Wenn die alte Welt verlernt wird
Umgang mit Demenz als gemeinsame Aufgabe, EKD-Text 120, Hrg. EKD und Diakonie Deutschland, Februar 2014, ISBN 978-3-87843-031-5
4 Rechtliche Aspekte
4.1 Einleitung
Die Diagnose des dementiellen Syndroms, oftmals nach ersten subjektiven Wahrnehmungen von Symptomen und nach einer längeren Phase fragender und ängstlicher Beobachtung, ist für Betroffene und Angehörige der Beginn einer schwierigen Phase, in der der Betroffene immer mehr auf fremde Hilfe angewiesen sein wird. Die Bereitstellung von Hilfe im Bereich der personenbezogenen Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung wird in unserem (Sozial-)Rechtssystem vornehmlich durch die soziale Pflegeversicherung abgedeckt. Die rechtliche Vertretung in bestimmten Aufgabenkreisen, welche der Demenzkranke nicht mehr selbst besorgen kann, geschieht, wenn keine anderen Regelungen (z. B. Vorsorgevollmacht) getroffen wurden, auf einen entsprechenden Antrag hin bzw. von Amts wegen durch das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung. Die bestellten Betreuerinnen und Betreuer sind rechtlich verpflichtet im Sinne und zum Wohle des Betroffenen zu handeln.
4.2 Hilfeleistungen durch die gesetzliche Pflegeversicherung bei Demenz
4.2.1 Grundlagen
Die gesetzliche Pflegeversicherung hat die Aufgabe, pflegebedürftigen Menschen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind. Hierbei sollen die Leistungen der Pflegeversicherung dazu beitragen, trotz des Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Deshalb sind die Wünsche der Pflegebedürftigen im Rahmen der Hilfeleistungen zu berücksichtigen. Der Demenzkranke kann insbesondere den Wunsch nach Pflege durch einen Menschen des gleichen Geschlechts äußern, dem nach Möglichkeit entsprochen werden soll. Zudem ist auf die religiösen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen Rücksicht zu nehmen, was insbesondere durch die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung oder der Auswahl eines ambulanten Dienstes der das religiöse Bekenntnis des Demenzkranken achtet, von Bedeutung sein kann.
Der Gesetzgeber will dass der Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung stets nachrangig zu der häuslichen Pflege behandelt wird. Dies entspricht in der Regel dem persönlichen Wunsch des pflegebedürftigen Menschen. Ob die häusliche Pflege in jedem Fall wirtschaftlicher ist, ist im Einzelfall zu klären; und lässt sich generell nicht sagen. Die skandinavischen Länder zeigen allerdings, dass verschieden gestaltbare soziale Dienstleistungen die Optionen für gute Pflege erweitern. [48]
Die Pflegeversicherung stellt verschiedene Leistungen für den Bedarf an Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung bereit. Die Art und der Umfang dieser Leistungen richten sich nach der Schwere der Pflegebedürftigkeit und danach, ob häusliche, teilstationäre oder vollstationäre Pflege in Anspruch genommen wird. Jedoch versteht sich die Pflegeversicherung nicht als »Vollversicherung«, sondern als eine Grundsicherung, zu der oft ergänzende Eigenleistungen zu einer bedarfsdeckenden Versorgung erforderlich sind. Pflege- und Geldleistungen nach dem SGB XI sind auf einen monatlichen Höchstbetrag begrenzt, welcher den - u. U. darüber liegenden - individuellen Bedarf des einzelnen Betroffenen nicht berücksichtigt.
4.2.2 Begriff der Pflegebedürftigkeit und die Einordnung in die Pflegestufen
Pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung nach dem SGB XI sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Pflegebedürftigkeit muss demnach ursächlich auf eine körperliche, geistige oder seelische Krankheit bzw. Behinderung zurückzuführen sein. Die Demenzkrankheit wird in der Rechtsprechung als seelische Behinderung eingeordnet, da sie eine bleibende psychische Beeinträchtigung darstellt, die auf einem regelwidrigen körperlichen Zustand beruht. Sie kann auch einen relevanten Hilfsbedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens im Sinne des SGB XI verursachen.
Das Pflegeversicherungsrecht unterscheidet gegenwärtig im wesentlichen drei Pflegestufen. Kriterien der Zuordnung zu den Pflegestufen sind die Art und Häufigkeit der benötigten Hilfen bei wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens und der dafür erforderliche Zeitaufwand. Jede Pflegestufe setzt neben dem Hilfebedarf bei der personenbezogenen Pflege (Körperpflege, Ernährung und Mobilität), zwingend eine erforderliche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung voraus. Liegt demnach nur das eine oder das andere vor, wird eine Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI verneint (zu Besonderheiten für demenzkranke Menschen sogleich).
