Einverständnis mit der Schöpfung
Anhang: 4. Zur Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen
4.1 Warum ist Patentierung ein ethisches Problem?
Seit dem Ende der 80er Jahre ist eine lebhafte Diskussion über die Patentierung von Genen und lebender Materie einschließlich Lebewesen im Gange. Dabei handelt es sich nur zum Teil um juristische Fragen; ein gewichtiger Teil der Debatte befaßt sich mit ethischen Problemen, und zwar aus einem doppelten Grunde: Zum einen löst die Patentierung von Genen und Lebewesen ethische Bedenken sowohl grundsätzlicher Art als auch bezüglich der Abwägung möglicher Folgen aus. Zum anderen enthalten die gesetzlichen Bestimmungen selbst einen Vorbehalt der Moralverträglichkeit:
So hält Art. 53a des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) fest, daß europäische Patente nicht erteilt werden für "Erfindungen, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde". Eine entsprechende Regelung ist in Artikel 6 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen enthalten.
Die sich hier zeigenden Fronten in der Debatte, die 1991 erst in Umrissen erahnt werden konnten (s.o. S. 34f.), konzentrieren sich vordringlich entlang der folgenden Fragen:
- Ein grundsätzlicher Gesichtspunkt ist die Würde oder auch Heiligkeit des Lebens ("sanctity of life"). Dabei gilt es, zwei Aspekte zu unterscheiden:
- Gene und lebende Materie und ohnehin ganze Lebewesen sind Elemente der Schöpfung Gottes und als solche Teile des Erbes der Menschheit. An ihnen kann also höchstens Gott ein Eigentumsrecht geltend machen, nicht aber ein Mensch. Entspringt es dann nicht menschlicher Hybris und widerspricht es nicht der Idee eines "Erbes der Menschheit", wenn in Form von Patenten trotzdem Eigentumsrechte an Genen und lebender Materie geltend gemacht werden?
- Gene, lebende Materie und ohnehin ganze Lebewesen als Elemente der Schöpfung sind bereits vorhanden und können daher höchstens entdeckt, nicht aber erfunden werden, wie dies bei der Patentierung beansprucht wird.
- Stärker auf eine Abwägung der Folgen richten sich andere Fragen, die vordringlich um drei Gesichtspunkte kreisen:
- Welches wären die Konsequenzen einer weitgehenden Patentierung von Genen und lebendem Material für die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung? Würde sich nicht eine starke Forschungs- und Entwicklungsbehinderung derjenigen, die keine Patente halten, durch die Patentinhaberinnen und -inhaber ergeben?
- Wie würde sich die Patentierung auf die Verteilung der Verfügungsmacht über Gene und lebende Materie einschließlich von ganzen Lebewesen auswirken? Ist nicht eine starke Monopolisierung und ungerechte Verteilung der technischen Entwicklungen zu befürchten, die u.U. den Menschen auch wichtige Entwicklungen vorenthält?
- Welche Auswirkungen hätte eine Intensivierung der Patentierung auf diesem Gebiet für die Spannungen zwischen Nord- und Südhemisphäre? Ist nicht zu befürchten, daß die reichen Länder noch reicher und die armen noch ärmer werden, da jene die Patente für z.B. leistungsfähigere Nutzpflanzen halten, die diese für die Ernährung der in ihnen ungleich schneller wachsenden Bevölkerung benötigen?
4.2 Das Patent als geistiges Eigentum
Die Patentierung von Genen und lebender Materie hat eine grundsätzliche Kontroverse ausgelöst. Sie zielt auf die Frage: Können die Kriterien für eine Patentierung (neue, gewerblich anwendbare Erfindung auf einem Gebiet der Technik) auf den Bereich der Lebewesen ausgedehnt werden mit der Folge einer Eigentumsbegründung und dem Recht, andere von der Verwertung der der Patenterteilung zugrunde liegenden Erfindung auszuschließen? Hier wird ein Konflikt erkennbar mit dem Gedanken des Eigenwerts und Eigenrechts der Natur, der damit zentral im Spannungsverhältnis von Moral, Recht und Markt steht. Das Patentrecht ist international sehr unterschiedlich geregelt. Im Gegensatz zu einer teilweise eher restriktiven Patenterteilung in Deutschland und Europa werden in den Vereinigten Staaten Patente in weitem Umfang auf Erfindungen erteilt. Diese Konflikte kennzeichnen die derzeitigen Bemühungen um rechtliche Regelungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie auf der Ebene der Europäischen Union, bei multilateralen Handelsabkommen sowie Konventionen von UN-Organisationen.
4.2.1 Umfang und Grenzen des Eigentums in der gegenwärtigen Rechts- ordnung in Deutschland
Der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes hat in den vergangenen Jahrzehnten eine tiefgreifende Entwicklung erfahren, die durch Ausdehnung und, damit verbunden, durch einen immer weiter greifenden Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie gekennzeichnet ist. In der Weiterentwicklung eines auf römisch-rechtlichen Vorstellungen beruhenden Eigentumsbegriffs des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der lediglich Sachen, d.h. körperlich fest umrissene Gegenstände und Immobilien umfaßte und sich am agrarisch bzw. handwerklich geprägten Wirtschaftsmodell orientierte, ist der Schutz des Eigentums heute auf alle vermögenswerten Rechte erstreckt. Damit sind die dinglichen Rechte, ebenso wie Rechte an schöpferischen Leistungen wie Urheberrechte und Patente von der Eigentumsgarantie umfaßt.
Das Eigentum vermittelt das umfassendste Recht an einer Sache. Es schließt die Abgrenzung gegenüber dem Zugriff Dritter notwendigerweise ein. Umgekehrt bedeutet dies, daß an allem, was nicht abgrenzbar ist, etwa weil es unbegrenzt zur Verfügung steht oder weil es sich der tatsächlichen Beherrschbarkeit entzieht, kein Eigentumsrecht begründet werden kann.
