„... damit ihr nicht traurig seid“ - Christlicher Umgang mit Sterben und Tod

Eine Handreichung der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland und der Evangelischen Kirche in Deutschland, 2018

Beten im Angesicht des Todes

Das Handeln der Kirche im Umfeld von Sterben und Tod

„Jesus, dir leb ich, Jesus, dir sterb ich. Jesus, dein bin ich, tot und lebendig“
(Martin Luther)

Jesus Christus begleitet uns nicht nur im Leben, sondern im Sterben und über das Sterben hinaus. Deshalb lesen wir im Angesicht des Todes aus der Bibel, sprechen Gebete, singen Kirchenlieder bzw. Hymnen und segnen mit dem Zeichen des Kreuzes. Auch Gebete in der Stille für die Sterbenden und ihre Angehörigen oder die Fürbitte der Gemeinde im Gottesdienst helfen in dieser Situation. Sichtbare Zeichen dabei können ein Kreuz, eine Ikone, eine Kerze, ein Bibel-, ein Liedvers oder eine Engelfigur sein.


Evangelisch:

Als ein zentrales Element kennt die evangelische Frömmigkeit das Gebet im Angesicht des Todes. Im Evangelischen Gesangbuch (Evangelisches Gesangbuch 939-951) werden Bibelworte, Gebete und Segenstexte vorgestellt. Alle Gemeindeglieder können biblische Trostworte sprechen (Evangelisches Gesangbuch 947: zum Beispiel Psalm 23,4; Psalm 31,6, Johannes 3,16; Johannes 11,15; Johannes 16,33; Römer 14,8) und Psalmen beten (Evangelisches Gesangbuch 951: Psalm 22, 23, 39, 71, 73, 121, 126).

Liedstrophen oder Lieder wie „Befiehl du deine Wege“ (Evangelisches Gesangbuch 361) oder „So nimm denn meine Hände“ (Evangelisches Gesangbuch 376) sind zugleich Gespräch mit Gott wie auch Zuspruch und Trost für die Sterbenden. Texte wie die folgende Liedstrophe aus einem Choral Paul Gerhardts können gesungen oder gesprochen werden.

Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, / und lass mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. / Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll / 
dich fest an mein Herz drücken. / Wer so stirbt, der stirbt wohl.
Evangelisches Gesangbuch 85,10

Ein letzter Dienst an Sterbenden ist der Valet- oder Sterbesegen; dabei wird die Hand aufgelegt und Folgendes gesprochen:

Es segne dich Gott, der Vater / der dich nach seinem Bild geschaffen hat. / Es segne dich Gott der Sohn, / der dich durch sein Leiden und Sterben erlöst hat. / Es segne dich Gott der Heilige Geist, / der dich zum Leben gerufen und geheiligt hat. / Gott der Vater und der Sohn und der Heilige Geist / geleite dich durch das Dunkel des Todes. / Er sei dir gnädig im Gericht / und gebe dir Frieden und ewiges Leben.
Evangelisches Gesangbuch 949

Die Heimgehenden werden anschließend mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnet. Das evangelische Gesangbuch lädt Sterbende, Angehörige und Menschen, die sie begleiten, dazu ein, das Vaterunser oder ein Gebet für Sterbende (Evangelisches Gesangbuch 942-946) zu beten. Beim Wachen und Beten mit dem Sterbenden können längere Texte aus der Heiligen Schrift gelesen werden. Dies kann auch im Zusammenhang mit der Beichte und dem Heiligen Abendmahl geschehen.

Das folgende Gebet empfiehlt den Verstorbenen der Barmherzigkeit Gottes an, in der die Toten geborgen und die Lebenden bewahrt sind:

Ewiger Gott und Vater, du allein bist mächtig und gnädig: Gib unserem / unserer Entschlafenen die ewige Ruhe. Lass ihm / ihr dein Licht leuchten und vereine ihn / sie mit denen, die du vollendet hast. Uns alle lass dereinst dein Angesicht schauen und deine himmlische Herrlichkeit erlangen.
Evangelisches Gesangbuch 950


Orthodox:

In der orthodoxen Tradition legt man neben den Gebeten, die der Sterbende und seine Zugehörigen sprechen, in besonderer Weise auf die Anwesenheit des Priesters Wert, weil er den geistlichen Trost der Botschaft Christi überbringt.

