Gott ist ein Freund des Lebens (Erschienen 1989)
VII. Die Zukunft des Lebens
Das Leben hat Zukunft, weil Gott die Quelle des Lebens ist. Die christliche Hoffnung für das Leben gründet sich auf die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Dieser Sieg des Lebens über den Tod ist der Vorschein einer neuen Welt, an der alle teilhaben werden, die mit Jesus Christus verbunden sind: Gott "wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen - Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach. Seht, ich mache alles neu ... Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus der das Wasser des Lebens strömt" (Offb 21,3 - 6).
Die neue Welt Gottes wird in den biblischen Schriften mit wechselnden Namen bezeichnet und in unterschiedlichen Bildern beschrieben. Anderes ist auch gar nicht zu erwarten; denn die "alte" Sprache der Menschen reicht nicht hin, das Reich Gottes, den "neuen" Himmel und die "neue" Erde angemessen zu erfassen. Aufgrund der Auferstehung Jesu Christi ist den biblischen Zeugen aber dies gewiß, daß die andere Welt kommen wird, in der die dunklen Seiten dieser Welt, die zerstörerische Macht der Sünde und der Tod überwunden sind. Diese Perspektive schenkt Hoffnung und darum Gelassenheit: Was Menschen in der Welt, die vor Augen liegt, erfahren, ist erst das Vorletzte. Behinderung und qualvolles Sterben, die Bedrohung der natürlichen Grundlagen des Lebens und das Ächzen und Stöhnen der Kreatur bleiben schmerzliche Zeichen für die Gebrochenheit der Welt vor Augen, aber auch noch über ihr leuchtet in Jesus Christus der "Morgenglanz der Ewigkeit". Nichts anderes bezeugt die Kirche im Glaubensbekenntnis: Ich glaube an das ewige Leben.
Aus der Hoffnung auf das Letzte Gelassenheit im Blick auf das Vorletzte zu schöpfen bedeutet freilich nicht, daß das Vorletzte bleiben kann und bleiben soll, wie es ist. Kirche und Christen verfehlten ihren Auftrag, wenn sie den Minderungen und Bedrohungen des irdischen Lebens lediglich eine Jenseitshoffnung entgegenstellten. In Jesus Christus, seinem Leben, Sterben und Auferstehen, ist die neue Welt Gottes den Menschen nahegekommen, ja sie ist mitten unter ihnen (Mk 1,15; Lk 4,16-21; 17, 2o). Weil Jesus Christus "alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20) gegenwärtig bleibt, darum können Christen den Mut und die Zuversicht gewinnen, auch heute in der Welt, in der sie leben, vorläufige und fragmentarische, aber verheißungsvolle Zeichen des Reiches Gottes, das im Kommen ist, aufzurichten.
Dies ist der Auftrag Jesu Christi an seine Gemeinde als ganze und an alle ihre einzelnen Glieder. Dazu will er sie durch sein Wort und Sakrament und durch die Gemeinschaft mit den Geschwistern im Glauben stets neu befähigen. Die Gemeinde Jesu Christi soll der Ort sein, an dem Menschen aus Illusionen und Depressionen zu dem Dienst gerufen und gestärkt werden, den sie im Alltag für das Leben tun sollen und können. Kein Eintreten für das Leben, wie viele dafür auch gewonnen werden und wie tatkräftig ihr Wirken auch ist, wird in der Lage sein, die Störungen und Zerstörungen des Lebens in der vorfindlichen Welt ganz zu beseitigen. Diese Welt bleibt das Vorletzte, gezeichnet von der zerstörerischen Macht der Sünde. Aus dieser Einsicht kommt auch die Nüchternheit, das Nötige und Menschenmögliche zur Bewahrung des Lebens und des Lebensraums Erde zu tun. Diese Welt vergeht. Solange Gott sie jedoch erhält, sind uns der Raum und die Zeit geschenkt, an der Seite Gottes, des Freundes des Lebens, anderes menschliches Leben, unser eigenes Leben und das Leben der nicht-menschlichen Kreatur mit allen unseren Kräften zu schützen.