Nachhaltig durch das Kirchenjahr
Materialien für Andachten und Gottesdienste zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030
Faire Woche im September – Nachhaltigkeitsziel 12
Liturgische Bausteine zum Thema: Woher kommt unsere Kleidung?
Liturgische Bausteine
Wir sind zusammen im Namen des dreieinigen Gottes.
Gott führt uns aus der Gewohnheit in die Bewegung.
Jesus führt uns aus der Enge in die Weite.
Gottes Geist führt uns aus der Ohnmacht in die Freiheit.
Amen.
(Vera-Sabine Winkler, in: Bausteine für die Gemeindearbeit zu Rio plus 20, EED, 2012)
Collage zu Psalm 140
2 Errette mich, Ewiger, von den bösen Menschen;
behüte mich vor den Gewalttätigen,
3 die Böses planen in ihrem Herzen
und täglich Streit erregen.
4 Sie haben scharfe Zungen wie Schlangen,
Otterngift ist unter ihren Lippen.
3. Oktober 2011. Fernsehdokumentation.
Eine Textilarbeiterin in Bangladesch verdient im Monat rund 16 €. Dafür arbeitet sie zwischen 10 und 15 Stunden am Tag. Die Arbeitgeber erwarten Überstunden. Aber sie bezahlen nicht dafür.
5 Bewahre mich, Ewiger, vor der Hand der Gottlosen;
behüte mich vor den Gewalttätigen,
die mich zu Fall bringen wollen.
Was die Frauen produzieren, wird auch nach Deutschland exportiert. Pullover für 6 Euro in deutschen Discountläden. Hauptsache billig.
6 Die Hoffärtigen legen mir Schlingen
und breiten Stricke aus zum Netz
und stellen mir Fallen auf den Weg.
Die Mädchen und Frauen arbeiten in Fertigungshallen, zusammengepfercht wie Vieh. Es ist heiß, die Luft ist schlecht. Dicht gedrängt schneiden sie die Stoffe für unsere Kleidung. Keine ist über 30. Das kann man nur wenige Jahre machen, sagt der Reporter. Dann werden sie krank.
7 Ich aber sage zum Ewigen: Du bist mein Gott;
Ewiger, vernimm die Stimme meines Flehens!
8 Ewiger, meine starke Hilfe,
du beschirmst mein Haupt zur Zeit des Streits.
Wer sich beschwert, wird entlassen. Gewerkschaften haben keine Chancen. Die Frauen trauen sich nicht, vor der Kamera offen zu sprechen. Sie haben Angst vor den Vorarbeitern.
9 Ewiger, gib dem Gottlosen nicht, was er begehrt!
Was er sinnt, lass nicht gelingen, sie könnten sich sonst überheben.
Viele Frauen wissen gar nicht, wie viel Lohn ihnen zusteht. Es gibt einen Mindestlohn in Bangladesch.
Es gibt auch das Recht, sich zu organisieren. Aber das interessiert die Fabrikbesitzer nicht, auch nicht die deutschen Auftraggeber.
10 Das Unglück, über das meine Feinde beraten,
komme über sie selber.
11 Er möge feurige Kohlen über sie schütten;
er möge sie stürzen in Gruben, dass sie nicht mehr aufstehen.
Das Fernsehteam zeigt, wie die Frauen wohnen. In Slums. Auf engem Raum. Wenig Licht. Kein Strom, kein Wasser, keine Kanalisation. Sie nähen unsere Pullover.
12 Ein böses Maul wird kein Glück haben auf Erden;
ein frecher, böser Mensch wird verjagt und gestürzt werden.
Manchmal rührt sich doch das Gewissen eines deutschen Discounters. Man sieht eine mobile medizinische Station. Die Frauen werden mit Medikamenten versorgt. Vitamine. Mineralstoffe. Dann halten sie länger durch. An den Arbeitsverhältnissen ändert sich nichts. An den Löhnen auch nicht.
