„... damit ihr nicht traurig seid“ - Christlicher Umgang mit Sterben und Tod

Eine Handreichung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2018

Über das Sterben

Das Handeln der Kirche im Umfeld von Sterben und Tod

„Ein christliches Ende unseres Lebens … lasst uns erflehen“
(orthodoxe Liturgie)

Als Christinnen und Christen glauben wir, dass Jesus Christus den Tod überwunden und seine Macht vernichtet hat (1. Korinther 15,55). Deshalb erwarten wir ein Leben nach dem Tod in Gemeinschaft mit Gott. Die orthodoxe und die evangelische Tradition empfehlen den Sterbenden, ihr Leben in Ordnung zu bringen und sich auf das Sterben vorzubereiten. Zum christlichen Ende des Lebens, um das wir in unseren Gottesdiensten beten, gehören die Versöhnung mit den Mitmenschen und mit Gott. Darauf können das Seelsorgegespräch und die Beichte vorbereiten.

In so einem Gespräch werden die sterbenden Menschen und ihre Zugehörigen (damit sind nicht nur die Verwandten, sondern auch weitere Nahestehende gemeint) ermutigt, auf das Leben, das zu Ende geht, zurückzublicken. Die christliche Tradition hilft dem Menschen, das eigene Sterben im Vertrauen auf Gott anzunehmen:

  • das eigene Haus zu bestellen, das heißt: die irdischen Angelegenheiten zu ordnen;
  • Frieden zu schließen mit den Mitmenschen und zu klären, was offengeblieben und was man einander schuldig geblieben ist;
  • zu vergeben und um Vergebung zu bitten;
  • sich mit den eigenen Ängsten und Hoffnungen auseinanderzusetzen und sich durch Gottes Wort und Sakrament stärken zu lassen;
  • in der Hoffnung auf die Auferstehung Abschied zu nehmen und Abschied zu geben.


Evangelisch:

Erstens. Weil der Tod ein Abschied ist von dieser Welt und von allen ihren Geschäften, ist es nötig, dass der Mensch sein zeitliches Gut in Ordnung bringe, wie es sich gehört oder er es zu regeln gedenkt, damit nach seinem Tode kein Anlass zu Zank, Hader oder sonst einem Zweifel unter seinen hinterbliebenen Verwandten zurückbleibt. Das ist ein leiblicher oder äußerlicher Abschied von dieser Welt; hier wird Hab und Gut entlassen und verabschiedet.

Zweitens soll man auch geistlich Abschied nehmen, das heißt man soll freundlich, rein nur um Gottes willen, allen Menschen vergeben, so sehr sie uns auch Leid zugefügt haben mögen. Umgekehrt soll man auch, rein um Gottes willen, von allen Menschen Vergebung begehren; denn zweifellos haben wir vielen von ihnen Leid zugefügt, zum mindesten mit bösen Beispiel oder mit zu wenig Wohltaten, wie wir nach dem Gebot brüderlicher, christlicher Liebe schuldig gewesen wären. Das sollen wir tun, damit die Seele nicht mit irgendwelchen Händeln auf Erden behaftet bleibe.

Drittens. Wenn man so jedermann auf Erden Abschied gegeben hat, dann soll man sich allein auf Gott richten. Denn dorthin wendet sich und führt uns auch der Weg des Sterbens. Und zwar fängt hier die enge Pforte an, der schmale Pfad zum Leben; darauf muss sich jeder fröhlich wagen. Denn er ist wohl sehr enge, aber er ist nicht lang; es geht hier zu, wie wenn ein Kind aus der kleinen Wohnung in seiner Mutter Leib mit Gefahr und Ängsten hineingeboren wird in diesen weiten Raum von Himmel und Erde, das heißt auf diese Welt: … Ebenso muss man sich auch beim Sterben der Angst entschlagen und wissen, dass nachher ein großer Raum und Freude da sein wird.

Achtzehntens soll kein Christenmensch an seinem Ende daran zweifeln, dass er nicht allein ist in seinem Sterben, sondern er soll dessen gewiss sein, dass, wie das Sakrament es anzeigt, gar viele Augen auf ihn sehen. Erstens die Augen Gottes selber und Christi, weil er seinem Wort glaubt und seinem Sakrament anhängt; sodann die lieben Engel, die Heiligen und alle Christen. Denn daran ist, wie das Altarsakrament ausweist, kein Zweifel, dass diese allesamt herzueilen, ihm den Tod, die Sünde, die Hölle überwinden helfen und alle mit ihm tragen. Da ist das Werk der Liebe und Gemeinschaft der Heiligen ernsthaft und gewaltig im Gange, und ein Christenmensch soll es sich auch vor Augen stellen.