Das Eigentum erstreckt sich so weit, wie es beherrschbar ist - bei Grundstücken auch in gewissem Umfang über und unter die Oberfläche des Areals. Zur Dimension des Eigentums gehört auch das Recht des Gebrauchmachens ebenso wie die zeitliche Dimension in Form der Weitergabe durch das Erbrecht, durch welches das Eigentum über die Person des Eigentümers hinaus perpetuiert wird.
Gleichwohl gilt das Eigentumsrecht nicht schrankenlos. In Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". Das Eigentum unterliegt damit einer Sozialbindung, deren Umfang sorgfältig ermittelt werden muß. Der Ursprung dieser Regelung liegt in der von christlicher und sozialistischer Seite geübten Kritik an den sozialen Verhältnissen und den Konsequenzen des wirtschaftlichen Gebarens von Unternehmern im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Die unmittelbare Rechtsgeltung dieses Verfassungsprinzips schließt den Schutz des Eigentums dann aus, wenn dieses einzig auf die Schädigung des Allgemeinwohls oder eines bzw. einer einzelnen abzielt. Ansonsten konkretisiert sich die Sozialbindung durch Gesetz. Hier sind als Beispiele das Naturschutz- und Immissionsschutzrecht oder der Tierschutz und das Seuchenschutzrecht ebenso zu nennen wie das Steuer- oder Kartellrecht. Bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse ist zugunsten des Gemeinwohls die Belastung bis zur Entziehung des Eigentums möglich. Hier wird die Eigentumsgarantie durchbrochen. Dies kann in der Verpflichtung zur Duldung bestimmter Nutzungen durch Dritte oder die Allgemeinheit bestehen, in Veräußerungsbeschränkungen z.B. bei Kunst- und Kulturgütern von nationaler Bedeutung bis hin zur vollständigen Enteignung. Diese darf nach dem Grundgesetz jedoch nur auf gesetzlicher Grundlage und gegen Entschädigung erfolgen.
4.2.2 Geistiges Eigentum - Patente
Aus der Naturrechtslehre stammt der Gedanke, daß persönlich geschaffene immaterielle Güter ebenso wie persönlich geschaffene körperliche Sachen einem Eigentumsrecht unterliegen sollen, einer Ausschließungs- und Abwehrbefugnis der Urheberin bzw. des Urhebers. Hieraus haben sich zwei Hauptfelder des geistigen Eigentums entwickelt: Zum einen die geistig-literarisch-künstlerischen, die "zwecklos schönen" Schöpfungen, für die ein Urheberrecht anerkannt wurde, das die Verwertung allein dem Autor oder der Autorin zuweist, zum anderen die materiell-technisch-nützlichen Schöpfungen, die mit einem Patent gegen unberechtigte Nachahmungen geschützt werden. Für Pflanzensorten ist ein besonderes Schutzrecht geschaffen worden, durch das die Züchterinnen und Züchter von neuen Pflanzensorten gegen unberechtigte Weitervermehrung dieser Sorten geschützt werden. Dies gilt auch dann, wenn die neuen Sorten nicht "erfunden", sondern nur in der Natur aufgefunden worden sind, solange sie nur unterscheidbar, homogen und stabil sind.
Das Patent als geistiges Eigentum ist gekennzeichnet durch alle wesentlichen Eigenschaften, die auch den materiellen Eigentumsrechten zukommen. Es umfaßt das Ausschließungs- und Verbietungsrecht gegenüber Dritten, und es erstreckt sich so weit, wie ein vernünftiges Interesse und eine tatsächliche Beherrschbarkeit gegeben sind.
Das Eigentum an einem Patent begründet nicht Eigentum am Gegenstand des Patents. Eigentumserwerb und -verlust regeln sich außerhalb des Patentrechts. Der Erwerb eines Patents umfaßt nicht ein positives Besitz- oder Nutzungsrecht, sondern ein negatives Ausschließungsrecht: Das Patent stellt keine staatliche Erlaubnis zur Umsetzung einer bestimmten Erfindung dar, sondern beinhaltet die Möglichkeit - jedoch keine Garantie - zur alleinigen Nutzung der patentierten Erfindung während eines Zeitraums von maximal 20 Jahren. Wer das Recht aus einem Patent hat, ist während der Laufzeit des Patents allein berechtigt, zu entscheiden, in welchem Umfang die Erfindung vermarktet und verwertet oder anderen gegen Zahlung von Lizenzgebühren zur Verwertung überlassen werden soll.
Wie jedes Eigentumsrecht ist auch das Recht aus dem Patent gewissen rechtlichen Schranken unterworfen. Dies gilt insbesondere für das Recht, eine Erfindung nicht zu nutzen, etwa in den Fällen, in denen ein besonderes öffentliches Interesse an einer Erfindung, z.B. bei neuartigen Arzneimitteln, besteht. Für diese Fälle ist gesetzlich geregelt, daß eine Patentinhaberin bzw. ein Patentinhaber zur Erteilung einer Lizenz verpflichtet werden kann, wenn sie bzw. er selbst eine für die Allgemeinheit notwendige Erfindung nicht nutzbar machen kann oder will. Allerdings ist diese Bestimmung in der Praxis noch so gut wie nie angewandt worden. Gleichwohl wird vielfach in Zweifel gezogen, daß die gegenwärtige Rechtslage ausreicht, um sicherzustellen, daß die Patentinhaberin bzw. der Patentinhaber ihr bzw. sein Verbietungsrecht nicht gegen öffentliche Interessen ausüben kann. Das Verbietungsrecht des Patentrechts darf, so wird geltend gemacht, nicht dazu führen, daß neuartige und verbesserte Medikamente erst mit einer mehrjährigen Verzögerung entwickelt werden können.
