Die evangelischen Kommunitäten

4. Der Geistliche Dienst der Kommunitäten für die Gemeinde

Die Kommunitäten wissen sich ihrer evangelischen Kirche nicht nur völlig selbstverständlich verbunden, sondern sie leisten auch unschätzbare geistliche Dienste. Eine große Zahl von Gemeindegliedern findet hier eine Wirklichkeitsgestalt von Kirche, die sie in ihrem eigenen Umkreis so grundlagentreu und zugleich gegenwärtig-lebendig oft nicht erleben. "Wir wollen durch unsere eigene Existenz verkündigen, daß es sich lohnt, sich mit Gott einzulassen" (Sr Maria Pfister CCR), - das ist sicher ein Selbstzeugnis von hoher Repräsentanz für alle Kommunitäten. Nicht umsonst haben drei süddeutsche Landeskirchen ihr neugegründetes gemeinsames Institut zu einer geistlichen Rekreation von Pfarrern im Lebenskreis einer Kommunität angesiedelt: das "Haus Respiratio" auf dem Schwanberg.

Was man (u.a.) in den Kommunitäten lernen kann, läßt sich in ein paar ausgewählten Punkten andeuten:

4.1

Man kann lernen, was mit den "schönen Gottesdiensten des Herrn" (Ps 27,4) gemeint ist: "Wirklich, Gott selbst ist unter euch!" (1.Kor 14,25). Liturgie ist nicht deswegen "schön", weil sie schön gesungen wird, sondern sie kann nur schön gesungen werden, wo die geistliche Realität des Daseins Gottes in seinem Wort und Sakrament von einer Gemeinschaft von Christen bezeugt und gefeiert wird, die in fröhlichem Ernst davon schlicht überzeugt und durchdrungen sind. Die Regel Benedikts wird im eigenen Alltag ernstgenommen: "Dem Gebet ist nichts vorzuziehen".

4.2

Kommunitäten sind "Schulen des Gebets". Man kann dort ebenso lernen, gemeinsam mit der Kirche aller Zeiten mit den biblischen Psalmen als dem Gebetbuch Jesu und der Apostel zu beten, wie mit dem ureigenen Herzen in Gottes ewigem Erbarmen eine Ruhe zu finden, die in der Welt sonst nirgendwo zu finden ist. Lautes Singen und tiefstille Meditation liegen ganz nahe beieinander. Das Gethsemanekloster in Goslar-Riechenberg und die Cella St. Hildegard sind z. B. Orte, an denen besonders das schweigende Gebet ("Herzensgebet") sowie die stille Meditation biblischer Texte und Bilder gelernt werden kann.

4.3

Als Orte lebendigen Gottesdienstes und als "Schulen des Gebets" gewinnen Kommunitäten mehr und mehr Bedeutung als Lernorte für Vikarinnen und Vikare in ihrer Ausbildung und für Pfarrkonvente.

4.4

Kommunitäten können ihre Gäste erfahren lassen, wie moderne Menschen in verbindlicher Gemeinschaft als Christen miteinander leben und darin in einer Tiefe sinnvolles Leben erleben können, - nicht in einer idealen harmonischen Scheinwelt, wohl aber in konkreter Verwirklichung "versöhnter Verschiedenheit", wie sie im Kraftfeld der Vergebung Gottes zur Lebensform fehlsamer Menschen werden kann. Da bewährt sich eben in der Praxis: Wem viel vergeben worden ist, der wird auch fähig, viel zu lieben (Lk 7,47).

4.5

Alle Kommunitäten haben die buchstäblich lebenschaffende und lebenerneuernde Kraft der Einzelbeichte für sich selbst entdeckt und sind darum (seltene!) Orte in unserer evangelischen Kirche, an denen man sehr liebevoll in die Schule des Beichtens eingeführt wird und darin begleitet werden kann.

4.6

Wenn allgemein gilt, daß zur Seelsorge "kompetent" nur werden und bleiben kann, wer selbst aus ihr lebt, so gilt das für die vielfältigen Seelsorge-Angebote der Kommunitäten in besonders dichter Weise. Zu erwähnen ist hier u.a. die von den Jesuiten übernommene Begleitung persönlicher Exerzitien sowie die "Gebetsseelsorge", die in der Christusbruderschaft in Selbitz und Kloster Wülfinghausen gelernt werden kann.

4.7

In den meisten Kommunitäten leben drei Generationen in alltäglicher Nähe miteinander. Es gibt sonst kaum noch Orte, an denen man dies so selbstverständlich-dicht erleben kann. Im Missionshaus Malche z. B. kann man sehr eindrücklich miterleben, wie jeden Mittag junge Schülerinnen und Schüler mit 80-jährigen Schwestern an einem Tisch zusammen essen und einander viel zu sagen haben.

4.8

Kommunitäten leben mit der ständig gegenwärtigen Erinnerung an ihre Ursprünge und in einem "hautnahen" Verhältnis mit ihrer Geschichte wie auch mit der Geschichte des Mönchtums insgesamt. In der zunehmenden Geschichtslosigkeit unseres allgemeinen Bewußtseins werden sie zusehens zu Orten, an denen man neu lernen kann, mit der Geschichte zu leben, der man faktisch zugehört.

Nächstes Kapitel