Dadurch, dass im Verlauf der Krankheit bei den Betroffenen neben dem schleichenden Unvermögen, die Verrichtungen des täglichen Lebens selbständig zu besorgen, auch die Fähigkeit immer mehr abhanden kommt, eigene Leistungsgrenzen zu erkennen, kann sich die Begutachtung des pflegebedürftigen Demenzkranken durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung zum Hilfebedarf zum Teil als schwierig gestalten. Auch pflegende Angehörige wollen sich den fortschreitenden Prozess der Demenzkrankheit oft nicht eingestehen, was die Einordnung erschweren kann. Dies kann zum einen darauf beruhen, dass sie den bevorstehenden Verlust der Person »wie man sie kennt« verdrängen wollen oder zum andern darauf, dass die Angehörigen glauben, das Fortschreiten der Krankheit beruhe auf eigenem Versagen bei der Pflege des Demenzkranken oder einfach darauf, dass sie in Unkenntnis des Krankheitsverlaufs auf Besserung hoffen.
Um Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI zu erhalten, muss bei der Pflegekasse ein Antrag gestellt werden. Ob die Voraussetzungen für Leistungen der Pflegekasse gegeben sind und welche Pflegestufe vorliegt, wird durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung geprüft. Spätestens fünf Wochen nach Eingang des Antrags bei der zuständigen Pflegekasse soll dem Antragssteller die Entscheidung der Pflegekasse schriftlich mitgeteilt werden.
4.2.3 Leistungen
Für die Pflege und die hauswirtschaftliche Versorgung stellt die Pflegeversicherung Sach-, Geldleistungen sowie Kombinationen aus diesen Leistungsarten bereit. Sogenannte Sachleistungen sind alle Formen der pflegerischen Unterstützung und Hilfen im Rahmen des Leistungskatalogs. Dazu zählen neben den von Pflegekräften erbrachten Leistungen auch die von der Pflegekasse selbst erbrachten kostenlosen Leistungen, wie etwa die Beratung oder Erteilung von Auskünften. Geldleistungen meint die Zahlung eines Geldbetrages an den Berechtigten. Welche Leistungen gewährt werden, hängt von dem Maß der Pflegebedürftigkeit, dem Wunsch des Pflegebedürftigen und der persönlichen Lebenssituation des Betroffenen ab. Von grundsätzlicher Relevanz ist dabei die Einordnung in die Pflegestufe. So wird festgestellt, wann, wie oft und in welchen Bereichen der Pflegebedürftige Hilfe benötigt. Für die Höhe der Leistungen ist die Pflegestufe von Bedeutung und ob die Pflege in der eigenen Häuslichkeit erbracht wird oder ob eine vollstationäre Pflege erfolgen muss. Pflegebedürftige haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung, d. h. die häusliche Pflege wird dann von der Pflegekraft eines zugelassenen Pflegedienstes durchgeführt. Der Pflegebedürftige schließt mit dem Pflegedienst seiner Wahl einen Vertrag ab in dem die Leistungen die entstehenden Kosten festgelegt sind Die Preise für einzelnen pflegerischen Leistungen sind genau festgelegt und für die Pflegedienste verbindlich. Pflegebedürftige können aber auch anstelle der häuslichen Pflegehilfe durch eine Pflegekraft ein Pflegegeld beantragen, wenn sichergestellt ist, dass mithilfe des Geldes die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung durch andere erbracht werden können. Diese Variante kommt vor allem dann in Betracht, wenn Angehörige die Pflege übernehmen. Zudem besteht auch die Möglichkeit, nur einen Teil der dem Betroffenen zustehenden Sachleistungen in Anspruch zu nehmen und anteilig das Pflegegeld zu erhalten.
Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben außerdem Anspruch auf Pflegehilfsmittel wie beispielsweise Pflegebetten oder Toilettenstühlen und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen [49]. Die Kosten für solche Pflegehilfsmittel dürfen einen gesetzlich geregelten Höchstbetrag nicht überschreiten. Zu den individuellen wohnumfeldverbessernden Maßnahmen gehören Maßnahmen, die die häusliche Pflege ermöglichen, erheblich erleichtern oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Betroffenen wiederherstellen.
Kann die häusliche Pflege nicht im ausreichenden Umfang sichergestellt werden, so kommt die Möglichkeit der teilstationären Pflege in Betracht. Kann die häusliche Pflege nur zeitweise nicht sichergestellt werden, so kommt die stationäre Kurzzeitpflege in Betracht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der pflegende Angehörige einmal in den Urlaub fahren möchte oder krankheitsbedingt verhindert ist.
