Bericht des Rates der EKD, Teil B (schriftlich)

4. Tagung der 12. Synode der EKD, 12. bis 15. November 2017 in Bonn

3. Kirche in der Öffentlichkeit

3.1. Flüchtlingsarbeit

3.1.1. Sichtbares Engagement für Flüchtlinge in der Öffentlichkeit

Die EKD verstärkte 2017 ihr öffentlich sichtbares Engagement für Flüchtlingsschutz. Dazu zählten u.a.: eine gemeinsame Stellungnahme des Kammervorsitzenden Rekowski mit dem Flüchtlingsbischof Heße der DBK gegen Sammelabschiebungen nach Afghanistan, die Veröffentlichung der Broschüre „… und ihr habt mich aufgenommen. Zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration aus evangelischer Sicht“, die Fortsetzung der Flüchtlingsstudie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, sowie – gemeinsam mit den Trägern der Allianz für Weltoffenheit – die Durchführung eines Demokratiekongresses.

Das Sozialwissenschaftliche Institut hat seit November 2015 regelmäßig die Erwartungen der deutschen Bevölkerung zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland untersucht. Die jüngste Befragung vom April 2017 zeigt, dass die Stimmungslage in Deutschland stabil ist. Weiterhin bestätigte sich eine klar eine breite humanitäre Grundhaltung in der Bevölkerung – insbesondere bei Nachfragen auf die konkreten Kontexte und Konsequenzen von Abschiebungen.

Besondere Sichtbarkeit erreichte die Kampagne Fluchtgedenken, an der sich die EKD mit Landeskirchen, kirchlichen Werken und Menschenrechtsorganisationen beteiligte. Damit wurde nicht nur dem Anliegen „Gegen das Sterben in Mittelmeer“ im Rahmen des Kirchentages eine breite Öffentlichkeit verschafft, sondern in einer Gedenkveranstaltung auch ein Ort zum Trauern gegeben.

Auch in diesem Jahr standen Flüchtlingsschutz und Asylpolitik beim Bevollmächtigten des Rates sehr weit oben auf der Agenda. In gemeinsamen Stellungnahmen mit dem Katholischen Büro Berlin kommentierte er in den verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dieses Gesetzgebungsverfahren wurde in großer Eile durchgeführt, was den Kirchen und Verbänden nur sehr eingeschränkt ermöglichte, ihre zahlreichen praktischen Erfahrungen in den Prozess einzubringen. Gemeinsam mit dem Katholischen Büro führte die Dienststelle des Bevollmächtigten viele Gespräche mit Ministerien und Abgeordneten. Im Ergebnis kam es in einigen Bereichen, wie beispielsweise bei der vorherigen Ankündigung der Abschiebung nach mindestens einjähriger Duldung sowie der Dauer der Verpflichtung, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, zu geringfügigen Verbesserungen. Dennoch blieben wichtige Forderungen der Kirchen unberücksichtigt, wie etwa die nach verhältnismäßigen Regelungen zu Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft, der Berücksichtigung der besonderen Situation von Familien mit Kindern, alleinreisenden Frauen und besonders Schutzbedürftigen sowie einem Verzicht auf ausufernde Regelungen zu missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen.

3.1.2 Projekte der überregionalen evangelischen Flüchtlingsarbeit

Gemäß dem Wunsch der Synode und den Beschlüssen des ständigen Haushaltsausschusses der Synode sowie des Rates, fördert die EKD mittlerweile fast 40 Projekte in der Flüchtlingshilfe. Schwerpunkte der Förderungen 2017 waren Projekte von Auslandsgemeinden und internationale Partnerkirchen, sowie Projekte im Bereich ziviler Seenotrettung und legaler Zugangswege. Besonders wurde darauf geachtet, bestehende Projekte zu verstärken oder mittelfristig abzusichern. Als neues und innovatives Projekt, wurde das „Amal Berlin!“-Projekt an der Evangelischen Journalistenschule bis Ende 2018 bewilligt. Damit wurden insgesamt über 5,1 Millionen Euro aus den synodal bereitgestellten Mitteln bewilligt. Mit den verbleibenden Mitteln sollen weiterhin ausgewählte Schwerpunkte gefördert und außerordentliche Projekte in der Flüchtlingsarbeit unterstützt werden.

3.1.3 Den Dialog stärken: „Amal Berlin!“-Projekt und „Chrismon spezial“ für Flüchtlinge

Nach dem großen Erfolg des Magazins chrismon spezial für Geflüchtete gab die EKD im Mai 2016 ein zweites mehrsprachiges Magazin für Flüchtlinge heraus. Das 24-seitige Heft trägt den  Titel  „Ankommen!“  und  erschien  auf  Arabisch/Deutsch  und  Persisch/Deutsch.  Über

270.000 Exemplare wurden bestellt und haben ein breites positives Echo hervorgerufen. Es ist weiterhin kostenfrei über fluechtlingsheft@chrismon.de zu bestellen und unter www.chrismon-guter-start.de digital abrufbar. Geflüchtete Journalistinnen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran und Ägypten haben die Artikel recherchiert und geschrieben. Sie arbeiten zugleich im Projekt „Amal Berlin!“ der Evangelischen Journalistenschule und betreiben unter www.amalberlin.de eine Nachrichtenwebseite für Flüchtlinge. Mit den synodal bereitgestellten Mitteln kann das Projekt bis Ende 2018 finanziert werden; zwei weitere chrismon spezial-Ausgaben sind in Vorbereitung.

3.1.4 Wort zur Lage der Kammer für Migration und Integration

Die Kammer formulierte im Auftrag des Rates „zehn Überzeugungen zu Flucht und Integration aus evangelischer Sicht“. Die Broschüre geht prägnant auf zentrale Aspekte der gesellschaftlichen Diskussion ein – von Menschenwürde bis Rechtsstaatlichkeit, von Religionsfreiheit bis Familienzusammenführung. Die Publikation stößt auf anhaltend hohe Nachfrage; ca. 45.000 gedruckte Hefte wurden seit April 2017 bestellt. Es ist auch in Übersetzungen auf Englisch, Arabisch und Persisch erhältlich, sowie als Postkarten-Set.

3.1.5 Fachtagung „Ernstfall Schule: Die Rolle der Religionen in der Einwanderungsgesellschaft“

Unter dem Thema „Ernstfall Schule. Die Rolle der Religionen in der Einwanderungsgesellschaft“ fand am 22. November 2016 in Berlin eine bundesweite Fachtagung mit 150 Teilnehmenden statt, die vom Kirchenamt in Kooperation mit der Evangelischen Akademie und dem Comenius-Institut veranstaltet wurde. Angeregt durch die EKD-Denkschrift „Religiöse Orientierung gewinnen. Evangelischer Religionsunterricht als Beitrag zu einer pluralitätsfähigen Schule“ und den EKD-Text „Gute Schule aus evangelischer Sicht. Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule“ wurde auf dieser Tagung mit Wissenschaft, Praxis und Politik sowie interreligiös intensiv diskutiert, auf welche Weise der bewusste Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt zur Schulentwicklung beitragen kann. Die Beiträge und Ergebnisse sind als „epd-Dokumentation“ veröffentlicht.

3.1.6 Interkulturelle Woche

Mit rund 5.000 Veranstaltungen in annähernd 600 Städten und Gemeinden bundesweit, erzielt die Interkulturelle Woche eine zivilgesellschaftliche Breitenwirkung, wie nur wenige Projekte. Im Jahr 2017 standen die Veranstaltungen unter dem Motto „Vielfalt verbindet“. Damit lag der thematische Fokus auf der sich Generationen in Deutschland entwickelnden Zuwanderungsgesellschaft, in der der Alltag längst bunt geworden ist. Im Gemeinsamen Wort zur Interkulturellen Woche 2017 machten die Kirchen deutlich, dass eine Politik, die Fremdenfeindlichkeit schürt, von Angst gegen Überfremdung lebt oder Grundfreiheiten in Frage stellt, mit einer christlichen Haltung unvereinbar sei.

3.1.7 Aktivitäten der Dienststellen des Bevollmächtigten zur Flüchtlingspolitik

Die Dienstelle des Bevollmächtigten und das Katholische Büro setzten sich weiterhin dafür ein, den für zwei Jahre ausgesetzten Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte bereits vor dem Stichtag des 16. März 2018 wieder zu ermöglichen. Anlässlich einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuss wiesen sie in einer mündlichen und schriftlichen Stellungnahme darauf hin, dass die mit dem Asylpaket II ausgesetzte Zuzugsmöglichkeit für Ehegatten, Kinder und für Eltern unbegleiteter Minderjähriger wider Erwarten zahlreiche Menschen betrifft, da sich die Entscheidungspraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach Erlass des Asylpakets II geändert hat: Mehr und mehr syrische Asylsuchende werden vom BAMF nicht mehr als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, sondern erhalten als Bürgerkriegsflüchtlinge nur noch einen Titel als subsidiär Geschützte.

