Schön, dass Sie (wieder) da sind!

Eintritt und Wiedereintritt in die evangelische Kirche, EKD-Texte 107, 2009

Vorwort

Herzlich willkommen! Ich freue mich darüber, dass rund 60.000 Menschen jedes Jahr durch Erwachsenentaufen, Übertritte oder Wiederaufnahmen in Deutschland in die evangelische Kirche eintreten. Ganz bewusst finden oder suchen sie hier ihre geistliche Heimat. Im kirchlichen Handeln spiegelt sich diese Entwicklung vielfältig wider, etwa in der Einrichtung von (Wieder-)Eintrittsstellen, im Angebot von Taufseminaren für Erwachsene oder in öffentlichen Kampagnen. Getragen ist dieses Engagement vom Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der Vater macht ihm im Evangelium keine Vorwürfe, stellt keine Fragen, sondern feiert ein Fest aus Freude. Ein solches Fest ist für uns immer gegeben, wenn jemand Mitglied unserer Kirche wird. Das Christentum ist eine Gemeinschaftsreligion. Bei allen Spannungen, die es gibt, wissen wir uns aufeinander gewiesen, wollen wir unseren Glauben miteinander als Kirche leben.

Der vorliegende EKD-Text nimmt dieses wichtige Handlungsfeld auf und versucht, eine empirische, theologische, juristische und kirchenpraktische Orientierung für diesen Bereich zu vermitteln. Darin zeigt sich eine markante thematische Akzentverschiebung: Stand in den kirchlichen Verlautbarungen zum Thema Kirchenmitgliedschaft bisher primär das Phänomen des Austritts im Vordergrund, so richtet sich der Blick nun auf das Phänomen der (Wieder-)Annäherung an die Kirche. Damit verbindet sich eine neue, einladende Grundhaltung der Kirche, die mit dieser Studie ausdrücklich gestärkt und gefördert werden soll.

Als Zielgruppe sind alle Personen im Blick, die Verantwortung für die Gestaltung von (Wieder-)Eintrittsmöglichkeiten tragen, die im Bereich der (Wieder-)Eintrittsstellen tätig sind bzw. werden sollen oder die auf andere Weise mit diesem Thema in Berührung kommen. Aber auch allen anderen Engagierten gibt diese Studie einen guten Einblick in die inneren Beweggründe und äußeren Anlässe einer „Wiederentdeckung der Kirche“; nicht nur für Vorbereitung und Vollzug eines (Wieder-)Eintritts, sondern auch für Angebote und Gespräche in der auf den Eintritt folgenden Zeit sind dieser Studie viele Anregungen zu entnehmen.

Der erste Teil widmet sich den bisher vorliegenden empirischen Erkenntnissen im Bereich (Wieder-)Eintritt. Dabei bezieht er die Ergebnisse einer neuen, im Auftrag der EKD durchgeführten qualitativen Studie ein. In der anschließenden Skizze einer Theologie des Kircheneintritts werden theologische Erwägungen aufgenommen, welche die Kammer der EKD für Theologie im Jahr 2000 vorgelegt hat (Taufe und Kirchenaustritt, EKD-Text Nr. 66). Darauf folgt die Beschreibung der aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen für den (Wieder-)Eintritt. Aus den grundsätzlichen Überlegungen werden anschließend Folgerungen für die Praxis gezogen: Es werden Wege des (Wieder-)Eintritts beschrieben und es wird entfaltet, welche Herausforderungen sich für die Gestaltung des (Wieder-)Eintritts stellen. Schließlich wird die begleitende Öffentlichkeitsarbeit in den Blick genommen. Handlungsimpulse schließen als Empfehlungen den Text ab.

