Viele Völker, Religionen und Sprachen

Der Irak, ein Vielvölkerstaat

Genaue Zahlen zu den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Irak gibt es nicht, zum einen weil es lange keine Volkszählung mehr gegeben hat. Zum anderen sind demographische Zahlen auch ein Politikum. Je größer eine Gruppe ist, desto mehr politischen und gesellschaftlichen Einfluss kann sie für sich reklamieren.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die größten Bevölkerungsgruppen der rund 43 Millionen Irakerinnen und Iraker Araber und Kurden sind. Zwischen 95 und 98 Prozent sollen Muslime sein, davon zwei Drittel Schiiten und ein Drittel Sunniten. Die übrige Bevölkerung setzt sich aus verschiedenen Minderheiten zusammen, die sich ethnisch, religiös und sprachlich unterscheiden.

Zur christlichen Bevölkerung im Irak (weniger als 1 Prozent) gehören:  

  • Armenier: Ihre Vorfahren waren während des Völkermords an den Armeniern 1915-1918 aus Urumiya und Ostanatolien in den heutigen Irak geflohen. Sie sind Christen und gehören der armenisch-apostolischen oder armenisch-katholischen Kirche an.
  • Assyrer: Sie bilden eine eigene ethnisch-religiöse Gruppe im Irak und verstehen sich als Nachkommen alter mesopotamischer Völker. Sie sprechen Aramäisch und gehören der chaldäischen (mit Rom unierten), syrisch-orthodoxen, syrisch-katholischen oder assyrischen Kirche des Ostens an.
  • Chaldäer: Ihre Kirche spaltete sich Ende des 18. Jahrhunderts von der Assyrischen Kirche des Ostens ab und schloss sich vollständig Rom an.

Zur mulimischen Bevölkerung im Irak (gut 97 Prozent) gehören:

  • Araber: Sie stellen gut drei Viertel der Bevölkerung dar. Zwei Drittel sind schiitische Muslime, ein Drittel sunnitische Muslime
  • Roma: Sie werden im Irak auch als Kawliyah bezeichnet und leben hauptsächlich im Südirak. Zwar sind sie mehrheitlich schiitische und sunnitische Muslime, sind aber dennoch immer wieder verschiedenen Formen von Diskriminierung und Stigmatisierung ausgesetzt. Heute sollen noch 50.000 Roma im Irak leben.
  • Faili-Kurden: Sie sind eine ethnische Gruppe, die im Gegensatz zur Mehrheit der Kurden nicht sunnitische, sondern schiitische Muslime sind. Als Kurden und Schiiten waren sie immer wieder Stigmatisierungen und Verfolgungen ausgesetzt, vor allem in den 1970er und 1980er Jahren unter dem Baath-Regime.
  • Kurden: Sie machen etwa 15-20 Prozent der irakischen Bevölkerung aus, bilden aber keine homogene Gemeinschaft. Im Norden sprechen die Kurden Kurmanji-Kurdisch, im Süden Sorani-Kurdisch.
  • Shabak: Sie sind eine ethnische und sprachliche Minderheit in der Niniveh-Ebene seit dem 16. Jahrhundert. Ihre Sprache, Shabaki, ist eine Mischung aus Türkisch, Persisch, Kurdisch und Arabisch. Ihre Gemeinschaft umfasst etwa 250.000 Menschen. Gut zwei Drittel sind Schiiten, ein Drittel Sunniten.
  • Turkmenen: Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird auf fünf Prozent geschätzt. Etwa 60 Prozent sind Sunniten, die anderen sind Schiiten. Turkmenen sprechen einen türkischen Dialekt.

Andere religiöse Minderheiten sind:

  • Bahá'í: Ihr monotheistischer Glauben entstand im Iran im 19. Jahrhundert. In einigen muslimischen Ländern werden die Bahá'í als Abtrünnige vom Islam gesehen.
  • Jesiden: die jesidische Religion gehört zu den ältesten monotheistischen Religionen und soll mehr als 4.000 Jahre alt sein. Immer wieder waren sie aufgrund ihres Glaubens schweren Verfolgungen ausgesetzt. Ethnisch sind sie Kurden und sprechen Kurmanji-Kurdisch.
  • Kaka'i: Sie gelten als kurdisches Volk, sprechen einen eigenen Dialekt (Macho) und haben einen eigenen Glauben, den sie aufgrund verschiedener Verfolgungen geheim halten. Ihre synkretistische Religion entstand im vierzehnten Jahrhundert im Iran und enthält Elemente des Zoroastrismus und des schiitischen Islam.
  • Sabäer-Mandäer: Sie sind heute weniger als 5.000 im Irak. In ihrer Religion gilt Johannes der Täufer als zentraler Prophet, auch wenn davon ausgegangen wird, dass die mandäische Religion wesentlich älter ist. Mit dem Eintauchen in fließendes Wasser suchen sie rituelle Reinheit. Ihr Glaube verbietet die Anwendung von Gewalt oder das Tragen von Waffen.
  • Zoroastrier: Ihre Religion gehört zu den ältesten monotheistischen Religionen und ist vor rund 4000 Jahren im Iran entstanden. Im Nord-Irak leben heute 15.000 Zoroastrier.

Katja Dorothea Buck