„... damit ihr nicht traurig seid“ - Christlicher Umgang mit Sterben und Tod

Eine Handreichung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2018

Außergewöhnliche Todesfälle

Das Handeln der Kirche im Umfeld von Sterben und Tod

„Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom, sie sind wie ein Schlaf, wie Gras, das am Morgen noch sprosst, das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt“
(Psalm 90,5-6)

In Fällen eines unerwarteten Todes steht häufig die Frage nach dem Warum im Vordergrund: Warum musste gerade dieser junge Mensch so früh sterben? Warum widerfährt das gerade mir, gerade jetzt? Was habe ich falsch gemacht? Wofür werde ich bestraft? Warum lässt Gott das zu? Solche Fragen sind bei Gott aufgehoben; wir Menschen können keine Antworten darauf geben, nur die Schreie der Verzweiflung darin hören und im Gebet vor Gottes Angesicht bringen.

Tod von früh- und neugeborenen Kindern

Auch am Lebensanfang bestehen durch die moderne Medizin große Chancen, schwere Erkrankungen – teilweise bereits im Mutterleib – zu behandeln. Frühchen (so die Bezeichnung für Frühgeborene) haben gegenwärtig die Chance, von der 22. Schwangerschaftswoche an außerhalb der Gebärmutter am Leben erhalten zu werden. Gleichwohl versterben Kinder weiterhin: Sie sterben im Mutterleib, sie kommen tot zur Welt oder haben nur wenige Minuten, Stunden oder Wochen hier auf Erden. Eltern, die ihr Kind verlieren, brauchen Trost und Begleitung.

Es ist eine der Aufgaben der Geistlichen, Seelsorgerinnen und Seelsorger sich der Eltern anzunehmen, die ihr Kind schon in der Schwangerschaft verloren haben. Für diese sogenannten Frühchen, Sternenkinder oder stillgeborenen Kinder besteht gesetzlich keine Bestattungspflicht, aber Eltern haben das Recht, diese Kinder bestatten zu lassen. Es sind Initiativen entstanden, die für besondere Gräber auf Friedhöfen sorgen und in regelmäßigen Abständen Trauerfeiern und Gottesdienste für mehrere Elternpaare anbieten. Seit 1996 gibt es die Initiative betroffener Eltern, weltweit an früh verstorbene Kinder zu erinnern: Worldwide Candle Lighting (Weltweites Kerzenleuchten vgl. dazu die Information des Bundesverbandes verwaister Eltern: www.veid.de/thema-trauer/einzelansicht/news/weltgedenktag-fuer-alle-verstorbenen-kinder/). Am dafür vorgesehenen Termin, dem zweiten Sonntag im Dezember, gedenken auch etliche evangelische Kirchengemeinden sowie Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger im Gebet dieser Kinder.


Evangelisch:

Das Evangelische Gesangbuch enthält das folgende Gebet, das Eltern nach dem Tod ihres Kindes sprechen können:

Unbegreiflicher Gott! Wir klagen dir unsere Verzweiflung. Du hast uns unser Kind genommen. Es wird uns schwer, uns in deinen Willen zu fügen. Hilf uns, wir sind mit unserer Kraft am Ende. Stärke uns, dass wir dir vertrauen, auch wenn wir dich nicht verstehen. Lass unser Kind jetzt bei dir sein. Herr, Gott, verlass uns nicht.
Evangelisches Gesangbuch 951

Im Evangelischen Gesangbuch finden sich Texte und Gebete für die Taufe in Notfällen. Die reformierte Tradition kennt keine Nottaufe.

Wenn für einen Menschen, insbesondere für ein neugeborenes Kind, Lebensgefahr besteht und ein Pfarrer oder eine Pfarrerin nicht mehr herbeigerufen werden kann, darf jeder Christ taufen. Voraussetzung ist, dass der Täufling oder die für ihn Verantwortlichen einverstanden sind. Wenn möglich, soll die Taufe in Gegenwart christlicher Zeugen vollzogen werden.
Evangelisches Gesangbuch 791


Orthodox:

Die liturgische Ordnung der orthodoxen Kirche sieht eine besondere Form des Totengottesdienstes für verstorbene Kinder vor.

Herr Jesus Christus, unser Gott, der Du verheißen hast, denen, die geboren sind aus Wasser und Geist und nach kindlichem Leben vor Dich treten, das Reich der Himmel zu schenken (Markus 10,15), und der Du gesagt hast: „Lasset die Kinder zu mir kommen . . ., denn ihrer ist das Reich der Himmel!“ (Matthäus 19,14), wir bitten Dich demütig, Du wollest Deinem jetzt von uns geschiedenen Knecht, dem Kinde N., nach Deiner untrüglichen Verheißung das Erbe Deines himmlischen Reiches geben. Uns aber würdige nach untadeligem Wandel und christlichem Lebensende in die himmlischen Hallen aufgenommen zu werden!
Beerdigung von Kleinkindern

In der orthodoxen Kirche ist, ebenso wie in der evangelischen Kirche, die Nottaufe bekannt: Um dem Kind, das lebensgefährlich erkrankt ist, den Segen der Taufe zukommen zu lassen, kann jeder getaufte Christ das Kind „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ taufen.

Suizid

Menschen, die ihrem Leben selber ein Ende setzen, vollziehen diesen Schritt meist, um sich von einer für sie als unerträglich empfundenen Last zu befreien. Diejenigen, die in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld von einem Suizid betroffen sind, bedürfen der besonderen seelsorgerlichen Aufmerksamkeit. Bei den Hinterbliebenen gehört die Frage nach der Schuld zu den schmerzhaften Themen. Die christlichen Kirchen sind sich darin einig, dass sie jede Werbung für den Suizid und eine Beihilfe zur Selbsttötung ablehnen.