Zwanzigstens. Er legt weiter deinen Tod, deine Sünde und der Hölle auf seinen liebsten Sohn, überwindet sie für dich und macht sie unschädlich für dich. Er lässt obendrein deine Anfechtung durch den Tod, die Sünde und die Hölle auch über seinen Sohn gehen und lehrt dich, dich darin aufrechtzuerhalten und macht sie unschädlich und auch erträglich. Er gibt dir für das alles ein zuverlässiges Wahrzeichen, damit du ja nicht daran zweifelst: nämlich die heiligen Sakramente. Er befiehlt seinen Engeln, allen Heiligen und allen Kreaturen, dass sie mit ihm zusammen auf dich sehen, auf deine Seele Acht geben und sie in Empfang nehmen.
Martin Luther, aus dem Sermon von der Bereitung zum Sterben

Evangelische Geistliche bieten an, Sterbende und ihre Zugehörigen zu begleiten. Neben der Feier des Heiligen Abendmahls, der Schriftlesung, dem Gebet, dem Segen können das vertrauliche Gespräch oder das stille Dabeisein Formen dieser geistlichen Begleitung sein.


Orthodox:

Für Orthodoxe ist es wichtig, mit den Sterbenden die Mysterien (Krankensalbung, Eucharistie) als Trost und Stärkung zu feiern.

Allheilige Gebieterin, Gottesgebärerin, du Licht meiner verfinsterten Seele, meine Hoffnung, mein Schutz, meine Zuflucht, mein Trost, meine Freude, ich danke dir, dass du mich Unwürdigen gewürdigt hast, teilzuhaben an dem allerreinsten Leib und dem kostbaren Blut deines Sohnes. Du aber, die du das wahre Licht geboren hast, erleuchte die geistigen Augen meines Herzens, die du den Quell der Unsterblichkeit geboren hast, mache mich, den von der Sünde Getöteten, lebendig: Du bist des barmherzigen Gottes die Barmherzigkeit liebende Mutter, erbarme dich meiner, und gib meinem Herzen Reue und Zerknirschung, Demut meinem Sinn und dass ich bete, wenn meine Gedanken gebunden sind. Und mach mich würdig, bis zum letzten Atemzug die Heiligung der allreinen Mysterien ungerichtet zu empfangen, zur Heilung von Seele und Leib; gib mir Tränen der Reue und der Umkehr, damit ich alle Tage meines Lebens dir lobsingen und dich verherrlichen kann. Denn du bist gesegnet und hochgepriesen in Ewigkeit. Amen.
Gebet nach dem Empfang der heiligen Eucharistie

Wenn das Sterben schmerz- und qualvoll ist und der Todeskampf lange dauert, werden Gebete gesprochen, die die Trennung der Seele vom Leib erleichtern sollen.
Gebieter, Herr, Allherrscher, Du Vater unseres Herrn Jesus Christus! Du willst, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Du willst nicht den Untergang des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe! Nun flehen und bitten wir zu Dir: Befreie die Seele Deines Knechts N. von allen Fesseln und von jedem Fluch; vergib ihm jede Sünde und jede Verfehlung, die er von Jugend an begangen hat, bewusst und unbewusst, mit Wort und Tat, die er gebeichtet, oder auch vergessen oder aus Scham verheimlicht hat; denn Du allein befreist die Gefesselten und richtest die Darniederliegenden auf, Du Hoffnung der Hoffnungslosen, der Du jedem Menschen, der auf Dich vertraut, die Sünden erlassen kannst. Menschenfreundlicher Herr, befiehl, dass er von den Banden des Fleisches und der Sünden erlöst wird und nimm die Seele dieses Deines Knechts N. auf und lass sie ruhen inmitten Deiner Heiligen in den ewigen Wohnungen durch die Gnade Deines eingeborenen Sohnes, unseres Herrn, Gottes und Erlösers Jesus Christus, mit dem Du gepriesen bist samt Deinem Heiligen und lebendig machenden Geist, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit.
Gebet für einen Sterbenden aus dem Euchologion

Herr Jesus Christus, der du willst, dass alle Menschen errettet werden und niemand verloren gehe, zu dir beten wir stets in der Hoffnung auf dein Erbarmen, der du selbst mit deinen göttlichen Worten gesagt hat „was immer ihr in meinem Namen vom Vater erbitten werdet, wird euch gegeben werden“, mit demütigem Herzen und heißen Tränen falle ich vor dir nieder und bitte dich um deines heiligen Namens willen, dass du mir in der Stunde meines Todes wachen Geist, wahre Erkenntnis und Reue für die Sünden meines Lebens, mit denen ich dich erzürnt habe, gibst. Schenke mir, mein Gott, Glaube, Hoffnung und unerschütterliche Liebe, damit ich mit reinem Herzen zu dir sagen kann, Herr: „In deine Hände befehle ich meinen Geist“; denn du bist gepriesen in Ewigkeit. Amen.
Orthodoxes Gebet für ein gutes Lebensende

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