13 Denn ich weiß, dass der Ewige der Elenden Sache führen
und den Armen Recht schaffen wird.
Für unsere Schnäppchen müssen andere mit Elend bezahlen.
14 Ja, die Gerechten werden deinen Namen preisen,
und die Frommen werden vor deinem Angesicht bleiben.
(Doris Joachim-Storch, EKHN, in: Bausteine für die Gemeindearbeit zu Rio plus 20, EED, 2012)
Kyrie
Ich bin voller Sehnsucht nach einer gerechteren Welt,
nach einer Welt, in der die Menschen einander nicht mehr klein machen und ausbeuten.
Ich bin voller Sehnsucht nach einer Welt ohne Unterdrückung,
in der Gottes Geist und nicht der gnadenlose Mammon herrscht.
Ich bin voller Sehnsucht nach Glaube
und doch bin ich voller Zweifel.
Ich habe Sehnsucht nach Liebe
und doch spüre ich Kälte in mir.
Ich schäme mich, wie achtlos ich immer wieder
über die Nachrichten von Menschenrechtsverletzungen hinweggehe.
Gerade deshalb klage ich dir, Gott,
dass immer wieder Menschen unterdrückt werden
und zu Opfern von Ausbeutung werden.
Lass es nicht zu, dass es den Helfern der Unterdrückung immer wieder gelingt,
ihr ausbeuterisches Handwerk unentdeckt zu betreiben.
Und hilf mir, mich der Versuchung des billigen Konsums nicht zu beugen.
Ich bringe meine Klage über menschenverachtende Arbeitsbedingungen vor dich, Gott,
und singe zu dir: Herr, erbarme dich.
(Materialheft der EKD für einen Gottesdienst zum Tag der Menschenrechte am 10.12.2013)
Kollektengebet:
Unser Gott, du willst Gerechtigkeit für alle Menschen.
Lass uns mitwirken am Reich der Gerechtigkeit,
damit alle bekleidet sind mit Kleidern des Heils.
Lass uns weben am Stoff des Lebens,
damit Hoffnung daraus entsteht und Segen.
Lass uns zur Hoffnung und Freude für andere werden.
Durch deine Kraft.
Amen.
(Gottesdienstentwurf der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen für Judika 2018)
Lesung Jesaja 61, 1-4.8-11
1 Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen;
2 zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden,
3 zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer, schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden „Bäume der Gerechtigkeit“, „Pflanzung des Herrn“, ihm zum Preise.
4 Sie werden die alten Trümmer wiederaufbauen und, was vorzeiten zerstört worden ist, wiederaufrichten; sie werden die verwüsteten Städte erneuern, die von Geschlecht zu Geschlecht zerstört gelegen haben.
8 Denn ich bin der Herr, der das Recht liebt und Raub und Unrecht hasst; ich will ihnen den Lohn in Treue geben und einen ewigen Bund mit ihnen schließen.
9 Und man soll ihr Geschlecht kennen unter den Völkern und ihre Nachkommen unter den Nationen, dass, wer sie sehen wird, erkennen soll, dass sie ein Geschlecht sind, gesegnet vom Herrn.
10 Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt.
11 Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der Herr
Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Völkern.
(Lutherbibel 2017)
Anspiel (für zwei Personen)
Renate und ihre Enkelin Judith treffen sich zufällig auf der Straße. Judith hat eine große Einkauftasche voller Kleidung dabei.
Judith: Hallo Oma, schön, dass wir uns wieder mal sehen. Hast du etwas Zeit für mich?
Renate: Hallo Judith, ich freue mich auch, dich zu sehen. Wollen wir uns kurz ins Café setzen? Dann kannst du mir erzählen, was du in den letzten Tagen erlebt hast.
Judith: Oh ja, sitzen ist jetzt wunderbar, ich war den ganzen Nachmittag mit meinen Freundinnen shoppen, das macht müde und durstig.
