Europa - Informationen Nr. 160
Zukunft der EU: Ein starkes Europa im Fokus: Die Wahlprogramme der deutschen Parteien zur Europawahl 2019
Till Christofzik (Praktikant)
Das Europäische Parlament ist ein wichtiger Akteur in vielen Politikfeldern, die auch aus evangelischer Perspektive von besonderer Relevanz sind. Gleichzeitig ist es das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union und vertritt in der Gesetzgebung die Stimme der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Zur Orientierung wird im Folgenden ein kurzer Einblick in die Wahlprogramme der Parteien zur Europawahl in Deutschland gegeben. Der Fokus liegt dabei jeweils auf den generellen Visionen der Parteien für die EU sowie auf den kirchlichen Interessensfeldern Asyl- und Migration, Soziales sowie Umwelt.
Unser Europa macht stark – das Programm der CDU/CSU
„Wir kämpfen für ein demokratisches, handlungsfähiges, sicheres und bürgernahes Europa. Wir wollen Europa als starken Staatenverbund, als erfolgreichen Wirtschaftsraum und als globalen Stabilitätsanker in der Welt!“ (CDU/CSU Wahlprogramm für die Europawahl)
Unter dieser Prämisse will die Union aus CDU und CSU ein neues europäisches Kapitel aufschlagen. Das freundschaftliche und kulturelle Miteinander bilde dabei den Kern der europäischen Idee, des Verständnisses füreinander und des Zusammenhalts.
Sozialpolitisch konzentriert die Union sich auf Grundstandards der sozialen Sicherheit, betont jedoch, dass Erwirtschaften vor dem Verteilen komme. Für die sozialen Sicherungssysteme und Regulierungen zum Mindestlohn oder zur Altersvorsorge sollten die Mitgliedstaaten aus Sicht der Union selbst verantwortlich bleiben. Die Freizügigkeit solle Arbeitnehmern keine Nachteile einbringen, gleichzeitig brauche diese jedoch stärkere Regulierung. In diesem Zusammenhang spricht die Union sich für die Indexierung von Kindergeld sowie die Beendung missbräuchlicher Kindergeldtransfers ins Ausland aus.
Im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik bekennt sich die Union zu den humanitären Pflichten der EU. Gleichzeitig fordert sie, Asylbewerberleistungen auf ein Minimum zu beschränken, die Zahl der Schutzsuchenden dauerhaft niedrig zu halten und Frontex zu einer operativen Grenzpolizei auszubauen. Das Ziel sei ein einheitliches und schnelles Asylverfahren in der EU. Die Union setzt dafür auf europäische Transitzentren sowie auf regionale Aufnahmezentren in Nordafrika und will mit Staaten Afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens Abkommen nach Vorbild des EU-Türkei-Deals abschließen.
Umweltpoltisch verfolgen CDU und CSU das Ziel, Wirtschaft und Umwelt in Einklang zu bringen. Dafür setzt die Union auf den europaweiten Ausbau von emissionsarmen und erneuerbaren Energien sowie auf die Verknüpfung des europäischen Stromnetzes und die Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Der Ausstieg aus Kohle- und Kernkraft dürfe jedoch nicht durch emissionsintensiven Strom aus dem Ausland ersetzt werden. Gleichzeitig bekennt sich die Union zur Erhaltung und Stärkung der Automobilindustrie und lehnt Dieselfahrverbote ab.
In Bezug auf die Bedeutung der EU stellt die Union klar:
„Die Europäische Union ist unser Garant für Frieden und Freiheit, für Wohlstand, für die Achtung der Menschenrechte, für Sicherheit und Stabilität.“ (CDU/CSU Wahlprogramm für die Europawahl)
Kommt zusammen und macht Europa stark – das Programm der SPD
„Kommt zusammen und macht Europa stark!“ Unter dieser Aufforderung entwickelt die SPD ihr Wahlprogramm, das unter anderem ein soziales Europa, mehr Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Besteuerung von Großunternehmen der Internetbranche fordert.