4.3 Entdeckung / Erfindung
Die patentrechtlichen Prinzipien werden allgemein als unproblematisch angesehen, solange sie auf nichtlebende Materie, etwa die Erfindung einer Maschine oder einer chemischen Substanz, angewandt werden. Sie lösen jedoch die genannten Kontroversen aus, sobald sie auf den Bereich der Lebewesen übertragen werden. Die Frage ist, ob ein Patent z.B. auf die technische Nutzbarmachung der Information eines Gens nach denselben patentrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden kann wie eine Erfindung im Bereich der Chemie oder des Maschinenbaus.
Weltweit ist eine übereinstimmende Definition darüber, was Gegenstand eines Patentes sein kann, nicht gegeben. Nach dem Recht der USA ist seit einem Grundsatzurteil des Supreme Court der USA von 1980 ("Chakrabarty-Urteil") festgelegt, daß "alles unter der Sonne" patentierbar ist, was von Menschenhand gemacht ist.
Weder das deutsche Patentgesetz noch das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) enthalten genaue Festlegungen, was patentfähig sein kann. Übereinstimmung besteht lediglich darin, daß es sich um neue, gewerblich anwendbare Erfindungen auf dem Gebiet der Technik handeln muß. Die Erfindung muß selbst eine technische sein und sich vom bisherigen Stand der Technik abheben. Zur Frage, was im Sinne des Patentrechts als technisch angesehen werden kann, ist eine Definition des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1969 bis heute prägend: "Technisch ist eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs." Erfindungen können demnach auf jedem technischen Gebiet Patentschutz erlangen, wenn sie hinreichend beschreibbar, beherrschbar und wiederholbar sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht kein grundsätzliches rechtliches Hindernis, auch den planmäßigen Einsatz biologischer Naturkräfte einschließlich der genetischen Information der Patentierung zugänglich zu machen.
Im geltenden europäischen Patentrecht sowie in der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (KOM(97) 446 endg./Fassung vom 29.8.1997) gelten im Hinblick auf biotechnologische Erfindungen grundsätzlich dieselben Regeln wie für Erfindungen in den "klassischen" Bereichen der Technik. Auch im Bereich der Biologie setzt Patentierung eine bestimmte planmäßige Nutzbarmachung beherrschbarer Naturkräfte zu einem erfindungsgemäßen Zweck voraus. Zu diesen "Naturkräften" zählt das Patentrecht auch die genetische Information, soweit sie eine Steuerungsfunktion hat. Die Nutzung des chemischen Codes der Erbsubstanz, die bei gentechnologischen Erfindungen die Schlüsselrolle spielt, ist Ziel und Gegenstand von patentfähigen Erfindungen.
4.3.1 Patentfähige Erfindungen
Im Zentrum der Diskussion um die Patentierung steht die Frage nach der Abgrenzbarkeit zwischen patentfähiger Erfindung und nicht patentfähiger Entdeckung. Im Patentrecht gilt hier ebenso wie in anderen Bereichen der Technik, daß nur patentiert werden kann, was vorher noch nicht als nutzbar beschrieben und zur Verfügung gestellt worden ist. Hieraus wird für die Abgrenzung gefolgert: Kenntnisse betreffend Struktur und Funktion biologischen Materials, das in der Natur aufgefunden wird, gehören in den Bereich der wissenschaftlichen Entdeckung und sind deshalb keine patentierbaren Erfindungen. Etwas anderes gilt aber, wenn in neuer und erfinderischer Weise beschrieben wird, wie man Kenntnisse über Struktur und Funktion biologischen Materials einsetzen kann, um beispielsweise ein Heilmittel zu produzieren. In diesem Fall kann eine Erfindung vorliegen. Die - gewerbliche - Nutzbarmachung ist ein wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen patentfähiger Erfindung und Entdeckung. Wird lediglich eine Entdeckung beschrieben, ohne daß gleichzeitig die Lösung eines technischen Problems angegeben wird, liegt keine patentfähige Erfindung vor, denn für die bloße Beschreibung von etwas Neuem, das man aufgefunden hat, kann kein Ausschließungsrecht gewährt werden. Die geplante Richtlinie der EU sieht in Artikel 5 deshalb ausdrücklich vor: "Die Funktion (gemeint ist die biologische, kodierende Funktion, Anm. d. Hrsg.) einer Sequenz oder Teilsequenz muß in der Patentanmeldung konkret beschrieben werden."
Diejenigen, die den Patentschutz gentechnischer Erfindungen befürworten, argumentieren, daß Patentschutz für nutzbar gemachte genetische Information zu einem bestimmten erfindungsgemäßen Zweck in neuer, erfinderischer und gewerblich anwendbarer Weise nicht dadurch ausgeschlossen werden kann, daß der nutzbar gemachte Informationsanteil der technischen Erfindung mit dem eines natürlichen Gens, aus dem er erlangt worden ist, identisch ist. Hieraus folgt, daß für Erfindungen, die auf der Nutzung genetischer Informationen beruhen, alle Patentkategorien in Betracht kommen, die auch für andere chemische Substanzen gelten:
Den weitesten Schutz bieten Erzeugnispatente, wenn die zu patentierende informationstragende Sequenz neu ist. Dies wird angenommen, wenn ihre Struktur und ihr - zu gewerblichen Zwecken nutzbarer - Informationsgehalt neu im Sinne von erstmals bereitgestellt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob z.B. ein Protein, für dessen Gewinnung die genetische Information eingesetzt werden soll, neu ist oder nicht. Neben diesem - wegen seines weiten Schutzumfangs am stärksten umstrittenen absoluten - Stoffschutz kommt ein zweckgebundener Stoffschutz für eine erste medizinische Indikation in Betracht, wenn die DNA und das entsprechende Protein, nicht aber seine medizinische Anwendbarkeit bekannt waren. Beispiele für derartige Erzeugnisse sind Arzneistoffe, Lebendimpfstoffe, aber auch Tiere (nicht Tierrassen, s.u. S. 146) und Pflanzen (nicht Pflanzensorten), Mikroorganismen, Viren, Sequenzen des menschlichen Erbgutes.