Die beiden setzen sich auf zwei Stühle an einem Tisch, die im Altarraum aufgestellt sind.
Renate: Was hast du denn in deiner großen Einkaufs-Tasche?
Judith: Ich war wie im Kaufrausch! In der renovierten Passage in der Bahnhofstraße ist doch jetzt auch ein Primark. Dort gab es T-Shirts für 2,50 € und Jeans für 8 €. Da habe ich natürlich zugeschlagen.
Judith zeigt ihrer Großmutter ein T-Shirt.
Renate: Ich will dir ja nicht den Spaß verderben, aber dieses T-Shirt wird nicht lange halten. Die Nähte sind völlig verzogen und das Material …
Renate sucht nach dem Etikett.
… hier steht es: 80 Prozent Polyester. Und es stinkt nach Chemie, wohl die Farbe. Du musst es unbedingt vor dem ersten Tragen waschen.
Judith: Mensch, Oma …
Renate: Hast du mitbekommen, dass es eine Demonstration bei der Eröffnung von Primark gab? In der Zeitung war ein Interview mit einer Frau von Greenpeace. Ich fand das sehr interessant.
Judith: Was hat sie denn gesagt?
Renate: Sie hat deutlich gemacht, dass sich der Kleiderkonsum in den letzten 15 Jahren weltweit verdoppelt hat; sie hat auch erzählt, dass bei vielen Menschen hier bei uns die Kleiderschränke voll niemals getragener Kleidung sind und dass unglaublich viel Kleidung weggeworfen wird, einfach nur, weil sie nicht mehr gefällt.
Judith: Ist das denn ein Problem? Wenn es sich die Leute leisten können?
Renate: Das ist ein großes Problem: Wir haben uns schon vor Jahren in der Frauenhilfe damit beschäftigt. 7.000 Liter Wasser werden verbraucht, um eine einzige Jeans herzustellen: auf den Baumwollfeldern, in den Färbereien, in den Verarbeitungsfirmen. Wasser, das hinterher vergiftet ist von den vielen Chemikalien. In Myanmar liegt der Mindestlohn bei nur 2,50 € – am Tag! Und selbst wenn eine Näherin für Adidas dort das Doppelte verdient, sind es weniger als 120 € im Monat. Woher stammt denn dein T-Shirt?
Renate schaut noch einmal auf das Etikett.
Aus Bangladesch! Dort sind vor fünf Jahren über 1.100 Menschen bei dem Einsturz eines Hochhauses mit mehreren Textilfabriken ums Leben gekommen, mehr als 2.000 wurden verletzt. Auch für Primark wurde in diesen Fabriken produziert.
Judith: Das habe ich nicht gewusst. Was können wir denn tun, dass so etwas nicht mehr passiert?
Renate: Wir müssen über unseren Konsum nachdenken, und zwar egal, ob wir bei Primark oder in der teuren Boutique einkaufen. Produziert wird die Ware häufig in den gleichen Weltmarktfabriken. Wir sollten aus ökologischen Gründen weniger Kleidung kaufen und sie länger tragen, Secondhandläden, Kleidertauschbörsen und das Verschenken von guter Kleidung an Freundinnen sind allemal besser als die Mülltonne. Und wenn immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher sich in den Geschäften über die Produktionsbedingungen informieren, faire Label fordern und sich an Kampagnen beteiligen, dann können wir die Welt auch etwas gerechter machen. Wir müssen nur damit anfangen.
Judith: Oma, was du alles weißt!
Renate: Komm doch am Sonntag mal wieder mit mir in den Gottesdienst. Der wird von unserer Frauenhilfe gestaltet und geht genau um dieses Thema. Beim anschließenden Kirchcafé zeigen wir auch einige informative
Filme und verteilen Informationsmaterial.
Judith: Ich überlege es mir!