Nach der Verfahrensabsprache zwischen dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Dr. Manfred Schmidt, dem Bevollmächtigten und dem Leiter des Katholischen Büros im Februar 2015 konnten weiterhin viele Kirchenasylfälle in dem so genannten „Dossier-Verfahren“ durch das BAMF überprüft werden. Vielfach übte das BAMF daraufhin sein Selbsteintrittsrecht aus und übernahm die Antragsteller in das nationale Asylverfahren. Bei einer Evaluierung auf Arbeitsebene im November 2015 hatte sich gezeigt, dass sowohl die kirchlichen Ansprechpartner als auch das zuständige Referat im BAMF das Verfahren guthießen. Im März 2016 hatten der Ratsvorsitzende und Erzbischof Dr. Stefan Heße für die beiden Kirchen und der damalige Präsident Dr. Frank-Jürgen Weise für das BAMF diese Einschätzung bestätigt und vereinbart, das Verfahren in bewährter Weise fortzuführen.

Nach einer internen Umstrukturierung war die Zuständigkeit im BAMF jedoch im Sommer 2016 an ein anderes Referat übergegangen, das dieses Verfahren überprüfen und die Fälle von Kirchenasyl statistisch erfassen wollte. Die Gespräche zum Kirchenasyl wurden auch unter der seit Februar 2017 amtierenden Präsidentin des BAMF, Jutta Cordt, fortgesetzt. Trotz der insgesamt konstruktiven Gesprächsatmosphäre kritisierten beide Seiten nunmehr die praktische Umsetzung der Verfahrensabsprache. Der Bevollmächtigte und der Leiter des Katholischen Büros wiesen etwa darauf hin, dass die Prüfung eingereichter Dossiers durch das nun zuständige Referat eine Auseinandersetzung mit den dargelegten Härten im Einzelfall häufig nicht erkennen lasse. Das BAMF hingegen betonte wiederholt, dass das „Dossier-Verfahren“ lediglich eine zweite Prüfung durch das BAMF ermöglichen solle; daher erwarte es, dass die Kirchengemeinden auch ein negatives Ergebnis dieser zweiten Prüfung akzeptierten. Nach rechtlicher Prüfung sprachen sich die beiden Prälaten dagegen aus, die Einreichung und Prüfung der Dossiers davon abhängig zu machen, dass die Kirchengemeinden schriftlich  bestätigten, auch ein negatives Ergebnis akzeptieren zu wollen. Angesichts der divergierenden Positionen einigten sich die Kirchen mit dem BAMF darauf, bis auf weiteres an der Umsetzung der Verfahrensabsprache festzuhalten und die Gespräche zeitnah fortzuführen.

Im Berichtzeitraum kam es wiederholt zu kritischen Hinweisen einzelner Gemeindemitglieder und Kirchenleitungen zur Situation von Konvertiten im Asylverfahren. Nach rechtlicher Prüfung durch die Dienststelle des Bevollmächtigten wurde dieses Thema auch in den Gesprächen mit dem BAMF problematisiert. Die beiden Prälaten legten ausführlich dar, welche Aspekte im Rahmen der Anhörungen und der Bescheide rechtlich bedenklich sind. Hierzu zählten insbesondere die Überprüfung der Kenntnisse der Grundlagen von der Konversionsreligion, die Frage nach einem konkreten Erweckungsoder Bekehrungserlebnis sowie die pauschale Abwertung der Glaubenspraxis. Das BAMF räumte ein, dass diese Problematik bekannt sei. Man versicherte, dass diejenigen Bescheide, die in Asylverfahren von Konvertiten ergehen, deshalb künftig durch das Qualitätssicherungsreferat überprüft würden. Zudem solle die von den Kirchen mehrfach kritisierte Trennung von „Anhörern“ und „Entscheidern“ in Asylverfahren von Konvertiten in möglichst vielen Fällen zeitnah aufgehoben werden. Ob durch die angekündigten Maßnahmen die Situation von Konvertiten im Asylverfahren tatsächlich verbessert werden kann, wird von den beiden Berliner Büros aufmerksam beobachtet werden.

Im Mai und Juli 2016 hatte die Europäische Kommission Gesetzesvorschläge zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vorgelegt, u.a. für eine Überarbeitung der Dublin III-Verordnung und der Aufnahmebedingungenrichtlinie sowie eine Asylverfahrensund eine Qualifikationsverordnung. Das EKD-Büro Brüssel veröffentlichte im Dezember 2016 gemeinsam mit anderen christlichen Organisationen Empfehlungen zu den weiteren Gesetzesvorschlägen im Rahmen der Reform des GEAS. In Gesprächen mit Kommissionsbeamten, Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Regierungsvertretern und bei Fachanhörungen wurde darauf hingewiesen, dass der derzeitige Trend hin zur Externalisierung der europäischen Schutzverantwortung und Sanktionierung von Asylbewerbern z.B. durch niedrigere Verfahrensgarantien und den Entzug materieller Leistungen, auf Dauer weder dem Interesse der Mitgliedstaaten an einem nachhaltigen gut funktionierenden Asylsystem gerecht wird, noch die Situation und Integrationsperspektiven von Asylbewerbern und Personen, die internationalen Schutz genießen, verbessert. Daneben nahm das EKD-Büro Brüssel an den Konsultationen der Europäischen Kommission zur „Halbzeitbewertung der Europäischen Migrationsagenda“ und zur „Legalen Migration“ teil.

3.2 Internationale Verantwortung

3.2.1 Internationaler Gebetstag für ein Ende des Hungers

Am 21. Mai 2017, dem Weltgebetstag für ein Ende des Hungers, haben Millionen Menschen unterschiedlicher Glaubenstraditionen, aus verschiedensten Organisationen und lokalen Gemeinschaften in der ganzen Welt gebetet, getwittert, gepostet und persönlich darüber gesprochen, dass 20 Millionen Menschen im Südsudan, in Somalia, im Jemen und in Nigeria unter Hungersnöten leiden. Aufgerufen dazu hatte ein internationales Bündnis, angeführt vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), der All-Afrikanischen Kirchenkonferenz (AACC), ACT Alliance und World Vision. Die EKD hatte schon zuvor in einem gemeinsamen Aufruf des Ratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Marx auf die nach UN-Angaben schlimmsten humanitären Krise seit 1945 hingewiesen und sich als Erstunterzeichner dem Aufruf zum Internationalen Gebetstag angeschlossen, verbunden mit dem Versand eines breit angelegten Materialpakets. Wie aus einem gemeinsamen Schreiben der Generalsekretäre des ÖRK Dr. Olav Fykse Tveit und des All-Afrikanischen Kirchenrats Dr. Andre Karamaga vom 21. Juni 2017 hervorgeht, nahmen insgesamt 120 Kirchenbünde und kirchliche Werke in aller Welt an dem Gebetstag teil, darunter auch zahlreiche Landeskirchen und kirchliche Werke aus Deutschland.

3.2.2 Positionspapier „EMOK an der Seite der Christen im Mittleren Osten“

Das Positionspapier der EMOK wurde unter dem Titel „EMOK an der Seite der Christen im Mittleren Osten“ veröffentlicht. In diesem Papier steht die Wahrnehmung der mittelöstlichen Christen und Kirchen im Mittelpunkt. In seinem ersten Hauptteil skizziert die   Stellungnahme Aspekte der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums im Mittleren Osten. Der Verweis auf historische Erfahrungen von Verfolgung und Bedrückung leitet über zum zweiten Hauptabschnitt, der verschiedene Aspekte der aktuellen Situation beschreibt und reflektiert. Der dritte Abschnitt ruft zu einem doppelten ökumenischen Lernprozess auf. Dieser sollte zum einen ausgerichtet sein auf die Vielfalt der Kirchen im Mittleren Osten, ihre Geschichte und Liturgien, ihr Selbstverständnis und ihre Bedeutung sowohl für die Kirchengeschichte als auch für die Kulturen und Gesellschaften ihrer Heimatländer. Zum anderen wird auf die ökumenische Relevanz der seit vielen Jahren in Deutschland präsenten mittelöstlichen Gemeinden und Kirchen verwiesen, wobei auch die Situation der Flüchtlinge einschließlich der von ihnen gemachten Verfolgungserfahrungen in den Blick genommen wird.