Daneben kommen Verfahrenspatente in Betracht, z.B. für die Herstellung bestimmter Produkte mit Hilfe bestimmter Gene. Sie bieten allerdings weniger Schutz, da bei Kenntnis der Ausgangsinformation sowie des Endprodukts das Verfahren leicht modifiziert nachgebildet werden kann.
Es können auch Verwendungspatente erteilt werden, wie z.B. für die Verwendung des Blutinhaltsstoffes Fibrin als Klebstoff in der Chirurgie. Ihr Schutz umfaßt genau die im Patent beschriebene Anwendung. Nicht patentfähig sind in jedem Fall die therapeutischen oder chirurgischen sowie die diagnostischen Verfahren selbst, so daß die ärztliche Therapiefreiheit unangetastet bleibt.
Die verschiedenen Anspruchskategorien können auch in einem Patent enthalten sein.
4.3.2 Aspekte der Patentierung
Die Patentierung biotechnologischer Erfindungen wirft eine Reihe spezifischer Fragen auf:
Neuheitsbegriff
Wesentliche Voraussetzung für die Patentfähigkeit einer Erfindung ist, daß sie eine nicht zum Stand der Technik zu rechnende Neuheit beinhaltet. Der Stand der Technik umfaßt alles, was der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Gebrauch oder in anderer Weise vor dem Anmeldetag des Patents bekanntgemacht worden ist. Intuitiv scheint es nahezuliegen, daß Substanzen, die vor ihrer erstmaligen Beschreibung in einer Patentanmeldung bereits genutzt worden sind, nicht neu sein können, auch wenn diese Benutzung mit keiner Information für die Öffentlichkeit über die Natur dieser Substanz oder ihrer Herstellung verbunden war.
Der Trugschluß, zumindest aus der Sicht des Rechts, besteht darin, daß 'Stand der Technik' im Sinne des Patentrechts immer nur bekannte und nachvollziehbare technische Kenntnisse sein können, nicht dagegen Dinge, die man nicht kennt, nicht beschreiben und nicht gezielt und geplant einsetzen kann. Zur Erfindung gehört notwendigerweise eine technische Lehre. Sie muß der Öffentlichkeit bekanntgemacht worden sein. Was ohne Kenntnis der relevanten Tatsachen oder technischen Zusammenhänge getan wird, kann nicht neuheitsschädlich sein, selbst wenn dieselbe Handlung, nach Patenterteilung vorgenommen, sich als Patentverletzung herausstellen würde.
Hieraus kann sich folgendes Problem ergeben: Bei Völkern und Individuen, die nicht den westlichen Industriegesellschaften angehören, existieren vielfach Wissen und Überlieferungen von Naturstoffen, deren Wirksamkeit dort bereits seit Jahrhunderten - allerdings ohne Kenntnis der "technischen Lehre" - bekannt ist und genutzt wird. Mit der Erforschung der Grundlagen ist es in den wissenschaftlichen Labors möglich, die Wirkungszusammenhänge zu beschreiben und damit patentfähig zu machen. Es muß sichergestellt werden, daß das daraus herrührende Verbietungsrecht sich nicht auf die traditionellen Anwendungen erstrecken kann.
Patentschutz der Folgegeneration
Auch im Zusammenhang mit Genen und belebter Materie ist Ansatzpunkt für das Ausschließungsrecht, das aus dem Patent folgt, das technische Know-how. Dabei kann es um ein gentechnisches Verfahren zur Veränderung eines Organismus gehen, aber auch um den veränderten Organismus selbst, auf den sich das Patentrecht bezieht. In jedem Fall ist Ansatzpunkt für jede Patentierung eine bestimmte genetische Information, die planmäßig eingesetzt wird, um bestimmte Produkte oder Eigenschaften, die diese Information steuert, in einem Organismus gezielt hervorzubringen. Auf einen geänderten Organismus selbst bezieht sich das Verbietungsrecht nur insoweit, als er durch die entsprechenden erfindungsgemäßen Eigenschaften gekennzeichnet ist (z.B. die sog. Krebsmaus). Im Gegensatz zu nicht vermehrungsfähiger Materie, bei der das Verbietungsrecht sich mit dem erstmaligen Inverkehrbringen erschöpft, tritt diese patentrechtliche Erschöpfung bei lebender Materie solange nicht ein, wie die erfindungsgemäßen Merkmale vorhanden sind.
Aus diesen Ausnahmeregelungen folgen erhebliche Konsequenzen für den Erzeugnisschutz in bezug auf Pflanzen und Tiere. Der Patentschutz für Pflanzen (soweit sie nicht unter die Sortendefinition des Sortenschutzabkommens fallen) und für Tiere (ein eigenständiges Tierrassenschutzrecht existiert bis heute nicht) erstreckt sich auf die Folgegenerationen, soweit diese durch die erfindungsgemäßen Merkmale gekennzeichnet sind. Hieraus resultiert eine erhebliche Ausweitung des Patentschutzes, der sich zudem auch "horizontal" erstrecken kann, wenn eine erfindungsgemäße Eigenschaft oder Information in andere als die ursprünglich geschützten Organismen eingebaut wird.