„Wichtiger als je zuvor sind darum heute Klarheit in der Überzeugung, Mut im politischen Handeln und die Bereitschaft, Europas Zusammenhalt und Einheit zu verteidigen und zu stärken.“ (SPD-Wahlprogramm für die Europawahl)
Im Bereich der Sozialpolitik fordert die SPD die Umsetzung der sozialen Grundrechte in einer verbindlichen Sozialagenda der EU, Mindestlöhne gegen Armut sowie die Einführung eines europäischen Fonds als Rückversicherung für die Finanzierung von Sozialleistungen. Darüber hinaus müsse die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der EU durch einen europäischen Masterplan verbessert werden.
Asyl- und migrationspolitisch fordert die SPD, dass sich alle Mitgliedstaaten ihrer humanitären Verantwortung stellen und flüchtenden Menschen Schutz und Zuflucht bieten. Als Grundlage einer geordneten Zuwanderung solle die Möglichkeit legaler Einwanderungsmöglichkeiten geschaffen werden. Für eine humanitäre Politik müsse das Dublin-System reformiert, europäische Seenotrettung geleistet und mit Entwicklungszusammenarbeit Fluchtursachen bekämpft werden.
Umweltpolitisch steht die SPD für stärkere Anstrengungen gegen die Klimaerwärmung sowie Schritte zur Umstellung des Energiemixes hin zu mehr erneuerbaren Energien. Darüber hinaus will sie saubere Mobilitätskonzepte fördern und eine Verkehrswende einleiten. Die Forderung nach dem Schutz der Umwelt sowie die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft stellen weitere Aspekte des Umweltbereiches im Wahlprogramm der SPD dar.
Für die SPD steht fest:
„Die europäische Idee bleibt der bedeutendste politische und zivilisatorische Fortschritt des vergangenen Jahrhunderts: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit und politische Partnerschaft über nationale Grenzen hinweg.“ (SPD-Wahlprogramm für die Europawahl)
Europas Versprechen erneuern – das Programm der Grünen
Unter dem Slogan der Erneuerung der europäischen Versprechen setzen sich die Grünen für eine ökologische, soziale, geschlechtergerechte und demokratische EU ein. Die übergeordneten Ziele des Wahlprogrammes der Grünen sind es, die Klimakrise zu bekämpfen, Europas Demokratie zu verteidigen und für sozialen Ausgleich innerhalb Europas zu sorgen.
„Die Europäische Union muss zu einer Union des Klimaschutzes werden. Das heißt nicht nur, dass sie eine andere Energie-, Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik betreibt, sondern dass sie die ökologischen Fragen auch ins Zentrum ihrer Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik stellt.“ (Europawahlprogramm der Grünen)
An erster Stelle des Programmes steht der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Darunter fallen für die Grünen ein europaweiter Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom sowie Investitionen in den deutlich schnelleren Ausbau von nachhaltigen Energien. Die EU solle so zum weltweiten Vorreiter in den Bereichen des Klimaschutzes und der erneuerbaren Energien werden.
Ein europäisches Einwanderungsrecht, das legale Migration ermöglicht sowie die europäisch organisierte und finanzierte zivile Seenotrettung sind zentrale Aspekte des Programmes der Grünen in der Asyl- und Migrationspolitik. Sie entwerfen die Vision eines einheitlichen Asylsystems, dem ein fairer und solidarischer Verteilungsmechanismus zugrundeliegen soll. Durch die Verwirklichung globaler Gerechtigkeit sollen aus Perspektive der Grünen auch Fluchtursachen angegangen werden.
Sozialpolitisch setzen sie sich für einklagbare soziale Grundrechte und eine Grundsicherung für alle Menschen innerhalb der EU ein. Darüber hinaus fordern sie europaweite Mindestlöhne, die den Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Mitgliedstaaten entsprechen und so ein auskömmliches Leben garantieren. Gegen die geschlechterspezifische ungleiche Bezahlung wollen die Grünen konkrete Maßnahmen ergreifen.