(Pfarrerin Birgit Reiche, Gottesdienstentwurf der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen für Judika 2018)
Predigt
Die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft Heiliger Geistkraft sei
mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde,
wir haben eben im Anspiel etwas ganz Alltägliches gehört: Eine junge Frau hat eine ganze Tasche voller Kleidung gekauft – sie war im Kaufrausch. Ihre Großmutter hatte einiges zu sagen zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen unseres Kleidungskonsums.
Haben Sie in dem Anspiel etwas Neues gehört? Ich glaube nein.
Oder wussten Sie nicht längst, dass die usbekische Baumwollproduktion zum Austrocknen des Aral-Sees geführt hat und dass dort heute noch staatlich verordnete Zwangsarbeit und Kinderarbeit auf den Baumwollfeldern herrscht?
Wussten Sie noch nicht, dass 25 Prozent der weltweit eingesetzten Insektenvernichtungsmittel im Baumwollanbau gespritzt werden?
Wussten Sie noch nicht, dass über 90 Prozent der in Deutschland verkauften Kleidung in den Ländern des Südens produziert werden – unter Verzicht auf ökologische Nachhaltigkeit und soziale Fairness?
Wussten Sie noch nicht, dass unsere hochwertige Outdoor-Kleidung häufig polyfluorierte Chemikalien enthält, die sich in der Umwelt anreichern und gesundheitsschädlich sein können?
Wussten Sie nicht, dass in den Bekleidungsgeschäften heute nicht mehr zwei Kollektionen jährlich hängen, sondern dass uns bis zu 14 Kollektionen dazu bringen sollen, immer den neusten Schrei zu kaufen: nicht nur Fast Food, sondern auch Fast Fashion?
Ich könnte diese Aufzählung bis zum Ende der Predigt fortsetzen und ich bin mir sicher: Wir alle wissen ziemlich viel über die sozialen und ökologischen Auswirkungen unseres Bekleidungsverhaltens.
Die Westfälische Frauenhilfe hat sich schon vor fast 20 Jahren der Kampagne für Saubere Kleidung angeschlossen, immer wieder wurden durch den Verband in dieser Zeit die sozialen und ökologischen Auswirkungen unseres Kleidungskonsums deutlich aufgezeigt. In diesen 20 Jahren wurde erreicht, dass es auch bei C&A T-Shirts aus Bio-Baumwolle gibt und dass Aldi Bio-Baumwoll-Jeans vertreibt. Dennoch ist die enorme Zunahme an Kleidung in deutschen Kleiderschränken erschreckend. Und fast alle von uns tragen dazu bei. Sie nicht?
Wissen Sie, wie viele Hosen Sie im Kleiderschrank haben?
Wann haben Sie sich das letzte Mal mit dem Kauf einer schönen Bluse belohnt?
Wer von Ihnen meint: „Das ist nicht mein Thema, denn meine Hemden kauft immer meine Frau!“?
Doch was hat all das mit unserem Glauben zu tun?
Eine ganze Menge: Kleider machen Leute und taten es schon in biblischer Zeit. Im Text der heutigen Predigt ist von ganz besonderen Gewändern die Rede, wir haben ihn eben schon in der Lesung gehört und ich lese ihn in einer anderen Übersetzung jetzt noch einmal vor (Jesaja 61,8-11):
8 Denn ich, Gott, liebe das Recht, hasse Raub mit Gewalt. Ich will ihnen ihren Lohn mit Zuverlässigkeit geben und einen dauerhaften Bund mit ihnen schließen.
9 Unter den fremden Völkern werden ihre Nachkommen bekannt sein, ihre Sprösslinge mitten unter den Völkern. Alle, die sie sehen, werden es merken: Sie sind die Nachkommen, die Gott gesegnet hat.
10 Laut freue ich mich über Gott, meine Kehle jubelt über meine Gottheit, denn sie hat mir Kleider der Rettung angezogen, mich in den Mantel der Gerechtigkeit gehüllt, wie ein Bräutigam den feierlichen Schmuck anlegt und eine Braut sich schmückt mit ihren Schmuckstücken.
