabweichung, die Ursache des sogenannten "Mongolismus" ist) und der Trisomie 16 bei der Maus. Die ersten Versuche eines Gentransfers in das Genom eines Säugetiers sind erfolgreich durchgeführt worden: So hat die Einführung des Gens einer Ratte, das für das Wachstumshormon kodiert, in befruchtete Eizellen von Zwergmäusen in einigen Fällen zu einem gesteigerten Größenwachstum geführt. Auch menschliche Gene können von Tieren exprimiert werden. Erfolgreiche Ergebnisse von Klonierungsversuchen, bei denen identische Erbsubstanz von Tieren in befruchtete Eizellen eingeführt wurde, liegen bei der Maus vor.
Ein weiteres Feld gentechnisch betriebener Tierzucht ist die Herstellung bestimmter Labortiere. Mit Hilfe der Gentechnik ist es zunehmend möglich, für spezielle Fragestellungen die geeigneten Versuchstiere nicht nur auszuwählen, sondern unmittelbar zu erzeugen. Vorteile verspricht man sich hier vor allem für die Prüfung von Arzneimitteln. Weiterhin wird gemeinhin davon ausgegangen, daß mögliche Therapien von Gendefekten am besten an Tieren studiert werden können, denen der entsprechende Defekt eingepflanzt worden ist. So wird die Tumormaus in der Krebsforschung, die Aids-Maus bei der Untersuchung der Immunschwäche und der Testung von Stoffen, die als Arzneimittel in Frage kommen könnten, eingesetzt. Die bewußte Herstellung genetisch defekter Tiere hat ihre eigene ethische Problematik: Es stellt sich die Frage, ob der Tatbestand der Tierquälerei vorliegt. Ein auch nur als wahrscheinlich anzunehmendes Schmerzempfinden von höheren Tieren ist dafür ein wichtiges Kriterium. Für den handelnden, biologisch forschenden Menschen muß es ein Gebot der Selbstachtung sein, daß die Produktion von kranken Tieren nicht ohne Not geschieht. Die ethische Frage gilt freilich auch schon für die Technisierung der Tierhaltung allgemein: Hier hat sich eine Umformung zur bloßen Tierproduktion vollzogen, die in der Intensivhaltung ausschließlich der Herstellung nützlicher Funktionsabläufe dient.
Die Herauszüchtung von wenigen tierischen Hochleistungsrassen, die durch die Gentechnik noch erheblich beschleunigt wird, kann schon mittelfristig zu einer genetischen Verarmung des Viehbestandes führen. Die Anpassung an sehr begrenzte künstliche Lebensbedingungen, die bei transgenen Schweinen bereits Krankheitscharakter erreicht hat, macht solche Züchtungsprodukte gegen die verschiedensten Störfaktoren äußerst anfällig. Die Zucht von Schweinen und Rindern ist nur sinnvoll, wenn auf die Erhaltung der Fruchtbarkeit und der Gesundheit geachtet wird. Leistungen lassen sich nicht sprunghaft verbessern. Die allgemeine Abnahme der Rassenzahl, zunehmende Anpassungsschwierigkeiten und die Produktion kranker Tiere können langfristig auch ökonomisch zu empfindlichen Rückschlägen führen. Das gilt allgemein für alle Tierzüchtungen. Doch durch die Gentechnik erhöht sich die potentielle Gefahr.
Die Erhaltung und Pflege der genetischen Vielfalt bei Tieren ebenso wie bei Pflanzen ist schon außerhalb aller ethischen Gesichtspunkte ökonomisch dringend geboten. Die heutige Artenvielfalt der Organismen ist naturgeschichtlich in sehr langen Zeiträumen entstanden. Sie innerhalb einer oder zweier Generationen drastisch zu reduzieren - täglich stirbt mindestens eine Art aus - bedeutet eine elementare Veränderung des natürlichen Gleichgewichts und damit der Lebensbedingungen auf der Erde.
d) An Tieren erprobte technische Methoden können schließlich auch auf Menschen übertragen werden. Auf diesen Sachverhalt soll hier noch ausdrücklich aufmerksam gemacht werden, auch wenn sich der vorliegende Beitrag thematisch auf die Anwendung der Gentechnik beim nichtmenschlichen Leben konzentriert. Bei der Prüfung von Arzneimitteln ist die Übertragung der an Tieren gewonnenen Erkenntnisse auf Menschen seit langem eingeführt. Die Entwicklung der Befruchtungs- und Reproduktionstechnik bei Schafen und Rindern bis hin zu In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer war die Voraussetzung für die Sterilitätsbehandlung bei Menschen. Die Genomanalyse (s. oben S.00) und die Gentherapie machen hier keine Ausnahme. Die somatische Gentherapie, die sich auf den Genaustausch über Körperzellen (z.B. Knochenmark zur Therapie von Blutkrankheiten) beschränkt, kann noch als spezielle Methode im Rahmen der Transplantationsmedizin verstanden werden. Aber eine eventuell mögliche Keimbahntherapie ginge prinzipiell darüber hinaus: Hier findet eine Korrektur des Genoms statt, die alle künftigen Generationen mitbetrifft und die auch andere als therapeutische Manipulationen ermöglicht. Die Ausbildung dieser Technik an Säugetieren könnte auch zur Anwendung bei Menschen führen. Jedenfalls dient die Möglichkeit einer Keimbahntherapie bei Menschen auch als Perspektive und Legitimation der gentechnischen Forschung an Tieren. Gegenwärtig besteht allerdings in der Bundesrepublik Deutschland, in zahlreichen anderen Ländern wie in der Diskussion der Ökumene ein breiter Konsens, daß Veränderungen an den menschlichen Keimbahnzellen angesichts der Risiken, Voraussetzungen und Folgen solcher Eingriffe aus ethischen Gründen nicht zulässig sind.