3.2.3 Genozid im damaligen Deutsch-Südwestafrika

In Umsetzung der Ergebnisse der Studienprozesse zur Kolonialund Apartheidsgeschichte von Kirchen und Missionswerken in Deutschland und im Südlichen Afrika (2007 – 2015) hat die EKD am 24. April 2017 eine Erklärung zum Genozid im damaligen Südwestafrika (1904 – 1908) unter dem Titel „Vergib uns unsere Schuld“ in deutschen und namibischen Medien veröffentlicht. Die Erklärung wurde auf der 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds (10.-16. Mai 2017) vom Präsidenten des LWB Bischof Munib A. Younan ausführlich hervorgehoben. Auch der namibische Staatspräsident Hage Geingob begrüßte die Bereitschaft der deutschen und namibischen Kirchen, in der Frage des Umgangs mit dem Genozid eine vermittelnde Rolle einzunehmen. In Folge beschloss die Vollversammlung eine „Öffentliche Erklärung zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia“, an der alle drei im Gemeinsamen Kirchenrat der lutherischen namibischen Kirchen (UCC-NELC) zusammengeschlossenen lutherischen Kirchen Namibias beteiligt waren. Folgekonsultationen der deutschen und namibischen Kirchen und Missionswerke zur Weiterarbeit an Fragen des Umgangs mit dem Genozid sind derzeit in Planung. Ebenso ist eine Anfrage des Auswärtigen Amtes der Bundesregierung an die EKD ergangen, gemeinsam mit den namibischen Kirchen an einer liturgischen Gestaltung der Übergabe von noch in Deutschland befindlichen sterblichen Überreste von Opfern der Kolonialherrschaft mitzuwirken.

3.2.4 Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens

Im Herbst 2015 fand erstmals ein Ökumenischer Pilgerweg für Klimagerechtigkeit statt und führte über eine Strecke von 1.500 Kilometern von Flensburg zur Weltklimakonferenz in Paris. Der Erfolg und die Nachhaltigkeit dieses Pilgerweges v.a. in den Gemeinden und Kommunen hat Landeskirchen, Bistümer und ökumenische Initiativen zum Weitergehen inspiriert.

Im Reformationsjahr beginnt der Zweite Ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit auf der Wartburg in Eisenach. Unter dem Leitthema „Klimagerechtigkeit ‐ Gerechter Frieden“ geht es vom 18.Oktober bis zum 5.November über 14 Etappen nach Bonn zur UN-Klimakonferenz (COP 23), die vom 6. bis 17. November dort tagt.

Das „Klima-Pilgern“ vereint das Unterwegssein von Christen verschiedener Konfessionen und „allen Menschen guten Willens“ (wie es 2013 im Aufruf des Ökumenischen Rates der Kirchen zum Pilgerweg heißt) mit dem Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.

Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Dekanate und ökumenische Initiativen werden die Pilgernden auf ihrem Weg begleiten und sie in Kirchen und Gemeindehäusern willkommen heißen, mit ihnen Andachten oder Gottesdienste feiern und bei Unterkunft und Verpflegung behilflich sein. Die Gliedkirchen in Hessen, Westfalen, im Rheinland (EKHN, EKKW, EKiR, EkvW) und das Erzbistum Köln haben die Trägerschaft übernommen, andere Gliedkirchen werden sich beteiligen.

Seit April 2017 wird gemeinsam mit polnischen Partnern wie z.B. dem Polnischen Ökumenischen Rat der Dritte Ökumenische Pilgerweg vorbereitet, der von Bonn nach Katowice/Polen zur COP 24 (3.-14.12.2018) führen soll. Inhaltlich wird es um erneuerbare Energien („Raus aus der Kohle“) und alternative Lebensstile gehen. Ähnlich wie beim Pariser Pilgerweg hat sich ein breiter ökumenischer Trägerkreis gebildet. Die Geschäftsstelle zur Vorbereitung ist beim Leipziger Missionswerk angesiedelt.

In die Diskussion im Europäischen Parlament um die Reform des Europäischen Emissionshandels für die Handelsperiode ab 2021 brachte sich die Brüsseler Dienststelle des Bevollmächtigten im Februar 2017 gemeinsam mit dem Katholischen Büro in Berlin ein und forderte die Abgeordneten auf, sich für eine möglichst umfassende an den Zielen des Pariser Klimaabkommens orientierte Reform einzusetzen.

3.2.5 Nachhaltigkeit

Am 1.8.2017 hat das neu eingerichtete Referat Nachhaltigkeit im Kirchenamt der EKD seine Arbeit aufgenommen. Im Kern geht es bei der Nachhaltigkeit um die Frage, wie wir heute leben und wirtschaften müssen, damit alle Menschen der gegenwärtigen wie auch der künftigen Generation ein gutes und menschenwürdiges Leben führen können ohne dass gleichzeitig die Gaben der Schöpfung übernutzt und die planetarischen Grenzen verletzt werden.

Aufgabe des neuen Referates wird es sein, die Nachhaltigkeit – hier insbesondere die Nachhaltigkeitsziele der UNals politische wie auch als theologisch-ethische Herausforderung zu reflektieren und die evangelische Perspektive auf die Nachhaltigkeit stärker in den öffentlichen Diskurs einzutragen. Dazu wird sich das Referat in Aufnahme der Ergebnisse des Diskurses Nachhaltige Entwicklung mit den entsprechenden Fachreferaten in der EKD (Referat für Umweltfragen, für Entwicklungspolitik, für Friedensfragen und für sozial-und gesellschaftspolitische Fragen), der Gliedkirchen, der Werke und Einrichtungen (Brot für die Welt, Diakonie Deutschland, Sozialwissenschaftliches Institut, FEST u.a.) sowie mit weiteren Initiativen im kirchlichen Raum ( „Umkehr zum Leben“, „anders wachsen“ u.a.) vernetzen. Weiterhin soll das Referat die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu den Nachhaltigkeitszielen der UN gemeinsam mit anderen kirchlichen Akteuren kritisch-konstruktiv begleiten und Maßnahmen entwickeln, wie die Nachhaltigkeit im Kirchenamt der EKD verbessert werden kann.

3.2.6 Weiterentwicklung evangelischer Friedensethik

Die Friedensfrage wird derzeit an vielen Stellen in Kirche und Gesellschaft als eine der politischen Schlüsselfragen unserer Zeit wiederentdeckt. Gründe dafür liegen ebenso in einer dramatisch ansteigenden Unsicherheit in den internationalen Beziehungen wie der wachsenden Heterogenität und Vielfalt in unserem eigenen Land. Wie kann es gelingen, in Respekt vor den fundamentalen Menschenrechten, unter Anerkennung von Verschiedenheit, in der Suche nach Gerechtigkeit, Zusammenleben so zu gestalten, dass Gewalt grundsätzlich geächtet ist und dort, wo sie unumgänglich ist, an strikte Regeln zu ihrer Anwendung in Eindämmung gebunden ist – im internationalen Kontext ebenso wie in innergesellschaftlichen bzw. innerstaatlichen Zusammenhängen („Gewaltmonopol“)? In vielen Gliedkirchen der EKD ebenso wie in der internationalen Ökumene hat das „Leitbild des gerechten Friedens“ auch ekklesiologische Auswirkungen. Die Frage ist: Wie können wir „Kirchen des gerechten Friedens werden“, die in ihrer eigenen Gestalt ebenso wie in ihrem gesellschaftlich relevanten Handeln und ihrer weltweiten Verantwortung zu einem Frieden in Gerechtigkeit beitragen. Deutlich ist, dass das in der EKD-Friedensdenkschrift von 2007 entwickelte Leitbild des gerechten Friedens in diese Richtung der neuen Konfliktkonstellationen und der globalen Verantwortung weiterentwickelt werden muss. Entscheidend dafür ist auch die Verankerung von Friedensethik in geistlichen Vollzügen („Friedensspiritualität“) und theologischer Reflexion („Friedenstheologie“). In den Projekten evangelischer Friedensethik sind diese Dimensionen in unterschiedlicher Weise abgebildet: Im Projekt der evangelischen Akademien (EAD) „Dem Frieden in der Welt zu dienen…“ geht es um den Dialog mit Politik, Militär und Wirtschaft, es geht um „Policy“-Fragen. An der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) geht es um eine interdisziplinäre grundlagenorientierte Friedensforschung. Im Konsultationsprojekt der Evangelischen Friedensarbeit „Kirche des gerechten Friedens werden“ geht es um die Fragen des Gestaltwandels der Kirchen, eng verknüpft mit dem Anliegen der ökumenischen „Pilgrimage of Justice and Peace“. Wenn es gegenwärtig gilt, das Leitbild des gerechten Friedens weiterzudenken, müssen diese drei unterschiedlichen Diskursfäden künftig noch enger aufeinander bezogen werden.

