Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft
Initiative des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz für eine erneuerte Wirtschafts- und Sozialordnung, GT 22, hrsg. EKD und DBK, Februar 2014
Gemeinsame Verantwortung heißt, ökologische Nachhaltigkeit in Lebens- und Wirtschaftsstilen zu verankern.
5. Ökologische Nachhaltigkeit
Der christliche Glaube verpflichtet uns, verantwortlich mit der uns anvertrauten Schöpfung umzugehen. Angesichts der gewaltigen globalen wirtschaftlichen Entwicklungen sind jedoch die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit unseres Planeten immer deutlicher geworden. Im Brennpunkt steht dabei der Klimawandel, der die Lebensgrundlagen der heutigen und der nachkommenden Generationen sowie der gesamten Schöpfung gefährdet. Dies betrifft die ärmsten Länder und Menschen weltweit besonders stark. Deshalb müssen die Klimaveränderungen und ihre Folgen noch weit mehr als bisher bei der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch in den nationalen Politiken berücksichtigt werden.
Die Klimaforscher sind sich weitgehend einig, dass eine weiterhin ungebremste Erderwärmung zu sogenannten Kippprozessen im Klimasystem führen würde, das heißt zu einer Schwelle, hinter der sich die negativen Entwicklungen irreversibel gegenseitig verstärken. Das hätte nicht nur in ökologischer, sondern auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht weltweit katastrophale Folgen. Deshalb sind Klimaschutz und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, im Besonderen der CO2-Emissionen, zentrale politische und gesellschaftliche Aufgaben unserer Zeit. Das Klima, als globales Gemeinschaftsgut verstanden, kann letztlich nur durch internationale Anstrengungen wirksam geschützt werden.
Die letzten Klimakonferenzen der Vereinten Nationen haben aber gezeigt, wie schwer es ist, hier zu einem Konsens zu finden. Insbesondere arme Länder, auch die großen Schwellenländer, aber auch einige der alten Industrienationen sehen oftmals einen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Wirtschaftswachstum. Die wirtschaftlich schwachen Staaten brauchen Wachstum, um sich aus der Armut zu befreien. Aus verständlicher Angst vor negativen volkswirtschaftlichen Folgen wenden sie sich deshalb gegen ein neues, rechtlich verbindliches Klimaschutzabkommen.
Schon im Kyoto-Protokoll von 1997 wird betont, dass die Mitglieder der Staatengemeinschaft „gemeinsame, wenngleich unterschiedliche“ Verantwortung tragen. Denn es besteht das ethische Problem, dass die Verursacher des Klimawandels nicht identisch sind mit denjenigen, die die Folgen zu tragen haben. Hier sind vor allem die Industrienationen gefordert, die nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch aktuell maßgeblich Treibhausgase emittieren. Doch nachhaltige Entwicklung hängt auch von der Umweltpolitik der Schwellen- und Entwicklungsländer ab. Denn auch diese wirtschaftlich wachsenden Länder tragen zum Ausstoß klimaschädlicher Gase bei. Sie bedürfen der Unterstützung auf einem Weg zu nachhaltigen Wirtschafts- und Wohlstandsmodellen.
Dies setzt wiederum voraus, dass die Industrienationen, die nach wie vor mehr Ressourcen verbrauchen, als ihnen gerechterweise zustehen, die eigenen Wirtschaftssysteme, die immer noch weltweit Leitbildcharakter haben, auf Nachhaltigkeit umstellen. Sie müssen mit ökologisch orientierten Investitionen entschlossen vorangehen und einen entsprechenden (gerade auch technologischen) Ressourcentransfer in arme Länder ermöglichen.
Es braucht eine weltweit greifende grundlegende Transformation der Wirtschafts- und Lebensstile, um auch für kommende Generationen eine hohe Lebensqualität zu erhalten. Dieser anspruchsvolle Veränderungsprozess wird nur dann gelingen, wenn das neue Ziel der ökologischen Verantwortung mit den herkömmlichen Prinzipien der marktwirtschaftlichen Freiheit und des sozialen Ausgleichs verbunden wird. Das ist die notwendige und durchaus konfliktreiche Zielpluralität der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft.
Dabei wird das wirtschaftliche Wachstum auch in Zukunft von Bedeutung sein, etwa als Voraussetzung zur Finanzierung erforderlicher Investitionen oder steigender Sozial- und Gesundheitskosten. Zugleich müssen jedoch Entwicklungspfade gefunden werden, die das Wirtschaftswachstum von weiteren Steigerungen des Ressourcen- und Umweltverbrauchs abkoppeln und die Gefahren des Klimawandels eindämmen. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Marktwirtschaft wird stärker auf qualitative Wohlstandssteigerungen setzen.
Umweltschutz auf der einen und Armutsbekämpfung sowie soziale Gerechtigkeit auf der anderen Seite bilden die Leitplanken für eine nachhaltige Wirtschaft. Deutschland und Europa müssen beim Aufbau einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft auf nationaler, europäischer und globaler Ebene eine Vorreiterrolle übernehmen. Mit der Entscheidung zur Energiewende hat Deutschland bereits Verantwortung übernommen. Wenn Deutschland dabei ein wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort bleibt und das deutsche Sozialmodell allgemeinen Wohlstands nachhaltig gestaltet werden kann, kann die Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zu einem Vorbild und Modell für andere Staaten werden.
Wie die oftmals vergeblichen oder nur unzureichenden Bemühungen um internationale Abkommen zeigen, wird es nicht leicht sein, eine weltweite Soziale Marktwirtschaft zu entwickeln. Doch es gibt keine überzeugende Alternative.