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Eintritt und Wiedereintritt in die evangelische Kirche, EKD-Texte 107, 2009
3. Recht des Kircheneintritts
3.1. Das Kirchenmitgliedschaftsgesetz der EKD
Die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufnahme und Wiederaufnahme in die evangelische Kirche finden sich im Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft der EKD [22]. Dieses Gesetz gilt unmittelbar als gesamtkirchliches Recht für alle Gliedkirchen der EKD.
Das Kirchenmitgliedschaftsgesetz verwendet umgangssprachlich gebräuchliche Begriffe Eintritt und Wiedereintritt – im Gegensatz zum Austritt – nicht. Die Begriffe Aufnahme und Wiederaufnahme sollen verdeutlichen, dass es sich um einen zweiseitigen Akt handelt, der Aufnahmebegehren und eine Entscheidung der Kirche erfordert. Bei der Wiederaufnahme wird nicht vom Zurückerlangen der Kirchenmitgliedschaft gesprochen, sondern vom Zurückerlangen der Rechte und Pflichten aus der Kirchenmitgliedschaft. Damit wird ausgedrückt, dass bei einem Austritt die Unverbrüchlichkeit der mit der Taufe gegebenen Zusage Gottes erhalten bleibt, während die Rechte und Pflichten aus der Kirchenmitgliedschaft nicht wahrgenommen bzw. eingefordert werden.
Kirchenmitglieder innerhalb der EKD sind die getauften evangelischen Christen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich einer Gliedkirche der EKD haben, es sei denn, sie gehören einer anderen evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft an.
Kirchenmitgliedschaft besteht zur Kirchengemeinde und zur Gliedkirche des Wohnsitzes. Unter besonderen Voraussetzungen kann die Kirchenmitgliedschaft auch zu einer anderen Kirchengemeinde begründet werden. Dies kann im gliedkirchlichen Recht geregelt werden. Neben gliedkirchlichen Regelungen über die Umgemeindung innerhalb der Landeskirche gehört hierzu auch die Vereinbarung über die Kirchenmitgliedschaft in besonderen Fällen [23], die unter bestimmten Voraussetzungen eine Umgemeindung über landeskirchliche Grenzen hinaus ermöglicht.
Das Kirchenmitglied steht in der Gemeinschaft mit anderen deutschen evangelischen Christen und gehört aufgrund der Mitgliedschaft in Kirchengemeinde und Gliedkirche zugleich der EKD an. Eine unmittelbare Kirchenmitgliedschaft in der EKD kennt das Kirchenmitgliedschaftsrecht nicht.
Grundlage für den Erwerb der Kirchenmitgliedschaft ist die Taufe in einer Kirchengemeinde einer Gliedkirche der EKD. Getaufte ohne Kirchenmitgliedschaft erwerben die Kirchenmitgliedschaft durch Aufnahme, Wiederaufnahme oder Übertritt. Aufnahme ist der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft durch eine zuvor aus einer anderen christlichen Kirche oder Religionsgemeinschaft nach staatlichem Recht ausgetretene Person. Wiederaufnahme ist das Zurückerlangen der Rechte und Pflichten aus der Kirchenmitgliedschaft durch eine zuvor aus einer Gliedkirche der EKD nach staatlichem Recht ausgetretene Person. Übertritt ist der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft unter Aufgabe der Mitgliedschaft in einer anderen christlichen Kirche oder Religionsgemeinschaft ohne vorherigen Austritt nach staatlichem Recht, sofern nicht das staatliche Recht einen vorherigen Austritt erfordert. In dieser Systematisierung nicht vollständig erfasst ist das wichtige „Übertrittsphänomen“ durch Zuwanderung aus anderen Ländern. Hier gilt in der Regel, dass bisherige Mitglieder einer evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft im Ausland die Kirchenmitgliedschaft nach besonderen Bestimmungen in ökumenischen Zusammenschlüssen und Vereinbarungen oder durch Erklärung gegenüber der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle erwerben.
Die rechtlichen Regelungen des Erwerbs der Kirchenmitgliedschaft durch Aufnahme, Wiederaufnahme oder Übertritt treffen die Gliedkirchen vorbehaltlich der Vorschriften des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes. Die Gliedkirchen haben entsprechende Regelungen in ihren Kirchenordnungen bzw. -verfassungen bzw. in eigenständigen Gesetzen oder Verordnungen getroffen [24].
Über die Aufnahme oder Wiederaufnahme wird aufgrund einer Erklärung des Aufnahmewilligens entschieden. Aufnahme und Wiederaufnahme in die Wohnsitzkirchengemeinde können durch Erklärung gegenüber jeder zu diesem Zweck errichteten Stelle im Bereich der EKD eingeleitet werden. Sie vollziehen sich nach dem Recht der Gliedkirche, in dem die jeweilige besonders errichtete Stelle gelegen ist. Im Übrigen bestimmt das gliedkirchliche Recht die für die Entgegennahme der Erklärung zuständige Stelle.
