Europa - Informationen Nr. 158

„Brückenbauer in Europa!?“ - Österreich über-nimmt den EU-Ratsvorsitz

Insa Knickrehm (Praktikantin)

Am 1. Juli 2018 hat Österreich die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernommen. Ihren Vorsitz werden die Österreicher unter das Motto: „Ein Europa das schützt“ stellen, um mehr Bürgernähe zu schaffen, und das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der EU wieder herzustellen.

Kernthemen dieser Periode werden neben den Verhandlungen über den neuen EU-Haushalt, die Themen Sicherheit und der Kampf gegen irreguläre Migration, die Sicherung des Wohlstands und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung sowie die Stabilisierung in der Nachbarschaft – Heranführung des Westbalkans an die EU sein. Außerdem wird ein großes Augenmerk auf den Brexit gelegt werden, da die Verhandlungen bis Oktober 2018 abgeschlossen sein müssen. In diesem Zusammenhang soll an der Einheit der verbleibenden EU-27 gearbeitet werden. Unter Anspielung auf den Weißbuchprozess zur Zukunft der EU, den die EU-Kommission im März 2017 lanciert hatte, spricht sich die österreichische Regierung für das vierte Szenario aus: „Weniger, aber effizienter“. Österreich verstehe sich als „Brückenbauer“ und wolle sich auf Themen fokussieren, „wo es gemeinsam möglich ist, unsere Europäische Union voranzubringen, so Kanzler Sebastian Kurz am 3 .Juli 2018 vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Asyl und Migration sowie Außengrenzschutz
In der Asyl- und Migrationspolitik geht es dem österreichischen Vorsitz v.a. um verstärkte Kooperation mit Drittstaaten und um den Ausbau des Außengrenzschutzes. Die Vollendung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist keine Priorität und taucht nur am Rande des Programms auf. Es sollen vor allem externe Aspekte der Migration in den Fokus genommen und auf einer „klaren Trennung zwischen Flüchtlingen und Migranten“ aufgebaut werden. Daher sei die Schaffung eines „resilienten und strengen Asyl- und Migrationssystems“ notwendig, durch welches „unkontrollierte Migrationsbewegungen verhindert und der Migrationsdruck auf die Mitgliedsstaaten der EU minimiert werden“ solle.

Hierfür soll die Zusammenarbeit mit relevanten Herkunfts- und  Transitländern ausgebaut werden, um eine Eindämmung von irregulärer Migration durch den Aufbau nachhaltiger Schutzkapazitäten in den betreffenden Regionen sowie Rückkehr, Rückübernahme und Reintegration sicherzustellen. Im Zuge dessen soll der europäische Grenz- und Küstenschutz (FRONTEX) gestärkt und das Mandat angepasst werden. Zudem gelte es, vermehrt gegen Schlepperei und Menschenhandel vorzugehen. Hierdurch solle verhindert werden, dass schutzbedürftige Menschen die gefährliche Überfahrt nach Europa antreten. Migranten solle in Zukunft schon außerhalb Europas geholfen und effektive Rückführungsmöglichkeiten gewährleistet werden. Um diese Ziele zu erreichen, sei ein gemeinsames Vorgehen der EU notwendig, auch um die Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Hierfür müsse es effizientere Zusammenarbeit sowie Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden geben.
Um irreguläre Migration weiter einzudämmen, ist u.a. angedacht, die Bemühungen der Joint Task Force aus EU, Afrikanischer Union und der Vereinten Nationen weiter zu verfolgen, ebenso soll ein zielorientierten Ausbau der Kooperationsmodelle und Migrationsdialoge mit prioritären Herkunftsstaaten erfolgen.