3.2.7 Rüstung

Am 12. Dezember 2016 hat sich der Bevollmächtigte im ARD-Morgenmagazin für die Einführung eines Rüstungsexportkontrollgesetzes ausgesprochen. Diese Forderung einer Revision der gesetzlichen Grundlagen für deutsche Rüstungsexporte stand im Zentrum des an diesem Tag in der Bundespresskonferenz in Berlin vom Bevollmächtigten zusammen seinem katholischen Kollegen als (Ko-) Vorsitzenden der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) vorgestellten Rüstungsexportberichts der GKKE. Nur auf diesem Weg könne der Widerspruch zwischen restriktiven gesetzlichen Grundlagen und einer großzügigen Genehmigungspraxis überwunden werden. Diese Forderung wurde auch in Gesprächen mit den Generalsekretären mehrerer politischer Parteien und bei weiteren Gelegenheiten vom Bevollmächtigen vorgetragen. Am 23. Juni 2017 äußerten sich die GKKE-Vorsitzenden in einer Pressemitteilung zum wenige Tage vorher vorgelegten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2016. Kritisiert wurden insbesondere der Anstieg der Exporte von Kleinwaffen sowie die massive Zunahme der Exporte von Kriegswaffen vor allem in Länder wie SaudiArabien und Katar. Auch hat der Bevollmächtigte bei der Gelegenheit die Forderung nach einem Rüstungsexportkontrollgesetz bekräftigt: „Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung zügig entsprechende Schritte einleitet und dies auch im Koalitionsvertrag verankert.“

Das Brüsseler Büro sprach sich im Juni 2017 angesichts der Abstimmung im Europäischen Parlament gegen die vorgeschlagene Änderung des Instruments für Stabilität und Frieden, mit dessen Hilfe Maßnahmen der Konfliktprävention und Friedenskonsolidierung finanziert werden, aus. Dies Änderung sieht vor, dass zukünftig mit Hilfe dieses Instruments unter außergewöhnlichen Umständen auch militärische Akteure in Partnerländern unterstützen werden können. Am 11. Juli 2017 stellte das EKD-Büro Brüssel gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung das Friedensgutachten 2017 vor. Unter dem Titel „The World in Disorder – Is the EU prepared enough?“ diskutierten u.a. Vertreter aus der Wissenschaft, des Europäischen Auswärtigen Dienstes und MdEP Knut Fleckenstein.

3.2.8 Neuauflage der Positionsbestimmung „Israel-Palästina“ der Ev. Mittelostkommission

Die Evangelische Mittelost-Kommission (EMOK) der EKD hat die im Jahr 2009 publizierte Positionsbestimmung „Israel-Palästina“ in 2. Auflage mit neuem Vorwort, ansonsten jedoch unverändert herausgegeben. Die EMOK verweist ausdrücklich darauf, dass die inhaltlichen Aussagen des Papiers nach wie vor ihre Position beschreiben. Damit bekräftigt die Kommission aktuell die international anerkannte Perspektive einer Zweistaatenlösung, wenngleich ihre Mitglieder nicht die Augen davor verschließen, dass die Gründung eines palästinensischen Staates immer weniger realistisch erscheint. Die anhaltende und mittlerweile fünfzig Jahre andauernde Besatzungspolitik Israels erscheint dabei als erhebliches Hindernis für eine gerechte Friedenslösung. Mit Sorge registrieren die Mitglieder der EMOK, dass die Gewalt auf beiden Seiten weitergeht, dass Dialoge verweigert werden und dass diejenigen zunehmend unter Druck geraten, die den Kontakt zur jeweils anderen Seite aufrechterhalten wollen. Auch wird auf beiden Seiten zunehmend die Arbeit von Initiativen behindert, die sich für Menschrechte, Versöhnung und Gewaltüberwindung einsetzen. Im Sinne einer Selbstverpflichtung und eines Appells bekräftigen die Mitglieder der EMOK, dass Kritik in fairer Weise zu üben und immer auch die Sicht der jeweils anderen Seite wahrzunehmen und zu respektieren ist. Das Papier möchte Gemeinden, Gruppen und Institutionen der evangelischen Kirche Orientierung geben, zur Auseinandersetzung herausfordern, vor allem aber dazu ermutigen, mit den Menschen in Israel und Palästina verbunden zu bleiben und sich weiterhin für ihre friedliche Zukunft einzusetzen.

3.3 Demokratie und Kirche

3.3.1 Demokratische Kultur und Kirche

Die im Herbst 2016 vorgelegte qualitative empirische Studie „Kirchenmitgliedschaft und politische Kultur“ hat nach dem Verhältnis von religiöser Orientierung und politischen Einstellungen gefragt. Damit kam auch die Frage nach der Verankerung von populistischen und diskriminierenden bzw. „menschenfeindlichen“ Politikmustern in evangelischen Kernmilieus in den Blick. Die qualitative Studie hat dazu geholfen, typische Zusammenhänge zu beschreiben. Besonders interessant und weiterführend für unsere Kirche ist der in der qualitativen Untersuchung beschriebene positive Zusammenhang zwischen einer intensiv gelebten Spiritualität und gesellschaftlichem Engagement für Benachteiligte. Die qualitative Untersuchung hat allerdings die Frage nach dem Umfang bestimmter Einstellungstypen, seien sie positiv oder negativ konnotiert, in der Kirchenmitgliedschaft aus Gründen der Forschungsmethodik nicht beantworten können.

Im August 2017 hat – unter Beteiligung von Mitgliedern des Rates der EKD eine wissenschaftliche Tagung zur Auswertung der qualitativen Studie stattgefunden. Trotz kritischer Bemerkungen zu methodischen Fragen wurde die Studie inhaltlich als ein hilfreicher Beitrag zur Frage der „politischen Kultur“ der Kirchen gewürdigt. Die Fachleute empfahlen eine Weiterarbeit auf drei Feldern: a. In Aufnahme des Synodenbeschlusses vom November 2016 wurde die Durchführung einer eigenständigen quantitativen Untersuchung zum Verhältnis von religiöser Praxis und politischen Haltungen befürwortet; b. wurde eine hermeneutisch-rekonstruierende Untersuchung zu den impliziten und expliziten religiösen Argumentationsmustern und „Theologien“ in diskriminierenden Texten, Reden, Zuschriften etc. angeregt; c. soll das weitgehend unerforschte Gebiet der internen „politischen Kultur“ in Kirchengemeinden in den Blick genommen und damit die Frage fokussiert werden, wie Kirche an ihrer sozialen Basis im lokalen Gemeinwesen tatsächlich agiert. Der Rat der EKD hat sich in seiner Sitzung im September 2017 mit den Ergebnissen der Auswertungstagung befasst und das Kirchenamt mit der Entwicklung einer Konzeption für die drei Bausteine der Weiterarbeit beauftragt.

Der Rat der EKD beschloss die Verlängerung der „Arbeitsstelle für Demokratische Kultur und Kirche“ an der Evangelischen Akademie zu Berlin um weitere zehn Jahre. Damit kann Studienleiter Dr. Christian Staffa zusammen mit dem Studienleiter, den die EKBO finanziert, weiterhin den Bereich demokratische Kultur und Kirche begleiten, gemeinsam mit den Aktiven entwickeln und die wichtige Arbeit im Netzwerk „narrt“ (Antisemitismuskritische und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie) fortsetzen.

3.3.2 Fachtagung „Zwischen Polarisierung und Konsens – Wie steht es um unsere Demokratie?“

Unter dem Eindruck des Aufkommens populistischer Strömungen und der sich daraus ergebenden Veränderungen der politischen Landkarte hatte der Rat der EKD die Kammer für Öffentliche Verantwortung gebeten, eine Stellungnahme zur Frage des Populismus zu erarbeiten. Die Frage zu Stand und Weg der Demokratie in Deutschland ist ebenfalls Gegenstand eines ökumenischen Arbeitsprozesses der Kammer für Öffentliche Verantwortung und der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz. Dieser Prozess fand seinen Auftakt in einer unter großem öffentlichen Interesse am 22. März 2017 in Berlin durchgeführten Veranstaltung unter der Überschrift „Zwischen Polarisierung und Konsens“. Die Impulse dieser Veranstaltung, besonders bemerkenswert sicher der Beitrag des (damaligen) Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, ermutigten die Kirchen, politische Polarisierung nicht nur zu beklagen, sondern, unter Wahrung der rechtsstaatlichen Prinzipien, die politische Kontroverse zu suchen und zu fördern.

Das am 21. August 2017 ebenfalls in Berlin präsentierte Impulspapier der Kammer für Öffentliche Verantwortung „Konsens und Konflikt“ führte diese Linie der Urteilsbildung weiter: Gerade in Anknüpfung an den Kern der reformatorischen Botschaft von der Freiheit eines Christenmenschen gelte es für die evangelische Kirche, die Demokratie als die Lebensform der Vielfalt zu würdigen. Die Demokratie lebe von der offen geführten Auseinandersetzung, die Raum gerade für gegensätzliche und strittige Auffassungen bieten müsse. Das Papier stellte die kritische Frage, ob die politische Auseinandersetzung in der jüngst vergangenen Zeit nicht zu sehr von der Exklusion missliebiger Meinungen, etwa in der Frage von Zuwanderung, Flucht und Asyl, geprägt gewesen sei und so zu einer Repräsentationslücke geführt habe. Die Kirche sei politischer Akteur zunächst in der Art, wie sie selbst und in ihrer eigenen Mitte mit Differenz umgehe und eine Kultur der Debatte fördere.

