Reformation und Islam
Ein Impulspapier der Konferenz für Islamfragen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Juni 2016
5. Ausblick
500 Jahre Reformation sind ein Anlass, erneut über die Islamwahrnehmung der Reformatoren und deren Bedeutung für die Gegenwart nachzudenken. Aus heutiger Sicht kritikwürdige und theologisch nicht zu rechtfertigende Ansichten müssen dabei ebenso zur Sprache kommen wie die grundlegenden reformatorischen Erkenntnisse, die in der Folgezeit weit über Deutschland hinaus gewirkt haben und bis heute das Glaubensleben Vieler prägen.
Im Dialog mit Musliminnen und Muslimen können evangelische Christinnen und Christen kritisch und positiv äußern, was ihnen Reformation heute bedeutet. Für das dialogische Miteinander von Christen und Muslimen ist das 500-jährige Reformationsjubiläum auch ein Anlass, sich eingehend über theologische Begründungen und Motive zur Begegnung zu verständigen. Die Kammer für Theologie der EKD hat formuliert: »Es bleibt eine zentrale Herausforderung, welche Wege die Kirche im Horizont ihres Verständnisses der Heiligen Schrift und in gegenwärtiger Verantwortung ihrer reformatorischen Bekenntnisse im Dialog der Religionen einschlägt.« [59] Deutlich ist dabei, dass die heutigen Wege von einem erheblich positiveren Verständnis religiöser Vielfalt gekennzeichnet sind, als dies im 16. Jahrhundert und weit darüber hinaus der Fall war.
Gegenwärtig und zukünftig wird es darauf ankommen, mit dem Erbe der Vergangenheit so umzugehen, dass dadurch Begegnung mit anderen nicht verhindert, sondern ermöglicht und befördert wird. In einer Gesellschaft, die verschiedene Bekenntnisse und Weltanschauungen in sich birgt, ist die eigene theologische Sprach- und Verständigungsfähigkeit immer wieder herausgefordert. Die Kammer für Theologie der EKD spricht von der Notwendigkeit einer »öffentlich verantworteten Theologie«: »Deutlich ist aber, dass die Bedeutung der Religionen in einer pluralistischen Gesellschaft entscheidend davon abhängt, ob sie eine öffentlich verantwortete Theologie entwickeln, die Verständigungsversuche und Übersetzungen zwischen den Konfessionen, Religionen und unterschiedlichen Weltanschauungen ermöglicht.« [60] Der vorliegende Text kann somit als Ermutigung gelesen werden, sich im 500. Jahr der Reformation das mitunter sperrige Erbe aus dem 16. Jahrhundert in Aufnahme und Abgrenzung so anzueignen, dass dadurch die wichtige Verständigung zwischen evangelischen Christen und Muslimen nicht erschwert, sondern erleichtert wird.