Ist eine häusliche oder teilstationäre Pflege gar nicht (mehr) möglich oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht zu ziehen, so haben die Pflegebedürftigen Anspruch auf Pflege in vollstationären Einrichtungen. Die Pflegekasse erbringt dann Geldleistungen bis zu einem festgelegten Höchstbetrag, § 43 a SGB XI. Die Beträge führen dazu, dass sich die Kosten, die durch den Pflegebedürftigen zu tragen sind reduzieren. Grundsätzlich muss jeder pflegebedürftige Mensch die Kosten der Pflege und Betreuung selbst erbringen. Die Leistungen der Pflegversicherung reduzieren die persönlichen wirtschaftlichen Belastungen. Reichen das eigene Einkommen und die Leistungen der Pflegeversicherung nicht aus, um die erforderliche Pflege bezahlen zu können, können pflegebedürftige Menschen beim zuständigen Sozialamt einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen stellen. Damit soll jeder Betroffene in die Lage versetzt werden die erforderliche Pflegekosten für ambulante oder stationäre Pflege finanzieren zu können.
4.2.4 Besonderheiten für demenzkranke Menschen: »Pflegestufe 0« und weitere Reformbemühungen
Grundsätzlich gilt, dass wer nicht die Mindestvoraussetzungen der Pflegestufe I erfüllt, keine Leistungen der Pflegeversicherung erhält. Selbstverständlich hat der die Möglichkeiten ambulante Leistungen eines Pflegedienstes in Anspruch zu nehmen und selbst zu finanzieren. Auch ist der Begriff der Pflegebedürftigkeit an die in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen gebunden. Damit sind die personenbezogenen Verrichtungen in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität und die Verrichtungen der hauswirtschaftlichen Versorgung gemeint. Ein darüber hinausgehender allgemeiner Pflege- Betreuungs- und Aufsichtsbedarf wird bei dem gesetzlichen Merkmal der »Pflegebedürftigkeit« nach § 14 Abs. 1 SGB XI bislang nicht berücksichtigt. Eine von der früheren Gesundheitsministerin Schmidt eingesetzte Kommission hatte 2009 einen grundsätzlich anders ausgerichteten Begriff von Pflegebedürftigkeit entwickelt, der nicht mehr umgesetzt wurde. Diesem zufolge sollte die Pflegebedürftigkeit einer Person künftig nicht mehr auf Grundlage des erforderlichen Zeitaufwands für Pflegehandlungen festgestellt werden; vielmehr sollten die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder Fähigkeitsstörungen maßgeblich sein, die eine Hilfe von anderen erfordern, und zwar mit Blick auf Mobilität, Orientierung, psychische Problemlagen, Körperpflege, Medikation und Gestaltung des Alltagslebens. Pflege nach Zeitwerten für Verrichtungen gilt in der Pflegewissenschaft als systematisch falscher Ansatz, weil er der gebotenen Hilfe zu selbständigem Handeln der Erkrankten strukturell entgegensteht.
Durch die Reform der Pflegeversicherung 2008 können demenzkranke Menschen mit dauerhaft erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, deren Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung (noch) nicht das Ausmaß der Pflegestufe I erreicht und die daher keine Pflegestufe haben, einen Betreuungsbetrag erhalten. Man spricht hier von der sogenannten »Pflegestufe 0«. Hierunter fallen insbesondere Menschen mit allgemeinen Beauf- sichtigungs- und Betreuungsbedarf. Demenzkranke können damit schon vor Eintritt in die Pflegestufe I ein (in der Höhe begrenztes) Betreuungsgeld für allgemeine Aufsicht und Betreuung in Anspruch nehmen.
Das Spektrum dieser Leistungen wurde durch das Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege-Neuaus- richtungs-Gesetz/PNG), das am 1. Januar 2013 in Kraft trat, ausgeweitet. Neben dem Betreuungsgeld können nun auch Sach- und Geldleistungen für pflegespezifische Bedarfe bezogen werden. Die Situation pflegender Angehöriger wurde verbessert. Wohngruppen, die auf die besonderen Bedürfnisse Demenzkranker ausgerichtet sind, werden zukünftig besonders gefördert. Ebenso werden Selbsthilfegruppen Demenzkranker und ihrer Angehörigen finanziell unterstützt.
