Reformation

Die Wurzeln der evangelischen Kirche

Im 16. Jahrhundert entstand in Europa eine religiöse Erneuerungsbewegung, die so genannte Reformation. Viele Theologen, darunter Luther, Zwingli und Calvin, wandten sich gegen verschiedene Glaubensinhalte und Praktiken in der katholischen Kirche. Die Reformatoren wollten die Kirche erneuern, also reformieren, und keine neue Kirche gründen. Doch einmal angestoßen, ließ sich die Bewegung nicht mehr stoppen. In der Folge kam es zur Trennung des westlichen Christentums in verschiedene Konfessionen.

Was waren die Ursachen der Reformation?

Die Reformatoren fanden viele Glaubensinhalte und Praktiken der damaligen Kirche fragwürdig. Besonders kritisierten sie den so genannten Ablasshandel. Es gab damals die Vorstellung, nach dem Tod würden die Menschen im Fegefeuer für ihre Sünden büßen müssen. Mit dem Kauf eines sogenannten Ablassbriefes könnten die Gläubigen jedoch Gottes Gnade erlangen und so diese Strafe verkürzen. Bekannt ist der Spruch: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ Mit solchen Sprüchen zogen Ablasshändler wie der Dominikanermönch Johann Tetzel durch das Land und machten Werbung für Ablassbriefe. Tatsächlich wurde das Geld für den Bau der Petersdomes in Rom benötigt. Tetzels Predigten waren der Anlass für Martin Luther, seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel zu formulieren.

Darüber hinaus hatten die Reformatoren jedoch viel grundsätzlichere Einwände gegen die damals verbreitete Theologie und Praxis der Kirche. Ihre Lehren fielen auf fruchtbaren Boden, weil viele Menschen das Gefühl hatten, in einer Krisenzeit zu leben. Die Macht der Sünde, der jederzeit nahe Tod und der zu erwartende strenge Richterspruch Gottes wurden als ständig gegenwärtige Bedrohung empfunden. Gleichzeitig erschien die etablierte Kirche zunehmend als korrupt und unglaubwürdig.

  • Begriffsklärung

    Das Wort Reformation (lateinisch reformatio „Wiederherstellung, Erneuerung“) drückt aus, dass es ursprünglich um eine Erneuerung der Kirche ging, nicht um einen Umsturz oder eine Spaltung. Die Reformatoren wollten eine Rückbesinnung der Kirche auf die biblische Botschaft. Damit einher ging eine Ermächtigung der Gläubigen, die durch ihren persönlichen Glauben zu Gott finden sollten und nicht durch die Institution und Tradition der Kirche. Die wichtigsten Überzeugungen der Reformatoren wurden und werden in vier Schlagworten formuliert:

    • sola gratia: Allein durch die Gnade Gottes wird der glaubende Mensch errettet, nicht durch seine Werke.
    • sola fide: Allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt, nicht durch gute Werke.
    • sola scriptura: Allein die Schrift, also die Bibel, ist die Grundlage des christlichen Glaubens, nicht die kirchliche Tradition.
    • solus Christus: Allein die Person, das Wirken und die Lehre  können Grundlage für den Glauben und die Errettung des Menschen sein.
  • Ursprung der Reformation

    Die Reformation hat ihren Ursprung im frühen sechzehnten Jahrhundert in Wittenberg und Zürich. Ihr Beginn wird allgemein auf 1517 datiert, als Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht hat. Luthers Ideen verbreiteten sich rasch, da die neue Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern es ermöglichte, Inhalte leichter zu teilen. Schon vorher hatte es immer wieder Kritik und Reformideen gegeben, die sich aber nicht durchsetzen konnten, etwa von John Wyclif oder Jan Hus, der 1415 als Ketzer verbrannt worden war.

  • Wer war ausschlaggebend?

