Europa - Informationen Nr. 160
Verhandlungen zu den Europäischen Fördermitteln: Endspurt im Parlament, Startschuss im Rat
Ulrike Truderung
Am 15.-18. April 2019 findet die letzte Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in der laufenden Legislaturperiode statt – alle Entscheidungen, die bis zum 18. April nicht im Plenum verabschiedet wurden, bleiben also über die Europawahl hinaus offen und können vom neuen Parlament entweder weiterverfolgt, abgeändert oder vollständig verworfen werden. Das gilt natürlich auch für die Verordnungsentwürfe, die in der kommenden Haushaltsperiode 2021-2027 die EU-Fördermittel regulieren sollen. Noch mehr als bei anderen Gesetzesentwürfen wäre es bei diesen Verordnungen zu diversen EU-Fördermitteln jedoch fatal, falls die bisher geleistete Arbeit vom zukünftigen Parlament nicht weitergeführt würde, denn im Hinblick auf das nahende Ende der laufenden Förderperio-de Ende 2020 würden Verzögerungen in der Verabschiedung zu erheblichen Verzögerungen in der Programmerstellung und somit schlussendlich zu einer Förderlücke von einem Jahr oder mehr führen.
Entsprechend ehrgeizig ist das Europäische Parlament, die Verhandlungen über die Verordnungen zu den europäischen Förderprogrammen noch vor Ende der Legislaturperiode abzuschließen. Mit Erfolg: Fast alle Berichte des Parlaments zu den einzelnen Förderprogrammen konnten bis zur letzten Plenarsitzung abgeschlossen werden. Einzig im Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) wird diese Zeitplanung wohl nicht eingehalten werden können (s.u.). Auf Seiten des Europäischen ParVerhandlungen
zu den Europäischen Fördermitteln: Endspurt im Parlament, Startschuss im Rat
Ulrike Truderunglaments können daher die Trilogverhandlungen mit dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission zu fast allen Förderprogrammen aufge-nommen werden, in einigen Fällen – zum Beispiel beim Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa, dem Nachfolgeprogramm des Programms Horizont 2020 – sind die Verhandlungen sogar bereits vorläufig abgeschlossen (s. u.).
Im Ministerrat hingegen sieht der Stand der Verhandlungsreife noch etwas trüber aus. Noch haben sich die Staats- und Regierungschefs nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) einigen kön-nen, insbesondere nicht auf den Gesamtbetrag, der für die kommende Haushaltsperiode bereitgestellt werden soll. Eine Einigung bis Herbst 2019, wie sie offiziell derzeit in Aussicht gestellt wird, erscheint derzeit nicht mehr realistisch; wahrscheinlicher ist, dass eine Einigung unter kroatischer Ratspräsidentschaft im Frühjahr 2020 erzielt werden könnte. Die sich daraus ergebenden Verzögerungen in der Umsetzung der zukünftigen Förderprogramme würden dann in etwa den Verzögerungen zu Beginn der aktuellen Förderperiode entsprechen, die 2014 eine Förderlücke von etwa einem Jahr bewirkten.
Positiver erscheint die Situation in Bezug auf die einzelnen Verordnungsvorschläge für konkrete Förderprogramme und -fonds. In zahlreichen Förderprogrammen wie dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) oder auch in der Dachverordnung, die gemeinsame Bestimmungen für eine ganze Reihe von Förderprogrammen festlegen soll (Europa-Informationen 159), hat auch der Rat ein Verhandlungsmandat vorgelegt, so dass die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission beginnen konnten, im Fall von Horizont Europa wurde sogar bereits eine vorläufige Einigung über das zukünftige Programm erzielt (siehe „Kurze Meldungen“).
In Bezug auf die Dachverordnung wird weiterhin ein Hauptverhandlungspunkt sein, ob der ELER Teil der Verordnung sein wird oder nicht. Im Kommissionsvorschlag war der ELER wieder aus dem Dach der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) aus- und vollständig in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eingegliedert worden (Europa-Informationen 159). Einzig das Programm LEA-DER soll wie gehabt unter der Dachverordnung verbleiben. Das Europäische Parlament sprach sich in seiner Stellungnahme zur Dachverordnung gegen diese Maßnahme aus und forderte, den ELER wieder in die Dachverordnung aufzunehmen; der Rat wiederum nahm die Änderung positiv auf und befürwortet eine Ausgliederung des ELER aus den ESIF. Kritiker einer Herausnahme des ELER befürchten, dass Synergien, die in dieser Haushaltsperiode durch die Zusammenführung des ELER mit dem ESF, dem EFRE, dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) sowie dem Kohäsionsfonds unter einer gemeinsamen ESIF-Verordnung geschaffen wurden, mit einer erneuten Trennung des ELER von den verbleibenden ESIF wieder gefährdet würden.