Die Möglichkeit der Einrichtung von zentralen Wiedereintrittsstellen wurde 2001 in das Kirchenmitgliedschaftsgesetz der EKD eingefügt. Hier kann die für die Aufnahme oder Wiederaufnahme erforderliche Erklärung entgegengenommen werden. Dabei ist der Aufnahmewillige nicht auf den Bereich seiner Kirchengemeinde oder Landeskirche verwiesen. Vielmehr kann er die Erklärung gegenüber jeder besonders dafür eingerichteten Stelle im Bereich der EKD abgeben.
Neben der Erklärung des Bewerbers über die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bedarf es einer Aufnahmeentscheidung, die aufgrund der Erklärung gefällt wird. Weitere Voraussetzungen für diese Entscheidung und die Zuständigkeit regelt das gliedkirchliche Recht. Im Kirchenmitgliedschaftsgesetz der EKD ist der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft zu einer anderen Gemeinde als der Wohnsitzkirchengemeinde im Zuge der (Wieder-)Aufnahme bislang nicht vorgesehen. Eine Umgemeindung kann nur nach dem Recht der Gliedkirche erfolgen. Dringend erforderlich wäre eine vereinheitlichte und erleichternde Regelung zur Umgemeindung im Zuge der Wiederaufnahme.
Die Gliedkirchen können durch eigenes Recht oder zwischenkirchliche Vereinbarung weitergehende Regelungen über die Aufnahme und Wiederaufnahme treffen. Hier liegt ein Desiderat kirchenleitenden Handelns.
3.2. Rechtliche Regelungen der Gliedkirchen
Die Gliedkirchen haben in unterschiedlichem Umfang eigene Regelungen zur (Wieder-)Aufnahme von Kirchenmitgliedern getroffen. Regelmäßig bedarf es eines schriftlichen oder mündlichen Antrags bzw. einer Erklärung gegenüber dem zuständigen Pastor oder der Pastorin oder der jeweils für die Aufnahmeentscheidung zuständigen Stelle. Nach dem Recht der EKD ist zum einen die in der besonders errichteten Wiedereintrittsstelle verantwortliche Person, regelmäßig ein Pastor oder eine Pastorin, zuständig. Darüber hinaus ist die Zuständigkeit in den Gliedkirchen der EKD sehr vielfältig geregelt. In ca. der Hälfte der Gliedkirchen ist bei der (Wieder-)Aufnahme in der Kirchengemeinde der Kirchenvorstand bzw. das Presbyterium oder der Ältestenkreis zuständig. In vielen anderen Gliedkirchen ist hingegen der Pfarrer der Wohnsitzgemeinde, teilweise darüber hinaus jeder Pfarrer der Landeskirche zuständig. In zwei Gliedkirchen können auch nicht ordinierte Personen mit der Entscheidung beauftragt werden. In Bremen entscheidet der Kirchenausschuss aufgrund einer Stellungnahme des Pastors oder der Pastorin. Einige Gliedkirchen erkennen jeden Pfarrer einer Gliedkirche der EKD als zuständige Person an.
Zum Teil muss oder kann in diesen Fällen vor der Entscheidung durch die Person in der Wiedereintrittsstelle der Pastor bzw. die Pastorin oder der Kirchenvorstand angehört werden. In anderen Gliedkirchen sind diese nach der Entscheidung lediglich zu unterrichten.
Diese divergente Rechtslage, die nur zum Teil unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen geschuldet ist, lässt sich nur schwer vermitteln. In der Praxis führt sie insbesondere bei Aufnahmen, die auf dem Gebiet einer anderen Landeskirche als der des Wohnsitzes vorgenommen werden sollen, zu Schwierigkeiten. Die unterschiedlichen Kompetenzen sind nicht immer klar bekannt. In einem Spannungsverhältnis hierzu steht der Umstand, dass die Gliedkirchen die besonders eingerichteten Wiedereintrittsstellen und die nach dem dortigen Recht vollzogenen (Wieder-)Aufnahmen gegenseitig anerkennen. Auch im Blick auf die Aufnahmeverfahren außerhalb dieser besonderen Stellen ist eine Vereinheitlichung anzustreben.
3.3. (Wieder-)Aufnahme im Ausland
In einer zunehmend globalisierten und mobilen Welt stellt sich verstärkt die Frage nach einer Kirchenmitgliedschaft deutscher evangelischer Christen im Ausland bzw. der Möglichkeit, in einer deutschen Auslandsgemeinde (wieder) in die evangelische Kirche in Deutschland eintreten zu können. Zum einen äußern verstärkt Urlauber oder Langzeitresidenten im Ausland, die in Deutschland einen Wohnsitz haben, Interesse, die besondere Situation am Aufenthaltsort und den Kontakt zur dortigen deutschen Gemeinde zum (Wieder-)Eintritt in die Kirche zu nutzen. Auch die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr werfen Fragen in Bezug auf die (Wieder-)Aufnahmemöglichkeiten der Soldaten auf. Es ist anzustreben, die mit der EKD verbundenen deutschen Auslandsgemeinden als Wiedereintrittsstellen, vergleichbar den besonders errichteten Stellen in den Gliedkirchen, anzuerkennen. Eine entsprechende zusätzliche Qualifikation der Auslandspfarrer müsste gewährleistet werden. Die (Wieder-)Aufnahme würde mit Wirkung für und gegebenenfalls in Abstimmung mit der Wohnsitzkirchengemeinde erfolgen.