Damit weiterhin die Reisefreiheit im Schengen-Raum gewährleistet werden kann, müssten zudem wirksame Kontrollen an den EU-Außengrenzen vorgenommen werden. Hierfür müsse zum einen die Reform des GEAS forciert und zum anderen FRONTEX verstärkt werden, um einen effizienten Außengrenzschutz zu gewährleisten. Zum Thema „Bekämpfung irregulärer Migration“ ist zudem am 20. September 2018 ein informeller Rat geplant. Des Weiteren solle der Schengener Grenzkodex überarbeite werden, um im Fall einer Bedrohung der inneren Sicherheit die Binnengrenzkontrollen länger durchführen zu können.
Im Zuge dessen soll die Verordnung zur Schaffung eines Einreise-/ Ausreise-Systems (EES) und das EU-Reiseinformations- und Genehmigungssystems (ETIAS) zur Nachverfolgung der Reisebewegungen von Drittstaatenangehörigen innerhalb der EU vorangetrieben werden.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sollen als Erwiderung auf die Migrationsfrage vor allem wirtschaftliche Perspektiven in den Herkunftsländern geschaffen und die Geschlechtergerechtigkeit durch den EU-Gender-Aktionsplan vorangetrieben werden.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
In diesem Bereich wird Österreich sein Handeln vor allem auf ein Bekenntnis zum Multilateralismus fokussieren, die Lage in der Ukraine verbessern und zu einer Lösung ebenso wie Stabilisierung für die Länder des Mittelmeerraumes beitragen. Außerdem sollen die EU-Russland-Beziehungen und der EU-Russland-Dialog fortgesetzt werden, um Stabilität in Europa ebenso wie der Welt zu gewährleisten.

Stabilität in der Nachbarschaft
Damit Sicherheit und Stabilität in der Europäischen Union gewährleistet werden können, will die Präsidentschaft die Beziehungen zu den Nachbarstaaten, insbesondere auf dem Westbalkan, ausbauen. Hierfür soll auf die Erweiterungsstrategie der Europäischen Kommission aus dem Februar 2018 aufgebaut und insbesondere die EU-Perspektive all dieser Staaten aufgrund klarer Kriterien in Bezug auf die individuellen Entwicklungen ausgestaltet werden.

Konkret soll hierfür die Ergebnisse des EU-Westbalkan-Gipfels aus dem Mai 2018 umgesetzt werden. Hierzu zählen unter anderem „konkrete Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen“, ebenso wie die laufenden Beitrittsverhandlungen von Serbien und Montenegro.

Brexit
In die Phase des Ratsvorsitzes fallen die Abschlussverhandlungen zum Brexit. Daher soll die Einheit der verbleibenden 27 EU-Staaten gewahrt werden, indem starke Garantien, Kontrollmechanismen und der rechtliche Schutz der Bürger in dem Austrittsabkommen gewährleistet werden.

Mehrjähriger Finanzrahmen (MMF)
Der MMF bezieht sich auf die Zeit nach 2020 (siehe nachfolgender Artikel). Inhaltlich soll in diesem Zusammenhang vor allem auf die Neuausrichtung der Kohäsionspolitik eingegangen werden. Angestrebt werden mehr Differenzierung, Verhältnismäßigkeit und verstärkte Ergebnisorientierung und schnelle Fortschritte in den Verhandlungen.

Beschäftigungs- und Sozialpolitik
Einen Themenschwerpunkt des österreichischen Ratsvorsitzes wird die Digitalisierung der Arbeit darstellen. Um der Digitalisierung in der Arbeitswelt zu begegnen,  seien gemeinsame Regelungen auf dem Binnenmarkt notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Ein weiteres Augenmerk solle auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ebenso wie das Sozial- und Arbeitsrecht gelegt werden. Die Verhandlungen zur Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen ebenso wie neue beschäftigungspolitische Leitlinien für die Europäische Union sollen vorangebracht werden.

Bildung und Jugend
Hier soll im Rahmen der Diskussion über die Nachfolgeprogramme von ERASMUS+ im Rat ein Einvernehmen über wesentliche Programmteile erarbeitet werden, ebenso wie zur Arbeit an der Einigung bezüglich der „gegenseitigen Anerkennung von Schul- und Hochschulabschlüssen und von Studienzeiten im Ausland“. Im Bereich Jugend soll die Verhandlung des Vorschlages einer neuen EU-Jugendstrategie für die Zeit ab 2019 einen Schwerpunkt bilden. Für die erste Implementierungsphase 2019 – 2020 soll ein konkreter Arbeitsplan ausverhandelt werden.

Zur Folgeinitiative des Europäischen Solidaritätskorps (ab 2021) wollen die Österreicher rasche und effiziente Fortschritte anvisieren. Für das Nachfolgeprogramm von Erasmus+ wird eine Stellungnahme für den Bereich Jugend angekündigt.

Das Programm des Vorsitzes finden Sie unter:
http:bit.ly/ekd-NL-158_ZdE-3

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