3.3.3 Ökumenische Erklärung zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge

Gemeinsam mit dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz wurde von der Brüsseler Dienststelle die Erklärung von EKD und DBK zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge vorbereitet.

3.3.4 Treffen der europäischen Religionsvertreter

Auf Einladung des Ersten Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans kamen am 29. November 2016 europäische geistliche Würdenträger und hochrangige Vertreter der Europäischen Union in Brüssel zum jährlichen Treffen der europäischen Religionsführer zusammen. Das Treffen stand unter der Überschrift: „Migration, Integration und europäische Werte: Werte in Handeln umsetzen“. Die EKD war durch den Ratsvorsitzenden Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm vertreten. Er warb dafür, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften sich stärker als Teil Europas verstehen sollten. Die Kirchen stünden in der Verantwortung, auch untereinander über ihre Haltung zu Europa zu diskutieren.

3.3.5 G20-Gipfel

Unter dem Titel „Mutige und weitreichende Maßnahmen zur Lösung der Weltprobleme auf den Weg bringen“ wurde am 4. Juli 2017 eine gemeinsame Erklärung des Ratsvorsitzenden und des Vorsitzenden der DBK, Kardinal Marx, veröffentlicht. Die Erklärung würdigte die bedeutende Rolle des Forums der zwanzig wichtigsten Industriestaaten für die Lösung der globalen Probleme, stellte aber gleichzeitig die erheblichen Defizite in der internationalen Zusammenarbeit fest und mahnte fortgesetzte Bemühungen um eine gerechte Weltordnung, für faire Handelsbeziehungen, für Gerechtigkeit und Frieden an. Zentral war auch der Aufruf zur strikten Gewaltlosigkeit an die Protestakteure.

3.3.6 Kurzpapier zu digitalen Medien im Wahlkampf

Spätestens im letzten Präsidentschaftswahlkampf in den USA wurde für Viele erkennbar, dass digitale Informationsund Kommunikationsmedien nicht nur neue Möglichkeiten der politischen Partizipation mit sich bringen, sondern auch Fragen nach der Verlässlichkeit von Informationen aufwerfen und eine schnelle und umfassende Verbreitung von Falschmeldungen und ehrverletzenden Äußerungen mit sich bringen können. Dem Rat war es darum ein Anliegen, die Kammer für soziale Ordnung zu beauftragen, ein Kurzpapier zum Thema „Digitale Medien im Wahlkampf verantwortlich einsetzen“ zu entwerfen. Die Kammer hat daraufhin unter Bezug auf das Achte Gebot („nicht falsch Zeugnis reden“), Martin Luthers Interpretation dieses Gebotes im Kleinen Katechismus und säkulare Argumentationsfiguren für eine verantwortliche Kommunikationskultur die Phänomene „Falschmeldungen/fake news“, „intransparente Kommunikation durch Nachrichtenroboter/ Social Bots“, „intransparente personbezogene Ansprache/ Microtargeting“, „verleumderische Nachrichten/ Shit Storms“ und „selbstbezügliche, meinungsverstärkende kommunikative Echokammern“ in ethischer Hinsicht interpretiert. Zugleich wurden – soweit es im Rahmen eines Kurzpapiers möglich war – verantwortliche Umgangsweisen mit digitalen Medien im Wahlkampf skizziert und zu einem entsprechenden Umgang mit diesen Medien aufgefordert. Das Kurzpapier wurde im Mai 2017 vom Rat zustimmend zur Kenntnis genommen und vom Rat im Kontakt mit politischen Akteuren eingesetzt.

3.3.7 Ökumenischer Aufruf zur Bundestagswahl

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, riefen zur Beteiligung an Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017 auf. In dem Aufruf betonten die beiden Vorsitzenden, dass sich die christlichen Kirchen in der Mitverantwortung für das Gemeinwesen sehen. Des Weiteren legten sie verschiedene aktuelle Themenaspekte dar, insbesondere die des Zusammenlebens und der demokratischen Streitkultur. Außerdem betonten Landesbischof  Bedford-Strohm und Kardinal Marx, dass Deutschland weltoffen bleiben und weiter Verantwortung für die Schwächsten und Verwundbarsten übernehmen müsse. In diesem Zusammenhang hoben sie den europäischen Zusammenhalt sowie eine Stärkung der internationalen Friedensordnung hervor.

3.3.8 Begegnungen

Der Rat der EKD begann das Jahr mit zwei politischen Spitzengesprächen. Am 23. Januar 2017 traf sich eine Abordnung des Rates unter Leitung des Ratsvorsitzenden mit der Spitze der SPD, am 31. Januar fand eine Begegnung mit dem Präsidium der CDU statt. In beiden von der Dienststelle des Bevollmächtigten organisierten Gesprächen wurden die Themen Reformationsjubiläum, Integration, gesellschaftlicher Zusammenhalt sowie die Zukunft Europas diskutiert. Zudem fand am 10. Juli 2017 eine Begegnung des Rates mit dem Bundesverfassungsgericht statt, bei welchem u.a. das Thema „Säkularität“ und Neutralität des Staates besprochen wurde.

3.4 Sozialund gesellschaftspolitische Fragen

3.4.1 Evangelische Freiwilligendienste und die zivilgesellschaftliche Präsenz der evangelischen Kirche

Nach einer umfassenden Evaluation der evangelischen Freiwilligendienste im Jahr 2015 wurde im Jahr 2017 zeitgleich mit der Berufung von Landessuperintendentin Dr. Petra Bahr als Ratsbeauftragter für die Freiwilligendienste eine neue „Konferenz evangelischer Freiwilligendienste“ als zentrales Organ der evangelischen Trägerlandschaft mit ihren mehr als 120 einzelnen Trägern eingerichtet. Angesichts von etwa 100.000 jungen Menschen, die in jedem Jahr einen Freiwilligendienst aufnehmen, davon nahezu 20.000 einen solchen in evangelischer Trägerschaft, gilt es die sowohl kirchliche wie gesellschaftliche Relevanz der Freiwilligendienste wahrzunehmen. Diese Dienste sind eine der zentralen Kontaktflächen unserer Kirche mit einer Generation, die oft wenig kirchliche Erfahrungen und wenig kirchliche Einbindung hat. In der Trägerlandschaft besteht große Einigkeit darin, dass es gilt, das evangelische Profil der Dienste zu schärfen, auch als Unterscheidungsmerkmal in einem zunehmend umkämpften „Wettbewerb“ um die Freiwilligen. In den nächsten Jahren soll ein kollektenfinanziertes Projekt „Spiritualität in den evangelischen Freiwilligendiensten“ die geistliche Dimension der Freiwilligendienste stärken.

In Gesprächen mit Parlamentariern und Kommissionsbeamten brachte sich die Brüsseler Dienststelle gemeinsam mit der aej und Aktion Sühnezeichen aufgrund der Erfahrungen mit europäischen und internationalen Freiwilligendiensten intensiv in die Debatte um die Errichtung eines Europäischen Solidaritätskorps (ESC) als Weiterentwicklung des Europäischen Freiwilligendienstes (EFD) ein und gab dazu im April 2017 gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) eine Stellungnahme ab sowie im Juli 2017 Anmerkungen und Änderungsvorschläge zum Vorschlag der EU-Kommission für einen Gesetzesentwurf zum ESC. Bereits im Dezember 2016 thematisierte sie mit dem Fachgespräch „Europäischen Gemeinschaftssinn beleben – Bildung stärken – Erasmus+ vereinfachen“ Erfahrungen mit dem Programm. Die Halbzeitbilanz von „Erasmus+“ und die kirchliche Stellungnahme dazu waren auch Thema des evangelischen Abgeordnetenfrühstücks am 27. Juni 2017 in Brüssel.

3.4.3 Woche für das Leben

„Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“ – unter diesem Motto stand die ökumenische „Woche für das Leben“ vom 29. April bis 7. Mai 2017. Die moderne Medizin eröffnet rund um Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt viele Möglichkeiten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die meisten dieser medizinisch-technischen Möglichkeiten mit zusätzlichen Aspekten und Nebenwirkungen verbunden sind, die sich nicht ausklammern lassen. So stehen Paare und werdende Eltern vor der Notwendigkeit, abzuwägen, Konsequenzen abzuschätzen und Entscheidungen zu treffen. Die „Woche für das Leben“ 2017 wurde in Kassel in einem Gottesdienst mit den beiden Vorsitzenden der evangelischen und katholischen Kirche feierlich eröffnet. Diesem Gottesdienst ging ein „Schülertag“ zur Thematik voraus, der von der Landeskirche organisiert wurde und viel Beachtung fand. Diese Schwerpunktsetzung wird im nächsten Jahr unter besonderer Berücksichtigung der Pränataldiagnostik fortgesetzt werden.