11 Ja, wie aus der Erde ihr Gewächs hervorsprießt und ein Garten seine Samen wachsen lässt, so lässt Gott, die Macht über alles, Gerechtigkeit wachsen und Lobpreis in Gegenwart aller fremden Völker.
Dieser Text, in dem Gott selbst und Menschen sprechen, stammt aus dem Jesaja-Buch im 61. Kapitel, aus dem Abschnitt, der auch Trito-Jesaja überschrieben ist. Diese Visionen sind vor etwa 2.500 Jahren geschaut worden, zu einer Zeit, als die jüdischen Menschen aus der babylonischen Gefangenschaft in ihre Heimat zurückgekehrt waren und als Jerusalem und der Tempel wiederaufgebaut waren. Von „Kleidern der Rettung“ ist in unserem Predigttext die Rede, vom „Mantel der Gerechtigkeit“.
Was sollen wir uns darunter vorstellen? Um das zu verstehen, müssen wir vielleicht etwas mehr darüber wissen, wie die Menschen in biblischer Zeit gelebt haben – müssen sozusagen in ihre Kleiderschränke schauen.
Aber da gibt es gar nichts zu sehen. Denn über 90 Prozent der Bevölkerung in biblischer Zeit waren arm und Kleidung war sehr wertvoll. Das gilt übrigens für die Zeit, aus der unser Predigttext stammt, genauso wie für die Zeit Jesu: Die armen Menschen hatten nur die Kleidung, die sie am Leib trugen. In der Regel bestand sie aus einem langen Hemdgewand, das mit einem Gürtel gebunden wurde, und einem großen rechteckigen Tuch, der simlah, das tagsüber als Mantel, nachts als Laken oder Decke genutzt wurde, in dem man aber auch Gegenstände in einem Bündel transportieren konnte. Dieses Tuch war für die armen Menschen überlebensnotwendig und sollte nicht verpfändet werden (Dtn 24,17). Daran hielten sich die reichen Menschen aber nicht, was zum Beispiel der Prophet Amos anklagte (Am 2,8). Die Sorge um die eigene Kleidung war zu dieser Zeit genauso existenziell wie die Sorge um das tägliche Brot. Deshalb galt auch Gottes Gebot, dass diejenigen, die es sich leisten konnten, die Armen einkleiden sollten. Nach Matthäus 25,36 wird das Kleiden eines Bedürftigen zu den Not-wendenden Taten gerechnet: „Ich war nackt und ihr habt mich bekleidet.“
Wie muss für Menschen, deren Alltag eher von Lumpen und dem Kampf um ein neues Gewand im Jahr geprägt war – wie muss für solche Menschen die Rede von den Kleidern der Rettung und dem Mantel der Gerechtigkeit geklungen haben?
Gott selbst zieht den Menschen seines Wohlgefallens diese Kleider an. Dabei ist der Mantel der Gerechtigkeit ein ganz besonderes Gewand: Das hebräische Wort „me’il“ bezeichnet nicht ein ganz normales Übergewand, sondern nur der Hohepriester, der Prophet Samuel, König Saul und sein Sohn trugen ein „me’il“. Lauter Jubel gehört zur Vorstellung dieses Mantels der Gerechtigkeit.
Und wir heute? Können wir den Jubel über diesen einen außergewöhnlichen Mantel der Gerechtigkeit, den Gott den Menschen anzieht, nachvollziehen?
Können Sie sich Ihren Mantel der Gerechtigkeit vorstellen? Wie sieht er aus? Wie fühlt es sich an, diesen Mantel zu tragen? Wie fühle ich mich in diesem Mantel? Wie wirkt er auf andere?