Nach dem Wortlaut des deutschen und des europäischen Patentrechts sind Pflanzensorten und Tierarten von der Patentierung ausgeschlossen. Unabhängig von der Definition von "Art" und "Sorte" bedeutet dies aber nicht, daß auf Pflanzen und Tiere gerichtete Patentansprüche zwangsläufig unzulässig sein müßten. Der Ausschluß wurde geschaffen, um für Züchterinnen und Züchter ein Sonderrecht offenzuhalten, das für die Landwirtschaft eine lizenzfreie Nachzucht aus den betreffenden Zuchtlinien für den eigenen Betrieb zuläßt. Im Sortenschutzrecht ist dies in bezug auf züchterische und landwirtschaftlich bedeutsame Sorten geschehen. Auch wenn ein Tierrassenschutzrecht nicht existiert, liegt es nahe, für die Patentierung von Tieren die für Pflanzen entwickelten Grundsätze analog anzuwenden. Das würde bedeuten, daß der Patentierungsausschluß nur für züchterisch und landwirtschaftlich relevante Zuchtlinien gelten würde, für die ggf. ein eigenes Schutzrecht zu schaffen wäre, bei dem dann auch ein Nachzuchtrecht für landwirtschaftliche Betriebe vorgesehen werden könnte. Im Zusammenhang mit der geplanten EU-Richtlinie soll in allen Fällen auch bei Patenten ein lizenzfreies Nachzuchtrecht vorgesehen werden.
Allerdings ist diese Frage heftig umstritten. Während die einen einer solchen Durchbrechung des Patentschutzes kritisch gegenüberstehen, fordern die anderen eine Gleichbehandlung mit dem Sortenschutzrecht für Pflanzen auch für den Bereich der Tierzucht. Es erscheint jedenfalls in hohem Maße klärungsbedürftig, durch Rechtsvorschriften im nationalen und europäischen Bereich zu bestimmen, wie die Modalitäten des Landwirteprivilegs einerseits und die Abgrenzung von "Arten" und "Sorten" andererseits ausgestaltet werden.
Wenn auf der Grundlage von patentgeschützten gentechnisch veränderten Pflanzen neue Sorten gezüchtet werden, kann das dazu führen, daß für die Nutzung dieses Ursprungsprodukts eine Lizenzgebühr zu zahlen ist.
Hinterlegung
Ein erhebliches Problem bildet im Bereich von Patentanmeldungen in der Biologie das Erfordernis der eindeutigen und vollständigen Beschreibung der Erfindung. Da dies bei Mikroorganismen nicht möglich ist, gilt hier als Sonderregelung die Hinterlegung. Hierzu ist es ausreichend, anstelle der Beschreibung einen Mikroorganismus oder eine Zellkultur für die Fachwelt bei einem anerkannten Depot zur Verfügung zu halten, damit Interessierte gegebenenfalls eine Probe entnehmen können, um die Erfindung zu untersuchen und nachzuarbeiten. Diese Hilfskonstruktion ist wenig befriedigend. Zum einen ist das Patentamt darauf angewiesen, den erforderlichen Vergleich der angemeldeten Erfindung mit dem Stand der Technik, die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit ohne vollständige eigene Kenntnis vom eigentlichen Erfindungsgegenstand vorzunehmen. Zum anderen ist der Zugang der Öffentlichkeit oder von Konkurrenzunternehmen bei abgelehnten oder zurückgezogenen Patentanträgen umstritten. Die moderne Biologie trägt dazu bei, durch bessere Beschreibung hier letztlich wieder den Weg zu eindeutigen Grundlagen der Patenterteilung zu beschreiten.
Patent auf Böses?
Sowohl Art. 53 (a) EPÜ als auch Artikel 6 des geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen als auch die nationalen Patentgesetze sehen die Möglichkeit vor, daß die Patentämter die Erteilung eines Patents für eine Erfindung dann verweigern können, wenn deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Fachleute vermuten, daß auf der Grundlage dieser Vorschriften Patentämter jedoch nur selten in die Lage kommen werden, Patente zu verweigern. Dies liegt daran, daß es keineswegs ausreichend ist, wenn ein Patent in einem europäischen Staat gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten, den ordre public, verstoßen würde. Ein Ausschluß vom Patent käme wahrscheinlich allenfalls dann in Betracht, wenn ein solcher Verstoß in allen europäischen Staaten vorläge. Im übrigen prüfen die Patentämter allenfalls einen möglichen Rechtsverstoß des beanspruchten Ziels der Erfindung. Weitere, möglicherweise gegen die guten Sitten verstoßende Wirkungen der Erfindung, bleiben außer Betracht, solange sich der angestrebte Schutzbereich des Patents nicht ausdrücklich auf solche Wirkungen bezieht.
Kritikerinnen und Kritiker der Patentierung biotechnologischer Erfindungen sehen hier eine entscheidende Schwachstelle in der Rechtsanwendung bei der Patenterteilung. Sie fordern einerseits eine weit umfassendere Prüfung auch der Technikfolgenabschätzung im Patenterteilungsverfahren. Sie machen andererseits auf Differenzen in der Handhabung des Europäischen Patentübereinkommens bzw. des deutschen Patentrechts aufmerksam. Die Vertreterinnen und Vertreter des etablierten Patentverfahrens halten dem entgegen, daß es weder der Aufgabe noch der technischen und sachverständigen Ausrüstung der Patentämter entspricht, staatliche Genehmigungsverfahren auf der Grundlage anderer gesetzlicher Bestimmungen im Patenterteilungsverfahren vorwegzunehmen. Es sei insbesondere nicht ihre Aufgabe, über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit oder die gesellschaftliche Wünschbarkeit von Technologien zu urteilen. Immerhin nennt der Richtlinienvorschlag ausdrücklich als Beispielsfälle für den Patentierungsausschluß wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten: Verfahren zum reproduktiven Klonen von Menschen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der menschlichen Keimbahn und Verfahren, bei denen menschliche Embryonen verwendet werden. Ausgeschlossen ist außerdem die Patentierung von Erfindungen, die bei Tieren zu Leiden führen können, sofern nicht ein wesentlicher medizinischer Nutzen für den Menschen oder das Tier gegeben ist.
