Europa - Informationen Nr. 160
Größer gleich besser? – Das neue Instrument für die europäische Außenpolitik
Julia Maria Eichler
93.154 Mrd. € sollen in dem geplanten Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit (NDICI) in der nächsten Haushaltsperiode zur Verfügung stehen. Das Europäische Parlament erhöht damit den Vorschlag der Kommission nochmal um fast 4 Mrd. €.
Die Europäische Kommission hatte im Juni 2018 vorgeschlagen, die meisten ihrer außenpolitischen Finanzierungsinstrumente zusammenzufassen und im nächsten EU-Budget von 2021-2027 für dieses neue Instrument rund 89,2 Mrd. € bereitzustellen (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 158). Im NDICI sollen das Europäische Nachbarschaftsinstrument, das Instrument für Demokratie und Menschenrechte und das Instrument für Stabilität und Frieden aufgehen.
Die Abstimmung über den Vorschlag der Kommission stellte das Europäische Parlament und den federführenden Auswärtigen Ausschuss (AFET) vor eine Mammutaufgabe.
Vier Co-Berichterstatter, 1.300 Änderungsanträge und Stellungnahmen von sechs anderen parlamentarischen Ausschüssen. Das wohl größte Dossier, das der Auswärtige Ausschuss jemals bearbeitet habe, so der Ausschussvorsitzende McAllister.
530 Änderungsanträge schafften es schließlich in den Bericht des Parlaments, der am 27. März 2019 im Plenum angenommen worden ist.
Der Kommissionsvorschlag war vom Wunsch geprägt, mehr Synergieeffekte und Flexibilität als bisher zu generieren. Dem Parlament war es wichtig, diese Flexibilität mit einem Plus an demokratischer Legitimierung und Transparenz auszugleichen. Insbesondere möchte das Parlament eine tiefgreifende Halbzeitüberprüfung, in deren Rahmen nicht nur die Zivilgesellschaft konsultiert werden soll, sondern auch die Effizienz, der Mehrwert sowie die interne und externe Kohärenz des neuen Instruments überprüft werden sollen. Das Parlament schlägt zudem vor, dass das Instrument mit Ende des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens am 31. Dezember 2027 ausläuft. Damit soll wohl ein Automatismus, die Verordnung in die nächste Haushaltsperiode einfach zu übernehmen, verhindert werden.
Das Parlament begrüßt den besonderen Stellenwert, der der Nachbarschaftspolitik im Kommissionvorschlag eingeräumt wird.
Im Hinblick auf die entwicklungspolitische Komponente des Instruments verstärkt das Parlament die Regelungen, die die Grundlage für die Entwicklungszusammenarbeit bilden. So werden Armutsbekämpfung und die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN in die Ziele des Instrumentes aufgenommen. Zudem sollen, anstatt der von der Kommission anvisierten 92%, laut Parlament 95% der Mittel die Kriterien für Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit erfüllen. Ferner schlägt das Parlament vor, dass 45 % der Mittel zur Erfüllung von Klima- und Umweltzielen genutzt werden sollen.
Mit einem neuen Mechanismus sollen Mittel außerdem zukünftig ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn es zu Rückschritten in den Bereichen Demokratie, Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Schutz von Menschenrechten kommt.
Darüber hinaus nimmt das Parlament an verschiedenen Stellen Änderungen an den Mittelzuweisungen vor:
Der Interventionsbereich „Globale Herausforderungen” wird um 1,5 Mrd. € aufgestockt, um die Aspekte Gesundheit und Bildung angemessen abzubilden und aufzuwerten.
Im Interventionsbereich „Organisationen der Zivilgesellschaft“ soll auch die Förderung von lokalen Behörden aufgenommen werden, wie es auch gegenwärtig im Instrument für Entwicklungszusammenarbeit der Fall ist. Das Parlament erhöht auch hier die Mittel um 1,2 Mrd. €, wobei 0,5 Mrd. für die Unterstützung lokaler Behörden und 0,7 Mrd. für die Zivilgesellschaft gedacht sind.
Gleichzeitig erhöht das Parlament die Mittel für Menschenrechts- und Demokratie-Aktivitäten um 0,5 Mrd. €.
Dass nach dem Kommissionsvorschlag zukünftig „Stabilität und Frieden“ sowohl in der geographischen Säule als auch in der thematischen und der Krisenreaktionssäule integriert werden, wird durch das Parlament unterstützt. Zusätzlich schlägt das Parlament vor, Konfliktprävention ausdrücklich in die Ziele des Instruments aufzunehmen und nimmt darüber hinaus folgende Änderungen vor: 2 Mrd. € sollen innerhalb der Krisenreaktionskomponente für „Stabilität und Frieden“ reserviert werden; zudem werden die förderfähigen Aktivitäten, die bisher ausdrücklich im Instrument für Stabilität und Frieden enthalten waren, wieder aufgenommen (z.B. Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten und ihrer Familien) und neue mögliche Aktivitäten eingeführt. Gleichzeitig begrenzt das Parlament die finanziellen Mittel, die für den Kapazitätsaufbau militärischer Akteure in Drittstaaten genutzt werden können, auf 270 Mio. €. Die genannten neuen Mittelzuweisungen für Menschenrechte, Zivilgesellschaft, lokale Behörden und globale Herausforderungen werden aus dem Flexibilitätspolster finanziert, welches entsprechend reduziert wird.
Das Parlament hat damit viele Befürchtungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag seitens der Zivilgesellschaft entkräftet.
So sind die feste Mittelzuweisung für Konfliktprävention in der Krisenreaktionssäule, die Wiederaufnahme konkreter zu fördernder Maßnahmen in diesem Bereich ebenso wie die Mittel-Obergrenze für den Kapazitätsaufbau militärischer Akteure in Drittstaaten positiv zu bewerten.
Die Klimaschutzorganisation CAN begrüßte etwa, dass die Mittel für Klima- und Umweltschutz angehoben worden sind.
Keine Änderungen nimmt das Parlament an dem Vorschlag der Kommission vor, 10 % der Mittel für Migration zu verwenden. Organisationen der Zivilgesellschaft befürchteten damit nicht nur einen starken Fokus auf Migrationsmanagement, sondern kritisierten auch dass das übergreifende Thema Migration dazu führen könnte, dass langfristige außenpolitische Ziele kurzfristigen Bestrebungen Migration zu begrenzen, untergeordnet werden könnten.
Diesen Befürchtungen versucht das Parlament zu begegnen, indem es einen umfassenden und längerfristigen Ansatz fordert, in dessen Rahmen die Ursachen irregulärer Migration und Vertreibung angegangen werden und eine effektive, menschenrechtsbasierende Politik unterstützt, die sichere, geordnete und reguläre Migration vereinfacht.
Bevor nun die Trilogverhandlungen mit der Kommission und dem Ministerrat beginnen können, müssen die Mitgliedsstaaten im Rat ihre Position festlegen. Dort laufen noch die Verhandlungen. Eine Einigung wird frühestens im Oktober erwartet.
Die Position des Europäischen Parlaments finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-160_ASuV-4