Die evangelischen Kommunitäten

6. Die Kommunitäten im vereinigten Deutschland

6.1 

Zur Zeit der Getrenntheit Deutschlands, insbesondere seit dem Bau von Mauer und Stacheldraht 1961, haben sich die Kommunitäten in der BRD und in der DDR völlig selbstverständlich in einem geschwisterlichen Verhältnis gewußt und dieses je nach den bestehenden Möglichkeiten praktiziert. An den Kommunitätentreffen Ost, die in der Regel in Polen stattfanden, waren immer westdeutsche Gemeinschaften vertreten und beteiligt (wie übrigens auch anglikanische Ordensgemeinschaften). Und zwischen den einzelnen Kommunitäten gab es einen ständigen Besuchskontakt.
Seit dem Fall der Mauer ist das anders geworden. Inzwischen gehören die ostdeutschen Kommunitäten zur Konferenz der Leitungsverantwortlichen (KEK). Das ist bei dem großen akuten Beratungsbedarf der ostdeutschen Gemeinschaften (s.o.) von erheblicher praktischer Bedeutung.

6.2

Beachtenswert ist, in welchem Ausmaß inzwischen westliche Kommunitäten im Osten Deutschlands und auch umgekehrt ostdeutsche Gemeinschaften im Westen tätig sind. Die Kommunität Gnadenthal hat seit 1990 in Hennersdorf/Sachsen ein "Werk- und Studienzentrum" aufgebaut. In einer Holzfabrik wurde eine Großschreinerei als Zweigbetrieb der Gnadenthaler errichtet und um sie herum die Errichtung anderer handwerklicher Betriebe angeregt, mit erheblicher Folgewirkung für den Arbeitsmarkt der umgebenden Region. Zugleich hat die Kommunität die dortige denkmalgeschützte "Alte Spinnerei" völlig neu renoviert und als Wohngemeinschaft für Famillien und als Tagungsstätte eingerichtet. Die feierliche Segnung des Hauses fand am 3. 10. 1995 statt. In dem Werkraum der Schreinerei werden Sonntags-Gottesdienste gehalten, an denen zusehens mehr christentumsfremde Menschen teilnehmen.

6.3

Zugleich hat die Kommunität Gnadenthal zusammen mit den Brüdern der Christusbruderschaft eine neue christliche Gemeinschaft in Volkenroda/Thüringen angesiedelt. Hier ist die älteste Klosterkirche der Zisterzienser in Deutschland wieder aufgebaut worden. Das in moderner Stahlbauweise dazu geplante Langhaus soll auf der Weltausstellung in Hannover ausgestellt und danach in Volkenroda aufgebaut werden. Die verfallenen alten Klostergebäude werden der Reihe nach renoviert und als europäische Jugendbildungsstätte benutzt werden. Zugleich entsteht in teilweiser Kooperation mit Betrieben in Volkenroda eine Dorfgemeinschaft ähnlich wie die in Gnadenthal. Das Herz dieses vielfältigen Arbeitsalltags ist das Tagesgebet, das von den Brüdern der Christusbruderschaft geleitet wird.

6.4

Ferner hat die Communität Casteller Ring seit Herbst 1996 im Augustinerkloster in Erfurt eine Schwesternstation eingerichtet, die das Tagzeitengebet in der Klosterkirche trägt und für die Gäste im Klosterhospiz sowie für die Menschen der Stadt Seelsorge anbietet. Ebenso seit 1996 unterhält die Christusbruderschaft Selbitz eine Zelle von drei Schwestern in Magdeburg. Sie leben auf dem Grund und Boden eines ehemaligen Augustinerklosters. Zu ihren Tagzeitengebeten in der Kapelle der Reformierten Kirche und in der katholischen Petruskirche sind alle Stadtbewohner eingeladen.

6.5

Umgekehrt lebt seit August 1996 eine kommunitäre Gruppe von Schwestern der "Diakonischen Schwesternschaft Wolmirstedt" im Kloster Barsinghausen. Und demnächst wird eine Gruppe von Schwestern des Schniewindhauses im Kloster Wennigsen einziehen. So entsteht - zusammen mit dem Kloster Wülfinghausen - ein Ring neuen kommunitären Lebens in alten Klosteranlagen, die von der Klosterkammer Hannover verwaltet werden und unter der Leitung ihres Präsidenten, Prof. Dr. Axel von Campenhausen, für diesen Zweck großzügig restauriert worden sind.

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