4.4 Patent auf Leben?
In ihrer Fortpflanzungsfähigkeit unterscheidet sich die belebte Natur fundamental von der unbelebten Natur. Probleme und Auseinandersetzungen um die Patentierung biotechnologischer Erfindungen kreisen um diesen Kernpunkt. Im Gesetzgebungsverfahren um die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen wird genau diese Besonderheit im Unterschied zum klassischen Patentrecht als das grundsätzliche Erfordernis der Regelung angesehen.
Ein weiterer Kernpunkt der Debatte aus christlicher Sicht besteht in dem Widerstreben vieler Menschen, daß Lebewesen als Geschöpfe Gottes zu patentierbaren Erfindungen des Menschen werden. Sie betonen den Eigenwert und die Würde der Geschöpfe, die in ihrer großen Artenvielfalt die Erde bevölkern und sind der Überzeugung, daß die gentechnische Veränderung von Lebewesen nicht in das Kriterienraster der patentierbaren technischen Erfindungen paßt. Ist doch auch eine gentechnisch veränderte Pflanze oder ein Tier weiterhin ein Lebewesen, das nicht vom Menschen erfunden wurde, auch wenn es eine fremde Gensequenz in sich trägt. Ebenso wie Pflanzensorten und Tierarten(rassen) sollten alle Lebewesen von der Patentierung ausgenommen sein.
Hierzu soll klargestellt werden, daß es keine Patenterteilung auf "Leben", ebenso keine auf "Gene" als solche gibt, sondern daß Ansatzpunkt für die Patentierung immer die Nutzung eines bestimmten chemischen Codes der Erbsubstanz ist. Auch die Befürworterinnen und Befürworter eines Patentschutzes für Erfindungen im Bereich der Biotechnologie verkennen nicht, daß Umfang und Folgen des Rechtsschutzes für die ursprüngliche Erfindung in die durch generative oder vegetative Vermehrung entstehenden Folgegenerationen einer sorgfältigen Prüfung und wirksamen Eingrenzung bedarf. Außerdem stellt sich die Frage nach einer Abgrenzung zum klassischen Sortenschutzrecht.
4.5 Patentierbarkeit des Menschen?
Gott hat uns unser Leben geschenkt und die bewahrende Haushalterschaft über Tiere und Pflanzen, insbesondere aber die Verantwortung für den Mitmenschen. Menschliches Leben ist für den Menschen nicht verfügbar. Auf dieser Wertung beruht der in der UN-Menschenrechtserklärung, der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerte Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen. Folglich sind auch der Mensch, sein Körper und dessen Bestandteile in natürlichem Zustand grundsätzlich von der Patentierung auszuschließen. Jeder Patentschutz auf Menschen oder Teile des menschlichen Körpers würde durch das patentrechtliche Ausschließungsrecht die Menschenwürde, die freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigen und ist daher völlig undenkbar. Über diese grundsätzliche Ächtung besteht breiter Konsens, der sich auch in der Aufnahme dieses Grundsatzes im Entwurf der Patentierungsrichtlinie widerspiegelt. Ausdrücklich legt der Entwurf fest, daß "der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung" keine patentierbare Erfindung darstellen kann (Artikel 5 Abs. 1). Problematisch sind allerdings die Bereiche, wo aus menschlichen Genen erlangte genetische Informationen und ihre Nutzung einer Patentierung zugänglich sein sollen, wie dies der Richtlinienentwurf ausdrücklich zulassen will. Hier wird von den Befürworterinnen und Befürwortern dafür plädiert, solche Information nicht a priori von der Patentierung auszuschließen, denn die technische Nutzung einer genetischen Information, die von einem konkreten Menschen losgelöst und gewissermaßen abstrahiert sei, könne die Würde eines Individuums keinesfalls verletzen.
Erneut ist festzuhalten, daß das Patentrecht nicht die Aufgabe hat, die ethischen Grenzen der Patentierung zu ziehen.
4.6 Gerechtigkeitsaspekte
4.6.1 Erfinderischer Aufwand / Belohnung
Eigentumsrechte werden im Hinblick auf das geistige Eigentum nicht zuletzt deshalb gewährt, weil für die individuelle geistige Leistung im Hinblick auf das jeweilige Werk (Urheberrecht) oder die technische Innovation (Patent) eine Belohnung durch die Allgemeinheit geleistet werden soll. Unter ethischen Aspekten der Gerechtigkeit bedarf die Anerkennung des unbeschränkten Ausschließungsrechts ohne Rücksicht auf die erbrachte schöpferische oder erfinderische Leistung einer besonderen Erörterung.
So sind in der Vergangenheit Patentansprüche akzeptiert worden, die in ihrem Schutzumfang weit über die eigentlich erbrachte - und experimentell nachgewiesene - innovative Leistung hinausgingen. Vielen erscheint es daher wichtig, daß der Umfang der Ausschließungsrechte sich nicht auf wesentlich mehr als auf die erfinderische Leistung bezieht.