    Die wichtigste Person der Reformation in Deutschland war Martin Luther. Seine Schriften erreichten hunderttausende von Menschen. Die öffentliche Meinung war auf seiner Seite, darüber hinaus unterstützten ihn auch viele Adelige. Am 31. Oktober 1517 übersandte Luther 95 Thesen gegen den Ablass an den Erzbischof von Mainz, von dem er glaubte, er wisse nichts vom Missbrauch des Ablasses. Dieses Datum wird von evangelischen Christinnen und Christen zum Gedenken an den berühmten Thesenanschlag als Reformationstag begangen. Dass Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt habe, wurde erst nach Luthers Tod verbreitet; historisch ist dies zweifelhaft.

    Damit die Gläubigen selbständig in der Bibel lesen konnten, übersetzte Martin Luther das Neue Testament aus dem Griechischen in das damals gebräuchliche Deutsch. Seine Bibelübersetzung war nicht nur theologisch und kirchengeschichtlich ein Meilenstein, da die zeitgenössischen Übersetzungen auf der Vulgata, einer lateinischen Fassung, beruhten. Auch sprachschöpferisch war Luthers Übersetzung eine gewaltige Leistung: Seine Bibel war eines der ersten und wichtigsten Werke auf dem Weg zu einer gemeinsamen deutschen Schriftsprache.

Unterschiedliche Reformationen

Die reformatorische Bewegung war von Anfang an vielfältig. Neben Martin Luther war der in Zürich lehrende Ulrich Zwingli sehr einflussreich. Genf, wo Johannes Calvin wirkte, entwickelte sich in den 1540er Jahren zum dritten Zentrum der Reformation, mit europaweiter Ausstrahlung. Unterschiedliche Auffassungen gab es beispielsweise über die Bedeutung des Abendmahls: Die Theologen stritten darüber, ob Christus in der Hostie tatsächlich gegenwärtig ist oder ob lediglich die Erinnerung an ihn gefeiert wird.

Daneben existierten zahlreiche andere Strömungen: Der Theologe und Bauernführer Thomas Müntzer beispielsweise ist bis heute umstritten, da er die Bibel radikal politisch auslegte und auch zu Gewalt aufrief. Die so genannten Täufer dagegen waren überzeugte Pazifisten. Sie lehnten die Kindestaufe als „unbiblisch“ ab und verweigerten den Kriegsdienst. Auf diese Täuferbewegung gehen die Mennoniten zurück, eine evangelische Freikirche, die heute noch weltweit verbreitet ist.

  • Wittenberger Reformation

    Martin Luther war zunächst Augustiner-Mönch. Der Orden entschied, dass er Theologie studieren und Priester werden solle. Nach seinem Theologiestudium wurde Luther Studienleiter sowie Klosterprediger der Wittenberger Ordensniederlassung. Schon im Kloster trieb ihn jahrelang die Frage nach der Erlösung von den Sünden um: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“, fragte er sich, bis er durch sein Bibelstudium schließlich zu der Auffassung gelangte, dass der Mensch sich die Vergebung nicht durch gute Werke verdienen müsse, sondern darauf vertrauen dürfe, dass Gott ihm wegen seines Glaubens vergeben – ihn „rechtfertigen“ – werde.

    Diese so genannte „Rechtfertigungslehre“ ist bis heute der Kern der evangelischen Theologie. Deshalb haben die Reformatoren Sündenablässe und den Handel damit auch abgelehnt; schließlich kann die Vergebung nicht ge- oder verkauft werden. Am 31. Oktober 1517 schrieb Martin Luther einen Brief an den Mainzer Erzbischof und legte ihm 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasses bei.

    Aus Sicht der römisch-katholischen Kirche war Luther ein Irrlehrer. Er ließ sich jedoch nicht einschüchtern, sondern verfasste mehrere einflussreiche Schriften, in denen er unter anderem die Trennung von Staat und Kirche forderte, sowie eine umfassende Kirchenreform und auch die Abschaffung des Zölibats. 1520 drohte ihm Papst Leo X die Exkommunikation an. Auf dem Reichstag von Worms weigerte sich Martin Luther, seine Lehre zu widerrufen, und schloss mit den Worten: „Gott helfe mir. Amen.“ Der häufig zitierte Satz „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders“ ist historisch nicht belegt.