Durch das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene »Pflegestärkungsgesetz I« wurde insbesondere die Unterstützung für dementiell erkrankte Menschen und ihre pflegenden Angehörigen verbessert. Zu diesen Verbesserungen gehören etwa: Ausbau neuer Wohnformen und niedrigschwelliger Betreuungs- und Entlastungsangebote, erhöhte Zuschüsse für Umbauten und Pflegehilfsmittel, Ausbau der teilstationären Pflege und eine Verbesserungen in der Personalausstattung in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. [50]
4.3 Die rechtliche Betreuung
4.3.1 Grundlagen der rechtlichen Betreuung
Die rechtliche Betreuung meint die Bestellung eines Betreuers für eine volljährige Person, die in genau festgelegten Aufgabenkreisen rechtsverbindlich für den Betroffenen handelt. Hierbei stellt sich das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung der Aufgabe, einerseits interessengerechte Vertretung des Betreuten im Rechtsverkehr sicher zu stellen, und andererseits das größtmögliche Maß an Selbstbestimmung des Betroffenen zu gewährleisten.
Die rechtliche Betreuung setzt zunächst einen bestimmten Krankheits- und Behinderungszustand voraus. Ein Betreuer darf daneben nur in den Aufgabenkreisen bestellt werden, in denen die Betreuung im konkreten Fall erforderlich ist (sog. Erforderlichkeitsgrundsatz). Dies bedeutet, dass eine Betreuung nur angeordnet werden darf, wenn der Betreute ganz oder teilweise außerstande ist, seine Angelegenheiten zu besorgen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit steckt auch den Rahmen der rechtlichen Betreuung. Wenn der Demenzkranke also noch in der Lage ist, bestimmte Bereiche selbständig zu erledigen, dürfen diese nicht auf den rechtlichen Betreuer übertragen werden.
Das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung stellt sich einerseits der Aufgabe interessengerechte Vertretung des Betreuten im Rechtsverkehr sicher zu stellen und andererseits das größtmögliche Maß an Selbstbestimmung des Betroffenen zu gewährleisten.
Damit der Betreute seinen Wünschen Ausdruck verleihen kann, ist es unerlässlich, dass der Betreuer bzw. die Betreuerin im regelmäßigen und persönlichen Kontakt zu ihm stehen. Hierbei sind die Wünsche und Vorstellungen des Betreuten ernst zu nehmen. Bei wichtigen Entscheidungen ist, wenn die Demenzkrankheit dies noch zulässt, eine vorangegangene Einholung der Meinung des Betroffenen unabdingbar. Auch wenn der rechtliche Betreuer vom Demenzkranken geäußerte Wünsche und Vorstellungen nicht teilt oder für abwegig hält, so ist dieser daran gebunden. Ausnahmen bestehen dann, wenn diese Wünsche dem Wohl des Betreuten zuwiderlaufen oder dem Betreuer nicht zuzumuten sind. Wenn der aktuelle Wille des Betreuten nicht ermittelt werden kann, muss der Betreuer versuchen im Sinne des Betreuten zu handeln und sich z. B. mit Hilfe von nahestehenden Personen ein Bild von dessen Persönlichkeit machen. Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, sind ebenso zu berücksichtigen, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will.
Das Verfahren zur Betreuerbestellung wird auf Antrag des Betroffenen oder von Amts wegen eingeleitet. Angehörige und Dritte können ein solches Verfahren anregen.
Vor der Bestellung eines Betreuers hat das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu machen. Dies muss nicht vor Gericht, sondern kann in der üblichen Umgebung des Betroffenen geschehen, wenn dieser es verlangt oder es der Sachaufklärung dient und der Betroffene nicht widerspricht. Bevor der Betreuer oder die Betreuerin vom Gericht bestellt werden, muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, aus dem hervorgehen muss, ob eine Betreuung notwendig ist und welche Aufgabenkreise eine derartige Betreuung umfassen soll. Sachverständige sind Ärzte und Ärztinnen mit Tätigkeitsbezügen zur Psychiatrie. Anstelle eines solchen Gutachtens kann aber auch z. B. das medizinische Gutachten zur Pflegeeinstufung herangezogen werden, wenn der Betroffene diesem zustimmt und die Einholung eines Gutachtens in Hinblick auf den Umfang des Aufgabenkreises des Betreuuers unverhältnismäßig wäre. Rechtliche Betreuer sollen in der Regel Einzelpersonen sein. Das können Angehörige und nahestehende Personen des Betroffenen, Mitglieder eines Betreuungsvereins oder Berufsbetreuer sein. Die Wünsche des Betroffenen sind zu berücksichtigen. Mehrere rechtliche Betreuer können dann tätig werden, wenn die Angelegenheiten des Demenzkranken dadurch besser besorgt werden können. Dabei ist es ratsam, vorab einen Betreuer oder eine Betreuerin eigenen Vertrauens zu benennen, denn nicht immer werden geeignete Personen zu gesetzlichen Betreuern eingesetzt.