3.4.3 Ehrenamt und Zivilgesellschaft

Ausgehend von der Synode 2009, die sich mit dem Schwerpunktthema „Ehrenamtlich. Evangelisch. Engagiert“ befasst hatte, wurden von 2009 bis 2015 vier Ehrenamts-Kongresse durchgeführt, deren Ergebnisse von dem Website-Projekt www.evangelisch-ehrenamt.de aufgenommen wurden. Ziel dieses Website-Projektes war, den Diskurs über die strategische Entwicklung der Ehrenamtskultur in der evangelischen Kirche unter Kirchenleitenden der mittleren und landeskirchlichen Ebene zu fördern. Die Leitung des Projektes lag in den Händen einer Steuerungsgruppe, der Mitglieder der EKD-Ehrenamtsreferentenkonferenz aus verschiedenen Landeskirchen sowie einem Mitarbeiter des EKD-Kirchenamtes angehörten. Die Website, die von Februar 2016 bis März 2017 freigeschaltet war, bot Möglichkeiten, Thesen zur strategischen Entwicklung der Ehrenamtskultur wahrzunehmen, zu bewerten, zu kommentieren und eigene Thesen auf der Website einzustellen, Informationen abzurufen und aus umfassenden Dossiers Literatur herunterzuladen. Diese digitalen Angebote wurden durch analoge Veranstaltungen in den Landeskirchen ergänzt. Die Auswertung des Projektes ergab in quantitativer Hinsicht, dass viele Nutzerinnen und Nutzer Informationen abgerufen und Dateien heruntergeladen haben, dass jedoch nur wenige Kommentare zu den Thesen und auch nur wenige neue Thesen eingestellt wurden. In inhaltlicher Hinsicht ergab sich das Bild, dass das gute Zusammenwirken von beruflich Tätigen und Ehrenamtlichen eine Schlüsselfrage für die Arbeit der evangelischen Kirche ist und dass eine Strategie der Ehrenamtskultur als unverzichtbarer Bestandteil eines Reformprozesses verstanden werden müssen. Die Ergebnisse des Projektes werden im Dezember 2017 im Rahmen der EKD-Ehrenamtsreferentenkonferenz beraten, so dass sie in die strategische Arbeit der Landeskirchen einfließen können.

3.4.4 Stiftung „Anerkennung und Hilfe“

Zum 1. Januar 2017 ist die Stiftung Anerkennung und Hilfe von Bund, Ländern und Kirchen errichtet worden. Neben dem schon bestehenden Fonds Heimerziehung hat sie zum Ziel, Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 (Bundesrepublik Deutschland) bzw. vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 (DDR) in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren haben, in Ergänzung zum gesetzlichen Sozialleistungssystem bei der Bewältigung heute noch bestehender Folgewirkungen zu unterstützen. Dafür sollen die damaligen Verhältnisse und Geschehnisse in den Einrichtungen öffentlich anerkannt und wissenschaftlich aufgearbeitet sowie das den Betroffenen widerfahrene Leid und Unrecht durch Gespräche individuell anerkannt werden. Ferner sollen Betroffene, bei denen aufgrund erlittenen Leids und erlebten Unrechts während der Unterbringung heute noch eine Folgewirkung besteht, eine einmalige pauschale personenbezogene Geldleistung zur selbstbestimmten Verwendung erhalten. Menschen, die während der Unterbringung dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben und deren Rentenansprüche sich aufgrund nicht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge gemindert haben, sollen einen pauschalen einmaligen Betrag als finanziellen Ausgleich für entgangene Rentenansprüche (Rentenersatzleistung) erhalten. In den Bundesländern sind im Laufe des Jahres 2017 die den Betroffenen zur Verfügung stehenden Anlaufund Beratungsstellen eingerichtet worden. Die Kirchen sind in dem sie steuernden Lenkungsausschuss vertreten.

3.4.5 Missbrauchsprävention

Im Jahr 2016 hat sich die EKD stellvertretend für ihre Gliedkirchen gegenüber dem UBSKM verpflichtet, ein standardisiertes Schulungsprogramm zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel, in den Kirchengemeinden ein Umfeld für die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu schaffen, in dem die Risiken sexuellen Missbrauchs so weit wie möglich minimiert werden. Die Kirchenvorstände sollen bei möglichst geringer Belastung in die Lage versetzt werden, bestehende Risiken zu erkennen, zu benennen und durch gezielte Präventionsmaßnahmen existierenden Risiken entgegenzuwirken. Das Schulungsmaterial wird auf dem neu geschaffenen Internetportal „hinschauen-helfen-handeln“ online zur Verfügung gestellt. Zugriff auf den geschützten internen Bereich haben Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die zuvor ihrerseits darin geschult wurden, das Schulungsmaterial einzusetzen und die online-Hilfen zu nutzen. Die Gliedkirchen der EKD haben im Rahmen der Kirchenkonferenz im Juni 2017 dieser Konzeption zugestimmt.

Die zukünftige Zusammenarbeit der evangelischen sowie auch der katholischen Kirche mit dem UBSKM über 2018 hinaus, wurde im „Gemeinsamen Positionspapier des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, des bei seinem Amt angesiedelten Beirats und Betroffenenrats sowie der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ skizziert.

Im Berichtsjahr 2017 fand das dritte, vom UBSKM in Auftrag gegebene Monitoring statt. In der letzten Jahreshälfte werden die qualitativen Interviews im Handlungsfeld „Religiöses Leben“ geführt, die, wie die gesamte Erhebung, von dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Interviews sollen Erkenntnisse über den Umsetzungsstand von Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt im kirchlichen Bereich liefern. An der Studie nehmen aus dem Bereich der Gliedkirchen vier Einrichtungen teil.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs unter dem Vorsitz von Frau Prof. Dr. Sabine Andresen hat zu Beginn des Jahres 2017 die Arbeit aufgenommen. Ein Zwischenbericht der Kommission über rund 1000 mit Betroffenen geführten Interviews liegt vor.

3.4.6 Datenschutz

Das Thema Datenschutz hat in allen praktischen, rechtlichen und technischen sowie politischen Bereichen in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei geht es immer um den Schutz von personenbezogenen Daten, um so das aus der Verfassung abgeleitete Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eines jeden Einzelnen zu garantieren. Für die evangelische Kirche hat der Schutz von personenbezogenen Daten vor dem Hintergrund des kirchlichen Auftrags und des christlichen Menschenbildes auch im Hinblick auf das Seelsorgeund Beichtgeheimnis von jeher eine besondere Bedeutung. Die evangelische Kirche regelt ihren kirchlichen Datenschutz im „Kirchengesetz über den Datenschutz in der evangelischen Kirche“ (DSG-EKD). Dieses Kirchengesetz wird mit Blick auf die Europäische Datenschutzgrundverordnung (Art. 91 EU-DSGVO) zurzeit novelliert und der EKD-Synode 2017 zur Beschlussfassung vorgelegt. Zur Wahrnehmung der Datenschutzaufsicht existiert für die EKD sowie alle Gliedkirchen, Zusammenschlüsse und Diakonischen Werke, die ihre Datenschutzaufsicht auf die EKD übertragen haben, seit Anfang 2014 die unabhängige und eigenständige Behörde „Der Beauftragte für den Datenschutz der EKD (BfD EKD)“. Seit Errichtung dieser Behörde wird die Datenschutzaufsicht innerhalb der evangelischen Kirche nun einheitlicher als in der Vergangenheit und in größeren Strukturen wahrgenommen. Die Hauptaufgaben des BfD EKD sind Beratung, Weiterbildung und Aufsicht im Bereich des rechtlichen und technischen Datenschutzes sowie der Organisation des Datenschutzes. Im Rahmen der Beratung ist der BfD EKD bestrebt, das Thema Datenschutz in Kirche und Diakonie, insbesondere durch Informationsmaterialien, stärker ins Bewusstsein zu rücken. Der BfD EKD bietet des Weiteren ein umfangreiches Weiterbildungsprogramm für Betriebsbeauftragte und örtlich Beauftragte für den Datenschutz an. Das Programm beinhaltet einerseits Schulungsmaßnahmen, andererseits aber auch Aspekte des Erfahrungsaustausches. Zu den Aufgaben des BfD EKD gehört aber auch, die Einhaltung des Datenschutzes zu kontrollieren und zu überwachen. Im Bereich des technischen Datenschutzes steht aktuell vor allem das Thema Verschlüsselung als eine wichtige Maßnahme zur Sicherstellung des technischen Datenschutzes im Vordergrund. Hier sieht der BfD EKD im kirchlichen und diakonischen Bereich deutlichen Handlungsbedarf. Im Bereich des rechtlichen Datenschutzes wird die Umsetzung des neuen DSG-EKD breiten Raum einnehmen. Im Jahr des Reformationsjubiläums hat der BfD EKD das Thema Datenschutz auch mit einem Stand beim Kirchentag in Berlin ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Weitere Informationen zur Arbeit des BfD EKD können der  Homepage unter https://datenschutz.ekd.de/ entnommen werden. Der BfD EKD wird in den nächsten Jahren weiter daran arbeiten, die Professionalisierung und Vereinheitlichung seiner Arbeit kontinuierlich voran zu treiben.