Für die Grünen gilt:
„Die europäische Idee ist mit das Wertvollste, was dieser Kontinent je geschaffen hat. Aus einst verfeindeten Staaten wurden Freunde und Partner.“ (Europawahlprogramm der Grünen)
„Europas Chancen nutzen“ - das Programm der FDP
Unter dem Titel „Europas Chancen nutzen“ beschreibt die FDP ihre Vision für ein dynamisches Europa. Es brauche Mut zur Veränderung anstatt Stillstand und lautem Gebrüll.
„Die Europäische Union gewinnt neue Chancen durch mehr Nähe und Mitspracherecht. Wir wollen die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger stärken, institutionelle Reformen vorantreiben und dabei Bürokratie abbauen.“ (Das Programm der FDP zur Europawahl 2019)
Zentraler Aspekt im Programm der FDP ist die institutionelle Veränderung der EU. Darunter fällt für die Partei die Stärkung des Europäischen Parlaments durch ein Initiativrecht, die Verkleinerung der Kommission sowie die Forcierung einer gemeinsamen europäischen Verfassung. Bis spätestens 2022 solle ein Europäischer Konvent einberufen werden, der den Weg zu einer gemeinsamen Verfassung ebnen soll.
Im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik brauche die EU eine gemeinsame Einwanderungspolitik und eine werteorientierte Flüchtlingspolitik. Die FDP setzt sich für den Ausbau des europäischen Grenz- und Küstenschutzes (Frontex) ein und sieht Seenotrettung als Teil des Mandates der Agentur. Sie fordert darüber hinaus ein einheitliches europäisches Asyl- und Einwanderungsrecht, welches zwischen Flucht, Asyl sowie arbeitsmarktbezogener Einwanderung unterscheidet.
Die FDP spricht sich im sozialen Bereich gegen die Vereinheitlichung europäischer Sozialsysteme aus. Stattdessen will sie die Möglichkeiten prüfen, erworbene Anwartschaften in staatlichen Vorsorgesystemen in die Systeme anderer Staaten zu übertragen. Außerdem solle die Freizügigkeit in Bezug auf Erwerbslose eingeschränkt werden.
Technologieoffenheit und Wettbewerb bieten für die FDP die besten Lösungen im Bereich der Umweltpolitik. Es brauche ein gesundes Wirtschaftswachstum, das Treibhausgase reduziert.
Trotz der Kritik an den aktuellen Strukturen der EU steht für die FDP fest:
„Die Einheit Europas ist das Beste, was uns allen passieren konnte.“ (Das Programm der FDP zur Europawahl 2019)
Europa nur solidarisch – das Programm der Linken
„Für ein solidarisches Europa der Millionen, gegen eine Europäische Union der Millionäre.“ (Europawahlprogramm der Linken)
Die Linke fordert unter dieser Überschrift ein neues Europa, da die EU nicht dem entspreche, was sich die Linke wünsche. Dieser Neustart bedeutet für die Linke unter anderem die Forderung nach einer EU, die den Binnenmarkt und Unternehmen stärker reguliert, die gute Arbeitsbedingungen schafft und sich für die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger einsetzt. All dies sieht die Linke als bisher nicht erfüllt an.
Die Linke fordert die soziale Absicherung aller Menschen in der EU, unabhängig von Herkunft oder Nationalität. Die EU-Staaten müssten verpflichtet werden, dies zu ermöglichen, so die Linke. Eine Vereinheitlichung der Sozialsysteme der Mitgliedstaaten sei dafür nicht notwendig. Vielmehr brauche es einen Rettungsschirm für Beschäftigte und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Teile der Linken würden darüber hinaus auch das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens vertreten.
In Bezug auf Asyl- und Migrationspolitik fordert die Linke einen Dreiklang. Erstens sollten Menschen gerettet und sichere sowie legale Flucht- und Einreisewege geschaffen werden. In diesem Zusammenhang fordert die Linke beispielsweise die Auflösung von Frontex. Zweitens sollten europaweit Rechte, wie das Wahlrecht für alle in der EU lebenden Menschen, durchgesetzt werden und die sozialen Voraussetzungen zur Integration verbessert werden. Drittens sollten Fluchtursachen aktiver bekämpft werden.