Im folgenden Gebet der Kirche, das für Kranke gesprochen wird, bittet der Priester um Gottes Barmherzigkeit und das Heil der Kranken:

Herr, unser Gott, du allein hast die Macht unsere Sünden zu vergeben, unsere Seelen zu retten und unsere Körper zu heilen, deine Güte flehen wir an: Zeige auch nun Deinem Knecht N. Dein Erbarmen, der krank und voller Schmerzen ist, heile ihn durch dein unsterbliches Wort, schenke ihm statt Krankheit und Schwäche Stärke und statt Verzweiflung Trost. Denn du bist unser Gott, der züchtigt und dann wieder heilt, der schlägt, aber nicht den Tod schenkt, der alles zum Wohl unseres Lebens tut und dir gebührt alle Herrlichkeit, Ehre und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immerdar, und in die Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
Gebet für Kranke

Das Mysterium der Krankensalbung (Heilige Ölung) ist nach orthodoxem Verständnis kein Sterbesakrament. Es dient vielmehr der Genesung von an Leib oder Seele Erkrankten. Die biblische Grundlage findet sich im Jakobusbrief: „Ist jemand unter euch krank, so lasse er die Presbyter der Gemeinde zu sich rufen, und sie sollen über ihm beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben; und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufstehen lassen, und wenn er eine Sünde getan hat, wird ihm vergeben werden“ (Jakobus 5,14-15). In vielen Gemeinden wird in der Heiligen und Großen Woche das Mysterium der Heiligen Ölung an allen Gläubigen vollzogen.

Arzt unserer Seelen und Leiber, Du sandtest Deinen einziggeborenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, der alle Krankheit heilt und vom Tode erlöst; heile auch Deine Knechte und Mägde N. N. von der sie umfangenden seelischen und körperlichen Krankheit durch die Gnade Deines Christus und belebe sie nach Deinem Wohlgefallen, auf die Fürbitten unserer über alles gesegneten, ruhmreichen Herrin, der Gottesgebärerin und steten Jungfrau Maria, (...) und aller Heiligen.
Denn Du bist die Quelle der Heilungen, Gott, unser Gott, und Dir senden wir die Verherrlichung empor, dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste, jetzt und immerdar und in die Ewigkeit der Ewigkeit. Amen
Gebet bei der Krankensalbung

In den liturgischen Büchern finden sich spezielle Gebete für Sterbende, die sich hauptsächlich auf das Endgericht beziehen. Darüber hinaus haben sich weitere Gebete in der Volksfrömmigkeit entwickelt.

Allmächtiger, Herr und Gebieter, unser Gott, der Du willst‚ dass allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen, der Du nicht Lust hast am Tode des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe; wir bitten Dich und flehen zu Dir:
Löse alle Fesseln der Seele dieser Deiner Magd N., und erlöse sie von jedem Fluch; denn Du bist der Befreier der Gebundenen, der Aufrichter der Niedergeworfenen, die Hoffnung der Hoffnungslosen. So gebiete denn, o Gebieter, dass die Seele Deiner Magd in Frieden sich loslöse, und bringe sie zur Ruhe in Deinen ewigen Wohnungen, zu allen Deinen Heiligen, um Deines eingebornen Sohnes willen‚ mit welchem du hochgelobt bist, samt dem allheiligen und guten und lebendigmachenden Geiste; jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Gebet über eine Sterbende aus dem Euchologion

Aber zum Zeitpunkt meines Endes, mein heiliger und dreimal heiliger und verherrlichter König, sende mir Deine Gnade und Wahrheit.
aus dem Gebet des heiligen Nifon

Besonders wichtig für die Orthodoxen ist der Empfang der Heiligen Kommunion gerade auch in Zeiten von Krankheit. Die eucharistischen Gaben werden dem Kranken vom Priester ans Krankenlager gebracht; dem Sterbenden gelten sie als Wegzehrung auf seinem letzten Weg.

Herr Jesus Christus, unser Gebieter und Erlöser, der Du allein als der gütige und menschenliebende Gott Macht hast, die Sünden zu vergeben, verzeihe dieser Deiner Magd N. alle ihre bewusst und unbewusst begangenen Versündigungen und mache sie würdig, unverurteilt an Deinen heiligen Mysterien teilzunehmen, nicht zum Gericht und nicht zur Vermehrung der Sünden, sondern zur Reinigung der Seele und des Leibes und zur Erlangung Deines Reiches.
Gebet zur heiligen Kommunion


Totenwache

Die Totenwache ist ein christlicher Brauch, der in beiden Traditionen praktiziert wird: Die Verstorbenen werden bis zur Beerdigung besonders in den Nachtstunden nicht allein gelassen. Am Totenlager können Psalmen gebetet und Abschnitte aus den Evangelien gelesen oder Kirchenlieder bzw. Hymnen gesungen werden. Familienangehörige und Freunde wechseln sich ab, bei den Verstorbenen zu verweilen. Wo dies gewünscht und möglich ist, werden die Verstorbenen zuhause aufgebahrt. Anderenorts geschieht dieses in Kapellen und Kirchen oder in dafür bestimmten Räumen auf Friedhöfen oder bei Bestattungsinstituten. Die Totenwache wird heute zumeist als ein Prozess des individuellen Abschiednehmens verstanden; sie ist aber ursprünglich ein Teil der gottesdienstlichen Handlungen am Entschlafenen. Im öffentlichen Leben ist die Totenwache als eine ehrende Form des kollektiven Abschiednehmens insbesondere für gefallene Soldaten oder Einsatzkräfte üblich.

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