Außerdem machen die angeführten Diskussionen um Landwirteprivilege und Kollisionen mit dem Sortenschutz das Problem des gerechten Interessenausgleichs deutlich. Ausgleich innerhalb des Patentrechts läßt sich beispielsweise durch eine möglichst abwägende Regelung der Privilegierung von Landwirten zum züchterischen Eigenbedarf sowie einer entsprechenden Regelung von Lizenzen und deren Gebühren erreichen. Außerhalb des Patentrechts sind Maßnahmen des Steuerrechts denkbar, wenngleich nicht schrankenlos möglich. Wesentliches Korrektiv angesichts der Marktrelevanz biotechnologischer Erfindungen und ihres Rechtsschutzes liegt im Kartellrecht, und zwar auch auf europäischer Ebene, wenn nicht gar weltweit, um Konzentrationen und der Bildung marktbeherrschender Firmen bzw. Firmengruppen wirkungsvoll zu begegnen.
Der Belohnung der Patentinhaberin bzw. des Patentinhabers mit dem negativen Schutzrecht durch das Patent steht auf der anderen Seite die Belohnung der Gesellschaft durch den Zuwachs an Erkenntnissen durch die Veröffentlichung der Patentschrift gegenüber. Hier besteht aber eine Kontroverse darüber, ob wirklich ohne die Patentierung viele biotechnologische Erkenntnisse geheimgehalten würden. Bisher bestand in der scientific community das Bestreben, neue Erkenntnisse zu veröffentlichen und in einen Gedankenaustausch mit Fachkolleginnen und Fachkollegen einzutreten. Es ist aber auch eine ernstzunehmende Tendenz zur Privatisierung des Zugangs zu genetischer Information in kostenpflichtigen Genbanken zu beobachten, die die öffentlich finanzierte Grundlagenforschung beeinträchtigt.
Andererseits binden Patentinhaberinnen und Patentinhaber Dritte, die sich um ein abhängiges Patent bemühen, bzw. Forschergruppen, die mit einer patentgeschützten Entwicklung forschen wollen, vertraglich an eine Geheimhaltungspflicht oder behalten sich das Recht vor, Veröffentlichungen zu verbieten. In solchen Fällen wird tendenziell die Forschung behindert.
4.6.2 Forschungsförderung und Wettbewerb
Die Debatte um einen Rechtsrahmen zum Schutz biotechnologischer Erfindungen hat unmittelbare Relevanz für das spezifische Forschungsprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich Biotechnologie als Teil des mit 13,1 Milliarden ECU ausgestatteten fünfjährigen 4. Forschungsrahmenprogramms. Diesem Förderschwerpunkt liegt die Analyse des Weißbuchs der Europäischen Kommission "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung" aus dem Jahr 1994 zugrunde, die besagt, daß das Potential der Biotechnologie erhebliche Wettbewerbschancen für die Zukunft eröffne und die öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Gemeinschaft demgegenüber im Rückstand seien. Entsprechend dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Forschung und Entwicklung im Bereich der Biotechnologie gezielt zu fördern, ist das Programm Teilnehmenden aus Nicht-Mitgliedstaaten der EG nur in begrenztem Umfang zugänglich. Neben den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), den assoziierten Staaten in Mittel- und Osteuropa, Malta und Zypern sowie Israel, Australien und Kanada, steht das Programm weiteren Industriestaaten nicht offen. In Entwicklungsländern ist eine finanzielle Unterstützung durch die Europäische Union in ganz bestimmten Fällen möglich. Kommt eine Förderung mit einem Forschungsträger in einem Drittland zustande, so sind die Partner des Drittlandes verpflichtet, innerhalb einer Zeitspanne von maximal 10 Jahren die Forschungsergebnisse in Übereinstimmung mit den Interessen der EG zu verwerten oder gewerblich zu nutzen. Führt also ein Forschungsergebnis bis zur Patentreife, so müßte dieses in der EG verbleiben. Diese Regelung kann sich behindernd auf Forschungskooperationen insbesondere mit Entwicklungsländern auswirken. So ist beispielsweise eine Kooperation europäischer Forscherinnen und Forscher mit InBio (Costa Rica) aus diesem Grunde nicht zustande gekommen.
4.6.3 Welthandel und Dritte Welt
Der Schutz des geistigen Eigentums einerseits sowie die Verknüpfung mit Fragen der Biodiversität sind zunehmend bestimmende Themen des Welthandels. Grundlage hierzu bildet zum einen das Abkommen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte ("Agreement on Trade-related Aspects of intellectual Property Rights": "TRIPS-Abkommen") als Teil der neuen GATT-Vereinbarungen, zum anderen die am Rande der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 unterzeichnete Konvention über Biologische Vielfalt.
Insbesondere vom TRIPS-Abkommen werden erhebliche Einflüsse auf die Entwicklung der Biotechnologie, insbesondere in Entwicklungsländern und den Ländern der sog. Dritten Welt erwartet. Nach dem Abkommen sind die Entwicklungsländer nach Ablauf von Umsetzungsfristen verpflichtet, einen Großteil biotechnologischer Innovationen durch Patente oder spezielle Schutzrechte zu schützen. Ebenso wie das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) nimmt das TRIPS-Abkommen diagnostische, therapeutische oder operative Methoden zur Behandlung von Menschen und Tieren von der Patentierung aus. Kritik hat sich am TRIPS-Abkommen aber insbesondere deshalb entzündet, weil es hohe Mindeststandards festlegt und die Freiheit von Entwicklungsländern, ihre Gesetzgebung an nationalen Bedürfnissen auszurichten, deutlich beschränkt.