Die Haltung der Kirchen zur Frage der Bestattung von Suizidenten hat sich gewandelt. Eine Verurteilung steht uns nicht zu, bei Gott sind gerade die Mühseligen und Beladenen aufgehoben. Der Blick auf die Trauernden, die in besonderer Weise auf den Zuspruch des Trostes angewiesen sind, ist in den Vordergrund gerückt. In der evangelischen Kirche werden Menschen, die ihr Leben selber beendet haben, genau wie andere Kirchenmitglieder bestattet. Die russische orthodoxe Kirche veröffentlichte vor einiger Zeit eine gottesdienstliche Ordnung „für die Verwandten eines freiwillig aus dem Leben Geschiedenen“.

Orthodoxe Gebete

Gebieter, barmherziger Herr, der Du die Menschen liebst, wir bitten Dich für Deinen Knecht N., der gesündigt hat, Dein Gesetz gebrochen und Deine heilsamen Gebote, Deine Liebe und Dein Evangelium aufgegeben hat, für unseren Bruder, welchen die Verzweiflung erdrückt hat. Menschenliebender, strafe ihn nicht in Deinem Zorn, sondern gewähre ihm Ruhe, heile die Schmerzen unseres Herzens, Dein grenzenloses Erbarmen bedecke das Meer unserer bitteren Tränen. O süßer Jesus, wir flehen zu Dir: Schenke Deinen Knechten, die dem, der sich freiwillig das Leben genommen hat, nahe stehen Trost in ihrem Schmerz und Leid, denn wir hoffen auf Deine Gnade und vertrauen auf sie. Denn Du bist der gute Gott, der die Menschen liebt, und Dir senden wir Lobpreis empor, mit Deinem ewigen Vater und Deinem allheiligen, guten und lebenschaffenden Geist, jetzt und immerdar, und in die Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
Gebet zum Trost von Angehörigen eines freiwillig aus dem Leben Geschiedenen

Gedenke, Herr, der Seele Deines verstorbenen Knechtes N. Erbarme Dich, da Du es vermagst. Unerforschlich sind Deine Ratschlüsse. Lege mir dieses Gebet nicht als Sünde aus, Dein heiliger Wille geschehe. Amen.
Gebet des heiligen Mönchsvaters Leo von Optina

Hirntod und Organspende

Erst seit wenigen Jahrzehnten ist die Medizin dazu in der Lage, Menschen nach schweren Unfällen, Herzversagen oder Hirnschädigungen durch die Intensivmedizin am Leben zu erhalten. Allerdings entstehen dadurch auch neue Herausforderungen, auf die die Gesellschaft, die Kirchen und die Einzelnen Antworten finden müssen. Von einem Hirntod wird dann gesprochen, wenn sämtliche Hirnfunktionen ausgefallen sind und der Kreislauf sowie die Herzfunktion nur noch durch Maschinen aufrechterhalten werden. Wenn der Hirntod in einem Krankenhaus nach ganz spezifischen schweren Erkrankungen gemäß den medizinischen Kriterien festgestellt wird, können, wenn eine Zustimmung vorliegt, Organe für eine Transplantation entnommen werden.


Evangelisch:

Die evangelische Kirche befürwortet das Spenden von Organen, um nach dem eigenen Tod einem anderen Menschen das Weiterleben zu erleichtern. Sie sieht darin einen Akt von Barmherzigkeit gegenüber Leidenden, die ohne ein Spenderorgan nur eine begrenzte Lebenserwartung haben. 1990 haben die EKD und die katholische Deutsche Bischofskonferenz in einer gemeinsamen Erklärung betont, dass die Organspende die Möglichkeit bietet, „über den Tod hinaus sein Leben in Liebe für den Nächsten hinzugeben“. Niemand darf sich jedoch gezwungen fühlen, einer Organspende zuzustimmen, weil dieses von den Kirchen positiv gesehen wird. Viele Menschen in und außerhalb der Kirchen stehen einer Organspende aus verschiedenen Gründen skeptisch gegenüber. Wichtig ist es, die einzelnen dabei zu unterstützen, dass sie für sich und ihre Angehörigen eine ihrem Gewissen und ihrem Glauben gemäße Entscheidung treffen können.


Orthodox:

Die Orthodoxe Bischofskonferenz in Deutschland hat eine Handreichung zu Fragen der Organtransplantation verabschiedet, sie „versteht die Organspende als eine Form der Nächstenliebe in der Nachahmung Christi und betrachtet die Organtransplantation als eine gut zu heißende Möglichkeit zur Verlängerung des irdischen Lebens, da das Leben Geschenk Gottes und kostbares Gut ist. Zugleich respektiert sie die Freiheit eines jeden Menschen, sich gegen die Organspende zu entscheiden. Sie begleitet in Liebe alle, die auf eine Organspende angewiesen sind, und möchte Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige und Seelsorger in dieser nicht einfachen Frage unterstützen.“

Die seelsorgliche Begleitung bei einer Hirntoddiagnose und einer Organspende erfordert eine gute Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Krankenhaus. Die Zugehörigen sind in solchen Tagen extremen Belastungen ausgesetzt, vor allem auch, weil nur ein kurzer Zeitraum für eine Transplantation zur Verfügung steht. In Absprache mit den Ärzten und Pflegekräften kann es hilfreich sein, wenn Geistliche den engsten Familienangehörigen und Freunden ein Gebet zum Abschied auf der Station sprechen. Trost durch Worte der Bibel und Gebet sind in solchen Situationen der Sprach- und Fassungslosigkeit manchmal die einzig angemessenen Formulierungen.

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