Im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik steht die Linke für den sofortigen Beginn des europaweiten Kohleausstiegs und den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie setzt auf nachhaltige Landwirtschaft, die Verlagerung des Güterverkehrs sowie des innereuropäischen Flugverkehrs auf Züge und die Förderung autofreier Innenstädte.
In Bezug auf ihre Vision der EU stellt die Linke klar:
„DIE LINKE steht für die europäische Idee von sozialer Gerechtigkeit, Humanismus und internationaler Solidarität.“ (Europawahlprogramm der Linken)
Ein Europa der Nationen – das Programm der AfD
Unter der Forderung nach einem Europa der Nationen strebt die AfD die Abschaffung des Europäischen Parlaments und eine Rückkehr zu nationalstaatlichen Kompetenzen an. Sollten diese Forderungen nicht erfüllt werden, werde die AfD den EU-Austritt Deutschlands forcieren.
„Das undemokratische EU-Parlament mit seinen derzeit privilegierten 751 Abgeordneten wollen wir abschaffen.“ (Europawahlprogramm der AfD)
Die AfD lehnt die Idee einer engeren Zusammenarbeit innerhalb der EU ab. Stattdessen tritt sie für Europa als Wirtschafts- und Interessengemeinschaft einzelner Nationalstaaten ein. Die Idee, dass sich eine gemeinsame europäische Identität der Bürgerinnen und Bürger entwickeln könnte, verneint die AfD in diesem Zusammenhang.
Asyl- sowie migrationspolitisch spricht sich die AfD für die Begrenzung jeglicher Migration aus und fordert dauerhafte nationale Grenzkontrollen. Ein gemeinsames europäisches Asylsystem lehnt die AfD entschieden ab. Die verstärkte Ab- und Ausweisung von Migrantinnen und Migranten müsse ebenso das Ziel sein wie die unverzügliche Rückführung aller syrischen Geflüchteten aus Deutschland. Darüber hinaus bezeichnet das Programm den Islam als Gefahr und will Minarette, öffentliche Gebete, Muezzinrufe und Kopftücher verbieten.
Aus Perspektive der AfD dürfe es sozialpolitisch keinesfalls zu einer Vereinheitlichung von Sozialsystemen innerhalb der EU kommen. Ebenso abgelehnt werden eine europäische Arbeitsagentur und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Darüber hinaus wendet sich die AfD gegen verbindliche Inklusion von Menschen mit Behinderungen in öffentlichen Bildungseinrichtungen, die Umsetzung von Gender-Mainstreaming und Frauenförderung ohne parallele Förderung von Männern.
Klimapolitisch lehnt die AfD das Klimaabkommen von Paris ab und bezweifelt, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wurde. Sie fordert die Weiterentwicklung von Atomkraftreaktoren und steht für einen Energiemix aus Kohle, Mineralöl, Erdgas und Kernkraft. Erneuerbare Energien sind aus Perspektive der AfD schädlich für Mensch und Natur. Die AfD spricht sich gegen Fahrverbote jeglicher Art aus.
Die AfD kandidiert für das Europäische Parlament, um es abzuschaffen und stellt in Bezug auf die EU klar:
„Die quasistaatliche „Europäische Union“ halten wir für einen Widerspruch in sich.“ (Europawahlprogramm der AfD)
Die Vision der EKD von Europa ist getragen vom ökumenischen Gedanken von Einheit und Vielfalt. Viele der Programme fordern zwar Veränderungen an den Strukturen der EU, stehen aber klar hinter der Idee einer europäischen Gemeinschaft, die gemeinsam im Stande ist, Großes zu leisten und Herausforderungen zu meistern. Doch es gibt auch andere Visionen, die auf Abschottung und Homogenität setzen. Bei der Europawahl im Mai ist es dann an den Wählerinnen und Wählern, zu entscheiden, in welchem Europa sie in Zukunft leben wollen.
Die Wahlprogramme der Parteien finden Sie hier:
CDU/CSU: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE-1
SPD: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE-2
Grüne: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE3
FDP: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE-4
Die Linke: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE5
AfD: http://bit.ly/ekd-NL-160_ZdE-6