Nachhaltig durch das Kirchenjahr

Materialien für Andachten und Gottesdienste zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030

Nikolaustag – Nachhaltigkeitsziel 10

Andacht zum Thema: Was willst du teilen?

Andachtsentwurf

Ich sitze in der Bahn zur Arbeit …

Ich stehe vorm Café und warte auf meine Freundin …

Ich liege im Bett und will noch nicht aufstehen …

Ich stehe an der Haltestelle und warte auf den Bus …

… und ich greife in die Tasche und hole mein Handy heraus. Ich nutze den Moment und öffne eine der beliebten Social-Media-Apps. Ich fange an, durch die verschiedenen Posts zu scrollen. Ich überfliege, was meine Freund*innen geteilt haben. Gezielt suche ich nach Posts, die mich interessieren könnten. Manchmal dauert das eine ganze Weile. Dabei scrolle ich durch einige Fotos von verschiedenen Mittagessen; durch unterschiedliche Gemütsbekundungen – erfreut, stolz, zornig, überrascht; durch geteilte Erinnerungen, die jetzt genau zwei, fünf oder sechs Jahre her sind; durch Beziehungs-Updates von „Single“ zu „Verheiratet“, von „in einer Beziehung“ zu „Single“; durch Werbung für Gewinnspiele; oder durch Memes, Veranstaltungshinweise, Videos und Standortauskünfte.

Und ich frage mich, wonach entscheiden Menschen, was sie in den sozialen Medien teilen und was nicht? Wie viele Gedanken machen sie sich darüber? Ich frage mich, was teile ich bei Facebook, Instagram und den anderen sozialen Medien? Was war das Letzte, das ich geteilt habe? 
Optional offene Frage: Was war das Letzte, das ihr geteilt habt?

Durch Social Media scheint das Teilen eine neue Präsenz im alltäglichen Sprachgebrauch bekommen zu haben. Aber was bedeutet „Teilen“ in diesem Kontext eigentlich und wird es dem gerecht, was wir unter Teilen verstehen wollen?

Was bedeutet es, einen Post zu teilen? Was teile ich über mich? Was teile ich mit? Was vermittle ich anderen mit meinem Post? Warum teile ich das? Was erhoffe ich mir davon? Will ich damit Neid erwecken? Will ich einfach Aufmerksamkeit und Zuspruch bekommen? Will ich, dass andere sich einfach mit mir mitfreuen über die wunderschöne Natur, die mich gerade überwältigt, über die Menschen, denen ich begegne und die mir das Gefühl geben, in der Fremde zu Hause zu sein? 

Es kann so viele Gründe für mich geben, etwas zu teilen. Aber was glaube ich, haben andere davon? Oder muss überhaupt jemand anderes etwas davon haben, wenn ich etwas teile? Kann Teilen nur etwas für mich sein? 

Wenn ich in den sozialen Medien etwas teile, dann habe ich etwas zu sagen oder zu zeigen, von dem ich will, dass andere es sehen oder hören. Teilen braucht nicht nur eine Person, die etwas sagt, sondern auch eine Person, die zuhört. Denn wäre es immer noch Teilen, wenn ich eine Geschichte erzähle, aber niemand hört zu? Zum Teilen gehört mehr als nur eine Person. Wenn ich allein wäre, dann kann ich doch alles haben. Ich brauche keinen Teil abzugeben. Aber ich kann auch keinen Teil abgeben von dem, was ich habe, wenn es doch keine Person gibt, die es haben will, die es bekommt, die es annimmt. Wenn ich allein wäre, könnte niemand an meiner Geschichte Anteil nehmen. Niemand freut sich mit mir, lacht mit mir, interessiert sich für meine Fragen und Sorgen. 

Aber wir sind nicht allein. Wir wollen auch meistens gar nicht allein sein. Und auch Gott will nicht, dass wir allein sind. Wir wollen Menschen in unserem Leben haben, die bei uns sind, die uns zuhören, denen es wichtig ist, was wir zu teilen haben. Aber wenn ich will, dass andere an meinem Leben Anteil nehmen, ist es dann nicht genauso meine Verantwortung, an dem Leben anderer teilzuhaben? Ist es dann nicht auch meine Verantwortung hinzuhören, wenn über Leid und Ungerechtigkeit geklagt wird, wenn Benachteiligung und Chancenungleichheit angeprangert, wenn diskriminiert und ausgeschlossen wird? Ist es nicht auch meine Verantwortung, mir das, was andere teilen, zu Herzen zu nehmen, ihnen Zuspruch zu geben und meinen Teil dazu beizutragen, dass sich etwas ändert? Ist es nicht auch meine Verantwortung, mich an Prozessen und Bewegungen zu beteiligen, die auf eine gerechte Partizipation aller in unserer Gesellschaft hinarbeiten, die Ungleichheiten abbauen und uns näher zueinander bringen?

Wir alle haben in dem, wie wir von Gott geschaffen sind, vieles zu teilen, unsere Liebe und Freude, unsere Ideen und Talente, unsere Erfahrungen, Überzeugungen und Hoffnungen. Aber es kann ein Privileg sein, dieses teilen zu können und zu dürfen. Es kann ein Privileg sein, von anderen gehört und anerkannt zu werden. Wenn ich nicht die Kraft und die Macht habe, mir Gehör zu verschaffen, kann ich nicht das mit anderen teilen, was ich habe, nämlich das, was ich teilen und geben will.