Ein zweites Desiderat ist die Möglichkeit einer (Wieder-)Aufnahme von Personen, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, gleichwohl aber Mitglied einer deutschen evangelischen Kirche sein möchten. Grundsätzlich endet mit dem Wegzug aus dem Geltungsbereich der EKD die Kirchenmitgliedschaft. Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt bleibt die Kirchenmitgliedschaft bestehen, das Kirchenmitglied ist jedoch von seinen Pflichten befreit und ist nicht wahlberechtigt. Bei seiner Rückkehr setzt sich die Kirchenmitgliedschaft fort. Aus der Kirche Ausgetretene können hingegen zurzeit ohne einen Wohnsitz in Deutschland nicht (wieder) in die Kirche eintreten, auch wenn sie die Rückkehr nach Deutschland beabsichtigen. Die Kirchenmitgliedschaft in Deutschland wird aus unterschiedlichen Motiven zunehmend als ein Bezugspunkt in der Heimat geschätzt und gewünscht. Auch wenn während des Auslandsaufenthaltes mit der Mitgliedschaft keine konkreten Rechtsfolgen verbunden sind, wäre hier eine analoge Regelung zu den nur vorübergehend im Ausland befindlichen Kirchenmitgliedern wünschenswert. Anknüpfungspunkt könnte wie bei diesen Personen der letzte Wohnsitz im Inland sein.
3.4. Sonderformen der Mitgliedschaft
Ein von unterschiedlichen Seiten geäußertes Anliegen ist es, Ungetauften und Ausgetretenen durch besondere, mitgliedschaftsähnliche Rechtsformen Annäherungen an die Vollmitgliedschaft zu ermöglichen. Man könnte in diesem Sinne auf Folgendes verweisen: Bereits jetzt haben ungetaufte Kinder christlicher Eltern in einigen Kirchenverfassungen einen besonderen Rechtsstatus. Dieser umfasst Teilnahme- und Mitwirkungsrechte am gottesdienstlichen Leben, an der kirchlichen Unterweisung und das Recht, kirchliche Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Vergleichbare Rechtspositionen sind auch für jugendliche oder erwachsene Taufbewerber (Katechumenen) denkbar, selbst wenn es sich in der Praxis regelmäßig um einen kurzen Übergangszeitraum handelt, in dem die Taufunterweisung stattfindet und der seinen Abschluss mit der Taufe findet.
Problematischer gestaltet sich allerdings eine rechtliche Position von Personen, die zwar in einem bestimmten Rahmen eine Teilnahme am gemeindlichen Leben wünschen, z.B. – wie bereits dargelegt – in der Kirchenmusik oder als Förderer eines Kirchengebäudes, die jedoch eine Taufe und volle Mitgliedschaft nicht anstreben. Nach den bestehenden Lebensordnungen der Kirchen ist diesen Menschen die Teilnahme am gemeindlichen Leben, insbesondere am öffentlichen und frei zugänglichen Gottesdienst möglich. Die verbleibende bewusst gewählte Distanz macht es allerdings unmöglich, ihnen dezidierte Mitgliedschaftsrechte wie das aktive und passive Wahlrecht zu den kirchlichen Gremien zuzugestehen. Auch das Recht, ein Patenamt zu übernehmen, ist an die Mitgliedschaft gebunden. Eine bewusste Ablehnung der Kirchenmitgliedschaft steht im Widerspruch zu der bei der Taufe gegebene Zusage des Paten, den Täufling auf seinem Weg in die christliche Gemeinschaft zu begleiten und zu unterstützen. Unbenommen bleibt den Gemeinden bei diesen z.T. sensiblen Anfragen die Möglichkeit einer „Taufzeugenschaft“ ohne Mitgliedschaft in der Kirche [25].
Die abgestufte Gewährung von Rechten, die bisher nur Kirchenmitgliedern zustehen, weist – und das gibt den Ausschlag – letztlich keinen eigenen Mehrwert auf. Jedenfalls dann, wenn sie nicht oder nur in abgeschwächtem Maße mit finanziellen Pflichten verbunden ist, wird sie vielmehr für denjenigen attraktiv, der bereits über einen Austritt nachdenkt. Die Gemeinschaft der Christen in der Kirche bedeutet aber auch, gemeinsam und solidarisch die für die Arbeit erforderlichen finanziellen Grundlagen zu erbringen. Damit ist nicht vereinbar, dass die gewünschten Beteiligungsrechte am kirchlichen Leben und die damit verbundene finanzielle Belastung frei ausgewählt werden können. Außerdem ist in einer derartigen Rechtsposition, sofern sie nicht von vornherein nur auf Zeit angelegt ist, die Gefahr der Verfestigung einer Distanz zur Kirche angelegt. Ziel jeder Überlegung für neue Angebote an Nichtmitglieder sollte das Werben und Hinführen auf die volle Gemeinschaft in der Kirche als getauftes Mitglied sein [26].