Ich stelle mir einen Mantel vor, der mich schützt, der ein Ort der Geborgenheit ist. Mit ihm bin ich nicht der Kälte und den Frühjahrsstürmen ausgesetzt. Mit ihm bin ich auch nicht ungeschützt den Menschen ausgesetzt, die mir schaden wollen, die mich mit ihrer Kälte verletzen könnten, die immer wieder ihre Spitzen gegen mich loslassen. Durch diesen Mantel pfeift der kalte Wind nicht hindurch. Der Mantel passt ganz genau. Er zwickt nicht, ist nicht zu eng, sondern in ihm habe ich Bewegungsfreiheit.
Die Kleidung der Gerechtigkeit ist schön, sie schmückt uns – wie Braut und Bräutigam zur Hochzeit. Ich stelle mir diese Kleidung bunt vor, sie strahlt nach außen, sie wird von anderen angesehen und wahrgenommen, sie ist anziehend.
Gott hat alle Menschen mit dem Mantel der Gerechtigkeit umhüllt und allen Menschen die Kleidung des Heils angezogen. Kann man Menschen diesen Mantel wegnehmen? Leider ja: Vielen Menschen hat man ihren Mantel der Gerechtigkeit geraubt, sie dem Unrecht ausgesetzt, um sich an ihnen zu bereichern.
Die Bibel berichtet davon und es ist heute immer noch so: Zum Beispiel die Mädchen und jungen Frauen, die in Mittelamerika oder Asien unsere Kleidungsstücke nähen; die entlassen werden, wenn sie schwanger sind; die nur einen Hungerlohn verdienen; die krank und verbraucht sind, bevor sie ihr dreißigstes Lebensjahr erreichen. – Was ist mit ihrem Mantel der Gerechtigkeit? Hat man ihn den Frauen gestohlen, um ihn billig zu verkaufen und davon zu profitieren? Wer diese Frauen und Mädchen Gottes Schutzes und Gottes Gerechtigkeit beraubt, beraubt Gott selbst.
In der Bibel, gerade bei den Propheten in Israel, bedeutet Gerechtigkeit, dass alle genug haben, dass alle satt werden, dass die gesamte Gemeinschaft heil und in Frieden zusammenlebt. Gerechtigkeit ist auch in unserer globalen Welt unteilbar. Es geht nicht, auf der einen Welthalbkugel gerecht zu leben, wenn Menschen auf der anderen Hälfte Unrecht erleiden.
Nach dem Verständnis der Bibel leiden alle mit, wenn ein Teil der Gemeinschaft leidet – so wie Paulus sagt: Wenn ein Glied des Körpers leidet, leidet der ganze Körper. Gott hat allen Menschen, Frauen und Männern, einen Mantel der Gerechtigkeit umgetan. Es ist gut, wenn wir diese Kleider wahrnehmen, wenn wir sie auf der Haut spüren, wenn wir uns von ihnen wärmen lassen. Es ist gut, wenn wir den Mantel der Gerechtigkeit ausbreiten oder teilen, und Sorge tragen, dass er allen Menschen, überall auf dieser Welt, umgetan werde und sie schützt.
Schauen wir in unseren Kleiderschrank, ob nicht der Mantel der Gerechtigkeit dort in einer Ecke hängt, holen wir ihn hervor, er ist immer noch modern – moderner denn je und von zeitlosem Wert.
Lassen Sie uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit, den Gott uns geschenkt hat, behutsam und verantwortlich umgehen. Denn dieser Mantel ist groß genug, nicht nur für mich allein, nein, er wärmt auch mehrere zusammen. Er ist strapazierfähig: Er hält es aus, mit anderen geteilt zu werden, und er bietet noch immer Schutz.