3.4.7 Digitalisierung

Die vielfältigen Aktivitäten zum Thema „Digitalisierung ergeben sich aus dem Bericht über den Stand der Umsetzung und Weiterarbeit am Schwerpunktthema der EKD-Synode 2014 „Die Weitergabe des Evangeliums in der digitalen Welt“. Auf europäischer Ebene sind zusätzlich zu nennen: Die „European Sunday Alliance“ organisierte unter Mitwirkung der Brüsseler Dienststelle des Bevollmächtigten am 15. November 2016 eine Konferenz im Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss mit dem Titel „Work-Life-Balance 4.0 Challenges in a time of digitalisation" unter Mitwirkung von EU-Kommission Günther Oettinger. Am 3. März 2017 startete die Allianz eine besondere Aktion zum Europäischen Tag für den arbeitsfreien Sonntag. Zudem fand am 4. Mai 2017 das fünfte Treffen der von der Europäischen Sonntagsallianz organisierten Interest Group „Work-Life-Balance“ im Europäischen Parlament zum Thema „Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit“ statt.

3.4.8 Arbeitswelt

Der Rat der EKD hat in seiner Sitzung im Mai 2017 beschlossen, das Projekt ARBEIT PLUS zu beenden. Ziel dieses Projektes war, Unternehmen, die sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen und eine verantwortliche Personalpolitik in besonderer Weise einsetzen, auszuzeichnen und im Rahmen von Vergabeveranstaltungen Begegnungsmöglichkeiten zwischen Unternehmensleitungen, Betriebsräten bzw. Mitarbeitervertretungen und kirchenleitenden Personen zu schaffen. Im Februar 2015 wurde die Projektleitung vom EKD-Kirchenamt auf den Evangelischen Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt e.V. (KWA) übertragen. Die inhaltliche Konzeption und die Zertifizierungsprozesse lagen i.W. in den Händen des Institutes für Wirtschaftsund Sozialethik an der Universität Marburg (IWS). Das Vergabegremium, in dem Vertreter und Vertreterinnen der Wissenschaft, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände beteiligt waren, wurde von den Ratsvorsitzenden der EKD geleitet. Seit 1999 wurden 54 Unternehmen geprüft und 47 Unternehmen zertifiziert. Ein umfassender Evaluationsprozess zu diesem Projekt, an dem Vertreterinnen und Vertreter alle Projektbeteiligten mitwirkten, kam zu dem Ergebnis, dass kaum Chancen gesehen wurden, unter den veränderten Rahmenbedingungen (religiöse Pluralisierung der Gesellschaft, wachsender „Zertifizierungs-Markt“, andere Schwerpunktsetzungen der landeskirchlichen Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt u.a.) mit vertretbarem Ressourceneinsatz eine intensivere und erfolgreichere der Arbeit des Projektes zu erreichen. Dieser Einschätzung hat sich der Rat nach intensiver Beratung angeschlossen und die Beendigung des Projektes beschlossen. Der Vorstand des KWA hat zugleich angekündigt, die Umsetzung der Stärken dieses Projektes in anderen Formaten zu prüfen.

3.5 Kirche und Bildung

3.5.1 Berufsschulreligionsunterricht

Der Berufsschulreligionsunterricht (BRU) begleitet junge Erwachsene bei der Suche nach dem eigenen Glauben in einer durch religiöse Pluralität gekennzeichneten Gesellschaft und fördert Verstehen und Toleranz. Zugleich trägt er zur Persönlichkeitsentwicklung im Beruf und zur Kooperationsfähigkeit am Arbeitsplatz bei. Es ist das Anliegen der EKD, die Stellung des BRU im Rahmen der aktuellen Schulentwicklung zu sichern und entsprechende Handlungs-strategien gegenüber den Schulverantwortlichen in den Bundesländern abzustimmen. In diesem Zusammenhang hat der Rat einen Orientierungsrahmen zu Kompetenzen und Standards für den BRU beschlossen. Dieser gewährleistet die Anschlussfähigkeit des BRU an die allgemeine Unterrichtsentwicklung und trägt zur Qualitätssicherung des Faches bei.

3.5.2 Konsultation Kirche an der Hochschule

Am 20.1.2017 trafen sich zur Konsultation „Religion an der Hochschule“ fünfzig Vertreterinnen und Vertreter aus Evangelischen Studierendengemeinden, Landeskirchenämtern sowie geladene Gäste aus befreundeten Organisationen, u. a. vom Rat muslimischer Studierender und Akademiker (RAMSA) und vom Katholischen Forum Hochschule und Kirche (FHoK) auf Einladung der Bundes-ESG. Die Verschiebung der Thematik zu Religion an der Hochschule dürfte von einer Ausweitung der Perspektive und den aktuellen Erfahrungen zeugen. Beiträge von Prof. Dr. Walter Rosenthal, Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Prof. Dr. Hans Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, sowie der Austausch in verschiedenen Arbeitsgruppen trugen zur Sichtung von Handlungsmöglichkeiten bei. Dieser Tag war ein wichtiger Baustein zur Vorbereitung der erneuten Berufung des Hochschulbeirates der EKD, die mittlerweile erfolgt ist. Der Hochschulbeirat wird dieses Thema „Religion an der Hochschule“ weiterbearbeiten wie auch die Vernetzung kirchlich Aktiver in der Hochschullandschaft vorantreiben.

3.5.3 Neuausrichtung des Hanna-Jursch-Preises

18 Jahre nach seiner Einrichtung ist der Hanna Jursch-Preis neu ausgerichtet worden. Geschlechterforschung wird an den Universitäten mittlerweile als ein vom Geschlecht des/ der Verfassenden unabhängiges Themenfeld begriffen. Genderforschungsansätze sind aber noch immer kein selbstverständlicher Bestandteil wissenschaftlicher Theologie, sondern werden politisch motiviert zum Teil wieder in Frage gestellt. In dieser Situation sind Maßnahmen zur Unterstützung und Stärkung genderspezifischer Forschungsperspektiven dringend geboten. Mit dem Hanna Jursch-Preis können zukünftig alle herausragenden wissenschaftlich-theologische Arbeiten ausgezeichnet werden, in denen Genderbzw. geschlechterspezifische Perspektiven eine wesentliche Rolle spielen. Die bisher geltende Bedingung, dass preiswürdige Arbeiten von Frauen verfasst sein mussten, hat der Rat der EKD in seiner März-Sitzung aufgehoben. Außerdem beschloss der Rat, den Hanna Jursch-Nachwuchspreis, der im Rahmen der Reformationsdekade erstmals ausgelobt wurde, zu verstetigen. Mit dem Preis können bis zu drei wissenschaftlich-theologische Arbeiten von geringerem Umfang, z.B. Seminarund Examensarbeiten, ausgezeichnet werden.

3.6 Kirche und Recht

3.6.1 Interreligiöse Positionierung zum Religionsverfassungsrecht

Zu den besonderen Schwerpunkten der Zielvorgaben des Rates für das Jahr 2017 gehörte die Absicht, eine gemeinsame interreligiöse Positionierung zum Religionsverfassungsrecht zu initiieren und zu koordinieren. Die Bemühungen darum, eine gemeinsame Plattform für die Erarbeitung eines entsprechenden Papiers zu schaffen, haben nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Um gleichwohl das Thema zu bearbeiten, ist jetzt ins Auge gefasst, von Seiten der EKD ein interreligiöses Symposion zu veranstalten, das gemeinsame religionsverfassungsrechtliche Anliegen im interreligiösen Kontext bearbeitet. Die Federführung wird das Kirchenrechtliche Institut der EKD haben.