Einige zentrale Ergebnisse der Studie seien hier einleitend hervorgehoben:

  • „Kirchenbindung“ wird als praktisch-theologischer Schlüsselbegriff für die Wahrnehmung und das Verständnis von (Wieder-)Eintritten herausgestellt. Der Begriff erlaubt es, die Pluralität individueller Bezüge zur Kirche vor und nach der Aufnahme einer formal geregelten Mitgliedschaft zu sehen und zu verstehen.
  • Besondere Bedeutung kommt dem Perspektivwechsel zu, den Kirchen(wieder)eintritt stärker aus dem Lebenskontext des betroffenen Menschen wahrzunehmen und zu würdigen. Aufschlussreich und praxisrelevant für die konkrete Arbeit sind dabei die Bilder von Kirche, mit denen der Akt des Wiedereintritts verbunden und damit zugleich auch bewertet wird.
  • Impulse gibt der Text im Blick auf eine kirchenrechtliche Vereinheitlichung der verschiedenen gliedkirchlichen Regelungen und auf die Ermöglichung von Wiedereintritten im Ausland (vor allem in deutschen Auslandsgemeinden). Die Frage eines Wiedereintritts über das Internet wird demgegenüber zurückhaltend beurteilt.
  • Ein Herzstück und Zentrum des Textes ist die Entfaltung einer „Kultur des Willkommens“. Sie soll die gesamte Wahrnehmung, Deutung und Praxis des (Wieder-)Eintritts in die Kirche prägen. Hier zeigt sich ein signifikanter Paradigmenwechsel gegenüber der Praxis der Wiederaufnahme in früheren Jahren. Zu einer solchen Kultur gehören die vielfältigen Praxisempfehlungen zur angemessenen Gestaltung des (Wieder-)Eintritts.
  • Ein markanter Akzent liegt dabei auf dem rituell-gottesdienstlichen Aspekt, auf dem „kleinen Pastorale des (Wieder-)Eintritts“. Auch hierin spiegelt sich ein neuer thematischer Zugang, in dem die geistlich-liturgische Begleitung im Vordergrund steht. Die drei Kriterien „situationsoffen“, „schwellensensibel“ und „einladend“ bieten dafür eine gute Orientierung.

Dem Text ist eine empirische Studie angefügt, für die 21 Menschen zu den biographischen Zusammenhängen befragt wurden, die sich mit ihrem (Wieder-)Eintritt verbinden. Diese Studie bietet exemplarische Einblicke in Motive und Entscheidungen der Befragten und regt zu einem biographisch sensiblen Umgang mit Eintrittswilligen an.

Ausdrücklich sei – nicht nur für den Fall der schnellen Lektüre – auf die zehn Impulse zur Weiterarbeit verwiesen.

Sehr herzlich danke ich der Projektgruppe, die den Text in höchst sachkundiger und intensiver Arbeit in anderthalb Jahren erarbeitet und verfasst hat. Angesichts der hohen Bedeutung des behandelten Themas und der Qualität der Arbeit ist die zügige Fertigstellung des Textes nachdrücklich zu begrüßen.

Die begleitende empirische Studie wurde von Pfarrer Rüdiger H. Chr. Jungbluth im Auftrag des Kirchenamtes durchgeführt und von einer Gruppe von Theologen, Soziologen und kirchenleitenden Personen begleitet. Auch ihnen gilt ein ausdrücklicher und herzlicher Dank.

Besonders danken möchte ich schließlich der Vorsitzenden der Projektgruppe, Oberkirchenrätin Doris Damke, dem Geschäftsführer, Oberkirchenrat Rolf Sturm, sowie Oberkirchenrat Dr. Thorsten Latzel, der nach dem Übergang des Geschäftsführers in eine andere Aufgabe dieses Projekt in die Zielgerade gesteuert hat. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat diese Studie in der letzten Ratsperiode mit Dank entgegengenommen. Es ist eine große Freude, in der neuen Ratsperiode mit der Veröffentlichung dieses Textes starten zu können, in dem sich die Offenheit und Einladungskultur unserer Kirche spiegeln. Und es ist die Hoffnung des Rates, dass die Anregungen des Textes in der kirchlichen Praxis auf vielfältige Weise aufgenommen werden.

Hannover, im November 2009

Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann

Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

EKD-Text 107 (pdf)

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