So, wie wir es im Lied singen:
„Wenn die Hand, die wir halten, uns selber hält, und das Kleid, das wir schenken, auch uns bedeckt, dann hat Gott unter uns schon sein Haus gebaut, dann wohnt Gott schon in unserer Welt.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
(Pfarrerin Birgit Reiche, Gottesdienstentwurf der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen für Judika 2018)
Fürbitten
Sprecherin 1: Für alle Menschen, die ausgebeutet und unterdrückt werden und deren Stimmen zu selten bei uns Gehör finden: dass sie gestärkt für ihre Rechte kämpfen und wir uns gemeinsam einsetzen für fairen Handel und gerechte Löhne und Preise.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 2: Für alle Menschen, die sich mit ihrem Leben für eine gerechte Welt einsetzen: dass sie mit ihrem Mut und ihrer Konsequenz ein Vorbild für die Zaghaften sind.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 1: Für alle Politikerinnen und Entscheidungsträger, für alle, die Verantwortung haben: dass sie die Bedürfnisse der Menschen wahrnehmen und zu weltweiter Gerechtigkeit, zu Frieden und zur Bewahrung der Schöpfung beitragen; und dass wir nicht aufgeben, sie immer wieder darauf anzusprechen.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 2: Für alle Menschen, die keinen anderen Ausweg aus Armut und Existenznot haben als die Migration: dass sie auf ihrem Weg hilfsbereite Menschen erleben, die wissen: wir alle sind Bewohner EINER Erde.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 1: Für alle Menschen, bei denen zu Hause Krieg und Zerstörung wüten. Für alle, die auf der Flucht sind: dass sie Schutz und Sicherheit finden.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 2: Für alle Menschen, die wegschauen, wenn ihnen Leid begegnet. Gib ihnen offene Augen und ein Herz, fähig zum Mit-leiden. Lass in ihnen Solidarität wachsen.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 1:
Für alle Menschen, die Angst haben vor Neuem und Fremdem. Schenke ihnen ermutigende Erfahrungen, auch mit unserer Hilfe.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
Sprecherin 2:
Für alle Menschen, die krank sind, seelisch leiden oder um einen Toten trauern: dass sie aus dir Kraft schöpfen, dass sie von Liebe und Nähe ihrer Mitmenschen getragen werden.
Alle: Gott, wir bitten dich, wirke durch uns. Bekleide uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit!
(Ökumenische Gottesdienstbausteine zur Fairen Woche 2016)
Barmherziger Gott,
wir sehnen uns danach, dass du Recht schaffst in unserer Welt,
deren Ungerechtigkeit zum Himmel schreit.
Wir sehnen uns nach Gerechtigkeit,
die nicht auf Kosten anderer zustande kommt;
nach einem Zusammenleben in Frieden und Freiheit.
Gemeinsam rufen wir: Herr, erbarme dich.
Für uns selbst bitten wir dich, Gott:
lass uns durch unser Verhalten, unser Reden und Tun dazu beitragen,
dass die Welt ein bisschen freundlicher und gewaltloser wird.
Wir alle, jede und jeder einzelne können unseren Teil dazu beitragen.
Gib uns den Mut und die Kraft dazu.
Gemeinsam rufen wir: Herr, erbarme dich.
(Bausteine für die Gemeindearbeit zu Rio plus 20, EED , 2012)
Segen
Gott, umhülle uns mit den Kleidern des Heils
und dem Mantel der Gerechtigkeit,
dass uns und allen Geschöpfen Luft zum Atmen bleibt,
dass uns und allen Geschöpfen Mut für die Gegenwart bleibt,
dass uns und allen Geschöpfen die Erde zum Leben bleibt.
Gott, segne und behüte uns und alle Geschöpfe.
Amen.
(Almuth Voss, Gottesdienstentwurf der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen für Judika 2018)
Liedvorschläge
Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun, EG 658
Wenn das Brot, das wir teilen, EG 667
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen, EG Wü 658
Gott gab uns Atem, EG 432
Die Erde ist des Herrn, EG der EKKW 634
Das könnte den Herren der Welt ja so passen, EG der EKHN 550
Autoren / Autorinnen
Die Autoren und Autorinnen bzw. Quellen sind jeweils angegeben. Wir danken für die Freigabe der Texte für diese Sammlung.
Materialien für Andachten und Gottesdienste zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030