Die Person zu sein, die teilt, ist wichtig und fühlt sich gut an. Aber es ist genauso wichtig innezuhalten, Stille auszuhalten und andere teilen zu lassen. Ich sollte dafür offen sein, von anderen etwas anzunehmen. Wenn ich keinen Raum für andere lasse, dann nehme ich ihnen diese Möglichkeit. Wenn ich meine Augen und Ohren vor dem verschließe, was andere zu sagen haben und was sie erleben, dann nehme ich nicht teil. 

Teilen muss nicht immer von großer Aktivität meinerseits ausgehen, sondern es kann auch im Stillen, im Zuhören, im Nicht-Nehmen, im Nicht-Wegnehmen, im Haben-lassen liegen. Teilen kann nicht darin liegen, lautstark alle anderen zu überdröhnen und zu überfluten. Teilen kann nicht darin liegen, alles erst einmal für sich zu beanspruchen und dann davon abzugeben, wenn ich merke, dass es nicht für alle reicht. Dies lässt keinen Platz für andere zum Mitreden, zum Mit-Leben. Teilen bedeutet, dass alles von Anfang an allen gehört. 

Gott hat uns allen gemeinsam diese eine Erde zum Leben gegeben. Wir können sie nicht einfach unter den Privilegierten aufteilen, sondern es ist die Aufgabe aller Menschen, sie gemeinsam zu pflegen und zu schützen. In unserer gemeinschaftlichen Verantwortung müssen wir diese Erde miteinander teilen. Es geht nicht so sehr darum, dass ich etwas habe, das ich mit dir teile, oder dass du etwas hast, das du mit mir teilst. Teilen ist kein Monolog, sondern ein Dialog, bei dem wir voneinander geben und nehmen, hören und zuhören, in dem wir gemeinsam Erfahrungen machen und Ideen entwickeln. Allein kann ich das nicht. Allein kannst du das nicht. 

Ich schaue wieder auf mein Handy. Und ich überlege, was will ich wirklich teilen? Was haben andere von dem, was ich teile? Und ich frage mich, was will ich, dass andere mit mir teilen? Wo suche ich nach Ideen und Inspirationen, nach Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühl, nach Herausforderung und Diskussion? 

Und ich überlege, wo brauche ich die sozialen Medien zum Teilen? Und wo nicht? Wo brauche ich Menschen an meiner Seite, die mich in den Arm nehmen, die hitzige Diskussionen mit mir führen, die mir neue Perspektiven zeigen, die ich sonst nicht sehen würde? Wo brauche ich keine digitalen Freund*innen, sondern wahre Menschen, die mit mir gemeinsam neue Erfahrungen machen? 

Der Bus kommt … Ich klicke schnell noch auf einen geteilten Link zu einem Artikel, der sich interessant anhört.
Er öffnet sich in einem neuen Fenster, sodass ich ihn später in Ruhe lesen kann. Ich stecke mein Handy in die Tasche und mache mich auf den Weg. 
 

Gebetsvorschlag

Lieber Gott,

du bist immer für uns da. Mit dir kann ich alles teilen, meine Freuden und meine Sorgen, meinen Kummer und meine Hoffnungen. Du hörst mir zu.

Ich bitte dich, dass du unsere Augen und unsere Ohren öffnest, dass wir nicht nur uns selbst sehen und hören können, dass wir andere erkennen, mit ihren Gaben und Bedürfnissen, dass wir miteinander lernen.

Ich bitte dich, vergib uns unsere Blindheit und Taubheit.

Du bist immer für uns da. Mit dir kann ich alles teilen, meine Erfolge und meine Ängste, meine Enttäuschungen und meine Erfahrungen. Du hörst mir zu.

Ich bitte dich, lass uns leise sein und innehalten, dass wir deine Schöpfung atmen hören, dass wir uns als einen Teil deines Werkes erkennen, dass wir uns als Teil deiner Gemeinschaft begreifen.

Ich bitte dich, vergib uns unseren Hochmut und unsere Ignoranz.

Du bist immer für uns da. Mit dir kann ich alles teilen, mein Wohlbefinden und meine Ausgrenzungen, meine Einsamkeit und meine Nähe. Du hörst mir zu.

Ich danke dir für die Menschen, die du mir an meine Seite stellst, die mir zuhören und mich begleiten. Ich danke dir für die Menschen, die du mir an die Hand gibt, die mit mir teilen und mich inspirieren.

Ich danke dir, dass du auf allen unseren Wegen bei uns bist und uns beschützt, dass ich auf dich vertrauen kann und du mir Hoffnung schenkst.

Amen.

Liedervorschläge
Kommt mit Gaben und Lobgesang, EG 229
Gott gab uns Atem, EG 432
Meine engen Grenzen, EG 600
Selig seid ihr, EG 667
Die Erde ist des Herrn, EG 677


Autorin
Anneke Bargheer, Norddeutsche Mission, 
arbeitet im Bereich Süd-Nord-Freiwilligendienst.

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