  • Züricher Reformation

    Für reformierte Christinnen und Christen markiert das „Zürcher Wurstessen“ den Beginn der Reformation: Am 9. März 1522, dem ersten Sonntag der österlichen Fastenzeit, verstießen Bürger in Zürich bewusst gegen die kirchlichen Fastenregeln. Ihr Vordenker Ulrich Zwingli war ein Zeitgenosse Luthers. Seine Forderungen lauteten: Alle sollen auf Grundlage der Bibel predigen, Pflichtzölibat und Verehrung von Heiligen werden abgeschafft, kultische Bilder aus den Kirchen entfernt, eine neue Abendmahlsordnung eingeführt, Klöster in Armenhäuser umgewandelt. Zudem regte er werktägliche öffentliche Bibelauslegungen an. Daraus ging bis 1531 die Übersetzung hervor, die bis heute als „Zürcher Bibel“ existiert.

  • Weitere evangelische Gruppierungen

    Neben Luther und Zwingli haben sich zahlreiche andere Menschen für reformatorische Ideen eingesetzt. Einer der bekanntesten und einflussreichsten war der Humanist, Jurist und Theologe Johannes Calvin. Auf ihn berufen sich heute mehr als 80 Millionen reformierte Christinnen und Christen weltweit. Calvins Denken prägte auch den Theologen John Knox. Er war der Wegbereiter für die Reformation in Schottland.

    Neben Lutheranern und Reformierten existierten zahlreiche andere Strömungen. Die so genannten „Wiedertäufer“ beispielsweise lehnten die Kindestaufe als „unbiblisch“ ab. Ferner verweigerten sie den Eid und Kriegsdienst. Auf diese Täuferbewegung gehen die Mennoniten zurück, eine evangelische Freikirche, die heute noch weltweit verbreitet ist.

    Noch radikaler war der Theologe, Prediger und Bauernführer Thomas Müntzer. Bereits vor Luther reformierte er den Gottesdienst, übertrug die lateinische Messe ins Deutsche und erneuerte den Gemeindegesang. Er legte die Bibel sozialkritisch aus, setzte sich aktiv für Arme und Ausgegrenzte ein und ermutigte die Bauern, sich auch gewaltsam gegen ihre Unterdrückung aufzulehnen.

Was sind die Folgen der Reformation?

Innerhalb von nur 40 Jahren erfasste die Reformation weite Teile Europas. Sie besiegelte das Ende der katholischen Kirche als einziger, universaler Kirche der westlichen Christenheit. Gleichzeitig verstärkten sich die politischen Spannungen zwischen den verschiedenen regionalen Mächten, was zu verheerenden Religionskriegen bis hin zum Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) führte.

Für viele Historiker markiert die Reformation das Ende des Mittelalters und den Beginn der Neuzeit. Besonders der Calvinismus betont die Gewissens- und Glaubensfreiheit jedes Einzelnen und leistete damit der zunehmenden Individualisierung Vorschub. Die Aufklärung und auch die Entwicklung der Menschenrechte wurden durch die Reformation entscheidend beeinflusst.

Nicht zuletzt führte die Reformation zu einem gewaltigen Bildungsschub in der Bevölkerung: Nach dem Willen der Reformatoren sollte jedes Kind – unabhängig vom sozialen Stand – eine elementare Bildung erhalten, um selbst die Bibel lesen zu können.

 

  • Augsburger Bekenntnis

    Das Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) wurde auf dem Reichstag 1530 in Augsburg von den reformatorischen Fürsten und Reichsstädten dem Kaiser vorgelegt. Es fußte auf verschiedenen Vorarbeiten, auch von Martin Luther, und wurde vor allem von Philipp Melanchthon verfasst. Das Augsburger Bekenntnis ist als das grundlegendste reformatorische Bekenntnis bezeichnet worden und stellt die evangelische Lehre umfassend dar. Es existieren eine deutsche und eine lateinische Fassung aus dem Jahr 1530 sowie eine überarbeitete lateinische (Confessio Augustana variata) aus dem Jahr 1540.