Ein Argument für die weitreichende Geltung des Schutzes geistigen Eigentums ist die Ermöglichung eines verbesserten Technologietransfers. Kritikerinnen und Kritiker sehen hierin eine überwiegend den Industrieländern zugute kommende Möglichkeit, ihr Know-how in andere Länder zu transferieren, ohne dort mit preisgünstigem Nachbau ihrer Produkte rechnen zu müssen. Dies kann grundsätzlich einen verstärkten Technologietransfer in Entwicklungsländer mit relativ hohem technologischen Potential sowie in Schwellenländer zur Folge haben. Die Kritik richtet sich aber dagegen, daß die weit überwiegende Anzahl der von Entwicklungsländern an ausländische Firmen erteilte Patente keineswegs dazu geführt hätten, daß diese Firmen Produktionsstätten in diesen Ländern aufgebaut hätten. Vielmehr sei es lokalen Firmen nur noch gegen Abschluß entsprechender Lizenzverträge mit den Patentinhaberinnen und Patentinhabern möglich, entsprechende Produkte selbst zu produzieren. Angesichts dieser Praxis wird die für den Technologietransfer förderliche Wirkung des Patentrechts in Frage gestellt.
Die Förderung des Technologietransfers, der ausdrücklich auch die Biotechnologie umfaßt, bildet einen wichtigen Teil der erwähnten Konvention über Biologische Vielfalt. Die in der Konvention genannten Pflichten der Staaten regeln zunächst nur, welche Bemühungen die Staaten im einzelnen unternehmen müssen, um eine bestimmte Technologie grundsätzlich verfügbar zu machen. Der Transfer von Technologien, die zur Nutzung genetischer Ressourcen bestimmt sind, erfolgt auf der Basis von Vereinbarungen. Die Beteiligten müssen sich über den Transfer und dessen Bedingungen im einzelnen einigen. Eine generelle Pflicht für Private, Technologie abzugeben, besteht nicht. Da Technologie, verstanden als technische Lehre oder Information über die Struktur bzw. die Herstellung eines Produkts, in der Regel nicht frei verfügbar, sondern einer Person oder Institution zugeordnet ist, stellen sie doch eine erhebliche Privilegierung im Wettbewerb sowie einen Anreiz für Forschung und Entwicklung dar. In den internationalen Wirtschaftsbeziehungen werfen derartige Verfügungsrechte komplexe Probleme auf. Mit dem Interesse technologisch entwickelter Staaten, ihren Erfinderinnen und Erfindern einen möglichst weitreichenden Schutz auf allen Weltmärkten zu sichern, korrespondiert - wie dargestellt - nicht notwendigerweise das Interesse technisch wenig entwickelter Empfängerstaaten.
Gerade im Bereich der Biotechnologie sind die Patentrechte bislang sehr unterschiedlich ausgestaltet. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind die Patentierung von Organismen, biologischen Methoden oder sektorieller Patentschutz für landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel ausgeschlossen. Diese Ausnahmen bedürfen bei der Umsetzung des TRIPS-Abkommens einer umfangreichen Revision. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, daß durch Patente auferlegte Nachbauverbote Vorteile biotechnologischer Entwicklungen in armen Entwicklungsländern zunichte machen. Insbesondere hinsichtlich des Schutzes von Wissen über Pflanzen und deren Wirkungen, die die einheimischen Bevölkerungen über Generationen bewahrt haben, wirft der Patentschutz große Probleme auf. Eine Anerkennung solcher Vorleistungen eingeborener Gemeinschaften - unter dem Stichwort "Farmers' Rights" diskutiert - ist in den bisherigen Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums nicht vorgesehen. Die Konvention über Biologische Vielfalt sieht zwar eine Entschädigung der in Zukunft gelieferten genetischen Ressourcen vor, sie gilt jedoch nicht für die vor Verabschiedung der Konvention gesammelten Ressourcen.
4.7 Ethische Schlußfolgerungen
Die Würde des Lebens ist grundsätzlich anzuerkennen und zu wahren.
Ein Eigentumsanspruch an Leben ist grundsätzlich abzulehnen.
Die genauere juristische Betrachtung zeigt, daß die Patentierung biotechnologischer Erfindungen weder die Würde des Lebens infrage stellen muß, noch ein Eigentum an Leben begründet. Die Würde des Lebens kann gewahrt werden, ohne die geltenden Prinzipien des Schutzes geistigen Eigentums aufzugeben. Dasselbe gilt für die Ablehnung des Eigentumsanspruchs auf Leben.
Gleichwohl zeigen sich angesichts der europäischen und weltweit unterschiedlichen Rechtskulturen und der unterschiedlichen Wirtschaftsinteressen auch deutliche Grenzen dieser Prinzipien. Sowohl der durch die neue Technologie definierte Fragekontext als auch internationale Verflechtungen erfordern neue Überlegungen und Regelungen.
In diesem Zusammenhang sind Gerechtigkeitsaspekte, die Rechte Dritter und andere übergeordnete Kriterien geltend zu machen. Eine Möglichkeit hierzu besteht darin, nicht in der Qualität des Eigentums zu differenzieren, sondern bei der Frage der Geltendmachung des Ausschließlichkeitsanspruchs von Eigentumsrechten anzusetzen. Dies macht eine Anpassung an die vielfältigen Interessenlagen (wirtschaftliche Stärke, Grad der Innovation, Umfang der Investition, Transparenz im Welthandel, Dritte-Welt-Problematik) unter Gesichtspunkten der Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit eher möglich, als es Überlegungen zu einem qualitativ und nach Legitimation gestaffelten Eigentum könnten.
Als juristischer Ansatzpunkt für einen Ausgleich zwischen der Geltendmachung des geistigen Eigentums für biotechnologische Erfindungen und anderen schützenswerten Rechten sowie übergeordneten Interessen soll außerhalb des Patentrechts insbesondere ein Abgleich der bestehenden internationalen Konventionen dienen. Auch das Wettbewerbs- und das Kartellrecht sind auf nationaler und europäischer Ebene beizuziehen; auf internationaler Ebene sind entsprechende rechtliche Regelungen herbeizuführen.