Zuletzt scheiterten die Trilogverhandlungen zur Dachverordnung jedoch aus einem ganz anderen Grund, nämlich aufgrund zu großer Differenzen insbesondere in Bezug auf die sogenannten Partnerschaftsvereinbarungen. Diese umfassenden Dokumente sind derzeit von jedem Mitgliedstaat vorzulegen und stellen ein Dokument dar, in dem die betreffenden Mitgliedstaaten ihre übergeordnete Strategie zur Nutzung der ihnen zugeteilten Struktur- und Investitionsfonds erläutern sollen. Die konkrete Umsetzung einzelner Fördertöpfe erfolgt dann im Rahmen sogenannter Operationeller Programme. Strittig zwischen Rat und Parlament ist nun die Notwendigkeit dieser Partnerschaftsvereinbarungen im Falle von kleineren Mitgliedstaaten, die in absoluten Zahlen nur sehr geringe Beträge an EU-Mitteln erhalten und wenige Förderprogramme umsetzen: Während der Rat für diese Mitgliedstaaten gerne eine Befreiung von der Pflicht zur Einreichung einer Partnerschaftsvereinbarung durchsetzen möchte, besteht das Parlament auf der allgemeingültigen Verpflichtung, eine umfassende Strategie zur Nutzung von EU-Strukturfördermitteln vorab vorzulegen.
In Bezug auf den EFRE möchte der Rat die von der Kommission vorgeschlagene Thematische Fokussierung beibehalten, bei der ambitionierte Anteile der EFRE-Mittel für die Innovationsfähigkeit und den Klimaschutz ausgegeben werden müssen – in Deutschland wären das mindestens 85% der EFRE-Mittel, wovon mindestens 60% für Forschung und Innovation vorgesehen werden müssten (Europa-Informationen 159). Das Parlament hingegen schlägt in seiner Stellungnahme zur EFRE-Verordnung vor, diese Beträge zu lockern, jedoch gleichzeitig die für den Klimaschutz vorgesehenen Gelder zu erhöhen – setzt sich das Parlament durch, so würde das für Deutschland bedeuten, dass mindestens 50% für Forschung und Innovationen und mindestens 30% für Projekte zum Klimaschutz vorgesehen werden müssten. Zudem wurden in das Ziel der Innovationsförderung auch explizit soziale Innovationen aufgenommen – auch das EKD-Büro Brüssel hatte sich für diese Änderung ausgesprochen.
Die von der Kommission in der Verordnung zu INTERREG vorgeschlagenen „Interregionalen Investitionen“, die im Rahmen der INTERREG-Verordnung massiv umstritten waren (Europa-Informationen 159), möchte der Rat grundsätzlich gerne beibehalten – allerdings sollen diese unter das Dach der EFRE-Verordnung übertragen und so aus der INTERREG-Verordnung herausgelöst werden.
Unklar ist noch die zukünftige Marschrichtung des ELER. Neben der oben genannten Frage, ob und inwiefern der ELER zukünftig in den Zuständigkeitsbereich der Dachverordnung fallen sollte, wurden von der Europäischen Kommission insgesamt massive Umstrukturierungen in der GAP vorgeschlagen: So sollen nach Vorstellung der Kommission zukünftig die erste Säule (Direktzahlun-gen an Landwirte) und die zweite Säule (Entwicklung des ländlichen Raums) der GAP noch enger aneinander herangeführt und miteinander verzahnt werden. Für die erste und zweite Säule sollen Mitgliedstaaten zukünftig einen, und auch nur einen, gemeinsamen nationalen Strategieplan verfassen; die Direktzahlungen und der ELER würden also im Rahmen eines gemeinsamen Programms und möglicherweise auch eines einzigen Begleitausschusses gemeinsam umgesetzt und verwaltet werden. Zwischen der ersten und der zweiten Säule soll eine gewisse Flexibilität bestehen: bis zu 15% der Mittel sollen zwischen den beiden Säulen verschoben werden können. Wie in allen Bereichen des EU-Haushalts soll auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik der Rotstift angesetzt werden: In der ersten Säule der GAP sollen insgesamt rund 5% der Mittel gekürzt werden, in der zweiten Säule rund 15%.
Zu Redaktionsschluss waren weder die Position des Rats noch die des Europäischen Parlaments abschließend formuliert. Die Positionierung des Parlaments zum zentralen Vorschlag für die GAP-Verordnung wird länger dauern als ursprünglich veranschlagt – zum Bericht der Berichterstatterin Esther Herranz García (Spanien, EVP) waren rund 6.000 Änderungsanträge eingegangen, so dass eine Abstimmung im Ausschuss für Landwirtschaft erst am 2. April 2019 erfolgen konnte. In das Plenum konnte der Bericht danach vor den Europawahlen nicht mehr eingebracht werden – es wird in der laufenden Legislaturperiode schlichtweg keine Plenarsitzung mehr stattfinden, in die die GAP-Verordnungsvorschläge eingebracht werden können. Ob und inwieweit das nächste Parlament sich die Positionierung des derzeitig amtierenden Parlamentes zu Eigen machen wird, wird sich zeigen müssen.
Die Berichte des Europäischen Parlaments finden Sie unter den folgenden Links:
Zur Dachverordnung: http://bit.ly/ekd-NL-160_EU-Fp-2
Zum EFRE: http://bit.ly/ekd-NL-160_EU-Fp-3
Zur GAP wurde der am 4. April beschlossene Ausschussbericht noch nicht veröffentlicht.