Einfluss auf das Verfahren können die Betroffenen durch eine schriftliche Betreuungsverfügung nehmen, in der sie vor ihrer Demenzerkrankung ihre Wünsche kundtun und ihren Willen niederlegen, welche dann in einem (späteren) Betreuungsverfahren berücksichtigt werden müssen. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die Demenzkrankheit zur Zeit des Betreuungsverfahrens bereits so weit vorangeschritten ist, dass der Betroffene seine Wünsche nicht mehr auf verständliche Weise äußern kann. Inhaltlich können in einer solchen Betreuungsverfügung alle relevanten Fragen geregelt werden, etwa solche der Auswahl des Betreuers, der Art der Unterbringung oder der Vermögenssorge.
Möchte man eine Betreuerbestellung gänzlich vermeiden, so empfiehlt sich die Abfassung einer Vorsorgevollmacht. Kann der in der Vorsorgevollmacht vom Betroffenen selbst im Vorhinein beauftragte Bevollmächtigte die Angelegenheiten des Demenzkranken ebenso gut wie ein Betreuer besorgen, dann ist eine Betreuung nicht mehr erforderlich. Wichtig ist, dass der bzw. die Betroffene zur Zeit der Abfassung der Vorsorgevollmacht noch geschäftsfähig ist. Die Vollmacht sollte so umfassend wie möglich ausgestaltet sein und daher mindestens alle Aufgabenkreise abdecken, die Gegenstand eines nachfolgenden Betreuungsverfahrens sein würden. Eine derartig ausformulierte Vorsorgevollmacht macht das Betreuungsverfahren entbehrlich.
4.3.2 Wichtige Aufgabenkreise
Vermögenssorge
Die Vermögenssorge bedeutet in erster Linie die Verwaltung des Vermögens und der finanziellen Angelegenheiten des Betreuten. Sie kann aber auch dazu dienen, eine weitere Verschuldung des Betroffenen zu vermeiden oder Ansprüche, z. B. der Rente, geltend zu machen.
Gesundheitsfürsorge
Zu den Aufgaben der rechtlichen Betreuung gehört zumeist auch die Gesundheitsfürsorge. Für besonders schwerwiegende medizinische Eingriffe ist neben der Entscheidung des Betreuers ggf. auch eine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Grundsätzlich gilt jedoch, dass der Demenzkranke selbst in medizinische Untersuchungen, Maßnahmen und Eingriffe einwilligen kann, solange er noch einwilligungsfähig ist. Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme erfassen kann. Einwilligungsfähigkeit kann auch dann bestehen, wenn schon eine Geschäftsunfähigkeit bei dem Demenzkranken vorliegt. Im Bereich der Gesundheitsfürsorge besteht für die Demenzkranken die Möglichkeit, durch die Erteilung einer Patientenverfügung [51] antizipierte Einwilligungen für eventuelle Maßnahmen zum Zeitpunkt der Einwilligungsunfähigkeit zu erteilen.
Aufenthaltsfragen: Wohnungsaufgabe und Unterbringung
Für die Kündigung des Mietverhältnisses über den Wohnraum, den der Betreute bewohnt, durch den Betreuer bedarf es der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das ist beispielsweise beim Umzug in eine stationäre Pflegeinrichtung von Bedeutung.
Postangelegenheiten
Postangelegenheiten werden nur dann vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst, wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet hat. Dies gilt auch dann, wenn dem Betreuer vom Gericht »alle Angelegenheiten« übertragen wurden.
4.3.3 Sonstige Rechtsfragen im Bereich des Zivilrechts
Geschäftsfähigkeit
Die Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin bedeutet nicht zugleich den Verlust der Geschäftsfähigkeit. Die Geschäftsfähigkeit kann gerade im Anfangsstadium der Demenz noch vorhanden sein, weswegen Betroffene durchaus rechtsgeschäftliche Verpflichtungen eingehen können. Geschäftsunfähig ist allerdings der, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, was bei fortgeschrittener Demenz regelmäßig der Fall ist.
Errichtung eines Testaments
Um ein Testament errichten zu können, bedarf es der Testierfähigkeit. Testierunfähig ist, wer wegen krankheitsbedingter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Demenzkranke haben diese Einsichtsfähigkeit oft nicht mehr und sind dann nicht mehr testierfähig.