3.6.2 Sonnund Feiertagsschutz

Der Schutz der Sonnund Feiertage wird einerseits durch das Grundgesetz, die Feiertags-, Arbeitszeitund Ladenschlussgesetze der Länder und einschlägige Gerichtsurteile weitgehend gesichert. So bleibt die Zahl der Erwerbstätigen, die an Sonnund Feiertagen gelegentlich, regelmäßig oder ständig arbeiten müssen, in den letzten zehn Jahren recht konstant. Andererseits gibt es auch in jüngster Zeit wieder Initiativen von Akteuren insbesondere des Handels und der Politik, nach denen der Arbeitsschutz an Sonnund Feiertagen zu bestimmten Zeiten (z.B. an Adventssonntagen) oder in bestimmten Branchen (z.B. Call-Center) oder auch die Einschränkungen bei Veranstaltungen an Sonnund Feiertagen (z.B. Tanzverbote an Karfreitag) gelockert werden sollen. Repräsentative Umfragen in der Bevölkerung zeigen ein heterogenes Bild. Auch im Handel gibt es unterschiedliche Stimmen. Diejenigen Akteure in Zivilgesellschaft und Politik, die am bisherigen Niveau des Sonnund Feiertagsschutzes festhalten wollen, geraten insbesondere in medialen Diskussionen unter Druck. Aufgrund des biblischen Zeugnisses einer Feiertagsheiligung mit seinen kultischen (Gottesdienst), schöpfungstheologischen (Erholung von Mensch, Tier und Natur) und sozialen (Schutz der Schwachen) Aspekten und aufgrund säkularer Erkenntnisse zur Bedeutung von Zeiten, der der Erholung von Leib und Seele wie auch gemeinschaftlicher Aktionen in Familie und Zivilgesellschaft dienen, setzen sich die EKD und die Landeskirchen für die Pflege einer Sonnund Feiertagskultur und für die Sicherung eines rechtlichen Schutzes der Sonnund Feiertage ein. Zur Unterstützung dieser Bemühungen wurde ein Dossier mit statistischen Daten, Hinweisen zur Gesetzeslage und Rechtsprechung, theologischen Argumentationen und Impulsen für mögliche Argumentationen und Aktivitäten der Landeskirchen und der EKD erstellt und sowohl der Kirchenkonferenz wie auch dem Rat zur Verfügung gestellt.

3.6.3 Neufassung der Richtlinie des Rates der EKD über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der EKD und ihrer Diakonie

Am 9. Dezember 2016 hat der Rat die inhaltliche Neufassung der Richtlinie über die kirchlichen Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der EKD und ihrer Diakonie beschlossen. Vorausgegangen war ein umfangreicher Konsultationsund Diskussionsprozess mit den Gliedkirchen, der Diakonie sowie der Interessenvertretungen der Mitarbeiterschaft und der Dienstgeber, Durch die neuen Regelungen wird zum einen klargestellt, dass die primäre Verantwortung für die kirchliche Prägung der Einrichtungen in der Kirche und der Diakonie bei den Einrichtungsleitungen liegt. Die Arbeitsplätze in der Kirche und ihrer Diakonie sollen stärker zugunsten von Andersoder Nichtgläubigen geöffnet werden. Ein Beitrag zur Gewährsleistung der kirchlichen Prägung soll durch die überwiegende Beschäftigung von Christinnen und Christen erbracht werden. Die Grundsatzfrage, ob und inwieweit die Religionsgemeinschaften nach ihrem Selbstbestimmungsrecht über religionsbezogene berufliche Anforderungen entscheiden können und ob und inwieweit diese Entscheidungen von den staatlichen Gerichten kontrolliert werden können, hat das Bundesarbeitsgericht vor dem Hintergrund von § 9 Abs. 1 AGG dem EuG vorgelegt. Der EuGH hat die Sache am 18. Juli vor seiner Großen Kammer verhandelt; mit der Urteilsverkündung ist um die Jahreswende herum zu rechnen.

3.7 Weitere Aktivitäten der Dienststellen des Bevollmächtigten

Vom 28. November bis 3. Dezember verantwortete der Bevollmächtigte eine Studienreise nach Jerusalem und Bethlehem. Zielgruppe waren die für Kirchen zuständigen Beamtinnen und Beamten in Bundesund Landesministerien. Ein Schwerpunkt der Reise unter der Überschrift „Das Verhältnis von Religion und Staat im Heiligen Land“ waren Gespräche mit NichtRegierungsorganisationen zum Nahostkonflikt.

Ein wichtiges Ereignis im politischen Betrieb in Berlin war die Bundesversammlung zur Wahl eines Bundespräsidenten am 12. Februar 2017. Vor der Wahl hatte die Dienststelle des Bevollmächtigten gemeinsam mit dem Katholischen Büro zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen. Die Predigt in der vollbesetzten St. Hedwigs-Kathedrale hielt Prälat Dutzmann.

Ökumenische „Christliche Morgenfeiern“ organisiert die Dienststelle des Bevollmächtigten im Andachtsraum des Bundestages jeden Donnerstag und Freitag in den parlamentarischen Sitzungswochen vor den morgendlichen Plenardebatten. Die Andachten werden von Prälat Dutzmann, seinem katholischen Pendant Karl Jüsten und ihren jeweiligen Mitarbeitern, sowie von insgesamt mehr als 30 Abgeordneten gehalten.

Zum fünften Mal wurde in diesem Jahr am 15. Juni der jährliche Ökumenische Gottesdienst anlässlich der Entsendung von Angehörigen des Auswärtigen Dienstes in die deutschen Auslandsvertretungen gefeiert. An dem Gottesdienst, der gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt vorbereitet und gestaltet wird, nahmen auch die Familien der Diplomaten teil.

Ein traditioneller Höhepunkt in der Tätigkeit des Bevollmächtigten ist der Johannisempfang; er fand in diesem Jahr am 22. Juni statt. Nach einem Vortrag des Ratsvorsitzenden zum Thema

„Glaube, Hoffnung, Liebe – Kraftquellen für die Gesellschaft“ bestand Gelegenheit zu politischen Gesprächen mit den Gästen, unter denen sich neben einigen Ministern auch Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert befand.

Der Bundestagspräsident zählte auch zu den Gästen der letzten Andacht in der 18. Legislaturperiode im Bundestag am 29. Juni, bei der Prälat Dutzmann den aus dem Bundestag ausscheidenden Politikerinnen und Politikern eine persönliche Segnung anbot. Von diesem Angebot machten auch diesmal fast alle Anwesenden gern Gebrauch.

Nach der Sommerpause und kurz vor der anstehenden Bundestagswahl setzte die Dienststelle gemeinsam mit dem Katholischen Auslandssekretariat die seit vielen Jahrzehnten stattfindenden jährlichen „Attachés-Tagungen“ für angehende Diplomaten des höheren Auswärtigen Dienstes am 21. und 22. September 2017 in Chorin fort. Ähnliche Veranstaltungen hatten bereits zu Beginn des Jahres für Anwärter des gehobenen und mittleren Dienstes des Auswärtigen Amts (am 25. und 26. Januar 2017) stattgefunden.

Anlässlich der Konstituierung des neuen Bundestages haben die Dienststelle des Bevollmächtigten und das Katholische Büro Berlin im Oktober 2017 eine ökumenische Andacht durchgeführt.

In der Brüsseler Dienststelle bestimmten die Diskussion um die Zukunft Europas, die Konsequenzen aus der Brexitentscheidung, die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die Debatte um den künftigen EU-Haushalt und die Kohäsionspolitik sowie der Vorschlag für einen Europäischen Solidaritätscorps und nicht zuletzt das Reformationsjubiläum die Agenda der Brüsseler Dienststelle.

Beim evangelischen Frühstück mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments am 17. November 2016 stand die Kundgebung der kurz zuvor beendeten EKD-Synode im Mittelpunkt. Die Forderungen der Synode wurden auch bei einer Dialogveranstaltung mit Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Zukunft der EU im Europäischen Parlament am 27. Juni 2017 vorgestellt. Die Dienststelle Brüssel des Bevollmächtigten beschäftigte sich zudem intensiv mit dem Weißbuch der EU-Kommission vom 1. März 2017 zur Zukunft der EU und den folgenden Zukunftspapieren. Die Brüsseler Dienststelle bereitete zudem die „Podienreihe Europa“ auf dem DEKT in Berlin vor und gestaltete die Themenwoche „Europa“ auf der Weltausstellung in Wittenberg mit.

Die Servicestelle für europäische Förderpolitik und -projekte von EKD und Diakonie Deutschland, angesiedelt im EKD-Büro Brüssel, konnte im Berichtszeitraum ihre erfolgreiche Arbeit zur Unterstützung evangelischer Einrichtungen in Bezug auf die Beantragung europäischer Fördermittel fortsetzen. In ihrer Funktion als Beratungsstelle für kirchliche und diakonische Einrichtungen begleitete informierte und begleitete sie im Berichtszeitraum 89 Einrichtungen bei der Planung und Beantragung EU-geförderter Projekte. Durch die Unterstützung der Servicestelle wurden dabei seit November 2016 Fördergelder in Höhe von 1.234.079,00€ für Projekte mit kirchlicher und/oder diakonischer Beteiligung eingeworben. Mehrere Großprojekte, die Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen erhielten, befinden sich derzeit im Bewerbungsbzw. Entwicklungsprozess. Zum Kapazitätenaufbau im Bereich der europäischen Fördermittel hielten die Mitarbeiterinnen der Servicestelle zahlreiche Vorträge bei Veranstaltungen von Landeskirchen und diakonischen Landesverbänden sowie Seminare. Neben dem elektronischen Benachrichtigungsdienst zu europäischen Fördermitteln, der FörderInfo Aktuell, wurde eine neue Auflage des „Wegweiser durch die europäische Förderlandschaft“ aufgelegt.

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