Nichtinvasive Pränataldiagnostik
Ein evangelischer Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und zur politischen Gestaltung, Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, 2018
7. Die Freiheit zum Nicht-Wissen
Die Möglichkeit, sich auch gegen die Inanspruchnahme von pränataler genetischer Diagnostik entscheiden zu können, ohne negative gesellschaftliche Konsequenzen fürchten zu müssen, ist als eine gleichberechtigte Option zur Geltung zu bringen.
Der Wunsch, über die genetische Disposition des ungeborenen Kindes Bescheid zu wissen, ist nachvollziehbar und lässt sich grundsätzlich ethisch rechtfertigen. Ebenso legitim ist es aber auch, über ein solches Wissen nicht verfügen zu wollen. Ob die eine oder die andere Möglichkeit die richtige ist, kann letztlich nur von den unmittelbar Betroffenen selbst entschieden werden. Die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der werdenden Eltern, das schon in der grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen ein eigenes Kind im Vorfeld der Schwangerschaft zum Ausdruck kommt, schließt auch das Recht auf Nichtwissen ein. Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung begründen aber auch eine Verpflichtung zur Entscheidung. Diese Verpflichtung mag als Belastung empfunden werden, sie begründet jedoch gerade die besondere Stellung und die besondere Verantwortung der werdenden Eltern gegenüber dem ungeborenen Kind. Diese Verantwortung gilt für beide Elternteile, auch wenn werdende Mütter von diesen Entscheidungen besonders betroffen sind. Seitens der Gesellschaft ist dieser nicht an andere übertragbare Charakter der Entscheidung nicht nur zu respektieren und rechtlich zu garantieren, sondern es ist darüber hinaus den werdenden Eltern zu vermitteln, dass sie allein über die Inanspruchnahme oder die Ablehnung pränataler genetischer Diagnostik entscheiden können.
Es ist eine Bringschuld seitens der Gesellschaft, Bedingungen zu schaffen, unter denen die schwangere Frau ihre Freiheit realisieren kann, pränatale genetische Diagnostik ohne negative Konsequenzen ablehnen zu können.
Auch dies lässt es geboten erscheinen, die pränatale genetische Diagnostik in einen gesellschaftlich verantworteten und garantierten, qualifizierten Beratungskontext einzubetten. Das Eintreten für die Freiheit, pränatale genetische Diagnostik ablehnen zu können, muss jedoch auch einhergehen mit dem Verzicht auf eventuelle Schadensersatzansprüche gegenüber den behandelnden Ärztinnen und Ärzten.