  • Machtkampf zwischen Fürsten und Kaisern

    Nachdem Karl V. die Forderung der protestantischen Fürsten nach religiöser Unabhängigkeit ablehnte, gründeten diese den „Schmalkaldischen Bund“ als Schutzbündnis. Dieser Bund wurde im „Schmalkaldischen Krieg" 1547 bei der Schlacht bei Mühlberg von den kaiserlichen Truppen zerschlagen. Erst der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555 brachte vorübergehend Frieden zwischen dem Kaiser und den Reichsständen. Er berechtigte jeden Fürsten dazu, die Konfession für sein Herrschaftsgebiet selbst zu wählen.

    Die Reformation, ursprünglich von Luther als innere Veränderung der Kirche gedacht, um zahlreiche Missstände abzubauen, führte letztendlich nicht nur zu einer Spaltung der Kirche, sondern auch zu einer Spaltung der deutschen Gebiete in katholische und protestantische. Die Reformbewegung wiederum spaltete sich aufgrund unterschiedlicher Lehren in verschiedene protestantische Konfessionen auf, von denen die Lutheraner nur eine waren.

  • Reformation und Bauernkriege

    Im frühen sechzehnten Jahrhundert begannen immer mehr Bauern und auch städtische Handwerker, sich gegen die Grundherren und Adligen aufzulehnen. Beflügelt durch die Thesen Martin Luthers verlangten sie eine radikale Erneuerung und soziale Revolution. 1524/25 entbrennt der „große deutsche Bauernkrieg“. Immer mehr Menschen schließen sich den Aufständischen an. Einer ihrer Vordenker und Anführer ist der Thüringer Theologe Thomas Müntzer. Bei Frankenhausen kommt es zur entscheidenden Schlacht: Mehr als 5.000 Aufständische werden erschlagen. Müntzer gerät in Gefangenschaft, wird tagelang gefoltert und am 27. Mai 1525 hingerichtet.

    Martin Luther, der kurz mit den Bauern sympathisiert hatte, steht auf der Seite der Fürsten. Er stellt zwar das Papsttum in Frage, doch die Obrigkeit ist für ihn göttlich legitimiert. Im Mai 1525 schreibt er die Hetzschrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ und ruft zum Kampf gegen die Aufständischen auf.

  • Lutherdenkmal vor der Frauenkirche in Dresden
    Basiswissen Glauben
    Reformation

    Die Reformation war eine religiöse Erneuerungsbewegung im 16. Jahrhundert, die sich über ganz Europa erstreckte. An ihrer Spitze standen Personen wie der Augustinermönch und Theologieprofessor Martin Luther. Er löste diese Bewegung aus, als er sich gegen missbräuchliche Praktiken in der Kirche wandte.

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  • Martin Luther auf einem Gemälde von Leonhard Gey

    Meist verbindet man mit dem Begriff Reformation Martin Luthers Thesenanschlag von 1517. Doch Luther war nicht der einzige Theologe, der für die Reformation wichtig war. Vor, neben und nach Luther gab es weitere wichtige Reformatoren, die evangelisch.de in einer Serie vorstellt.

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  • Die Seite religionen-entdecken.de erklärt Kindern die Weltreligionen

    Reformation bedeutet Erneuerung. Das hatte Martin Luther vor rund 500 Jahren mit der Katholischen Kirche vor. Er warf dem Papst damals vor, den Katholiken Vorschriften zu machen, die gar nicht in der Bibel standen. So beschreibt es die Seite religionen-entdecken für Kinder.

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  • Schmuckschuber Lutherbibel von Margot Käßmann

    Die Rolle der Frauen gilt als Randthema der Reformation. Im Mittelpunkt der Debatten stehen die Theologie Martin Luthers oder Ulrich Zwinglis. Aber wer verbindet mit der Reformation Wibrandis Rosenblatt, Elisabeth Bucer, Katharina Jonas oder Caritas Pirckheimer? Allenfalls Katharina von Bora, Luthers Ehefrau, ist einem breiteren Publikum ein Begriff. Dabei ist die Beteiligung der Frauen nicht ein Seitenthema der Reformation, sondern sie steht exemplarisch für ihre Inhalte.

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